Urteil des SozG Dresden vom 12.11.2010

SozG Dresden: eigene mittel, weiterbildungskosten, zertifizierung, hauptsache, arbeitsmarkt, beratung, erlass, umschulung, rechtskraft, begriff

Sozialgericht Dresden
Beschluss vom 12.11.2010 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Dresden S 21 AS 5651/10 ER
I. Die Antragsgegnerin wird verpflichtet, der Antragstellerin einen vorläufigen Bildungsgutschein – bis zur Rechtskraft
des Verfahrens in der Hauptsache – für die berufliche Weiterbildungsmaßnahme zur Erzieherin bei der "D. GmbH",
Bildungsstätte Dresden, zu erteilen, die Weiterbildungskosten vorläufig ab 02.09.2010 – bis zur Rechtskraft des
Verfahrens in der Hauptsache – zu übernehmen und der Antragstellerin bis zum 06.12.2010 einen vorläufigen
Bescheid über die Förderungshöhe und den Förderungsumfang der Weiterbildungskosten zu erteilen. II. Die
Antragsgegnerin hat die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin zu erstatten.
Gründe:
I.
Die Beteiligten streiten im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes darüber, ob die Antragsgegnerin der
Antragstellerin die Weiterbildungskosten ihrer Umschulung zur Erzieherin bei der "D. GmbH" zu gewähren hat.
Die 1968 geborene Antragstellerin ist gelernte Bühnentänzerin. Sie war über einen längeren Zeitraum bis zum Jahr
1993 an der ( ) beschäftigt. Danach war die Antragstellerin bis zum Jahr 2000 als freischaffende Tänzerin tätig. Von
Oktober 2000 bis Mai 2006 hat sie Elternzeit bzgl. ihrer beiden Kinder in Anspruch genommen.
Auf Grund ihres Alters kann die Antragstellerin den erlernten Beruf als Bühnentänzerin nicht mehr ausüben.
Bereits am 23.10.2008 fand ein Beratungsgespräch zur Ausbildung als Erzieherin bei der Antragsgegnerin statt. Der
Antragstellerin wurde durch ihre Fallmanagerin erklärt, dass eine Ausbildung zur Erzieherin grundsätzlich möglich sei,
jedoch müsse der Bildungsträger vor Ausbildungsbeginn schriftlich erklären, dass er auch die Kosten für das dritte
Ausbildungsjahr finanziert. Die Antragstellerin sollte sich um einen entsprechenden Ausbildungsbetrieb kümmern, eine
Förderung könne sodann stattfinden. Am 10.03.2009 fand nochmals ein Beratungsgespräch im Hinblick auf die
Ausbildung zur Erzieherin bei der Fallmanagerin statt. Wiederum wurde durch die Fallmanagerin mitgeteilt, dass die
Ausbildung durch die Antragsgegnerin gefördert werden kann, soweit für die Finanzierung des dritten
Ausbildungsjahres ein Träger gefunden wird. Mit Antrag vom 19.06.2009 beantragte die Antragstellerin bei der
Antragsgegnerin schließlich eine entsprechende Förderung für die Ausbildung zur Erzieherin bei der "I. GmbH". Die
Antragsgegnerin lehnte mit Bescheid vom 21.07.2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.09.2009 eine
entsprechende Förderung ab. Zur Begründung führte die Antragsgegnerin aus, dass die Finanzierung der Maßnahme
im Sinne von § 85 Abs. 2 Drittes Buch des Sozialgesetzbuches (SGB III) nicht gesichert ist. Gegen den
Widerspruchsbescheid erhob die Antragstellerin am 09.10.2009 Klage beim Sozialgericht Dresden. Das Verfahren wird
unter dem Az. S 21 AS 4997/09 geführt.
Am 11.03.2010 fand erneut ein Beratungsgespräch bei der Antragsgegnerin statt. Die Fallmanagerin teilte der
Antragstellerin wiederum mit, dass eine Förderung durch die Antragsgegnerin aufgrund der fehlenden
Finanzierungssicherstellung des dritten Lehrjahres derzeit nicht in Betracht kommt.
