Urteil des SozG Dresden vom 21.04.2010

SozG Dresden: tantieme, reisekosten, spesen, arbeitsentgelt, abschlagszahlung, steuer, fälligkeit, eugh, einverständnis, gehalt

Sozialgericht Dresden
Urteil vom 21.04.2010 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Dresden S 35 AL 256/08
I. Die Beklagte wird unter Abänderung des Bescheides vom 08.11.2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom
06.03.2008 verurteilt, dem Kläger weiteres Insolvenzgeld in Höhe von 928,50 EUR brutto und 1.488,90 EUR netto zu
bewilligen. II. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. III. Die Beklagte hat dem Kläger dessen außergerichtliche
Kosten zu 40 % zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Berechnung des von der Beklagten zu zahlenden Insolvenzgeldes streitig.
Der 1973 geborene Kläger war ab 01.04.2001 als Consultant bei E. beschäftigt. Im Arbeitsvertrag mit E. war ein
Jahreszieleinkommen von 105.000,00 DM sowie eine Tantieme in Höhe von 10 % des Jahreszieleinkommens
vorgesehen. § 3 des Arbeitsvertrages regelte eine monatliche Abschlagszahlung des geplanten Tantiemebetrages in
Höhe von 1/12. Das Arbeitsverhältnis wurde im Wege der Betriebsübernahme von der P. AG in M. übernommen. Zum
01.01.2004 wurde der Kläger zum Senior Consultant mit einem Jahresfixgehalt von 60.000,00 EUR ernannt. Zum
01.01.2007 wurde der Kläger zum Management Consultant bei der P. AG ernannt. In dem Jahresgespräch vom
15.12.2006 wurde ab 01.01.2007 ein fixes Gehalt in Höhe von 68.000,00 EUR sowie eine Tantieme von 7.000,00 EUR
festgelegt.
Das Arbeitsverhältnis des Klägers endete zum 31.07.2007. Der Kläger beantragte am 22.08.2007 bei der Beklagten
Insolvenzgeld und machte zunächst den Arbeitgeberbeitragszuschuss zur freiwilligen/privaten Kranken- und
Pflegeversicherung in Höhe von 159,39 EUR für den Monat Juli 2007 geltend. Der Insolvenzverwalter erklärte mit
Schreiben vom 08.08.2007, dass der Kläger für die Zeit vom 01.07.2007 bis 31.07.2007 kein Arbeitsentgelt erhalten
habe. Er habe, ausgehend von der Beitragsbemessungsgrenze von 5.250,00 EUR, noch ein Nettoentgelt für den
Monat 07/2007 in Höhe von 3.672,45 EUR zu beanspruchen. Die Beklagte bewilligte daraufhin zunächst mit Bescheid
vom 28.08.2007 einen Vorschuss auf das zu erwartende Insolvenzgeld in Höhe von 2.500,00 EUR. Das
Insolvenzverfahren gegen die P. AG wurde am 01.10.2007 eröffnet. Nachdem die Insolvenzgeldbescheinigung des
Insolvenzverwalters (vom 24.10.2007) vorlag, welche für den Monat Juli 2007 noch nicht ausgezahltes
Nettoarbeitsentgelt von 3.672,45 EUR zuzüglich des Beitragszuschusses zur Kranken-/Pflegeversicherung von
159,39 EUR aufwies, bewilligte die Beklagte mit Bescheid vom 08.11.2007 für den Zeitraum vom 01.07.2007 bis
31.07.2007 Insolvenzgeld in Höhe von insgesamt 3.831,84 EUR. Nach Abzug des Vorschusses verblieb ein
Auszahlungsbetrag von 1.331,84 EUR.
Hiergegen hat der Kläger mit Schreiben vom 10.12.2007 Widerspruch eingelegt. Ihm stünden weitere
Vergütungsansprüche aus dem Arbeitsverhältnis zu. Der Kläger machte für den Monat Juni 2007 Reisekosten in Höhe
von 761,00 EUR netto sowie Spesen in Höhe von 462,75 EUR brutto geltend. Für den Monat Juli 2007 machte der
Kläger Reisekosten in Höhe von 727,90 EUR netto sowie Spesen in Höhe von insgesamt 465,75 EUR brutto geltend.
