Urteil des SozG Hildesheim vom 30.10.2007

SozG Hildesheim: ablauf der frist, sinn und zweck der norm, hauptsache, erlass, rückstufung, erfüllung, ausländer, leistungsbezug, hessen, behandlung

Sozialgericht Hildesheim
Beschluss vom 30.10.2007 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Hildesheim S 40 AY 108/07 ER
1. Der Antragsgegner wird verpflichtet, den Antragstellern zu 1 bis 3 vorläufig unter dem Vorbehalt der Rückforderung
ab dem 1. Oktober 2007 bis zur Entscheidung über den Widerspruch vom 3. Oktober 2007 gegen den Bescheid vom
1. Oktober 2007 Leistungen gem. § 2 Abs. 1 Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) i.V.m. dem Sozialgesetzbuch
Zwölftes Buch (SGB XII) zu bewilligen und unter Anrechnung bereits nach §§ 1, 3 AsylbLG gewährter Leistungen
auszuzahlen. Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt. 2. Der Antragsgegner hat den Antragstellern 75 Prozent der
notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten. 3. Den Antragstellern zu 1 bis 3 wird Prozesskostenhilfe unter
Beiordnung von Rechtsanwalt G., Göttingen, gewährt. Der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe des
Antragstellers zu 4 wird abgelehnt.
Gründe:
Die Antragsteller wehren sich gegen die Rückstufung auf das Niveau der Grundleistungen nach § 3 AsylbLG aufgrund
einer im August 2007 erfolgten Gesetzesänderung.
Die 1963 geborene Antragstellerin zu 1 ist die Mutter der 1989 bis 2004 geborenen Antragsteller zu 2 bis 4. Die
Antragsteller sind irakische Staatsangehörige, die mit Ausnahme des Antragstellers zu 4 im Februar 2002 in die
Bundesrepublik Deutschland (BRD) eingereist sind. Seit erfolglosem Ausgang ihrer Asylverfahren werden die
Antragsteller derzeit geduldet. Der im Haushalt der Antragsteller lebende Lebensgefährte der Antragstellerin zu 1
verfügt über einen Aufenthaltstitel gem. § 25 Abs. 3 Aufenthaltsgesetz (AufenthG); ihm ist die Aufnahme einer
unselbständigen Erwerbstätigkeit seit Juli 2007 gestattet.
Soweit aus der Leistungsakte des Antragsgegners ersichtlich, bezogen die Antragsteller zu 1 bis 3 seit Einreise in
das Bundesgebiet Leistungen nach § 3 AsylbLG, der Antragsteller zu 4 seit seiner Geburt am 13. Februar 2004. Nach
Ablauf des 36 Monate währenden Bezugs von Leistungen nach § 3 AsylbLG durch die Antragsteller zu 1 bis 3 stellte
der Antragsgegner die Leistungsgewährung am 18. Februar 2005 auf Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites
Buch (SGB II) um. Leistungen nach dem SGB II bezogen die Antragsteller sodann bis einschließlich Juni 2005. Ab
Juli 2005 richteten sich die den Antragstellern gewährten Leistungen nach § 2 AsylbLG, zuletzt bewilligt mit Bescheid
vom 22. Juni 2007.
Mit Bescheid vom 18. September 2007 hob der Antragsgegner die Leistungsgewährung nach § 2 AsylbLG für den
Zeitraum ab 1. Oktober 2007 auf. Zur Begründung führte er aus, dass mit Erlass des Gesetzes zur Umsetzung
aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union nach § 2 AsylbLG in der ab 28. August 2007
geltenden Fassung (folgend: § 2 AsylbLG n. F.) nunmehr ein 48 Monate währender Bezug von Grundleistungen nach
§ 3 AsylbLG erforderlich und der Bewilligungsbescheid damit nach § 48 Abs. 1 Satz 2 Sozialgesetzbuch Zehntes
Buch (SGB X) aufzuheben sei.