Die Antragstellerin nimmt seit 09.08.2010 an der Weiterbildungsmaßnahme zur Erzieherin der "D. GmbH" teil. Das
Bildungsinstitut ist durch den TÜV Süd mit Zertifikat vom 01.07.2009, Zertifikat-Registriernummer TMS, zertifiziert.
Aus der Anlage zum benannten Zertifikat geht hervor, dass auch die Ausbildung zum Erzieher durch den
Bildungsträger durchgeführt werden kann und daher ebenso zertifiziert ist.
Mit Schreiben vom 11.08.2010 hat die Antragsgegnerin die Antragstellerin zu einem Beratungsgespräch für den
31.08.2010 eingeladen. Die Antragstellerin teilte mit Schreiben vom 12.08.2010 diesbezüglich mit, dass sie den
Termin nicht wahrnehmen wird, da sie bereits ab 09.08.2010 an der Weiterbildungsmaßnahme zur Erzieherin der "D.
GmbH" teilnimmt. Am 16.08.2010 beantragte die Antragstellerin bei der Antragsgegnerin die Förderung der beruflichen
Weiterbildungsmaßnahme zur Erzieherin bei der "D. GmbH". Mit Bescheid vom 09.09.2010 lehnte die Antragsgegnerin
mit überwiegend gleicher Begründung wie im Jahr zuvor den Antrag der Antragstellerin ab. Mit Schriftsatz vom
16.09.2010 hat die Antragstellerin gegen den Bescheid vom 09.09.2010 Widerspruch eingelegt.
Am 01.09.2010 hat die Antragstellerin beim Sozialgericht Dresden den Erlass einer einstweiligen Regelungsanordnung
beantragt, mit der die Antragsgegnerin einstweilen verpflichtet werden soll, die Weiterbildungsmaßnahme zur
Erzieherin "D. GmbH" zu fördern.
Im Antragsverfahren hat die Antragstellerin einen Vorabbescheid der Landesdirektion Chemnitz vom 24.09.2010
vorgelegt, in dem bescheinigt wird, dass nach derzeitiger Akten- und Gesetzeslage das dritte Ausbildungsjahr nach
dem Aufstiegsfortbildungsförderungsgesetz (AFBG) – sogenanntes "Meister-BAföG" – gefördert werden kann.
Auf eine telefonische Anfrage vom 20.10.2010 teilte Frau E. von der "D. GmbH" mit, dass die Vermittlungschancen
nach Abschluss der Ausbildung zur Erzieherin gut sind und die Antragstellerin derzeit noch an der
Weiterbildungsmaßnahme zur Erzieherin teilnimmt. Die Weiterbildungsmaßnahmekosten werden der Antragstellerin
bis zu einer Entscheidung in dieser Sache gestundet. Bei einer privaten Finanzierung muss die Antragstellerin 100,00
EUR monatlich für das Schulgeld aufwenden. Die Antragstellerin verfügt über keinerlei Vermögenswerte und ihr
Girokonto wies am 22.10.2010 einen Negativsaldo in Höhe von 624,35 EUR aus.
Die Antragstellerin ist der Ansicht, dass der Zweck von § 85 Abs. 2 Satz 3 SGB III lediglich sei, die Finanzierung des
dritten Lehrjahres in irgendeiner Form sicherzustellen. Eine entsprechende Finanzierungssicherstellung der
Maßnahme habe nicht zwingend durch den Bildungsträger zu erfolgen. Dies sei aus dem Wortlaut des § 85 Abs. 2
Satz 3 SGB III nicht ableitbar. So könnten auch darlehensfinanzierte Förderungen – wie etwa das "Meister-BAföG" –
die Ausbildung im dritten Lehrjahr sicherstellen.
Die Antragstellerin beantragt daher,
die Antragsgegnerin zu verpflichten, der Antragstellerin die Teilnahme an der beruflichen Weiterbildungsmaßnahme
zur Erzieherin bei der "D. GmbH", durchgeführt in der Bildungsstätte Dresden, zu gestatten und diese Maßnahme
gemäß §§ 77 ff. SGB III als Umschulung zu fördern.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag abzuweisen.