Ferner verwies der Kläger auf einen Anspruch auf Urlaubsabgeltung in Höhe von 3.116,30 EUR. Schließlich sei für
das Jahr 2007 eine Tantieme von 7.000,00 EUR als Zielgehalt zugesagt gewesen. Hieraus errechnete der Kläger
einen anteiligen Anspruch von 3.230,00 EUR. Insgesamt ergäben sich damit Vergütungsansprüche in Höhe von
14.430,00 EUR. Der Betrag liege unterhalb des 3-fachen insolvenzgesicherten Monatsbetrages von 5.250,00 EUR und
sei in vollem Umfang insolvenzgesichert. Der Kläger bezog sich hierzu auf Rechtsprechung des Europäischen
Gerichtshofs (Urteil vom 04.03.2004, C 19, 50, 84/01). Er legte eine Berechnungsgrundlage für Insolvenzverfahren
(Abrechnung der Brutto-Netto-Bezüge) für Juli 2007 sowie Reisekostenrechnungen für Juni und Juli 2007 vor.
Nach nochmaliger Rücksprache der Beklagten mit dem Insolvenzverwalter wurde der Widerspruch als unbegründet
zurückgewiesen (Widerspruchsbescheid vom 06.03.2008, Az. W 105/08). Zur Begründung bezog sich die Beklagte
auf die Bescheinigung des Insolvenzverwalters. Die Höhe des erstattungsfähigen Insolvenzgeldes, das sich nach
dem Nettoentgeltanspruch richte, sei auf das auf die monatliche Beitragsbemessungsgrenze begrenzte
Bruttoarbeitsentgelt als Berechnungsgrundlage begrenzt (§ 185 Abs. 1 SGB III). Maßgebend sei die für den jeweiligen
Monat des Insolvenzgeldzeitraums geltende Beitragsbemessungsgrenze. Die von dem Kläger angeführte EuGH-
Entscheidung sei vorliegend nicht anwendbar. Nach der vom Kläger angesprochenen Entscheidung des EuGH dürfen
die Mitgliedstaaten für die Lohngarantie eine Höchstgrenze setzen und müssen bis zu dieser Grenze alle nicht
erfüllten Ansprüche erfüllen. Es bestehe kein Anspruch auf den "3-fachen insolvenzgesicherten Monatsbetrag". Der
Entgeltanspruch im Sinne des Insolvenzgelds wurde bezüglich des Monats Juni 2007 erfüllt, da der Entgeltanspruch
bereits ohne Spesen die Beitragsbemessungsgrenze übersteige. Der offene Urlaubsabgeltungsanspruch begründe
keinen Insolvenzgeldanspruch.
Mit der hiergegen am 07.04.2008 erhobenen Klage verfolgt der Kläger sein Rechtsbegehren weiter. Hinsichtlich der
Urlaubsabgeltung hat der Kläger die Klage auf richterlichen Hinweis hin zurückgenommen. Er macht zuletzt einen
Betrag in Höhe von 1.488,90 EUR netto (Reisekosten) sowie einen Betrag von 4.575,50 EUR brutto (Spesen und
anteilige Tantieme für 2007) geltend. Der Europäische Gerichtshof habe zur Richtlinie 80/987/EWG entschieden, dass
alle noch offenen Ansprüche, die in den Garantiezeitraum fallen, bis zur Grenze des 3-fachen Monatsbetrages durch
Garantieleistungen erfüllt werden müssen. Da das Insolvenzgeld nach § 183 SGB III für 3 Monate zu leisten ist, sei
die absolute Grenze das 3-fache monatliche Nettoentgelt, das sich aus der Beitragsbemessungsgrenze ergibt. Nach
der Auslegung der Beklagten stünde dem Arbeitnehmer überhaupt kein Anspruch auf Insolvenzgeld zu, wenn er aus
den letzten 3 Monaten noch unbefriedigte Entgeltansprüche hat, aber in jedem Monat eine Teilzahlung in Höhe der
monatlichen Beitragsbemessungsgrenze erhalten hat. Selbst unter Berücksichtigung der Auffassung der Beklagten
müssten für Juni 2007 die Kostenerstattungsansprüche befriedigt werden. Der 3-Monatszeitraum sei einheitlich zu