Unter dem 19. September 2007 bewilligte der Antragsgegner den Antragstellern und dem Lebensgefährten der
Antragstellerin zu 1 Leistungen nach § 3 AsylbLG ab Oktober 2007. Mit einem als Änderungsbescheid bezeichneten
Bescheid vom 1. Oktober 2007 bewilligte der Antragsgegner den Antragstellern wiederum Leistungen nach § 3
AsylbLG ab Oktober 2007, diesmal ohne den Lebensgefährten der Antragstellerin zu 1 zu berücksichtigen; nach dem
Inhalt der Leistungsakte des Antragsgegners erfolgte ab Oktober 2007 für den Lebensgefährten der Antragstellerin zu
1 eine gesonderte Leistungsbewilligung nach dem SGB II.
Gegen den Bescheid vom 1. Oktober 2007 erhoben die Antragsteller unter dem 3. Oktober 2007 Widerspruch, über
den – soweit ersichtlich – noch nicht entschieden worden ist.
Am 5. Oktober 2007 haben sich die Antragsteller an das Sozialgericht Hildesheim gewandt und die Gewährung
einstweiligen Rechtsschutzes beantragt.
Im Laufe des Verfahrens hat der Antragsgegner die sofortige Vollziehung des angegriffenen Leistungsbescheids mit
Bescheid vom 17. Oktober 2007 angeordnet. Gegen diesen Bescheid haben die Antragsteller am 18. Oktober 2007
Widerspruch erhoben.
Die Antragsteller sind der Auffassung, dass die Rückstufung der Leistungen von § 2 AsylbLG auf das Niveau von
Grundleistungen nach § 3 AsylbLG rechtswidrig sei. Zum Einen sei bei der Erfüllung der 48-Monatsfrist nach § 2
AsylbLG n. F. der Bezug anderer Sozialleistungen als derjenigen nach § 3 AsylbLG ebenfalls zu berücksichtigen.
Zum Anderen verstoße eine Rückstufung der Leistungen in verfassungsrechtlicher Hinsicht gegen das
Rückwirkungsverbot.
Die Antragsteller beantragen schriftsätzlich,
dem Antragsgegner aufzugeben, den Antragstellern vorläufig Leistungen gem. § 2 AsylbLG zu gewähren.
Der Antragsgegner beantragt schriftsätzlich,
den Antrag abzulehnen.
Er ist der Auffassung, dass die nach § 2 AsylbLG n. F. maßgebliche 48-Monatsfrist noch nicht erfüllt sei und verweist
auf die Begründung der Anordnung der sofortigen Vollziehung vom 17. Oktober 2007 sowie auf den Runderlass des
Nds. Innenministeriums vom 4. September 2007, der sich in den Verwaltungsvorgängen des Antragsgegners als
Abschrift befindet.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Prozessakte, der beigezogenen
Leistungsakte sowie der ebenfalls beigezogenen Ausländerakten des Antragsgegners verwiesen. Diese Akten haben
vorgelegen und sind Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen.
II.
Der zulässige Antrag ist im Hinblick auf das Leistungsbegehren der Antragsteller zu 1 bis 3 begründet, im Übrigen ist
er unbegründet.
Der Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes bemisst sich hier nach den Vorgaben des § 86 b Abs. 2
Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Die in der sozialgerichtlichen Rechtsprechung umstrittene Frage der
Dauerverwaltungsaktsqualität von Leistungsbescheiden nach dem AsylbLG muss im vorliegenden Verfahren nicht
beantwortet werden, da der Antragsgegner die Leistungsgewährung nach § 2 AsylbLG (Bescheid vom 22. Juni 2007)
gesondert mit Bescheid vom 18. September 2007 für die Zeit ab dem 1. Oktober 2007 aufgehoben hat. Widerspruch
ist gegen diesen Aufhebungsbescheid – soweit ersichtlich – nicht eingelegt worden. Soweit nunmehr den
Antragstellern mit Bescheid vom 1. Oktober 2007 Leistungen gem. §§ 1, 3 AsylbLG gewährt werden, kann ein höherer
Leistungsbezug nach § 2 AsylbLG nicht allein mit der Beachtung einer aufschiebenden Wirkung des gegen diese
Entscheidung eingelegten Widerspruchs erreicht werden. Hierfür ist über die angegriffene Leistungsbewilligung hinaus
eine Regelungsanordnung i. S. des § 86 b Abs. 2 Satz 2 SGG erforderlich.
