Urteil des SozG Dresden vom 22.12.2009

SozG Dresden: bwa, auflösung, einkünfte, gewinnanteil, rücknahme, verfügung, buchführung, rücklage, investition, erlass

Sozialgericht Dresden
Urteil vom 22.12.2009 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Dresden S 40 AS 2408/08
1. Die Klage wird abgewiesen. 2. Außergerichtliche Kosten des Klägers werden nicht erstattet. 3. Die Sprungrevision
wird zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger wendet sich gegen die Aufhebung der Bewilligung und Erstattungsforderung von Leistungen zur Sicherung
des Lebensunterhaltes gemäß SGB II für den Leistungszeit-raum 31.3.2005 bis 30.9.2005. Der allein stehende Kläger
stellte erstmals am 31.3.2005 einen Antrag auf Bewilligung von Leistungen nach dem SGB II. Der Kläger bewohnte
damals eine 34 m² große Einraum-wohnung zu einer Kaltmiete von 184,07 EUR monatlich. Für die Heizkosten- und
Betriebsko-stenvorauszahlung fielen insgesamt 95,- EUR an. Die Warmwasserbereitung erfolgte nicht über die
zentrale Heizungsanlage. Die Nebenkostenabrechnung für 2003 lag vor. Zu seinem Einkommen aus selbstständiger
Tätigkeit machte der Kläger keine Angaben. Im Zusatzblatt 2 hatte der Kläger an der Stelle "ich erziele Einkommen
aus einer selbstständigen Tätigkeit gemäß umseitiger Selbsteinschätzung" kein Kreuz gemacht, mit grünem Stift war
von der Beraterin eingefügt worden "Ich-AG 3.2.03 – 1 Jahr Förderung". Mit Bescheid vom 19.4.2005 bewilligte die
Beklagte dem Kläger Leistungen zur Siche-rung des Lebensunterhalts in Höhe von 20,06 EUR für den Monat März
2005 (11,03 EUR Regel-leistung und 9,03 EUR Kosten der Unterkunft). Für April bis einschl. September 2005 bewil-
ligte die Beklagte dem Kläger insgesamt einen Betrag von 601,89 EUR, der sich aus der Re-gelleistung in Höhe von
331,- EUR und Kosten der Unterkunft in Höhe von 270,89 EUR KdU zusammensetzte. Bei der Kosten der Unterkunft
hatte die Beklagte die volle Grundmiete in Höhe von 184,07 EUR, 52,25 EUR kalte Nebenkosten sowie 34,57 EUR
Heizkosten angesetzt. Ein-kommen des Klägers wurde nicht angerechnet, der Bescheid erging auch nicht vorläufig. In
seinem Fortzahlungsantrag vom 28.7.2005 gab der Kläger an, dass sich keine Änderun-gen– auch keine Änderung in
den Einkommensverhältnissen ergeben hätten. Mit Bescheid vom 16.8.2005 bewilligte die Beklagte dem Kläger auch
ab Oktober 2005 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Höhe 601,89 EUR. Am 29.12.2005 legte der
Kläger eine Änderungsmitteilung vor und gab an, er sei vom 9.1.2006 bis 28.2.2006 selbstständig tätig (Abbruch,
Entkernung, Maurerarbeiten). Zu-sammen mit dieser Änderungsmitteilung füllte der Kläger das Zusatzblatt 2.1.