betrachten, sodass immer dann ein Anspruch auf Insolvenzgeld in Höhe der 3-fachen Bemessungsgrenze besteht,
solange es noch offene Vergütungsansprüche gibt. Für den Monat Juni 2007 wurde die vertraglich vereinbarte
Vergütung, mit Ausnahme der Reisekosten und Spesen, gezahlt. Die Spesen- und Reisekosten seien reiner
Aufwendungsersatz und nicht sozialversicherungspflichtig und wurden auch in den Vormonaten (z. B. im April 2007)
ohne Abzug ausbezahlt. Der Kläger verweist auf eine Parallelentscheidung des Sozialgerichts Mainz (vom
22.06.2009, S 9 AL 71/08). Er stellt weiter klar, dass die Tantieme in den Monaten Januar bis Juni 2007 nicht anteilig
gezahlt wurde. Der Anspruch auf die Tantieme ergebe sich aus dem Jahresgespräch vom 15.12.006 mit dem
Geschäftsführer. Das Ergebnis (Jahrestantieme 7.000,00 EUR) sei schriftlich fixiert worden. Der Kläger errechnet
einen anteiligen Anspruch von 3.230,00 EUR. Der Anspruch sei bis Juli 2007 fällig geworden und mit dem letzten
Gehalt für Juli 2007 abzurechnen. Hierzu verweist der Kläger auf § 41 Insolvenzordnung (InsO). Im ursprünglich mit E.
geschlossenen Vertrag vom Februar 2001 waren noch monatliche Abschlagszahlungen vorgesehen. Ab 01.01.2007
sei die Tantieme an die Erreichung bestimmter Ziele geknüpft gewesen. Damit erfolgte keine monatliche
Abschlagszahlung mehr, sondern die Tantieme wurde im Folgejahr fällig, wenn die entsprechenden Ziele erreicht
wurden.
Der Kläger beantragt, unter Abänderung des Bescheides der Beklagten vom 08.11.2007 und des
Widerspruchsbescheides vom 06.03.2008 – 98.1-527A004311 – W 105/08 – die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger
über den mit Bescheid vom 08.11.2007 bewilligten Betrag von 3.831,84 EUR für die Zeit vom 01.07. bis 31.07.2007
hinaus weiteres Insolvenzgeld zu zahlen zum Ausgleich von weiteren Forderungen des Klägers an die
Insolvenzschuldnerin in Höhe von netto 1.488,90 EUR und von brutto 4.575,50 EUR.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Sie verweist zur Begründung ihres Antrags darauf, dass die in § 185 SGB III geregelte Deckelung auf die monatliche
Beitragsbemessungsgrenze im Einklang mit der EWG-Richtlinie stehe. Da bereits das monatliche Gehalt des Klägers
die Beitragsbemessungsgrenze überschritten habe, sei eine weitere Berücksichtigung von Entgeltanteilen nicht
möglich. Die Beklagte verweist auf die Angaben des Insolvenzverwalters und führt weiter aus, es gebe 3
Anspruchsmonate auf Insolvenzgeld, für die jeweils die Beitragsbemessungsgrenze gelte. Ansonsten hätte § 185
Abs. 1 SGB III anders formuliert werden können. Der Kläger habe im Juli 2007 bereits über der
Beitragsbemessungsgrenze gelegen, so dass die Spesen und Reisekosten nicht berücksichtigt werden konnten.
Auf Anregung der Beklagten wurde der Insolvenzverwalter um Stellungnahme gebeten. Dieser erklärte im Schreiben
vom 03.04.2009, dass die Verpflegungspauschalen steuer- und sozialversicherungspflichtig waren. Die Reisekosten
seien jeweils 1: 1 erstattet worden. Der Kläger habe für Mai und Juni 2007 Bruttoentgelte abgerechnet und erhalten,
die die monatliche Beitragsbemessungsgrenze überschritten (Schreiben des Insolvenzverwalters vom 13.05.2009).