Gemäß § 86 b Abs. 2 Satz 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung zur
Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis erlassen, wenn eine solche
Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Voraussetzung für den Erlass einer solchen
Regelungsanordnung ist das Vorliegen eines die Eilbedürftigkeit der Entscheidung rechtfertigenden
Anordnungsgrundes sowie das Vorliegen eines Anordnungsanspruchs aus dem materiellen Leistungsrecht. Sowohl
der Anordnungsanspruch als auch der Anordnungsgrund müssen gem. § 86 b Abs. 2 Satz 4 SGG i. V. m. § 920 Abs.
2 der Zivilprozessordnung (ZPO) glaubhaft gemacht werden.
Nach diesen Grundsätzen haben die Antragsteller zu 1 bis 3 einen Anordnungsanspruch und einen Anordnungsgrund
glaubhaft gemacht (II. 1.). Der Antragsteller zu 4 hat einen Anordnungsanspruch jedoch nicht glaubhaft gemacht (II.
2).
1. a) Die Antragsteller zu 1 bis 3 haben einen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht, da der Ausgang des
Rechtsstreits in der Hauptsache als offen anzusehen ist (s. II. 1. a) aa)) und ihnen aufgrund einer Folgenabwägung
der vorläufige Bezug von Leistungen nach § 2 AsylbLG zuzusprechen ist (s. II. 1. a) bb)).
Nach § 2 Abs. 1 AsylbLG n. F. ist das SGB XII abweichend von den §§ 3 bis 7 AsylbLG auf diejenigen
Leistungsberechtigten entsprechend anzuwenden, die über eine Dauer von insgesamt 48 Monaten Leistungen nach §
3 AsylbLG erhalten und die Dauer des Aufenthalts nicht rechtsmissbräuchlich selbst beeinflusst haben. Minderjährige
Kinder, die mit ihren Eltern oder einem Elternteil in einer Haushaltsgemeinschaft leben, erhalten Leistungen nach § 2
Abs. 1 AsylbLG nur, wenn mindestens ein Elternteil in der Haushaltsgemeinschaft Leistungen nach § 2 Abs. 1
AsylbLG erhält, § 2 Abs. 3 AsylbLG.
Die Antragsteller sind als geduldete Ausländer – unstreitig – leistungsberechtigt nach dem AsylbLG. Ein
rechtsmissbräuchliches Verhalten im Sinne des § 2 Abs. 1 AsylbLG wird ihnen nicht vorgeworfen. Leistungen nach §
3 AsylbLG haben sie – ebenfalls unstreitig – über einen Zeitraum von 36 Monaten erhalten. Im Anschluss an den
Bezug von Leistungen nach § 3 AsylbLG haben die Antragsteller zu 1 bis 3 Leistungen nach dem SGB II von Februar
bis Juni 2005 erhalten, sodann von Juli 2005 bis September 2007 Leistungen nach § 2 AsylbLG.
aa) Der Ausgang des Rechtsstreits in der Hauptsache ist als offen anzusehen, da in der sozialgerichtlichen
Rechtsprechung umstritten ist, ob der Bezug von anderweitigen Sozialleistungen (sog. "höherwertigen" Leistungen)
nach dem Bundessozialhilfegesetz (BSHG), dem SGB II oder SGB XII bzw. nach § 2 AsylbLG selbst bei der
Erfüllung der nach § 2 Abs. 1 AsylbLG maßgeblichen Frist (36 bzw. 48 Monate) zu berücksichtigen ist.
