Urteil des SozG Dresden vom 13.01.2011

SozG Dresden: dienstanweisung, anerkennung, tarifvertrag, teilzeitbeschäftigung, arbeitsmarkt, meinung, vollzeitbeschäftigung, sozialleistung, gesetzestext, minimum

Sozialgericht Dresden
Urteil vom 13.01.2011 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Dresden S 35 AL 166/09
I. Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 06.10.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides
vom 02.02.2009 – Az.: W 2634/08 – verurteilt, der Klägerin Leistungen nach § 4 Altersteilzeitgesetz in gesetzlicher
Höhe, bezogen auf den ausgeschiedenen Altersteilzeiter K., zu gewähren.
II. Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 01.08.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides
vom 27.02.2009 – Az.: W 2276/07 – verurteilt, der Klägerin Leistungen nach § 4 Altersteilzeitgesetz in gesetzlicher
Höhe, bezogen auf den ausgeschiedenen Altersteilzeiter R., zu gewähren.
III. Die Beklagte erstattet der Klägerin deren notwendige außergerichtliche Kosten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung von Aufstockungsleistungen nach dem Altersteilzeitgesetz streitig.
Die Klägerin hat den am 22.05.1945 geborenen K. seit 01.11.1991 als Schulhausmeister beschäftigt. Dabei galt für
den Zeitraum ab 01.04.2003 eine wöchentliche Arbeitszeit von 50,5 Stunden aufgrund der Sonderregelung für
Schulhausmeister SR 2r BAT-Ost. Vom 01.09.2003 bis 31.12.2003 war der Arbeitnehmer K. mit 45,5 Stunden pro
Woche, vom 01.01.2004 bis 30.06.2005 mit 46,5 Stunden pro Woche und vom 01.07.2005 bis 31.08.2005 mit 48
Stunden pro Woche gemäß Bezirkstarifvertrag beschäftigt. Vom 01.09.2005 bis 31.05.2010 wurde mit dem
Arbeitnehmer K. eine Altersteilzeitvereinbarung getroffen (Altersteilzeitvertrag vom 19.07.2005). Gewählt war die
Altersteilzeit im Blockmodell mit der Arbeitsphase vom 01.09.2005 bis 15.01.2008 und der Freistellungsphase vom
16.01.2008 bis 31.05.2010. Aufgrund der durchschnittlichen Arbeitszeit der letzten 24 Monate vor dem 31.08.2005 von
46,46 Stunden pro Woche wurde die Arbeitszeit im Altersteilzeitvertrag mit der Hälfte der bisherigen
durchschnittlichen wöchentlichen Arbeitszeit, somit 23,25 Stunden festgelegt. Ab 15.06.2008 beschäftigte die
Klägerin den Arbeitslosen Mg., befristet bis 31.12.2008, als Schulhausmeister (Arbeitsvertrag vom 10.06.2008). Die
Klägerin beantragte mit Formantrag ATG 200 vom 25.07.2008 die Anerkennung der Voraussetzungen für die
Gewährung von Leistungen nach § 4 des Altersteilzeitgesetzes aufgrund der Wiederbesetzung mit einem arbeitslos
gemeldeten Arbeitnehmer. Sie legte hierbei die Bescheinigung des Rentenversicherungsträgers, die
Altersteilzeitvereinbarung, eine Abtretungserklärung sowie den Arbeitsvertrag mit Mg. vor und gab an, dass der
Arbeitnehmer Mg mit einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 37,5 Stunden gemäß Anwendungstarifvertrag
beschäftigt werde. Ferner reichte die Klägerin eine Anlage zur Entwicklung der Arbeitszeiten für Hausmeister ein.