Mit Schreiben vom 10.09.2006 erklärte der Kläger sein Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche
Verhandlung gem. § 124 Abs. 2 SGG. Für die Beklagte wurde das Einverständnis mit Schreiben vom 18.09.2009
erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird Bezug genommen auf die beigezogene Leistungsakte der Beklagten sowie auf
die Gerichtsakte, die Gegenstand der Entscheidung waren.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist in dem aus dem Tenor ersichtlichem Umfang begründet. Der angefochtene Bescheid vom
08.11.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.03.2008 (Az. W 105/08) verletzt den Kläger insoweit
in seinen Rechten i.S.v. § 54 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG), als bei der Berechnung des Insolvenzgeldes die
Reisekosten und Spesen für die Monate Juni und Juli 2007 nicht berücksichtigt wurden. Im Übrigen, sofern der Kläger
auch die Tantieme für 2007 anteilig geltend macht, erweist sich die Klage als unbegründet und war abzuweisen. Dabei
konnte die Kammer ohne mündliche Verhandlung nach § 124 Abs. 2 SGG entscheiden, da die Beteiligten hierzu ihr
Einverständnis erteilt hatten.
Anspruch auf Insolvenzgeld haben nach § 183 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III)
Arbeitnehmer, wenn sie bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Arbeitgebers
(Insolvenzereignis) für die vorausgehenden drei Monate des Arbeitsverhältnisses noch Ansprüche auf Arbeitentgelt
haben. Zu den Ansprüchen auf Arbeitsentgelt gehören nach § 183 Abs 1 S. 3 SGB III alle Ansprüche auf Bezüge aus
dem Arbeitsverhältnis, soweit sie sich den dem Insolvenzereignis vorausgehenden drei Monaten des
Arbeitsverhältnisses zuordnen lassen. Der Insolvenzgeldzeitraum umfasst vorliegend die Zeit vom 01.05.2007 bis
31.07.2007. Zwar wurde das Insolvenzverfahren am 01.10.2007 eröffnet, jedoch endete das Arbeitsverhältnis des
Klägers bereits am 31.07.2007, so dass für den Anspruch des Klägers auf den 3-Monatszeitraum vor Beendigung
seines Arbeitsverhältnisses abzustellen ist.
Nachdem der Kläger die Klage hinsichtlich der Urlaubsabgeltung zurückgenommen hatte, war über einen
Insolvenzgeldanspruch für die Reisekosten, die Spesen und die Tantieme des Jahres 2007 zu entscheiden. Hier war
neben der monatlichen Vergütung für Juli 2007 von brutto 5.250,00 EUR zuzüglich des Arbeitgeberzuschusses zur
Kranken- und Pflegeversicherung der Anspruch des Klägers auf Reisekosten sowie Spesen für die Monate Juni und
Juli 2007 zu berücksichtigen. Zu den insolvenzgeldfähigen Bezügen aus dem Arbeitsverhältnis zählen alle Leistungen
des Arbeitgebers, die eine Gegenleistung für die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers darstellen (st. Rspr., vgl. BSG
SozR 4100 § 141b Nr. 26; BSG SozR 3-4100 § 141b Nr. 1). Hierzu gehören grundsätzlich auch zu erstattende
Auslagen wie Reisekosten (vgl. BSG SozR 3-4100 § 141b Nr. 2) und Spesen, wenn sie sich dem
Insolvenzgeldzeitraum zeitlich zuordnen lassen und durchsetzbar sind. Danach steht dem Kläger Insolvenzgeld
jedenfalls für die Reisekosten und Spesen der Monate Juni 2007 und Juli 2007 zu.