Während teilweise vertreten wird, dass § 2 Abs. 1 AsylbLG dahingehend verfassungskonform auszulegen sei, dass
auch der vorangegangene Bezug von Sozialleistungen gleich welcher Art zu berücksichtigen sei (vgl. LSG Hessen,
Beschluss vom 21. März 2007, Az.: L 7 AY 14/06 ER), wird in diesen Fällen auch eine analoge Anwendung des § 2
Abs. 1 AsylbLG befürwortet (vgl. SG Aachen, Urteil vom 19. Juni 2007, Az.: S 20 AY 4/07). Zum Teil wird vertreten,
dass die Unterscheidung nach der Art von Grundsicherungsleistungen – etwa Leistungen nach § 3 AsylbLG oder nach
dem BSHG – nach langjährigem Leistungsbezug des Ausländers "übertriebene Förmelei" darstelle (vgl. LSG NRW,
Beschluss vom 27. April 2006, Az.: L 20 B 10/06 AY ER). Begründet wird dieses durch Auslegung oder Analogie
gewonnene weite Verständnis des § 2 Abs. 1 AsylbLG damit, dass eine durch § 2 Abs. 1 AsylbLG bezweckte
Besserstellung des Ausländers erst recht gerechtfertigt sei, wenn der 36- bzw. 48-Monatszeitraum durch den Bezug
von "höherwertigen" Sozialleistungen gedeckt war. Bei einem Bezug dieser "höherwertigen" Sozialleistungen
bestünden "potenziell" auch Ansprüche nach § 3 AsylbLG, welche nur deswegen nicht zum Tragen kommen würden,
weil diese Leistungen nachrangig seien (vgl. LSG Hessen, a. a. O.; SG Aachen, a. a. O.).
Das Sozialgericht Hildesheim hat sich diesem weiten Verständnis des § 2 AsylbLG bislang nicht angeschlossen,
jedoch in bestimmten Ausnahmefällen hinsichtlich der aufenthaltsrechtlichen Situation des Ausländers eine analoge
Anwendung des § 2 Abs. 1 AsylbLG bejaht (vgl. für den Fall der Überleitung einer Aufenthaltsbefugnis nach § 30 Abs.
3 AuslG in eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG: SG Hildesheim, Beschluss vom 13. Juli 2006, Az.:
S 34 AY 12/06 ER und Beschluss vom 24. Oktober 2006, Az.: S 44 AY 49/06 ER; bestätigend: LSG Niedersachsen-
Bremen, Beschluss vom 12. Juni 2007, Az.: L 11 AY 84/06 ER). Angesichts der in der sozialgerichtlichen
Rechtsprechung im Vordringen befindlichen Ansicht, dass ein starres Festhalten an dem Wortlaut des § 2 Abs. 1
AsylbLG – "Leistungen nach § 3 AsylbLG" – im Hinblick auf den Sinn und Zweck der Norm, eine Integration des
Ausländers in die deutsche Gesellschaft zu ermöglichen, verfassungsrechtlich bedenklich sein kann (vgl. LSG
Hessen, a. a. O.), ist im vorliegenden Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes eine abschließende Beurteilung
der Rechtslage nicht möglich.
Denn zu der sehr umstrittenen Frage der Berücksichtigung anderer Sozialleistungen bei der Erfüllung der Frist im
Sinne des § 2 Abs. 1 AsylbLG tritt im vorliegenden Fall hinzu, dass der Gesetzgeber mit Einführung des § 2 Abs. 1
AsylbLG n. F. mit Gesetz zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union vom 28.