Die Beklagte lehnte, nachdem sie festgestellt hatte, dass der Arbeitnehmer Mg. vom 01.04.2008 bis 14.06.2008
arbeitslos gemeldet war, die beantragte Leistung mit Bescheid vom 06.10.2008 ab. Die Voraussetzungen nach § 3
Abs. 1 Nr. 2 Altersteilzeitgesetz lägen nicht vor. Das erforderliche Arbeitszeitvolumen der bisherigen Arbeitszeit bleibe
durch die Wiederbesetzung nicht erhalten. Hiergegen hat die Klägerin mit Schreiben vom 23.12.2008 Widerspruch
eingelegt und die Berechnung der maßgebenden Arbeitszeit unter Berücksichtigung des jeweils geltenden
Tarifvertrags erläutert. Der Arbeitnehmer K. sei in den letzten 24 Monaten vor Beginn der Altersteilzeit mit 46,46
Stunden pro Woche beschäftigt worden. Damit seien 23,25 Stunden und somit die Hälfte der bisherigen Arbeitszeit im
Altersteilzeitvertrag vereinbart worden. Die Klägerin verweist auf die geänderten Arbeitszeiten gemäß
Anwendungstarifvertrag. Wie alle vom Geltungsbereich des Anwendungstarifvertrags erfassten Arbeitnehmer arbeite
der Arbeitnehmer Mg. als Schulhausmeister 37,5 Wochenstunden. Die vorherige Sonderregelung SR 2r BAT-Ost war
ab 01.10.2005 außer Kraft gesetzt. Eine Abweichung von den jeweils geltenden tariflichen Bestimmungen sei bei
Neueinstellung hinsichtlich des Arbeitsvolumens ausgeschlossen.
Die Beklagte wies den Widerspruch zurück (Widerspruchsbescheid vom 02.02.2009, Az.: W 2634/08). Voraussetzung
für die Leistungen nach § 4 Altersteilzeitgesetz sei u. a., dass der Arbeitgeber den frei gewordenen Arbeitsplatz durch
einen arbeitslos gemeldeten Arbeitnehmer besetzt. Die Wiederbesetzung mit 37,5 Stunden stelle eine erhebliche
Abweichung (20 %) gegenüber der bisherigen Arbeitszeit dar und genüge nicht den Anforderungen, da das
Gesamtvolumen der bisherigen Arbeitszeit bei der Wiederbesetzung grundsätzlich erhalten bleiben müsse.
Unschädlich wären nur geringfügige Abweichungen von höchstens 10 %. Die von der Klägerin aufgezeigten
Änderungen in den Arbeitszeiten bestimmter Beschäftigungsgruppen könnten zu keiner anderen Entscheidung führen.
Bei der Klägerin war seit 01.02.1991 der am 14.02.1944 geborene Arbeitnehmer R. als Schulhausmeister beschäftigt.
Mit dem Arbeitnehmer R. schloss die Klägerin ab 01.01.2005 eine Altersteilzeitvereinbarung bis 28.02.2009
(Altersteilzeitvertrag vom 31.03.2004). Vereinbart war Altersteilzeit im Wege des Blockmodells, wobei die
Arbeitsphase bis 31.01.2007 laufen sollte. Daran schloss sich die Freistellungsphase vom 01.02.2007 bis 28.02.2009
an. Im Vormonat vor Beginn der Altersteilzeit (Dezember 2004) war der Arbeitnehmer R. mit 46,5 Stunden pro Woche
gemäß Bezirkstarifvertrag beschäftigt. In den 24 Monaten vor Beginn der Altersteilzeit war er mit 50,5 Stunden pro
Woche (01.01.2003 bis 31.03.2003), mit 45,5 Stunden pro Woche (01.04.2003 bis 31.12.2003) bzw. mit 46,5 Stunden
pro Woche (01.01.2004 bis 31.12.2004) gemäß Bezirkstarifvertrag beschäftigt. Die Klägerin hat hieraus eine für die
Altersteilzeit maßgebende Arbeitszeit von 46,5 Stunden ermittelt und mit dem Arbeitnehmer R. eine wöchentliche
Arbeitszeit während der Altersteilzeit von 23,25 Stunden vereinbart. Während der Freistellungsphase hat die Klägerin
ab 01.04.2007 den arbeitslosen Andreas Ml. als Hausmeister, zunächst befristet bis 31.12.2007, eingestellt
(Arbeitsvertrag vom 29.03.2007). Mit Formantrag ATG 200 vom 18.04.2007 beantragte die Klägerin die Anerkennung
der Voraussetzungen für die Gewährung von Leistungen nach § 4 Altersteilzeitgesetz aufgrund Wiederbesetzung mit
einem arbeitslos gemeldeten Arbeitnehmer unter Vorlage verschiedener Anlagen. Der Arbeitnehmer Ml. wurde danach
ab 01.04.2007 mit einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 37,5 Stunden gemäß Anwendungstarifvertrags
beschäftigt.