Dem Anspruch steht nicht entgegen, dass der Kläger für die 3 Insolvenzgeldmonate bereits anteiliges Entgelt in Höhe
der jeweiligen monatlichen Bemessungsgrenze erhalten hat. Insolvenzgeld wird in Höhe des Nettoarbeitsentgelts
geleistet, das sich ergibt, wenn das auf die monatliche Beitragsbemessungsgrenze begrenzte Bruttoarbeitsentgelt um
die gesetzlichen Abzüge vermindert wird (§ 185 Abs. 1 SGB III). Im Jahr 20007 lag die Beitragsbemessungsgrenze
bei 5.250,00 EUR (West) und 4.550,00 EUR (Ost). Für den Kläger war aufgrund der Beschäftigung bei der P. AG mit
Sitz in M. die Beitragsbemessungsgrenze West in Höhe von monatlich 5.250,00 EUR einschlägig. Soweit in § 185
Abs. 1 SGB III auf die "monatliche Beitragsbemessungsgrenze" Bezug genommen wird, ergibt sich daraus nicht die
von der Beklagten vorgenommene monatliche Betrachtung. Vielmehr ist die Regelung des § 185 Abs. 1 SGB III
dahingehend auszulegen, dass für den Anspruch auf Insolvenzgeld die Grenze in Höhe des 3-fachen der monatlichen
Beitragsbemessungsgrenze (somit bis 15.750,00 EUR) maßgeblich ist, sofern Insolvenzgeld für volle 3 Monate zu
zahlen ist. Unstreitig zwischen den Beteiligten ist, dass die Begrenzung auf eine Höchstgrenze weder gegen
Verfassungsrecht noch gegen Europarecht verstößt. Die Richtlinie EWGRL 80/987 vom 20.10.1980 (ABl. L 283, 23)
gilt für Ansprüche von Arbeitnehmern aus Arbeitsverträgen oder Arbeitsverhältnissen gegen Arbeitgeber, die
zahlungsunfähig i.S. des Art. 2 Abs. 1 der Richtlinie sind. Art. 3 der Richtlinie sieht hierfür vor, dass die
Mitgliedsstaaten die erforderlichen Maßnahmen treffen, damit – vorbehaltlich des Art. 4 - Garantieeinrichtungen die
Befriedigung der nicht erfüllten Ansprüche der Arbeitnehmer aus Arbeitsverträgen oder Arbeitsverhältnissen, die das
Arbeitsentgelt für den vor einem bestimmten Zeitpunkt liegenden Zeitraum betreffen, sicherstellen. Der Schaffung der
Garantieeinrichtungen ist der Gesetzgeber mit dem Instrument des Insolvenzgeldes nach den §§ 183 ff SGGB III
nachgekommen. Nach Art. 4 der Richtlinie dürfen die Mitgliedstaaten für die Garantie nicht erfüllter Ansprüche eine
Höchstgrenze festsetzen. Die Mitgliedstaaten können insbesondere, um die Zahlung von Beträgen zu vermeiden, die
über die soziale Zweckbestimmung der Richtlinie hinausgehen, für die Garantie der Erfüllung unbefriedigter Ansprüche
der Arbeitnehmer eine Höchstgrenze festsetzen (Art. 4 Abs. 3 der Richtlinie). Diese soziale Zweckbestimmung
besteht darin, allen Arbeitnehmern durch die Befriedigung nicht erfüllter Ansprüche aus Arbeitsverträgen oder
Arbeitsverhältnissen, die sich auf Arbeitsentgelt für einen bestimmten Zeitraum beziehen, einen
gemeinschaftsrechtlichen Mindestschutz bei Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers zu garantieren (vgl. EuGH vom
04.03.2004, C-19/01, C-50/01, C-84/01 in SozR 4-6084 Art. 3 Nr. 2 Rdnr. 35). Die Begrenzung erfolgte im
Insolvenzgeldrecht des SGB III u.a. in der Regelung des § 185 Abs. 1 SGB III (Begrenzung auf die monatliche
Beitragsbemessungsgrenze). Hiervon ausgehend kann der Wortlaut des § 185 Abs. 1 SGB III nach Auffassung der
Kammer nur so verstanden werden, dass ein Betrag in Höhe des 3-fachen der monatlichen Bemessungsentgeltgrenze
abzüglich der gesetzlichen Abzüge gemeint ist, jedenfalls dann, wenn Insolvenzgeld für volle 3 Monate zu zahlen ist
(ebenso: Peters-Lange in Gagel SGB III § 185 SGB III Rdrn. 7c; Voelzke in Hauck/Noftz SGB III § 185 Rdnr. 5f; a.A.