August 2007 (Art. 6 Abs. 2 Nr. 2, BGBl I 1970 (2007)) keine Übergangsregelung für die Behandlung derjenigen
Ausländer vorgesehen hat, die bereits zuvor im jahrelangen Bezug von privilegierten Leistungen nach § 2 AsylbLG
standen. Anders als bei Erlass des Ersten Gesetzes zur Änderung des AsylbLG vom 26. Mai 1997 (Art. 1, BT-
Drucksache 13/2746), bei der in § 2 Abs. 1 AsylbLG mit dem Wortlaut "frühestens beginnend am 1. Juni 1997"
zweifelsfrei der Wille des Gesetzgebers zu erkennen war, dass alle leistungsberechtigten Ausländer zunächst auf den
36 Monate währenden Bezug von Leistungen nach § 3 AsylbLG zu verweisen waren (vgl. beispielhaft SächsOVG,
Beschluss vom 18. August 1997, Az.: 2 S 361/97, abgedruckt in GK-AsylbLG, VII – vor § 1 (OVG – Nr. 3); zu der
Gesetzeshistorie vgl. auch GK-AsylbLG, Bd. I, II – Entstehungsgeschichte, Rn. 46 ff., sowie § 2 AsylbLG, Rn. 34),
hat der Gesetzgeber nun entweder auf eine Klarstellung bewusst verzichtet oder eine solche – womöglich
versehentlich – nicht vorgenommen.
Auch der Gesetzesbegründung (BT-Drucksache 16/5065, S. 232) lässt sich keine Vorgabe des Gesetzgebers
entnehmen, wie solche Übergangsfälle zu beurteilen sind. Nach der Begründung steht die Anhebung der Frist von 36
auf 48 Monate in § 2 Abs. 1 AsylbLG im Zusammenhang mit der gesetzlichen Altfallregelung in § 104 a AufenthG und
der Änderung des § 10 Beschäftigungsverfahrensverordnung, wonach Geduldete einen gleichrangigen
Arbeitsmarktzugang erhalten, wenn sie sich seit vier Jahren im Bundesgebiet aufhalten. Mit der Neufassung des § 2
AsylbLG werde eine einheitliche Stufung nach vier Jahren eingeführt. In der weiteren Begründung des Gesetzgebers
stellt er den Zusammenhang zwischen der Gewährung der höheren Leistungen nach dem SGB XII mit der Integration
des Ausländers aufgrund der zeitlichen Verfestigung des Aufenthalts dar.
Da der Gesetzgeber in seiner Gesetzesbegründung lediglich auf die Dauer des tatsächlichen Aufenthalts des
Ausländers im Bundesgebiet abstellt (vier Jahre) und nicht auf den Leistungsbezug nach § 3 AsylbLG, könnte
nunmehr mit Blick auf die Integrationskomponente des § 2 Abs. 1 AsylbLG angezeigt sein, durch eine ergänzende
Auslegung der Norm diejenigen Ausländer, die bereits die 36-Monatsfrist im Sinne des § 2 AsylbLG a. F. erfüllt haben,
nicht erneut auf den Ablauf der Frist im Sinne des § 2 Abs. 1 AsylbLG n. F. von 48 Monaten zu verweisen. Das
Gericht teilt insofern nicht die in dem Erlass des Nds. Innenministerium vom 4. September 2007 (41.22 – 12235 –
8.4.2) vertretene Auffassung, dass auch bei den Übergangsfällen eine Einbeziehung von anderen Sozialleistungen bei
der Erfüllung der Frist im Sinne des § 2 Abs. 1 AsylbLG den Zweck der Vorschrift "konterkarieren" würde. Dem
entsprechend hat sich unter Berufung auf den Sinn und Zweck des § 2 Abs. 1 AsylbLG auch das Ministerium für
Arbeit, Soziales, Gesundheit und Familie des Landes Brandenburg gegen eine wortlautgemäße Anwendung in den
Übergangsfällen ausgesprochen und in diesen Fällen eine Leistungsgewährung nach § 2 AsylbLG befürwortet (vgl.
Nachricht an den Städte- und Gemeindebund Brandenburg und den Landkreistag Brandenburg vom 27. August 2007,
abrufbar unter: http://www.masgf.brandenburg.de/media/lbm1.a.1339.de/leistung.pdf.).