(Einkom-menserklärung) aus und legte die Anlage GSE zu seiner Einkommensteuererklärung 2004 vor. Der Kläger
gab an, er werde vom 9.1.2006 bis 28.2.2006 voraussichtliche Be-triebseinnahmen in Höhe von 750,- EUR bei
Betriebsausgaben in Höhe von 225,- EUR haben. Die Beiträge der Kfz Haftpflicht betrügen monatlich 43,- EUR. In
dem nächsten Fortzahlungsantrag am 24.2.2006 gab der Kläger, derzeit nur negative Einkünfte aus selbständiger
Tätigkeit zu haben. Am 9.5.2006 und am 3.8.2006 legte der Kläger betriebswirtschaftliche Auswertungen (BWA) für
die Jahre 2005 und für die bereits abgelaufenen Monate des Jahres 2006 vor. Aus diesen ergaben sich für den hier
strittigen Leistungszeitraum 2005 unterschiedliche Zahlen; die am 3.8.2006 vorgelegte BWA vom 17.1.2006 wies zum
Beispiel für das Vor-jahr (2005) ein positives betriebswirtschaftliches Gesamtergebnis von 14.631,10 EUR aus. Mit
seinem Fortzahlungsantrag vom 4.1.2007 reichte der Kläger eine am 3.1.2007 erstellte betriebswirtschaftliche
Auswertung ein, aus der sich für das Jahr 2005 ein vorläufiges be-triebswirtschaftliches Ergebnis von 8.581,40 EUR
ergab. Am 16.7.2007 erhielt die Beklagte vom Kläger schließlich den Steuerbescheid für 2005, aus dem sich
Einkünfte aus Gewer-bebetrieb in Höhe von 10.405,- EUR ergaben, sowie ein Steuerberaterschreiben, in dem ausge-
führt wurde, dass sich der in dem Steuerbescheid angesetzte Gewinn in Höhe von 10.405,- EUR aus zwei Positionen
zusammensetze, nämlich einem Gewinnanteil aus laufendem Ge-schäftsbetrieb in Höhe von 381,- EUR und einem
Gewinnanteil in Höhe von 10.024,- EUR, der aus der Auflösung, Neubildung und Verzinsung von Sonderposten mit
Rücklageanteil nach § 7g EStG (Ansparabschreibungen) entstanden sei. Der Steuerberater führte aus: "Der hohe
Gewinn des Jahres 2003 wurde im Rahmen der gesetzlichen Regelungen des § 7g EStG in die Folgejahre
verschoben. Dieser Gewinnanteil ist im Jahr 2005 nicht zugeflossen und stand damit nicht zur Bestreitung des
Lebensunterhaltes zur Verfügung." Mit den Gesamteinkünften, die sich aus dem Steuerbescheid für 2005 ergeben
führte die Beklagte eine Neuberechnung für den Leistungszeitraum 31.3.2005 bis 30.9.2005 durch, hob mit dem hier
streitbefangenen Bescheid vom 24.1.2008 den Bewilligungsbescheid vom 19.4.2005 vollständig auf und begründete
dies mit § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X. Zu-gleich wurde der Kläger aufgefordert, eine Summe von insgesamt 2.923,57
EUR zu erstatten. Mit dem Änderungsbescheid vom 24.4.2008 reduzierte die Beklagte die Erstattungsforde-rung auf
2.832,95 EUR. Dies begründete die Beklagte mit § 50 SGB X und § 40 Abs. 2 SGB II. Die bereits erbrachten
Leistungen seien zu erstatten. Ausgenommen hiervon seien 56% der Kosten der Unterkunft (ausschließlich der
Heizungskosten). Den gleichwohl aufrecht erhaltenen Widerspruch des Klägers vom 28.1.2008 wies die Beklagte mit
Widerspruchs-bescheid vom 25.4.2008, der die Berechnungen der Beklagten nochmals zusammengefasst darstellte,
zurück. Der Kläger hat fristgerecht am 16.5.2008 Klage erhoben. Er ist der Ansicht, die Bescheide seien inhaltlich
nicht hinreichend bestimmt. Auch habe dem Widerspruchsbescheid ein Berechnungsbogen gefehlt. Die Rückforderung
habe auch nicht auf § 48 SGB X, sondern allenfalls auf § 45 SGB X gestützt werden dürfen, weil der ursprüngliche
Bewilligungsbe-scheid von Anfang an rechtswidrig gewesen sei. Auch sei die Rücknahmefrist nicht ein-gehalten, denn
am 4.1.2007 hätten die BWA 2005/2006 komplett vorgelegen. Aus diesen hätte die Beklagte entnehmen können, dass