Die Antragsgegnerin meint, dass bereits keine Beratung im Sinne von § 77 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB III erfolgt sei, da
die Antragstellerin der Einladung für den 31.08.2010 nicht nachgekommen sei. Die vorhergehenden
Beratungsgespräche reichten hierfür nicht aus. Weiterhin sei die Finanzierung des dritten Ausbildungsjahres im Sinne
von § 85 Abs. 2 Satz 3 SGB III nicht gesichert. Auch die im § 85 SGB III gestellten Anforderungen an eine
Maßnahme könnten durch die Antragsgegnerin geprüft werden. Soweit die Antragsgegnerin zum Ergebnis komme,
dass entsprechende Anforderungen nicht vorlägen, so könne sie entsprechende Maßnahmen bereits diesbezüglich
ablehnen. So läge der Fall auch hier. Eine Fremdfinanzierung aus Eigenmitteln oder durch "Meister-BAföG" könne das
dritte Lehrjahr nicht sicherstellen. Zudem stelle die Bewilligung eines Bildungsgutscheines im Sinne von § 77 SGB III
eine Ermessensentscheidung der Antragsgegnerin dar. Insoweit sei hier keine Ermessensreduktion auf "Null"
gegeben, sodass eine Bewilligung eines Bildungsgutscheines nicht in Betracht komme, zumal dies eine
Vorwegnahme der Hauptsache darstellen würde.
Das Gericht hat die Verwaltungsakten der Antragsgegnerin unter dem Az. zum Gegenstand des Verfahrens gemacht.
Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte einschließlich der gewechselten
Schriftsätze verwiesen.
II.
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist zulässig und begründet. Die Antragsgegnerin hat vorläufig, bis
zum rechtskräftigen Abschluss des Hauptsacheverfahrens, einen Bildungsgutschein zu erteilen und die
Weiterbildungskosten ab 02.09.2010 zu übernehmen. Die konkrete Höhe der Weiterbildungskosten und deren Umfang
hat die Antragsgegnerin in einem Bescheid bis zum 06.12.2010 vorläufig festzulegen.
Die Antragstellerin begehrt den Erlass einer einstweiligen Regelungsanordnung, da sie vorläufig die Regelung eines
von der Antragsgegnerin bisher bestrittenen Rechtsverhältnisses beansprucht (vgl. Sächsisches Landessozialgericht,
Beschluss vom 17.09.2007, Az.: L 2 B 291/07 AS ER). Eine solche einstweilige Regelungsanordnung kann das
Gericht nur dann erlassen, wenn sie zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheint, § 86 b Abs. 2 Satz 2
des Sozialgerichtsgesetzes (SGG). Der Anordnungsanspruch, also die Rechtsposition, deren Durchsetzung im
Hauptsacheverfahren beabsichtigt ist, sowie der Anordnungsgrund, die Eilbedürftigkeit der begehrten sofortigen
Regelung, sind glaubhaft zu machen, § 86 b Abs. 2 Satz 4 SGG in Verbindung mit § 920 Abs. 2 der
Zivilprozessordnung (ZPO).
1. Die Antragstellerin besitzt nach summarischer Prüfung einen Anspruch auf Erteilung eines vorläufigen
Bildungsgutscheines gemäß § 16 Abs. 1 Zweites Buch des Sozialgesetzbuches (SGB II) i.V.m. § 77 SGB III.
a) Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 77 Abs. 1 SGB III liegen vor. Die Weiterbildung ist notwendig, um die
Antragstellerin aus ihrer Arbeitslosigkeit heraus wieder beruflich einzugliedern. Dabei ist der Begriff der Weiterbildung
weit auszulegen. Wie § 77 Abs. 2 SGB III zeigt, fällt unter Weiterbildung auch eine Umschulung oder
Berufserstausbildung. Die Notwendigkeit einer Weiterbildung im Sinne von § 77 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Alt. 1 SGB III
setzt zudem eine positive individuelle Beschäftigungsprognose dahingehend voraus, dass die Maßnahme der
beruflichen Weiterbildung die Eingliederungschancen der Antragstellerin auf dem Arbeitsmarkt erhöht (ständige
Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes, vgl. etwa Urteil vom 03.07.2003, Az.: B 7 AL 66/02). Da die
Antragstellerin lediglich über einen Abschluss in einem Beruf verfügt, den sie nicht mehr ausüben kann, bestehen
ohne die Bildungsmaßnahme keine Vermittlungschancen auf dem Arbeitsmarkt. Zudem teilte Frau Eber vom
Bildungsträger mit, dass auch nach Abschluss der Weiterbildungsmaßnahme gute Chancen für einen Arbeitsplatz als
Erzieherin bestehen. Wie sich aus den verschiedenen Beratungsvermerken ergibt, geht die Antragsgegnerin davon
auch selbst aus. So hat sie der Antragstellerin nicht abgeraten, den Beruf der Erzieherin zu ergreifen, sondern einer
Förderung sogar in Aussicht gestellt, soweit das dritte Lehrjahr durch einen Bildungsträger gefördert wird. Außerdem
ergibt sich die Notwendigkeit der Weiterbildung auch aus § 77 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Alt. 3, Abs. 2 Nr. 1 SGB III. Die
Antragstellerin verfügt über einen Berufsabschluss als Bühnentänzerin. Sie hat jedoch über vier Jahre eine an- oder
ungelernte Tätigkeit ausgeübt. Dabei ist der Begriff der beruflichen Tätigkeit weit auszulegen. Ausreichend ist
nämlich, dass die Antragstellerin während ihrer Elternzeit im eigenen Haushalt tätig war (vgl. Stratmann in: Niesel,
Kommentar zum SGB III, 5. Auflage, § 77 Rn. 24 ff.). Ferner wäre auch die Tatsache, dass die Antragstellerin ihren
erlernten Beruf als Bühnentänzerin aufgrund ihres Alters nicht mehr ausüben kann, mit einer vierjährigen
Beschäftigung in an- oder ungelernter Tätigkeit gleichzustellen, da in beiden Fällen nach Sinn und Zweck der
Regelung eine Berufsentfremdung eingetreten ist.
Weiterhin ist auch vor Beginn der Teilnahme eine Beratung durch die Antragsgegnerin gemäß § 77 Abs. 1 Satz 1 Nr.
2. SGB III erfolgt. Durch das Beratungserfordernis soll sichergestellt werden, dass der einzelne Arbeitnehmer an
derjenigen Maßnahme teilnimmt, die für ihn arbeitsmarktpolitisch die zweckmäßigste ist (vgl. Stratmann a.a.O., § 77
Rn. 17). Zwar ist es richtig, dass die Antragstellerin zum Termin am 31.08.2010 nicht erschienen ist. Jedoch hat die
Antragsgegnerin die Antragstellerin mehrfach – zuletzt am 11.03.2010 – im Hinblick auf die Weiterbildung zur
Erzieherin konkret beraten. Bei diesen Beratungen wurde auch über die Zweckmäßigkeit einer Weiterbildung zur
Erzieherin gesprochen. Diese wurde von der Antragsgegnerin dabei nie in Frage gestellt. Eine neuerliche Beratung im
Hinblick auf den am 16.08.2010 gestellten Antrag zu fordern, würde eine bloße Förmelei darstellen, da diesbezüglich
bereits über einen Zeitraum von 1 1/2 Jahren mehrere Beratungen stattgefunden haben und sich auch nach dem
Vortrag der Antragsgegnerin am Sachverhalt an sich nichts geändert hat.