Hat der Gesetzgeber hingegen die problematische Behandlung von langjährig in Deutschland lebenden Ausländern,
die jedoch erst über einen Zeitraum von 36 Monaten Leistungen nach § 3 AsylbLG bezogen haben, mit Einführung
des § 2 Abs. 1 AsylbLG n. F. nicht erkannt und infolgedessen ohne Erlass einer Übergangsregelung unberücksichtigt
gelassen, könnte sogar eine planwidrige Regelungslücke zu bejahen sein, die ggf. durch Analogie zu füllen wäre.
bb) Ist der Ausgang des Rechtsstreits in der Hauptsache damit als offen anzusehen, spricht eine nach den
Grundsätzen der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts vorzunehmende Folgenabwägung, die die
grundrechtlichen Belange der Antragsteller umfassend berücksichtigt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 12. Mai 2005, Az.:
1 BvR 569/05, NVwZ 2005, 927 ff.), für den Ausspruch der Verpflichtung des Antragsgegners, den Antragstellern zu 1
bis 3 vorläufig Leistungen nach § 2 Abs. 1 AsylbLG zu gewähren.
Nach der vom Gericht vorgenommenen Folgenabwägung überwiegt das Interesse der Antragsteller zu 1 bis 3 an einer
vorläufigen Leistungsgewährung nach § 2 AsylbLG gegenüber dem Interesse des Antragsgegners an einer Gewährung
von Grundleistungen nach § 3 AsylbLG.
Dabei misst das Gericht dem Umstand besonderes Gewicht bei, dass die Gewährung von existenzsichernden
Leistungen der Gewährleistung eines menschenwürdigen Lebens dient. Gegenüber den Leistungen der Sozialhilfe sind
die Grundleistungen nach § 3 AsylbLG jedoch deutlich abgesenkt (sog. "Zweites asylbewerberleistungsrechtliches
Existenzminimum", vgl. Hohm, in: NVwZ 2007, 419, 421). Zudem hat das Gericht die Gefahr erkannt, dass von den
Antragstellern zu 1 bis 3 bereits erzielte Integrationserfolge durch die Rückstufung auf Grundleistungen beseitigt
werden könnten; ob solche Integrationserfolge überhaupt vorliegen, kann jedoch aufgrund des eingeschränkten
Prüfungsmaßstabes des Verfahrens des einstweiligen Rechtsschutzes nicht im Einzelnen geprüft werden. Im Fall des
elfjährigen Antragstellers zu 3 ist weiterhin zu berücksichtigen, dass ihn die mit der Rückstufung auf Grundleistungen
nach § 3 AsylbLG einhergehende Leistungsgewährung durch Aushändigung von Wertgutscheinen wegen der
diskriminierenden Folgen unter Gleichaltrigen schwer treffen dürfte. Das Gericht geht in diesem Einzelfall nicht davon
aus, dass der Lebensgefährte der Antragstellerin zu 1 durch seinen Bezug von Leistungen nach dem SGB II den
Bezug lediglich verminderter Leistungen nach § 3 AsylbLG durch die übrigen Haushaltsangehörigen ausgleichen
könnte. Dem Interesse der Antragsteller zu 1 bis 3 an einer Gewährung von Leistungen nach § 2 Abs. 1 AsylbLG
kommt damit besonderes Gewicht zu. Demgegenüber hat der Antragsgegner sein Vollzugsinteresse mit Bescheid
vom 17. Oktober 2007 allein mit dem sparsamen und zielgerichteten Einsatz öffentlicher Mittel begründet. Dieses rein
fiskalische Interesse des Antragsgegners muss gegenüber den Interessen der Antragsteller zu 1 bis 3 zurückstehen.