Die Beklagte lehnte den Antrag, nachdem sie festgestellt hat, dass Andreas Ml. vom 27.03.2006 bis 11.02.2007 und
vom 25.03.2007 bis 31.03.2007 arbeitslos war, mit Bescheid vom 01.08.2007 ab, da die Voraussetzungen des § 3
Abs. 1 Nr. 2 Altersteilzeitgesetz nicht vorlägen. Das erforderliche Arbeitszeitvolumen der bisherigen Arbeitszeit bleibe
auch hier durch die Wiederbesetzung nicht erhalten. In dem Widerspruch der Klägerin hiergegen erläuterte sie die
Berechnung der maßgebenden Arbeitszeit unter Berücksichtigung der jeweils geltenden Tarifverträge (Widerspruch
vom 09.08.2007). Sie verwies auch hier auf die geänderten Arbeitszeiten gemäß des aktuellen
Anwendungstarifvertrages. So arbeite auch der Arbeitnehmer Ml., ausgehend vom Geltungsbereich des
Anwendungstarifvertrags, als Schulhausmeister mit 37,5 Wochenstunden. Ferner teilte die Klägerin mit, dass das
Arbeitsverhältnis mit dem Arbeitnehmer Ml. mittlerweile entfristet sei. Die Beklagte wies den Widerspruch mit
Widerspruchsbescheid vom 27.02.2009 (Az.: W 2276/07) zurück, da die Wiederbesetzung mit 37,5 Stunden ihrer
Meinung nach eine erhebliche Abweichung gegenüber der bisherigen Arbeitszeit darstelle und nicht den Anforderungen
genüge.
Gegen den Widerspruchsbescheid vom 02.02.2009 (Az.: W 2634/08) hat die Klägerin am 02.03.2009 Klage erhoben
(Az.: S 35 AL 166/09). Gegen den Widerspruchsbescheid vom 27.02.2009 (Az.: W 2276/07) hat die Klägerin am
31.03.2009 Klage erhoben (S 35 AL 236/09).
Die Verfahren wurden im Rahmen der mündlichen Verhandlung am 13.01.2011 zur gemeinsamen Verhandlung und
Entscheidung unter dem führenden Aktenzeichen S 35 AL 166/09 verbunden.
Zur Begründung ihrer Klagen trägt die Klägerin vor, die Entscheidung der Beklagten sei willkürlich getroffen und finde
in § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a) Altersteilzeitgesetz keine Stütze. Die Arbeitszeit während der Altersteilzeit sei
nach § 3 Abs. 1 Altersteilzeitgesetz ausgehend vom Durchschnitt der letzten 24 Monate vor dem Übergang in die
Altersteilzeit festzulegen. Die Arbeitnehmer Mg. und Ml. seien gemäß des geltenden Anwendungstarifvertrags mit
37,5 Stunden angestellt worden. Während der Laufzeit des Anwendungstarifvertrags (ab 01.04.2006) habe es weder
für Schulhausmeister noch für Hausmeister gesonderte Arbeitszeitregelungen gegeben. Wie alle vom
Anwendungstarifvertrag erfassten Arbeitnehmer arbeiteten diese 37,5 Stunden pro Woche. Mit der Wiederbesetzung
der frei gewordenen Stellen im Rahmen einer Vollbeschäftigung mit der tariflich möglichen, zulässigen Arbeitszeit
seien die gesetzlichen Voraussetzungen eingehalten. Es sei auch kein Personalabbau durch Reduzierung der
regelmäßigen Arbeitszeit bei der Wiederbesetzung z. B. in Form einer Teilzeitbeschäftigung erfolgt. Die Klägerin habe
unter Ausschöpfung ihrer tarifvertraglich zulässigen Möglichkeiten die Wiederbesetzer vollzeitbeschäftigt und somit
"in gleichem zeitlichen Umfang" wie den bisherigen Stelleninhaber. Sie verweist auf eine Entscheidung des
Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 17.08.2007 (L 12 AL 6217/06) sowie eine Entscheidung des
Bundessozialgerichts vom 05.05.2008 (B 11a AL 155/07).