Krodel in Niesel, SGB III § 185 Rdnr. 2). Denn nur diese Betrachtungsweise führt beispielsweise bei der
Berücksichtigung von Einmalzahlungen dazu, dass sie bei der Berechnung des Insolvenzgeldes berücksichtigt
werden können und nicht aufgrund von Zufälligkeiten der Auszahlungsmodalitäten unbeachtlich bleiben. Die von der
Beklagten vorgenommene strenge Zuordnung zum Bezugsmonat (etwa bei Sonderzahlungen) würde zu
Ungerechtigkeiten führen. Bei Anwendung der Dienstanweisung der Beklagten bestünde nämlich überhaupt kein
Anspruch auf Insolvenzgeld, wenn der Arbeitnehmer aus den letzten 3 Monaten noch unbefriedigte Entgeltansprüche
hat, aber in jedem Monat eine Teilzahlung in Höhe der monatlichen Beitragsbemessungsgrenze erhalten hat. Diese
Rechtsfolge ist mit der Begrenzungsmöglichkeit in Art. 4 der Richtlinie nicht zu vereinbaren. Vielmehr muss mit der
Begrenzung eine Erfüllung aller bislang nicht erfüllten Ansprüche auf Arbeitsentgelt bis zu dem Höchstbetrag
sichergestellt sein. Die geleisteten Zahlungen dürfen damit nur zur Ermittlung des insgesamt rückständigen Betrages
herangezogen werden.
Vorliegend besteht Insolvenzgeld nach Auffassung der Kammer für 2 Monate, die Monate Juni und Juli 2007, da in
diesen Monaten offene, nicht befriedigte Arbeitsentgeltansprüche bestanden. Da für den Monat Mai 2007 keine
offenen Ansprüche bestanden, war er bei der Ermittlung der Höchstgrenze nicht zu würdigen. Somit ist ein Betrag in
Höhe des 2-fachen der monatlichen Bemessungsentgeltgrenze, mithin von 10.500,00 EUR als Obergrenze zu
beachten. Diese Grenze wird durch das bislang bewilligte Insolvenzgeld von 3.831,84 EUR nicht erreicht.
Der Kläger hat mithin Anspruch auf Insolvenzgeld auch für die in den Monaten Juni und Juli 2007 zu erstatteten
Reisekosten. Die Beträge von 761,00 EUR und 727,90 EUR, die nach Auskunft des Insolvenzverwalters ohne Steuer
oder sozialversicherungspflichtige Abzüge erstattet wurden, sind mithin in Höhe von insgesamt 1.488,90 EUR netto
insolvenzgeldfähig. Ebenso verhält es sich bei den Spesen für die Monate Juni und Juli 2007. Diese sind, da sie
steuer- und sozialversicherungspflichtig sind, in Höhe von insgesamt 928,50 EUR brutto insolvenzgeldfähig. Die
Beklagte hat somit weiteres Insolvenzgeld in Höhe von 1.488,90 EUR netto und 928,50 EUR brutto an den Kläger zu
zahlen.
Der Kläger hat jedoch keinen Anspruch auf (anteilige) Berücksichtigung der Tantieme des Jahres 2007 bei der
Insolvenzgeldberechnung. Die Tantieme für das Jahr 2007 stellt sich als jährliche Sonderzuwendung außerhalb des
laufenden Arbeitsentgelts dar. Diese Sonderzuwendungen sind bei der Berechnung des Insolvenzgeldes nach § 183
SGB III nur dann berücksichtigungsfähig, wenn sie sich ganz oder anteilig den dem Insolvenzereignis
vorausgehenden 3 Monaten zuordnen lassen.