der Kläger vom 1.9.2005 bis 31.12.2005 seinen Bedarf vollständig aus den Einnahmen hätte decken können. In den
weiteren Klageverfah-ren des Klägers, die andere Leistungszeiträume betreffen, hat der Kläger zudem darauf
hingewiesen, dass die Einnahmen aus der BWA zu entnehmen seien und nicht aus dem Steuerbescheid. Dieser sei
nämlich "falsch", denn im Jahr 2005 stammten von dem im Steuerbescheid angegebenen Gewinn in Höhe von
10.405,- EUR nur 381,- EUR aus Einnahmen des laufenden Geschäftsbetriebs. Dagegen stammten 10.024,- EUR aus
der Auflösung, Neu-bildung und Verzinsung von Sonderposten mit Rücklageanteil nach § 7g EStG (Ansparab-
schreibungen). Dieser Betrag sei dem Kläger im Jahr 2005 allerdings nicht zugeflossen und habe daher nicht für den
Lebensunterhalt des Klägers zur Verfügung gestanden. Der Kläger beantragt, den Bescheid der Beklagten vom
24.1.2008 in Gestalt des Änderungsbescheids vom 24.4.2008 und des Widerspruchsbescheids vom 25.4.2008
aufzuheben. Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen. Sie verteidigt die ergangenen Bescheide. Wegen der
weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Ge-richtsakte und der Verwaltungsakte, die
zum Verfahren 40 AS 23669/08 eingereicht wur-de, Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung
waren. Zudem lagen die Gerichtsakten der weiteren vom Kläger geführten Klageverfahren 40 AS 2369/08, 40 AS
2407/08, 40 AS 2409/08 und 40 AS 2410/08 vor.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Anfechtungsklage hat keinen Erfolg, denn der Bescheid vom 24.1.2008 in Gestalt des
Änderungsbescheids vom 24.4.2008 und des Widerspruchsbescheids vom 25.4.2008 ist rechtmäßig und verletzt den
Kläger nicht in seinen Rechten.
1. Es bestehen keine Bedenken gegen die formelle Rechtmäßigkeit der Bescheide; insbe-sondere sind diese inhaltlich
hinreichend bestimmt gemäß § 33 Abs. 1 SGB X. Ein Verwaltungsakt ist inhaltlich hinreichend bestimmt, wenn der
Adressat aus dem Ent-scheidungssatz im Zusammenhang mit den Gründen und den sonstigen bekannten oder ohne
weiteres erkennbaren Umständen eindeutig erkennen kann, was die Behörde regeln will (vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG,
8. Aufl., § 37 Rn. 5ff). Dies ist hier der Fall. Da der während des Widerspruchsverfahrens erlassene
Änderungsbescheid nach § 86 SGG Ge-genstand des Vorverfahrens und damit auch Gegenstand des
Klageverfahrens (§ 95 SGG) geworden ist, ist der Regelungsgehalt aus einer Gesamtschau der erlassenen Bescheide
zu ermitteln, so dass es unschädlich ist, wenn dem Widerspruchsbescheid, wie der Kläger vorträgt, kein
Berechnungsbogen beigefügt gewesen sein sollte. Gleichfalls ist es unschäd-lich, dass der Änderungsbescheid vom
24.4.2008 zwar den Leistungszeitraum nennt, für den eine vollständige Aufhebung der bisherigen Bewilligung
ausgesprochen wird, nicht jedoch den aufgehobenen Bewilligungsbescheid mit Datum bezeichnet, denn dieser wird
bereits in dem Bescheid vom 24.1.2008 benannt. Der Kläger konnte daher unzweifelhaft erkennen, dass im Ergebnis
der ursprüngliche Bewilligungsbescheid vom 19.4.2005 für den Leistungszeitraum 31.3.2005 bis 30.9.2005 vollständig
aufgehoben und dass eine Er-stattungsforderung in Höhe von 2.832,95 EUR gegen ihn geltend gemacht wird. Der
Ände-rungsbescheid vom 24.4.2008 legt nachvollziehbar dar, dass nicht die volle Höhe der ge-währten Leistungen
zurückverlangt wird, sondern dass 56% der um die Heizkosten berei-nigten Unterkunftskosten belassen werden. Der
Widerspruchsbescheid wiederum erläutert zusätzlich einzelne Rechenschritte bei der Ermittlung des Einkommens. 2.