Schließlich sind auch die Maßnahme und der Träger der Maßnahme für die Förderung im Sinne von § 77 Abs. 1 Satz
1 Nr. 3 SGB III zugelassen. Dies ergibt sich aus den vorgelegten Zertifizierungen.
b) Im Weiteren ist auch die Finanzierung der Maßnahme im Sinne von § 85 Abs. 2 Satz 3 SGB III gesichert.
aa) Zum einen ergibt sich die Sicherung der Maßnahmenfinanzierung bereits daraus, dass die Maßnahme zertifiziert
ist. Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin steht dieser keine eigene Prüfungskompetenz im Hinblick auf die
Sicherstellung der Finanzierung des dritten Ausbildungsjahres zu. § 85 Abs. 2 SGB III definiert die angemessene
Dauer der Maßnahme im Sinne von § 85 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB III. § 85 Abs. 1 SGB III regelt wiederum die
einzelnen Anforderungen, die an eine Maßnahme gestellt werden, damit diese durch die fachkundige Stelle
zugelassen werden kann. Die Anforderungen sind aber nicht von der Antragsgegnerin, sondern von der fachkundigen
Stelle zu prüfen. Soweit die fachkundige Stelle die Voraussetzungen des § 85 SGB III geprüft hat und eine
entsprechende Zertifizierung vorliegt, ist die Antragsgegnerin daran gebunden. Soweit sie der Ansicht ist, dass die
Zertifizierung fehlerhaft ist, da gegebenenfalls entsprechende Voraussetzungen im Sinne von § 85 SGB III nicht
vorliegen, muss die Antragsgegnerin gegen die Zertifizierung durch die fachkundige Stelle vorgehen. Soweit aber eine
entsprechende Zertifizierung nicht aufgehoben wurde, muss sich die Antragsgegnerin an diese halten, da eine solche
für sie nach der Konzeption des SGB III bindend ist (vgl. Sozialgericht Dresden, Beschluss vom 22.09.2009, Az. S 34
AS 3910/09 ER). Auch aus der Gesetzesbegründung zu § 85 SGB III ergibt sich, dass die Antragsgegnerin an die
Zulassung durch die berufene fachkundige Stelle gebunden ist und deshalb keine Eigenkontrolle der jeweiligen
Zulassungsvoraussetzungen durchführen kann. Bei der Prüfung der Zulassungsvoraussetzungen handelt es sich
nämlich um eine originäre Entscheidungskompetenz der fachkundigen Stelle, die insoweit die Entscheidung durch den
Leistungsträger ersetzt (BT – Drucksache 15/25, Seite 30 zu §§ 84, 85). Für eine Bindung spricht auch, dass nur im
Einzelfall und über die Zulassung der fachkundigen Stellen hinausgehend weitere Maßnahmen zugelassen werden
können, vgl. § 12 der Verordnung über das Verfahren zur Anerkennung von fachkundigen Stellen sowie zur Zulassung
von Trägern und Maßnahmen der beruflichen Weiterbildung (AZWV) nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch (vgl.
hierzu auch Sozialgericht Hildesheim, Beschluss vom 23.09.2009, Az.: S 26 AS 1577/09 ER). Ohne eine
entsprechende Bindungswirkung wäre auch § 86 Abs. 2 Satz 2 SGB III seines Regelungsgehalts beraubt. § 86 Abs. 2
Satz 2 SGB III berechtigt die Agentur für Arbeit, die Trägerzulassung aufzuheben. Einzelne Maßnahmen können
jedoch nicht aufgehoben werden. Wenn die Agentur für Arbeit bzw. die Antragsgegnerin sowieso berechtigt wäre, die
Anforderungen an die Maßnahme im Sinne von § 85 SGB III zu prüfen, dann bedürfte es dieser Vorschrift nicht (so
auch Hessisches Landessozialgericht, Beschluss vom 28.04.2009, Az.: L 7 AL 118/08 B ER). Schließlich führt das
Sächsische Landessozialgericht in seinem Urteil vom 19.06.2008, Az.: L 3 AS 39/07, zu Recht Folgendes aus:
"Die Anforderungen an die Maßnahme sind auf der Grundlage von § 85 SGB III i. V. m. § 9 AZWV zu prüfen. In § 9
Abs. 2 Satz 2 AZWV ist als Voraussetzung für die Zulassung der Maßnahme geregelt, dass die in § 85 SGB III sowie
die in § 9 Abs. 1 AZWV genannten Voraussetzungen in Bezug auf die geprüften Maßnahmen erfüllt sind. Zu den
Voraussetzungen von § 85 SGB III gehört nach dessen Absatz 2 Satz 3 jedoch unter anderem auch die
Finanzierungssicherung des letzten Drittels der Maßnahme. Das Vorliegen der gesamten Zulassungsvoraussetzungen
des § 85 SGB III ist somit mit Erteilung der Zertifizierungsurkunde verbindlich festgestellt. Die Beklagte ist auf Grund
der Tatbestandswirkung dieses Verwaltungsaktes, welche sich bereits aus dem Wortlaut der § 77 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3,
§§ 84, 85 SGB III ergibt, an die Entscheidung der fachkundigen Stelle gebunden und hatte deshalb keine
weitergehenden Befugnisse, das Vorliegen der Voraussetzungen des § 85 SGB III in eigener Zuständigkeit zu prüfen."