Nach Auffassung der Kammer hatte der Kläger in den Monaten Mai 2007 bis Juli 2007 keinen durchsetzbaren
(anteiligen) Anspruch auf die Tantieme für das laufende Jahr. Es entspricht ständiger Rechtsprechung des BSG,
offene Ansprüche auf Zahlung des laufenden Arbeitslohns grundsätzlich dem Zeitraum zuzuordnen, in dem die Arbeit
als Gegenleistung für den Entgeltanspruch erbracht worden ist ( BSGE 43, 49 , 50 = SozR 4100 § 141b Nr 2; BSG
SozR 4100 § 141b Nr 8; BSGE 89, 289 , 291 = SozR 3-4100 § 141b Nr 24), - mit anderen Worten - dem Zeitraum, für
den der Lohn- und Gehaltsanspruch erarbeitet worden ist (BSG SozR 4100 § 141b Nr 29; BSG SozR 3-4100 § 141b Nr
23). Das steht im Übrigen im Einklang mit der insolvenzrechtlichen Zuordnung von Lohn- und Gehaltsansprüchen (vgl
BAG AP Nr 9 zu § 59 KO; BSG SozR 3-4100 § 141b Nr 23).
Die geforderte Tantieme für das Jahr 2007 stellt eine Jahressonderzahlung dar. Bei der zeitlichen Zuordnung einer
Jahressonderzahlung sind der arbeitsrechtliche Entstehungsgrund und die Zweckbestimmung der Leistung
ausschlaggebend (BSG, Urteil vom 23.03.2006, B 11a AL 65/05 R, Rdz. 14, 16 m.w.N.). Arbeitsvertragliche
Vereinbarungen bzw. Regelungen, die einen zeitanteiligen Anspruch vorsehen, begründen einen Insolvenzgeld-
Anspruch in Höhe des auf den Insolvenzgeld-Zeitraum entfallenden Anteils. Bestanden somit Ansprüche auf
monatliche Abschlagszahlungen, kann ein anteiliger, auf den Monat umgerechneter Teil beim Insolvenzgeld
berücksichtigt werden. Lässt sich die Sonderzuwendung nicht in dieser Weise einzelnen Monaten zuordnen, ist sie in
voller Höhe bei dem Insolvenzgeld zu berücksichtigen, wenn sie im Insolvenzgeld-Zeitraum zu einem Stichtag im
Arbeitsverhältnis stehenden Arbeitnehmern hätte ausgezahlt werden müssen. Ist beides nicht der Fall, findet die
Sonderzahlung beim Insolvenzgeld überhaupt keine Berücksichtigung (BSG, Urteil vom 23.03.2006, B 11a AL 65/05
R, m.w.N.; Urteil vom 02.11.2000, B 11 AL 87/99 R, jeweils zitiert nach JURIS).
Eine monatsweise Abschlagzahlung der Tantieme war im Jahr 2007 nicht mehr geregelt. Aufgrund des ursprünglich
mit E. geschlossenen Arbeitsvertrages des Jahres 2001 hatte der Kläger Anspruch auf ein Fixum sowie auf eine
Tantieme (§ 3 des Vertrages). Der Vertrag sah zunächst eine monatliche Abschlagszahlung der Tantieme vor. Diese
Regelung, monatliche Abschlagszahlungen, wurde von der P. AG nicht übernommen. Nach dem Ernennungs-
/Gehaltsschreiben vom 20.02.2004 hatte der Kläger mit Wirkung vom 01.01.2004 Anspruch auf ein Jahresfixgehalt.
Erst zum 01.01.2007 erfolgte die Ergänzung des Fixgehalts um eine Tantieme. Nach dem Vortrag des Klägers war die
Tantieme an die Erreichung bestimmter Ziele (Anzahl der fakturierten Arbeitstage) geknüpft und es erfolgte keine
monatliche Abschlagszahlung mehr. Die Tantieme für das Jahr 2007 lässt sich somit nicht einzelnen Monaten des
Jahres 2007 zuordnen. Sie ist deshalb auch nicht anteilig beim Insolvenzgeld zu berücksichtigen.