Die Bescheide sind auch materiell rechtmäßig. a) Die rückwirkende Aufhebung des Bewilligungsbescheids vom
19.4.2005 ist durch die Beklagte zutreffend auf § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X gestützt worden. Nach dieser Vor-
schrift soll ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung, soweit in den zum Zeitpunkt seines Er-lasses vorgelegenen
tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen eine wesentliche Ände-rung eingetreten ist, mit Wirkung vom Zeitpunkt
der Änderung der Verhältnisse aufgeho-ben werden, soweit nach Antragstellung oder Erlass des Entscheidung
Einkommen oder vermögen erzielt worden ist, das zum Wegfall oder Minderung des Anspruchs geführt ha-ben würde.
Diese Voraussetzungen liegen hier vor. aa) Der Bescheid vom 19.4.2005 war bei seinem Erlass rechtmäßig, so dass
die Rücknah-me des Verwaltungsaktes nach den Voraussetzungen des § 48 und nicht nach § 45 SGB X
auszusprechen ist (vgl. LSG Baden-Württemberg, Urt. v. 29.11.2007, L 12 AS 1181/07, juris). Insbesondere bestand
für die Beklagte keine Veranlassung, den Bewilligungsbe-scheid vom 19.4.2005 nur vorläufig zu erlassen. Ungeachtet
dessen, dass die auf § 328 SGB III verweisende Vorschrift des § 40 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1a SGB II erst zum 1.10.2005
in Kraft getreten ist, hatte die Beklagte aufgrund der Angaben des Klägers in seinem An-trag auf Bewilligung von
Leistungen keine Veranlassung zu vermuten, dass sich im Lei-stungszeitraum Einkünfte des Klägers - in wechselnder
Höhe - aus selbständiger Tätigkeit ergeben könnten (vgl. BSG, Urt. v. 2.6.2004, B 7 AL 58/03 R, juris). Selbst die
offensicht-lich im Beratungsgespräch nachträglich eingefügten Bemerkungen über die Existenzgrün-dung des Klägers
im Jahr 2003 mussten von der Beklagten bei der Leistungsgewährung nicht berücksichtigt werden. Es ist Sache des
Antragstellers, Angaben zu seinen Einkünf-ten aus selbstständiger Tätigkeit zu machen und diese selbst
einzuschätzen. Die Kammer glaubt dem Kläger, dass er beim Ausfüllen des Antrags weder Einkünfte hatte, noch
solche erwartete und deswegen die entsprechenden Felder des Antrags nicht ankreuzte. Wenn indessen nachträglich
doch Geldeinnahmen erfolgen, sieht § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X gerade in diesen Fällen die Rücknahme des
Bewilligungsbescheids vor. bb) Es ist im Leistungszeitraum Einkommen erzielt worden, das zum Wegfall des An-
spruchs führt. Nach § 11 Abs. 1 SGB II sind alle Einnahmen in Geld oder Geldeswert zu berücksichtigen, mithin auch
Einnahmen aus selbständiger Tätigkeit. Die für den hier streitbefangenen Bewilligungszeitraum gültige ALG II-V
enthält kaum Vorschriften, die allgemein oder speziell für Einkommen aus selbständiger Tätigkeit gelten. Anders als
in § 2a der ab dem 1.10.2005 gültigen Alg II-V fehlt es an einer Verweisung auf § 15 SGB IV bzw. auf die Vorschriften
des Einkommenssteuergesetzes. Daher werden die nach dem Gesetzestext zu berücksichtigenden Einnahmen in
Geld oder Geldeswert nur durch folgen-de Vorschriften der Alg II-V konkretisiert: Nach § 2 Abs. 1 Alg II-V ist von den
Brutto-einnahmen auszugehen. Zudem regelt § 3 Nr. 3 b Alg II-V, dass bei Einkommen aus selb-ständiger Tätigkeit
die mit der Erzielung des Einkommens verbundenen Betriebsausgaben in Höhe von 30 % der Betriebseinnahmen
pauschal abzuziehen sind, soweit der erwerbsfä-hige Hilfebedürftige nicht höhere notwendige Ausgaben nachweist. Da
der Kläger ersicht-lich keine laufenden, d.h. regelmäßig zufließenden Einnahmen im Jahr 2005 hatte, kann nach § 2