bb) Zum anderen wäre die Finanzierung des dritten Ausbildungsjahres auch durch sogenanntes "Meister-BaföG"
gesichert. Die Auslegung der Antragsgegnerin, dass eine Finanzierung durch den Maßnahmeträger erfolgen müsse
und daher eine private Finanzierung oder Darlehensfinanzierung nicht in Betracht komme, findet im Wortlaut von § 85
Abs. 2 Satz 3 SGB III keine Stütze. Bereits aus dem Wortlaut ergibt sich keine Differenzierung hinsichtlich
verschiedener Formen der finanziellen Sicherung des dritten Ausbildungsjahres (vgl. Sozialgericht Dresden a.a.O.).
Auch der Sinn und Zweck des Gesetzes wird nicht verfehlt, denn er richtet sich auf die sichere Durchführung der
gesamten Ausbildung. Diese kann aber auch durch eine irgendwie geartete Drittfinanzierung sichergestellt werden
(Sozialgericht Dresden, Beschluss vom 20.07.2010, Az.: S 35 AL 446/10 ER). Die Rechtsansicht der Antragsgegnerin
führte dazu, dass nicht verkürzbare Ausbildungen durch die Antragsgegnerin nicht mehr gefördert werden können,
soweit die Maßnahmeträger nicht selbst eine Förderung für das dritte Ausbildungsjahr bereitstellten. Dies ist aber vom
Gesetzgeber ersichtlich nicht gewollt (vgl. Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 04.12.2008,
Az.: L 9 AS 529/08 ER).
Mit Vorabbescheid vom 24.09.2010 hat die Landesdirektion Chemnitz bestätigt, dass die Förderungsvoraussetzungen
für das dritte Lehrjahr durch sogenanntes "Meister-BAföG" vorliegen. Dabei ist auch nicht hinderlich, dass es sich nur
um einen Vorabbescheid handelt. Gemäß § 23 Abs. 4 AFBG kann die Antragstellerin erst in einem Jahr einen
endgültigen Bescheid erlangen. Dass sich an den maßgeblichen Verhältnissen der Antragstellerin etwas ändern wird,
ist nicht ersichtlich. Insbesondere würden auch Änderungen im Hinblick auf die Einkommens- und
Vermögensverhältnisse der Antragstellerin nur dazu führen, dass diese das dritte Ausbildungsjahr dann
gegebenenfalls durch eigene Mittel finanzieren könnte.
c) Auf der Rechtsfolgenseite handelt es sich bei einer Förderung der beruflichen Weiterbildung um eine
Ermessensleistung. Dabei reicht im Antragsverfahren bereits aus, dass die nachzuholende Ermessensentscheidung
mit überwiegender Wahrscheinlichkeit zu Gunsten der Antragstellerin ausgeht oder ohne die begehrte
Regelungsanordnung Rechtsschutz nicht erreichbar und dies für die Antragstellerin unzumutbar ist
(Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 28.09.2009, Az.: L 19 B 266/09 AS ER).