Die Klägerin beantragt:
1. Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 06.10.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides
vom 02.02.2009 – Az.: W 2634/08 – verurteilt, der Klägerin Leistungen nach § 4 Altersteilzeitgesetz in gesetzlicher
Höhe, bezogen auf den ausgeschiedenen Altersteilzeiter K., zu gewähren. 2. Die Beklagte wird unter Aufhebung des
Bescheides vom 01.08.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.02.2009 – Az.: W 2276/07 –
verurteilt, der Klägerin Leistungen nach § 4 Altersteilzeitgesetz in gesetzlicher Höhe, bezogen auf den
ausgeschiedenen Altersteilzeiter R., zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Klagen abzuweisen.
Sie verweist auf ihre Widerspruchsbescheide und die Dienstanweisung zum zeitlichen Umfang der Wiederbesetzung.
Danach seien nur geringfügige Abweichungen von bis zu 10 % zulässig. Auf Nachfrage teilt die Beklagte mit, dass
sonstige Ausschlusstatbestände nicht bestünden.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird Bezug genommen auf zwei Bände beigezogener Verwaltungsakten sowie zwei
Bände Gerichtsakten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die Klagen sind zulässig und begründet. Die ablehnenden Bescheide vom 06.10.2008 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 02.02.2009 (Az. W 2634/08) sowie vom 01.08.2007 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 27.02.2009 (Az. W 2276/07) verletzen die Klägerin rechtswidrig in ihren Rechten im
Sinne von § 54 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Die Klägerin hat Anspruch auf Leistungen nach § 4
Altersteilzeitgesetz, weil sie den arbeitslosen Arbeitnehmer Mg. auf dem durch den Altersteilzeiter K. frei gewordenen
Arbeitsplatz und den arbeitslosen Arbeitnehmer Andreas Ml. auf dem durch den Altersteilzeiter R. frei gemachten
Arbeitsplatz versicherungspflichtig beschäftigt hat.
Nach § 4 Abs. 1 Altersteilzeitgesetz (AltTZG in der Fassung des 3. Gesetzes für moderne Dienstleistungen am
Arbeitsmarkt vom 23.12.2003, BGBl. I S. 2848) erstattet die Bundesagentur dem Arbeitgeber für längstens sechs
Jahre 1. den Aufstockungsbetrag nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe a in Höhe von 20 vom Hundert des für die
Altersteilzeitarbeit gezahlten Regelarbeitsentgelts und
2. den Betrag, der nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe b in Höhe des Beitrags geleistet worden ist, der auf den Betrag
entfällt, der sich aus 80 vom Hundert des Regelarbeitsentgelts für die Altersteilzeitarbeit ergibt, jedoch höchstens des
auf den Unterschiedsbetrag zwischen 90 vom Hundert der monatlichen Beitragsbemessungsgrenze und dem
Regelarbeitsentgelt entfallenden Beitrags.
§ 4 Abs. 1 AltTZG regelt also eine zweistufige Finanzierung der Altersteilzeit. Auf der ersten Stufe zahlt der
Arbeitgeber dem Altersteilzeitarbeitenden Lohn und Aufstockungen. Auf der zweiten Stufe erstattet die Bundesagentur
dem Arbeitgeber die Aufstockungsleistungen.
Gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a AltTZG in der Fassung des 3. Gesetzes für moderne Dienstleistungen am
Arbeitsmarkt vom 23.12.2003 (BGBl. I S. 2848) setzt der Anspruch auf Leistungen nach § 4 Abs. 1 AltTZG voraus,
dass der Arbeitgeber aus Anlass des Übergangs des Arbeitnehmers in die Altersteilzeitarbeit einen bei einer Agentur
für Arbeit arbeitslos gemeldeten Arbeitnehmer oder einen Arbeitnehmer nach Abschluss der Ausbildung auf dem
freigemachten oder auf einem in diesem Zusammenhang durch Umsetzung frei gewordenen Arbeitsplatz
versicherungspflichtig im Sinne des Dritten Buches Sozialgesetzbuch beschäftigt; bei Arbeitgebern, die in der Regel
nicht mehr als 50 Arbeitnehmer beschäftigen, wird unwiderleglich vermutet, dass der Arbeitnehmer auf dem
freigemachten oder auf einem in diesem Zusammenhang durch Umsetzung frei gewordenen Arbeitsplatz beschäftigt
wird.
Voraussetzung ist somit die Wiederbesetzung des Arbeitsplatzes mit einem arbeitslos gemeldeten Arbeitnehmer. Die
Beklagte zieht aus dieser Voraussetzung den Schluss, dass die Wiederbesetzung stets in einem zeitlichen Umfang
erfolgen müsse, in dem der ältere Arbeitnehmer seinen Arbeitsplatz frei gemacht hat (Dienstanweisung AtG-DA Ziff.
3.1.7. Abs. 13). Bereits diese Annahme ist fraglich, da nur nach früherem Recht die Arbeitgeber verpflichtet waren
nachzuweisen, dass genau der freigewordene Arbeitsplatz wiederbesetzt wurde. Erleichterungen gab es nur durch die
Umsetzungskette. Seit der Novellierung durch das Gesetz zur Fortentwicklung der Altersteilzeit zum 1.1.2000 (vom
20.12.1999, BGB I S. 2494) sind die Anforderungen an die Wiederbesetzung dagegen auf ein Minimum reduziert, das
nahe an Null reicht (Rittweger u. a., Altersteilzeit, 2. Aufl. 2002, Anm. 94 zu § 3). Dabei wird zunächst bei
Arbeitgebern mit bis zu 50 Beschäftigten unwiderlegbar vermutet, dass der durch Altersteilzeit frei gewordene
Arbeitsplatz wiederbesetzt wird (§ 3 Abs. 1 Nr. 2a Halbs. 2 ATG). Bei Arbeitgebern mit mehr als 50 Beschäftigten ist
nach der Begründung zum Gesetzentwurf des Gesetzes zur Fortentwicklung der Altersteilzeit (Bundesrats-Drucks.
495/99 S. 8) an die Stelle des Nachweises einer Umsetzungskette die "funktionsbereichsbezogene
Betrachtungsweise" getreten. In der Praxis wird die Kleinarbeitgeber-Regelung auch übernommen, wenn innerhalb von
Betrieben oder Funktionsbereichen eine Organisationseinheit mit bis zu 50 Arbeitnehmern besteht. Scheidet der
Altersteilzeit-Arbeitnehmer aus der Organisationseinheit aus und kommt der Arbeitslose in diese Organisationseinheit
als Wiederbesetzer, braucht es keinen weiteren Nachweis mehr, Förderleistungen können erbracht werden (Rittweger
aaO Rdnr. 106; Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 17.08.2007, L 12 AL 6217/06, zitiert nach
JURIS).
Somit ist hier bereits fraglich, ob nicht nach § 3 Abs. 1 Nr. 2 a) 2. Halbsatz AltTZG ohnehin unwiderlegbar vermutet
wird, dass die frei gewordenen Arbeitsplätze der Arbeitnehmer K. und R. durch die zuvor arbeitslosen Arbeitnehmer
Mg. und Ml. wiederbesetzt worden sind.