Abs. 2 der Alg II-V aber nicht nach den Zuflussmonaten getrennt gerechnet wer-den. Es verletzt den Kläger nicht in
seinen Rechten, dass die Beklagte zur Berechnung der dem Kläger zustehenden Leistungen auf die Zahlen aus dem
Steuerbescheid für 2005 zurückge-griffen und diese gleichmäßig auf die Kalendermonate verteilt hat. Die
betriebswirtschaftlichen Auswertungen können nicht zur nachträglichen und endgülti-gen Einkommensermittlung des
Klägers herangezogen werden, denn diese stellen nur Momentaufnahmen eines Standes der Buchführung dar. Dies
wird nicht nur aus der Fuß-zeile dieser Auswertungen deutlich, sondern zeigt sich auch zum Beispiel an einem Ver-
gleich der BWA vom 17.1.2006 (Blatt 49 der Verwaltungsakte) mit der BWA vom 3.1.2007 (Blatt 71 der
Verwaltungsakte), die immerhin im Abstand von einem Jahr erstellt wurden. Beide weisen zwar für das Jahr 2005 in
der ersten Zeile Erlöse aus betrieblicher Tätigkeit von 11.793,94 EUR aus. Im Weiteren unterscheiden sich diese
betriebswirtschaftli-chen Auswertungen für denselben Zeitraum aber wesentlich. Nicht nur bei den Be-triebsausgaben
besteht eine Differenz von nahezu 7.000,- EUR, sondern die BWA vom 3.1.2007 enthält erstmals betriebliche Erlöse
von 18.948,- EUR aus der Auflösung von An-sparabschreibungen. Würde man daher für die Gewährung von
Sozialleistungen auf diese Form der Einkommensermittlung zurückgreifen wollen, wäre diese von Zufälligkeiten im
Stand der Buchführung abhängig. Dies ist nach der gesetzlichen Formulierung in § 11 Abs. 1 SGB II nicht gewollt. Die
Kammer ist daher der Auffassung, dass für die Ermittlung des Einkommens von den durch Steuerbescheid
festgestellten Einkünften - dies ist bei Einkünften aus Gewerbebe-trieb der zu versteuernde Gewinn (vgl. § 2 Abs. 2
Nr. 1 EStG und §§ 4 ff. EStG) – ausge-gangen werden muss (so auch Hauck/ Nofts, SGB II, § 11 Rn. 48 mit Hinweis
auf Verord-nung zur Durchführung des § 83 Abs. 1 SGB XII; für die Rechtslage nach dem 1.10.2005 auch LSG Berlin-
Brandenburg, Beschl. v. 24.4.2007, L 26 B 422/07 AS ER, juris). Der Steuerbescheid stellt mit Tatbestandswirkung
fest, dass der Kläger diese steuerpflichtigen Einkünfte aus dem Gewerbebetrieb tatsächlich hatte. Die Kammer sieht
hierin keinen Wi-derspruch zu § 3 Nr. 3b Alg II-V. Nach den Steuervorschriften können den Einkünften aus
selbstständiger Tätigkeit häufig gewinnmindernde Ausgaben gegenübergestellt werden, die die Quote von 30% der
Einnahmen deutlich überschreiten. Dabei dürften die vom Finanz-amt anerkannten Betriebsausgaben in der Regel
"notwendig" im Sinne des § 3 Nr. 3b Alg II-V sein. Im vorliegenden Fall ergeben sich jedenfalls keine Hinweise darauf,
dass die (auch in der betriebswirtschaftlichen Auswertung aufgeführten) Ausgaben, die in die Er-mittlung des
steuerpflichtigen Gewinns eingeflossen sind, unangemessen gewesen sein könnten, so dass eine noch genauere
Überprüfung der Steuererklärung des Klägers ent-behrlich ist. Probleme könnten sich allenfalls in der Situation der
Bildung einer Ansparab-schreibung ergeben, denn diese wirkt sich gewinnmindernd aus und dient zugleich der
Vermögensbildung, was im Hinblick auf die Hilfebedürftigkeit nach SGB II durchaus un-angemessen sein kann, auch
wenn der Gesetzgeber derartige steuerrechtliche Gestaltungs-möglichkeiten ausdrücklich vorsieht. Dies war jedoch
hier nicht zu entscheiden, denn der Kläger hat 2005 keine neuen Ansparabschreibungen gebildet. Soweit sogar
reguläre Ab-schreibungen als Einkommen zu berücksichtigen wären, worauf das LSG Berlin-Brandenburg a.a.O.