aa) Die Ermessensentscheidung gliedert sich dabei zunächst in ein doppeltes Entschließungsermessen, nämlich
personen- und maßnahmebezogen, und sodann in ein Auswahlermessen (vgl. Niewald in: Gagel, Kommentar zum
SGB II und SGB III, Stand: Juli 2010, § 77 Rn. 88 ff.). Hierbei muss jedoch beachtet werden, dass die
Tatbestandsvoraussetzungen des § 77 SGB III bereits recht eng sind und somit die Gewährung von Leistungen nur
bei Vorliegen gewichtiger Gründe abgelehnt werden kann (vgl. Sozialgericht Leipzig, Beschluss vom 25.10.2007, Az.:
S 19 AS 2470/07 ER; B. Schmidt in: Eicher/Schlegel, Kommentar zum SGB III, Stand: August 2009, § 77 Rn. 55).
Hinsichtlich des Entschließungsermessens liegt eine Ermessensreduktion auf "Null" vor.
Im Rahmen des personenbezogenen Entschließungsermessens hat die Antragsgegnerin zu entscheiden, ob sie die
Antragstellerin überhaupt fördern möchte. Schon zu den Beratungsgesprächen am 23.10.2008 und am 10.03.2009 hat
die Fallmanagerin der Antragstellerin grundsätzlich die Förderung der Ausbildung zur Erzieherin zugesagt, soweit das
dritte Ausbildungsjahr durch den Bildungsträger finanziert wird. Auch aus der dienstlichen Stellungnahme der
Fallmanagerin vom 28.09.2010 geht hervor, dass die Antragstellerin eine Förderung für eine Berufsausbildung erhalten
kann. Damit hat die Antragsgegnerin aus dem förderfähigen Personenkreis die Antragstellerin herausgegriffen und
eine Förderung grundsätzlich zugesagt.
Auch maßnahmebezogen kann die Antragsgegnerin ihr Ermessen nur noch dahingehend ausüben, dass die
Antragstellerin grundsätzlich eine Ausbildung zur Erzieherin absolvieren kann. In den benannten Beratungsgesprächen
hat die Antragsgegnerin nämlich wiederholt zum Ausdruck gebracht, dass sie bereit ist, die Ausbildung zur Erzieherin
an sich zu fördern, soweit nur das dritte Ausbildungsjahr nach Rechtsansicht der Antragsgegnerin sichergestellt sei.
Dies ist wie oben ausgeführt der Fall. Die Antragsgegnerin hat die Antragstellerin sogar dazu bewegt, eine nach den
Vorstellungen der Antragsgegnerin geeignete Maßnahme nebst Bildungsträger zu suchen. Eine ermessensfehlerfreie
Entscheidung der Antragsgegnerin kann daher nur noch auf die Förderung einer Ausbildung zur Erzieherin gerichtet
sein. Durch ihr Verhalten hat sich die Antragsgegnerin insoweit selbst gebunden. Darüber hinaus liegt auch die
konkrete Auswahl der geförderten Maßnahme im pflichtgemäßen Ermessen der Antragsgegnerin. Die Antragsgegnerin
kann ihr Ermessen aber nur dahingehend ausüben, der Antragstellerin die Weiterbildungsmaßnahme zur Erzieherin bei
der "D. GmbH" zu fördern. Eine Weiterbildungsmaßnahme zur Erzieherin eines anderen Bildungsträgers hat die
Antragsgegnerin der Antragstellerin gerade nicht vorgeschlagen. Andere gleichwertige Ausbildungen zur Erzieherin
sind dem Gericht weder bekannt noch wurden sie durch die Antragsgegnerin vorgetragen. Da die Antragsgegnerin eine
Ausbildungsförderung der Antragstellerin zur Erzieherin grundsätzlich bejaht, ist ihr maßnahmebezogenes
Entschließungsermessen auf die genannte Weiterbildungsmaßnahme reduziert.