Ob bereits aufgrund der genannten Vermutungsregelung das Vorliegen der Voraussetzungen anzunehmen ist, kann
indes offenbleiben. Auch nach Auffassung der Kammer ergibt sich aus der Formulierung in § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2
AltTZG "auf dem frei gemachten" Arbeitsplatz, dass dieser Arbeitsplatz seinem Wesen nach unverändert bleiben soll,
also der Wiederbesetzer im Wesentlichen dieselben Aufgaben mit demselben zeitlichen Umfang ausüben muss. Dies
ergibt sich aus dem Zweck des Altersteilzeitgesetzes. Dieser besteht darin, durch das teilweise Ausscheiden älterer
Arbeitnehmer (unterstützt durch zusätzliche Leistungen des Arbeitgebers, die durch die Bundesagentur gefördert
werden) neue Beschäftigungsmöglichkeiten für Arbeitslose zu schaffen (vgl. Begründung des Gesetzentwurfs der
Fraktionen von CDU/CSU und FDP, BT-Drucks 11/2990 S 1, 16; Begründung der Beschlussempfehlung des
Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung, BT-Drucks 11/3603 S 11). Dieses Gesetzesziel kann durch die bloße
Einstellung eines Arbeitslosen in Teilzeit nicht verwirklicht werden (vgl. BSG, Urteil vom 23.07.1992, 7 R Ar 74/91 in
SozR 3-4170 § 2 Nr. 1; zum Vorruhestandsgesetz: BSG SozR 3-7825 § 2 Nr. 3 und SozR 3-7825 § 2 Nr. 5).
So geht die Kammer mit der Beklagten davon aus, dass nach dem Sinn und Zweck des Altersteilzeitgesetzes ein
Personalabbau durch Reduzierung des Arbeitszeitvolumens nicht durch Förderleistungen der Beklagten unterstützt
werden darf.
Allerdings ist nach der Neuregelung des Altersteilzeitgesetzes (siehe oben) ein Personalaustausch "Mann für Mann"
nicht mehr erforderlich. Somit ist auch der weiteren Annahme der Beklagten in ihrer Dienstanweisung, wonach das
Gesamtvolumen der bisherigen Arbeitszeit erhalten bleiben muss (AtG-DA Ziff. 3.1.7. Abs. 13), nicht zu folgen. Für
die Auslegung der Beklagten, nur geringfügige Abweichungen seien unschädlich, wobei als geringfügig Abweichungen
von bis zu 10 % vom Gesamtvolumen der bisherigen Arbeitszeit anzusehen sind, fehlt im Gesetzestext oder im
Gesetzeszweck jeglicher Anhaltspunkt. Die Kammer schließt sich insoweit der Entscheidung des
Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 17.08.2007 (L 12 AL 6217/06, zitiert nach JURIS) an, wonach sich die
von der Beklagten angenommene Wesentlichkeitsgrenze von 10 % dem Gesetz nicht entnehmen lässt. Schließlich
sieht die Dienstanweisung der Beklagten selbst die Möglichkeit der Abweichung von dieser Wesentlichkeitsgrenze
vor. Ist danach einzelvertraglich eine höhere Vollarbeitszeit vereinbart oder üblich gewesen, so kann für die
Wiederbesetzung die gegebenenfalls niedrigere Vollarbeitszeit des Wiederbesetzers zugrunde gelegt werden (AtG-DA
Ziff. 3.1.7. Abs. 13 a.E.). Nach Auffassung der Kammer trifft dies nicht nur bei den dort beispielhaft genannten
leitenden Angestellten zu, sondern lässt sich auch auf Fälle wie die vorliegenden übertragen.
Letztlich widerspricht der von der Beklagten angenommenen Wesentlichkeitsgrenze, dass nach dem Wortlaut und
Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung in § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AltTZG nunmehr lediglich zu fordern ist, dass
es sich bei dem wiederbesetzten Arbeitsplatz um eine versicherungspflichtige Beschäftigung handelt und dass
innerhalb der Organisationseinheit insgesamt kein wesentlicher Personalabbau durch Arbeitszeitreduzierung erfolgt
ist.