anspielt, würde sich die fehlende Berücksichtigung dieser Positionen durch die Beklagte nur zum Vorteil des Klägers
auswirken und diesen nicht in seinen Rechten verletzen. Es kann daher dahingestellt bleiben, ob die Abschreibungen
zusätzlich zum Einkommen hätten berücksichtigt werden müssen. Von dem durch den Steuerbescheid festgestellten
steuerlichen Gewinn des Jahres 2005 ist der auf die Auflösung der Ansparabschreibungen entfallende Gewinnanteil,
der nach Aus-kunft des Steuerberaters 10.024,- EUR betragen soll, nicht abzuziehen. Es besteht kein Anlass hierfür.
Insbesondere geht das Argument des Klägers, es habe sich lediglich um eine "steu-errechtliche Verschiebung" des
hohen Gewinns aus dem Jahr 2003 gehandelt, fehl. Bei der Ansparabschreibung nach § 7g EStG in der damals
gültigen Fassung konnten kleinere und mittlere Betriebe für die künftige Anschaffung oder Herstellung eines neuen
beweglichen Wirtschaftsgutes des Anlagevermögens eine den Gewinn mindernde Rücklage bilden. Die Bildung und
Auflösung der Rücklage musste in der Buchführung verfolgt werden können. Die Auflösung der Rücklage fließt dem
Steuerpflichtigen daher zu, weil Gelder, die ur-sprünglich für eine Investition vorgesehen und gebunden waren, nun
wieder dem Steuer-pflichtigen - auch zur Bestreitung seines Lebensunterhalts - zur Verfügung stehen. Selbst wenn
sich der Kläger ohne die tatsächliche Planung einer Investition durch die Bildung einer Ansparabschreibung eine
Steuerstundung verschafft haben sollte, besteht kein An-lass, diesen Fall anders zu behandeln und den Kläger
gleichsam sozialrechtlich zu beloh-nen. Der Kläger kann auch nicht verlangen, dass die Beklagte seine besondere
Situation im Hinblick auf die aufgelösten Ansparabschreibungen bei ihrer Ermessensausübung berück-sichtigt und auf
eine Rücknahme mit Wirkung für die Vergangenheit verzichtet. Denn es handelt sich hier bei der Rücknahme des
Verwaltungsaktes mit Wirkung für die Vergan-genheit um eine gebundene Entscheidung (§ 40 SGB II i.V.m. § 330
Abs. 3 Satz 1 SGB III). Von den durch den Steuerbescheid festgestellten Einkünften waren gemäß § 11 Abs. 2 SGB
II die entrichteten Steuern abzuziehen. Dies ergibt ein monatliches Einkommen von 830,67 EUR ((10.405,- EUR -
437,- EUR): 12). Hiervon waren die Freibeträge des § 30 SGB II in der damals gültigen Fassung abzuziehen, d.h. 60,-
EUR nach § 30 Nr. 1 (15% von 400,- EUR) und weitere 30% von (830,67 EUR - 400,- EUR), folglich 129,20 EUR. Dies
ergibt berücksichtigungsfä-hige Einkünfte des Klägers in Höhe von 641,47 EUR. Auch nach Abzug des
Pauschbetrages (§ 3 Nr. 1 AlG II-V) übersteigen diese den in dem ursprünglichen Bescheid vom 19.4.2005 zugrunde
gelegten monatlichen Gesamtbedarf des Klägers in Höhe von 601,89 EUR, gegen den der Kläger nichts vorbringt, so
dass der Bescheid vom 19.4.2005 vollständig aufzuhe-ben war. Bei ihrer Rücknahmeentscheidung vom 24.1.2008 hat
die Beklagte auch die Jahresfrist des § 48 Abs. 4 SGB X i.V.m. § 45 Abs, 4 Satz 2 SGB X eingehalten, denn es