Auf eine Ermessensreduktion auf "Null" hinsichtlich des Auswahlermessens kommt es nicht an. Die konkrete Höhe
der Förderung und den Förderungsumfang kann die Antragsgegnerin durch Bescheid nämlich noch frei selbst
festlegen. Die Antragsgegnerin kann ihr Ermessen im Hinblick auf die konkreten Weiterbildungskosten im Sinne von §
79 SGB III damit noch ausüben. Die Antragsgegnerin wird dabei jedoch zu beachten haben, dass ihr
Auswahlermessen von vornherein eingeschränkt ist. Nachdem das "Ob" der Förderung bejaht wurde, kann das "Wie"
der Leistungsgewährung nicht zur Ablehnung jeglicher Art von Leistungen führen (vgl. Niewald a.a.O., vor § 77 Rn. 15
und § 77 Rn. 97 ff.). Vielmehr darf durch die Auswahlermessensausübung der Antragsgegnerin die Weiterbildung nicht
gefährdet werden.
bb) Auch unter dem Gesichtspunkt des effektiven Rechtsschutzgebotes im Sinne von Artikel 19 Abs. 4 Grundgesetz
(GG) ist es der Antragstellerin nicht weiter zumutbar auf eine ermessensfehlerfreie Entscheidung der Antragsgegnerin
zu warten. Die Antragsgegnerin hat nämlich bereits im Jahr 2009 eine entsprechende Ausbildungsförderung der
Antragstellerin mit Hinweis auf die fehlende Finanzierung des dritten Ausbildungsjahres abgelehnt. Hierzu ist das
Verfahren S 21 AS 4997/09 beim Sozialgericht Dresden anhängig. Trotz ausführlicher richterlicher Hinweise, u. a.
unter Bezugnahme auf die obergerichtliche Rechtsprechung, insbesondere des Sächsischen Landessozialgerichts,
hat die Antragsgegnerin ihre Rechtsansicht im anhängigen Verfahren und bei der erneuten Antragstellung nicht
geändert. Die Antragstellerin kann vor diesem Hintergrund nicht darauf verwiesen werden, nochmals ein
Hauptsacheverfahren anzustrengen, in dem davon auszugehen ist, dass die Antragsgegnerin ihre Rechtsansicht
aufgrund einer Weisungslage wiederum nicht ändern wird. Seit nunmehr über zwei Jahren versucht die Antragstellerin,
eine derartige Ausbildung zu absolvieren. Eine entsprechende Unterstützung hat sie durch die Antragsgegnerin dabei
nicht erhalten. Auch hat die Antragsgegnerin keinerlei Alternativen wie etwa eine anderweitige Ausbildung angeboten.
Die Antragsgegnerin hat lediglich der Berufswahlfreiheit der Antragstellerin im Sinne von Artikel 12 GG dadurch
Rechnung getragen, dass sie die Ausbildung der Antragstellerin zur Erzieherin grundsätzlich für förderungsfähig hält.
Die Antragsgegnerin hat jedoch nichts getan, um eine entsprechende Ausbildung zu ermöglichen. Die Antragstellerin
ist 42 Jahre alt und ohne eine Ausbildung auf dem Arbeitsmarkt chancenlos. Je älter die Antragstellerin wird, desto
mehr verringert sich die Aussicht auf Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt. Deshalb ist es für die Antragstellerin
unzumutbar, gegebenenfalls weitere Jahre auf eine rechtskräftige Entscheidung in der Hauptsache zu warten.
2. Die Antragstellerin hat auch einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht. Aus den vorgelegten Kontoauszügen ergibt
sich, dass die Antragstellerin nicht in der Lage ist, die monatlich anfallenden Schulgebühren bei einer privaten
Finanzierung in Höhe von 100,00 EUR zu zahlen. Ihr Girokonto wies am 22.10.2010 ein Negativsaldo in Höhe von
624,35 EUR aus. Über weitere Vermögenswerte verfügt die Antragstellerin nicht.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 Abs. 1 Satz 1 SGG.