Dies war hier der Fall: Die Klägerin hat die vormals in Vollzeit beschäftigten Arbeitnehmer K. und R. durch zwei
arbeitslose Arbeitnehmer (Mg. und Ml.) ersetzt, die ebenfalls in Vollzeit beschäftigt werden. In diesem
Zusammenhang hat die Klägerin berechtigerweise auf die Entwicklung der Arbeitszeiten gemäß der veränderten
tarifvertraglichen Regelungen hingewiesen. Bis zum Inkrafttreten des Bezirkstarifvertrags (BTV vom 11.03.2003, in
Kraft ab 01.04.2003) galt für die Schulhausmeister gemäß der Sonderregelung SR 2r BAT-Ost eine wöchentliche
Arbeitszeit von 50,5 Stunden bei Vollzeittätigkeit. Während der Laufzeit des Bezirkstarifvertrags galt für Beschäftigte
mit einem Arbeitsvertrag auf der Grundlage der Sonderregelungen für Angestellte als Hausmeister eine
durchschnittliche regelmäßige Arbeitszeit, ausschließlich der Pausen, abweichend von § 15 BAT-Ost sowie der
Sonderregelung im Zeitraum vom 01.04.2003 bis 31.12.2003, eine Arbeitszeit von 45,5 Wochenstunden, vom
01.01.2004 bis 30.06.2005 eine Arbeitszeit von 46,5 Wochenstunden und vom 01.07.2005 bis 31.03.2006 eine
Arbeitszeit von 48,0 Wochenstunden (§ 2 Abs. 3 BTV). Auf dieser Basis wurden die Altersteilzeiter K. und R. jeweils
vollzeitbeschäftigt. Bei der Wiederbesetzung mit den Arbeitslosen Mg. bzw. Ml. kam der "Anwendungstarifvertrag
zum Landesbezirks-Rahmentarifvertrag Beschäftigungssicherung in Sachsen zur Regelung einer besonderen
regelmäßigen Arbeitszeit gemäß Tarivertrag zur sozialen Absicherung in der jeweils geltenden Fassung"
(Anwendungstarifvertrag vom 16.01.2006), der zum 01.04.2006 in Kraft getreten war, zur Anwendung. Dieser sah
weder für Schulhausmeister noch für Hausmeister gesonderte Arbeitszeitregelungen vor. Wie alle anderen von diesem
Tarifvertrag erfassten Beschäftigten arbeiten Hausmeister/Schulhausmeister danach bei Vollzeitbeschäftigung 37,5
Stunden pro Woche. Die für Schulhausmeister im Tarifvertrag des öffentlichen Dienstes geltenden Sonderregelungen
(Anhang zu § 9 A) kamen bei der Klägerin nicht zur Anwendung, da hier die Schulhausmeister keine
Bereitschaftszeiten zu leisten haben. Die Klägerin konnte somit die streitigen Hausmeisterstellen nur gemäß der
Arbeitszeit nach Anwendungstarifvertrag mit 37,5 Stunden pro Woche besetzen. Jede andere arbeitsvertragliche
Abmachung wäre rechtswidrig. Aus Sicht der Kammer ist somit eindeutig, dass durch die Wiederbesetzung mit den
Arbeitslosen Mg. und Ml. keine Wiederbesetzung im Sinne einer Teilzeitbeschäftigung erfolgt ist. Insbesondere
erfolgte auch kein Personalabbau bei der Klägerin. Vielmehr wurden die frei gemachten Arbeitsplätze mit
Vollzeitkräften besetzt.
Da andere Ausschlusstatbestände für die beantragte Leistung nicht vorliegen war die Beklagte unter Aufhebung der
ablehnenden Entscheidungen zur Bewilligung der beantragten Leistungen zu verurteilen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 SGG, da die Klägerin als Leistungsberechtigte i.S.v. § 183 Abs. 1
Satz 1 SGG eine Sozialleistung i.S. des § 11, § 19 b Abs. 1 Nr. 2 Sozialgesetzbuch, Erstes Buch (SGB I) geltend
macht (vgl. BSG SozR – 4-1500 § 183 Nr. 2; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 17.08.2007, L 12 AL 6217/06).
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