kommt, wie vorstehend dargelegt wurde, nicht auf die Vorlage der betriebswirtschaftlichen Auswertun-gen, sondern
auf den Steuerbescheid vom 10.10.2006 für das Steuerjahr 2005 an. Diesen hatte der Kläger am 16.7.2007 erstmals
vorgelegt. b) Das Erstattungsverlangen ist ebenfalls rechtmäßig und kann auf die Ermächtigungs-grundlage des § 50
Abs. 1 Satz 1 SGB X gestützt werden. Den Erstattungsbetrag hat die Beklagte zutreffend unter Beachtung der
Sondervorschrift des § 40 Abs. 2 Satz 1 SGB II errechnet. Dabei war von den tatsächlich gewährten Leistungen
auszugehen, ohne dass nunmehr im Einzelnen zu prüfen wäre, ob die Kosten der Unterkunft zutreffend gewährt
worden waren. Es ist folgende Rechnung anzustellen: aa) Die gewährten Regelleistungen sind vollständig zu
erstatten, d.h. 11,03 EUR für März 2005 und jeweils 331,- EUR für April bis September 2005 = 1.997,03 EUR. bb) Bei
den Kosten der Unterkunft ist nach § 40 Abs. 2 Satz 1 SGB II zu differenzieren, denn die Kosten der Unterkunft ohne
Heizkosten sind nicht vollständig zu erstatten, son-dern nur in Höhe von 44%. Die Heizkosten sind hingegen
vollständig zu erstatten. Im März 2005 erhielt der Kläger insgesamt 9,03 EUR für die Kosten seiner Unterkunft, hier-
von waren 1,15 EUR Heizkosten. Letztere sind vollständig zu erstatten, im Übrigen 44% = 1,15 EUR + 44% (9,03
EUR - 1,15 EUR) = 4,62 EUR. In den übrigen sechs Monaten erhielt der Kläger insgesamt 270,89 EUR für die Kosten
seiner Unterkunft, hiervon waren 34,57 EUR Heizkosten. Diese sind vollständig zu erstatten, im Üb-rigen 44% = 34,57
EUR + 44% (270,89 EUR - 34,57 EUR) = 138,55 EUR x 6 = 831,30 EUR. Insgesamt sind folglich 831,30 EUR + 4,62
EUR + 1.997,03 EUR = 2.832,95 EUR zu erstatten.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Obgleich die Beklagte erst im Wider-spruchsverfahren den
Änderungsbescheid vom 24.4.2008 erlassen hat, mit dem die Rück-forderungssumme von 2.923,57 EUR auf die
zutreffenden 2.832,95 EUR reduziert worden sind, hält es das Gericht für angemessen, der im Rechtsstreit voll
obsiegenden Beklagten keine Kostentragungspflicht aufzuerlegen. Die einheitliche gerichtliche Kostenentscheidung
be-trifft zwar alle durch den Rechtsstreit und das Vorverfahren entstehenden erstattungsfähi-gen Kosten. Zu
berücksichtigen war jedoch, dass die Beklagte aufgrund der Kostenent-scheidung im Bescheid vom 24.4.2008 bereits
10% der dem Kläger im Widerspruchsver-fahren entstandenen notwendigen Aufwendungen erstattet hat.
4. Die Zulassung der Sprungrevision beruht auf § 161 SGG. Die Rechtssache hat grund-sätzliche Bedeutung, weil –
soweit für das Gericht ersichtlich – die rechtliche Behandlung von Ansparabschreibungen vor dem 1.10.2005
höchstrichterlich nicht geklärt ist. Dabei wird die grundsätzliche Bedeutung nicht dadurch in Frage gestellt, dass es
sich bei der bis zum 1.10.2005 gültigen AlG II-V um nicht mehr geltendes Recht handelt, denn beim Sozi-algericht
Dresden sind weitere Fälle anhängig, die die gleiche Rechtsfrage zum Gegen-stand haben.