Die Tantieme des laufenden Jahres 2007 musste auch nicht zu einem bestimmten Stichtag im Insolvenzgeldzeitraum
(also vom 01.05.2007 bis 31.07.2007) ausbezahlt werden, so dass sie nach der Rspr. des BSG (BSG, Urteil vom
23.03.2006, B 11a AL 65/05 R, m.w.N.; Urteil vom 02.11.2000, B 11 AL 87/99 R) keine Berücksichtigung findet. Der
Kläger hat erklärt, dass die im Jahresgespräch vom 15.12.006 mit dem Geschäftsführer. fixierte Tantieme an die
Erreichung bestimmter Ziele geknüpft gewesen war. Die Tantieme, so der Kläger, wurde im Folgejahr fällig, wenn die
entsprechenden Ziele erreicht wurden. Nach Auffassung der Kammer ergibt sich somit für die Tantieme des Jahres
2007 ein Fälligkeitszeitpunkt frühestens zum 01.01.2008. Die Tantieme des laufenden Jahres war danach weder
anteilig noch vollständig im Insolvenzgeldzeitraum vom Arbeitgeber geschuldet. Sie kann somit auch nicht beim
Insolvenzgeld berücksichtigt werden.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus § 41 Abs. 1 Insolvenzordnung (InsO), wonach nicht fällige Forderungen als
fällig gelten. Entscheidend ist für die Berücksichtigung des Anspruchs bei der Insolvenzgeldberechnung nicht die
Fälligkeit eines Anspruchs sondern die Durchsetzbarkeit. Wann der Entgeltanspruch fällig oder bezifferbar wird, ist für
den Insolvenzgeldanspruch in der Regel ohne Bedeutung (vgl. BSG SozR 3-4100 § 141b Nr. 11, 24; BSG SGb 2004,
358), da die Beteiligten sonst die Möglichkeit hätten, bei naher Insolvenz Fälligkeitstermine zulasten der
Insolvenzversicherung zu ändern. Da der Arbeitnehmer als Insolvenzgeld nur das erhalten soll, was ihm durch die
Insolvenz verloren ging, setzt das Insolvenzgeld allerdings einen durchsetzbaren Arbeitsentgeltanspruch voraus. Die
Zuordnung von Arbeitsentgelt zum Insolvenzgeldzeitraum ergibt sich dabei nicht aus der Insolvenzordnung sondern
aus den §§ 183 ff. SGB III, die insoweit als Sonderregelungen zu berücksichtigen sind. Danach besteht der Anspruch
auf Insolvenzgeld "für" den Insolvenzgeldzeitraum, so dass zu klären ist, ob sich der Anspruch dem
Insolvenzgeldzeitraum zuordnen lässt. Diese Prüfung wäre andernfalls überflüssig, wenn § 41 Abs. 1 InsO einschlägig
wäre, da andernfalls sämtliche offenen Arbeitsentgeltansprüche immer für die Bewilligung des Insolvenzgeldes zu
berücksichtigen wären. Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass das Insolvenzverfahren zum 01.10.2007 eröffnet
wurde und somit, selbst unter Berücksichtigung der – rechtlich fehlerhaften – Argumentation des Klägers eine
Fälligkeit erst zum 01.10.2007, und somit ebenfalls nicht im Insolvenzgeldzeitraum vorlag.
Etwas anderes ergibt sich für den Anspruch des Klägers auch nicht aus der Entscheidung des SG Mainz vom
22.06.2009 (S 9 AL 71/08). Dort war die Tantieme des Jahres 2006 streitig, die aufgrund der einzelvertraglichen
Vereinbarung im ersten Monat nach Vorlage der Bilanz, die im Juni 2007 erfolgte, fällig war. In dem von dem
Sozialgericht Mainz entschiedenen Fall war somit die Tantieme des Vorjahres und nicht die Tantieme des laufenden
Jahres streitig. Ferner ergab sich dort aufgrund einzelvertraglicher Vereinbarung die Fälligkeit für den
Insolvenzgeldabrechnungsmonat Juli 2007, die zudem auch noch in der Lohnabrechnung des dortigen Klägers
aufgeführt war. Anders verhält es sich hier, da nicht eine Tantieme des Vorjahres sondern die Tantieme des laufenden
Jahres streitig war. Da jedoch, wie festgestellt, weder eine Zuordnung zu einzelnen Monaten noch eine Zuordnung
zum Insolvenzgeldzeitraum zu erkennen war, war die Tantieme für das Jahr 2007 bei dem Anspruch auf
Insolvenzgeld nicht zu berücksichtigen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 SGG und berücksichtigt den Anteil des Obsiegens des Klägers. Die
Berufung ist kraft Gesetzes zulässig (§ 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG). beigefügt werden.