Der zukünftige Leistungsbezug der Antragsteller vorausgesetzt, würde darüber hinaus der Bezug von Grundleistungen
nach § 3 AsylbLG im Falle eines Unterliegens der Antragsteller zu 1 bis 3 in der Hauptsache lediglich mit zeitlicher
Verzögerung eintreten und zwar über einen Zeitraum von zwölf Monaten; die Gefahr einer drohenden Überzahlung von
Sozialleistungen ist damit gering.
b) Aus den in der Folgenabwägung dargelegten Gründen geht das erkennende Gericht vom Vorliegen eines
Anordnungsgrundes aus und berücksichtigt hierbei, dass der Anspruch der Antragsteller zu 1 bis 3 auf Leistungen
nach § 2 Abs. 1 AsylbLG sogar mit überwiegender Wahrscheinlichkeit gegeben sein dürfte. Den Antragstellern zu 1
bis 3 ist ein Abwarten der Entscheidung in der Hauptsache indes nicht zuzumuten, da die derzeit bewilligten
Leistungen nach §§ 1, 3 AsylbLG deutlich geringer sind als die Leistungen nach § 2 AsylbLG i. V. m. dem SGB XII.
Insoweit schließt sich das Gericht der ganz herrschenden sozialgerichtlichen Rechtsprechung an, nach der bei der
Gewährung von Leistungen nach §§ 1, 3 AsylbLG anstelle von Leistungen nach § 2 AsylbLG das Vorliegen eines
Anordnungsgrundes bejaht wird (vgl. LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 28. März 2007, Az.: L 7 AY 1386/07
ER-B m. w. N.). Die vorzunehmende Regelungsanordnung dient der Beseitigung einer existenziellen Notlage (vgl. LSG
Nds.-Bremen, Beschluss vom 8. Oktober 2007, Az.: L 11 AY 9/05 ER m. w. N.).
2. Der Antragsteller zu 4 hat einen Anordnungsanspruch hingegen nicht glaubhaft gemacht. In seinem Fall kann die
48-Monatsfrist nach § 2 AsylbLG n. F. auch unter Berücksichtigung der bisher nach dem SGB II und § 2 AsylbLG
bezogenen Sozialleistungen erst im Februar 2008 erfüllt sein, da er am 13. Februar 2004 geboren ist. Auch
Minderjährige sind auf den Ablauf der Frist im Sinne des § 2 Abs. 1 AsylbLG zu verweisen (vgl. LSG Rheinland-Pfalz,
Beschluss vom 27. März 2006, Az.: L 3 ER 37/06 AY; LSG Hamburg, Beschluss vom 27. April 2006, Az.: L 4 B
84/06 ER AY), so dass ein Bezug privilegierter Leistungen nunmehr frühestens nach Ablauf von vier Jahren ab Geburt
möglich ist.
3. Die Leistungen sind den Antragstellern zu 1 bis 3 nur vorläufig zu gewähren. Das Gericht hat hier eine
Leistungsgewährung ab 1. Oktober 2007 angeordnet, da der Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes
unmittelbar nach Erlass des Leistungsbescheids vom 1. Oktober 2007 gestellt wurde und auch eine vorläufige
Bewilligung ohne zeitliche Unterbrechung (vom 1. bis 4. Oktober 2007) billig erscheint. Um eine Situation der
Leistungsüberzahlung zu vermeiden, kann der Leistungsausspruch nur unter Anrechnung der bisher nach § 3 AsylbLG
gewährten Leistungen ergehen. In zeitlicher Hinsicht hat das Gericht eine fixe Begrenzung des
Verpflichtungsausspruchs nicht für notwendig erachtet, da der Antragsgegner die zeitliche Dauer der einstweiligen
Anordnung durch eine Entscheidung im anhängigen Widerspruchsverfahren selbst beeinflussen kann.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
III.
Den Antragstellern zu 1 bis 3 ist gem. § 73 a Abs. 1 SGG i. V. m. §§ 114, 115 ZPO Prozesskostenhilfe zu bewilligen,
weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung aus den dargelegten Gründen hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und
nicht mutwillig erscheint. Ferner sind die Antragsteller zu 1 bis 3 nach Auffassung des Gerichts aufgrund ihrer
persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nicht in der Lage, als Empfänger von Leistungen nach dem AsylbLG
die Kosten der Prozessführung aus eigenem Einkommen oder Vermögen aufzubringen. Der Antrag des Antragstellers
zu 4 auf Gewährung von Prozesskostenhilfe ist abzulehnen, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung aus den oben
dargelegten Gründen keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet.