Urteil des SozG Dresden vom 15.08.2005

SozG Dresden: umzug, angemessenheit der kosten, persönliche anhörung, zusicherung, firma, selbsthilfe, fahrstuhl, zink, wohnung, hilfskraft

Sozialgericht Dresden
Beschluss vom 15.08.2005 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Dresden S 23 AS 692/05 ER
I. Die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, der Antragstellerin weitere
Umzugskosten in Höhe von 306,49 EUR zu zah-len. II. Im Übrigen wird der einstweilige Rechtsschutzantrag
abgewiesen. III. Die Antragsgegnerin hat der Antragstellerin deren notwendige außergericht-liche Kosten in Höhe von
einem Fünftel (1/5) zu erstatten.
Gründe:
I.
Die Beteiligten streiten im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes um die Bewilligung von Umzugskosten.
Die am ... 1967 geborene, ledige, arbeitsfähige, nicht kranke und nicht behinderte Antrag-stellerin ist Mutter zweier am
... 1991 und ... 1993 geborener, lern- jedoch nicht körperbe-hinderter Kinder und steht bei der Antragsgegnerin seit 1.
Januar 2005 im Leistungsbezug nach dem SGB II. Sie verfügt weder über eine Fahrerlaubnis noch einen Pkw. Sie
bewohnt derzeit eine 4-Raumwohnung mit einer Mietfläche von 83 m² in der 9. Etage im Mietshaus, das über einen
Aufzug verfügt, auf der St. P. Straße in D. zum Gesamtwarmmietpreis in Höhe von 534,50 EUR. Nach polizeilicher
Wegweisung des Lebensgefährten sowie familien-gerichtlich angeordneter Zuweisung der Wohnung an die
Antragstellerin zur alleinigen Nutzung nach dem Gewaltschutzgesetz beabsichtigt die Antragstellerin in eine 3-
Raumwohnung mit einer Mietfläche von 65 m² in der 6. Etage im Mietshaus, das über kei-nen Aufzug verfügt, auf der
Sch.straße in D. zum Gesamtwarmmietpreis in Höhe von 360,00 EUR umzuziehen.
Nach Anfrage der Antragstellerin teilte die Antragsgegnerin der Antragstellerin mit Be-scheid vom 14. Juni 2005 mit,
dass die Aufwendungen für die beabsichtigte neue Woh-nung angemessen seien und der Umzug aus der Sicht der
Antragsgegnerin erforderlich sei. Mit dem Bescheid vom 14. Juni 2005 erteilte die Antragsgegnerin der Antragstellerin
des Weiteren die Zusicherung, im Rahmen des § 22 Abs. 3 SGB II die Wohnungsbeschaf-fungskosten, Mietkautionen
und Umzugskosten zu übernehmen, sofern keine Selbsthilfe-möglichkeiten gegeben seien. Daraufhin schloss die
Antragstellerin am 16. Juni 2005 den Mietvertrag für die neue Wohnung, mit Mietbeginn zum 16. Juli 2005, ab.
Am 20. Juni 2005 beantragte die Antragstellerin bei der Antragsgegnerin schriftlich u.a. die Übernahme der
Umzugskosten. In der Zeit vom 23. Juni 2005 bis 30. Juni 2005 holte die Antragstellerin bei 4 Firmen, die
professionelle Umzüge durchführen, Kostenvoran-schläge für den beabsichtigten Umzug ein. Diese
Kostenvoranschläge weisen Umzugskos-ten in Höhe von 2.500,00 EUR, 2.969,02 EUR, 3.051,96 EUR und 3.132,00
EUR für Umzugsgut mit ei-nem Gesamtvolumen zwischen 40 m³ und 43 m³, inklusive Möbeldemontage und Möbel-
montage sowie Bereitstellung von Umzugskartonagen und Kosten für Ausnahmegenehmi-gungen zum Parken in der
Halteverbotszone, aus.
Mit Bescheid vom 11. Juli 2005 bewilligte die Antragsgegnerin der Antragstellerin Um-zugskosten in Höhe von 750,00
EUR. Eine Begründung enthielt der Bescheid nicht.
Am 14. Juli 2005 beantragte die Antragstellerin beim Sozialgericht Dresden, ihr einstwei-ligen Rechtsschutz
hinsichtlich der Umzugskosten zu gewähren. Dieser Antrag, der beim Sozialgericht Dresden unter dem Aktenzeichen
S 21 AS 571/05 ER registriert und erfasst wurde, wurde mit gerichtlichem Beschluss vom 15. Juli 2005
zurückgewiesen. Die hierge-gen von der Antragstellerin mit Schriftsatz vom 29. Juli 2005 erhobene Beschwerde wurde
mit Schriftsatz vom 4. August 2005, welcher per Telefax am 5. August 2005 beim Sozial-gericht Dresden einging, für
erledigt erklärt. Gleichzeitig wurde erneut einstweiliger Rechtsschutz beantragt. Dieser Antrag wurde am 8. August
2005 beim Sozialgericht Dres-den unter dem Aktenzeichen S 23 AS 692/05 ER registriert und erfasst.
Die Antragstellerin hat den Umzug bislang nicht durchgeführt. Sie bewohnt, obwohl das Mietverhältnis ab 16. Juli 2005
beendet worden ist und keine ausdrückliche Vereinbarung oder Zusicherung des Vermieters vorliegt, nach wie vor die
Wohnung auf der St. P. Straße in D.
Die Antragstellerin meint, dass die Antragsgegnerin die Umzugskosten entsprechend dem Kostenvoranschlag der
Umzugsfirma in Höhe von 2.500,00 EUR zu übernehmen habe. Eigen-leistungen seien ihr nicht nur nicht zumutbar,
sondern auch nicht möglich. Sie verfüge we-der über ein eigenes Kfz noch über einen Führerschein. Sie unterhalte in
D. keinerlei Be-kanntschaften oder sonstige Kontakte, die es ihr ermöglichen würden, im Wege der Nach-
barschaftshilfe oder wenigstens gegen Aufwandsentschädigung auch nur einen Teil des Umzugs zu bewerkstelligen.
Die Antragstellerin beantragt,
die Antragsgegnerin zu verpflichten zu Gunsten der Antragstellerin Woh-nungsbeschaffungskosten in Höhe von
2.500,00 EUR inklusive Umsatzsteuer zu übernehmen.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag abzuweisen.
Zur Begründung trägt sie vor: Der der Antragstellerin bewilligte Betrag für Umzugskosten in Höhe von 750,00 EUR sei
ausreichend, um den Umzug angemessen durchzuführen. Der Betrag von pauschal 750,00 EUR für den Umzug eines
3-Personen-Haushaltes sei von der Stadt D. als Träger der Kosten der Unterkunft auf Grund von Angeboten
verschiedener Umzugsfirmen aus 11/04 ermittelt worden.
Das Gericht hat Beweis erhoben durch persönliche Anhörung der Antragstellerin im Rah-men des gerichtlichen
Erörterungstermins am 15. August 2005 sowie durch verschiedene Recherchen im Internet. Auf das Protokoll des
Erörterungstermins und die Internetrecher-chen, die mit den Beteiligten im gerichtlichen Erörterungstermin besprochen
und ausge-wertet worden sind, wird insgesamt Bezug genommen.
Das Gericht hat die Verwaltungsakte der Antragsgegnerin mit der Nummer: ... sowie die Gerichtsakte mit dem
Aktenzeichen: S 21 AS 571/05 ER beigezogen und zum Gegenstand des Verfahrens gemacht.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die beigezoge-nen Akten sowie die
Gerichtsakte und die gewechselten Schriftsätze insgesamt ergänzend Bezug genommen.
II.
Der Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz ist zulässig und teilweise begründet, sodass ihm teilweise stattzugeben
und er im Übrigen abzuweisen war.
Inhaltlich handelt es sich um einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Regelungsanord-nung nach § 86b Abs. 2
Satz 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) mit dem Begehren, die Antragsgegnerin zu verpflichten, Umzugskosten
über den bereits bewilligten Betrag in Höhe von 750,00 EUR hinaus, nach dem Zweiten Buch des Sozialgesetzbuches
(SGB II) an die Antragstellerin zu zahlen.
§ 86b Abs. 2 Satz 2 SGG lautet: "Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in
Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine sol-che Regelung zur Abwendung wesentlicher
Nachteile nötig erscheint."
Der Antrag hat daher dann Aussicht auf Erfolg, wenn ein sog. Anordnungsanspruch und ein sog. Anordnungsgrund
vorliegen. Für eine vorläufige Entscheidung müssen gewichtige Gründe vorliegen; dies ist der sog. Anordnungsgrund.
Er liegt vor, wenn der Antragstelle-rin wesentliche, insbesondere irreversible Nachteile drohen, die für sie ein Abwarten
bis zur Entscheidung in der Hauptsache unzumutbar machen und die Regelung zur Verhinde-rung dieser
unzumutbaren Nachteile durch eine Anordnung nötig erscheint (vgl. BVerfG, Beschluss vom 19.10.1977, Az: 2 BvR
42/76). Sinn und Zweck des einstweiligen Rechts-schutzverfahrens liegen in der Sicherung der
Entscheidungsfähigkeit und der prozessualen Lage, um eine endgültige Rechtsverwirklichung im Hauptsacheverfahren
zu ermöglichen. Das einstweilige Rechtsschutzverfahren will nichts anderes, als allein wegen der Zeitdi-mension der
Rechtserkenntnis und der Rechtsdurchsetzung im Hauptsacheverfahren eine zukünftige oder gegenwärtige
prozessuale Rechtsstellung vor zeitüberholenden Entwick-lungen sichern (so ausdrücklich: Sächsisches LSG,
Beschluss vom 11.02.2004, Az: L 1 B 227/03 KR-ER). Weiterhin muss ein sog. Anordnungsanspruch vorliegen. Dabei
muss es sich um einen der Durchsetzung zugänglichen materiell-rechtlichen Anspruch (vgl. Berlit, info also 2005, 3,
7) der Antragstellerin handeln.
Eine einstweilige Anordnung ergeht demnach nur, wenn sie zur Abwendung wesentlicher, nicht wiedergutzumachender
Nachteile für den Antragsteller notwendig ist. Dabei hat der Antragsteller wegen der von ihm geltend gemachten
Eilbedürftigkeit der Entscheidung die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung nach §§ 202
SGG, 294 der Zivilprozessordnung (ZPO), also Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund, glaubhaft zu machen.
1.
Die Antragstellerin hat den Anordnungsgrund glaubhaft gemacht. Sie hat glaubhaft darge-legt und nachgewiesen, dass
ihr durch ein Zuwarten auf eine Entscheidung in der Hauptsa-che wesentliche Nachteile drohen. Der Umzug muss –
auch zur Vermeidung weiterer dop-pelter Mietzinszahlungen, die die Antragstellerin nicht aufbringen kann, die letztlich
die Antragsgegnerin zu verantworten hat und von denen ungeklärt ist, ob sie die Antragsgeg-nerin erstatten wird,
obwohl sie hierzu nach § 22 Abs. 3 Satz 1 SGB II verpflichtet ist, weil die durch einen Umzug übergangsweise
entstandenen doppelten Mietbelastungen zu den Wohnungsbeschaffungskosten nach § 22 Abs. 3 Satz 1 SGB II
zählen (vgl. dazu bspw.: Herold-Tews in: Löns/Herold-Tews, Kommentar zum SGB II, 1. Aufl. 2004, § 22, Rn. 22;
Lang in: Eicher/Spellbrink, Kommentar zum SGB II, 1. Aufl. 2005, § 22, Rn. 83; Kalhorn in: Hauck/Noftz, Kommentar
zum SGB II, Stand: Juni 2005, K § 22, Rn. 26; Wieland in: Estelmann, Kommentar zum SGB II, Stand: Februar 2005,
§ 22, Rn. 46; Berlit in: Münder, Lehr- und Praxiskommentar zum SGB II, 1. Aufl. 2005, § 22, Rn. 61; Schmidt in:
Oestrei-cher, Kommentar zum SGB II, Stand: Juni 2005, § 22, Rn. 85; im Bereich des BSHG so auch ausdrücklich:
VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 08.06.1999, Az: 7 S 458/99, NJW 1999, 3068 und OVG Lüneburg,
Beschluss vom 25.10.2001, Az: 4 MA 2958/01, NJW 2002, 841, 842) – umgehend durchgeführt werden, weil der
Mietvertrag für die von der Antragstellerin derzeit bewohnte Wohnung bereits seit einem Monat beendet ist. Sie
verfügt weder über Einkommen noch Vermögenswerte, die ihr die Finanzierung der Um-zugskosten vorschussweise
ermöglichen würden. Hinzu kommt, dass die Antragsgegnerin der Antragstellerin bislang in keiner Weise erläutert oder
erklärt hat, wie, wodurch und mit wem sie den Umzug mit einem Kostenaufwand in Höhe von 750,00 EUR
bewerkstelligen kann.
2.
Der Antragstellerin steht gegen die Antragsgegnerin auch ein Anordnungsanspruch zu, weil sie einen Anspruch auf
Übernahme weiterer Umzugskosten in Höhe von 306,49 EUR hat.
Nach § 22 Abs. 3 Satz 1 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch (SGB II) können Woh-nungsbeschaffungskosten
sowie Mietkautionen und Umzugskosten bei vorheriger Zusiche-rung durch den kommunalen Träger übernommen
werden. Nach § 22 Abs. 3 Satz 2 SGB II soll die Zusicherung erteilt werden, wenn der Umzug durch den kommunalen
Träger ver-anlasst oder aus anderen Gründen notwendig ist und wenn ohne die Zusicherung eine Un-terkunft in einem
angemessenen Zeitraum nicht gefunden werden kann.
Die nach § 22 Abs. 3 Satz 1 SGB II erforderliche vorherige Zusicherung hat die Antrags-gegnerin mit Bescheid vom
14. Juni 2005 schriftlich erteilt.
Der Anspruch auf Übernahme der Umzugskosten nach § 22 Abs. 3 Satz 1 SGB II be-schränkt sich jedoch auf die
notwendigen und angemessenen Kosten (vgl. dazu bspw.: Kalhorn in: Hauck/Noftz, Kommentar zum SGB II, Stand:
Juni 2005, K § 22, Rn. 29; Ber-lit in: Münder, Lehr- und Praxiskommentar zum SGB II, 1. Aufl. 2005, § 22, Rn. 63;
Ge-renkamp in: Mergler/Zink, Kommentar zum SGB II, Stand: Januar 2005, § 22, Rn. 23; Söhngen in: JURIS-
Praxiskommentar zum SGB II, 1. Aufl. 2005, § 22, Rn. 42; im Bereich des BSHG so auch ausdrücklich zuletzt: OVG
Berlin, Beschluss vom 26.11.2004, Az: 6 S 426.04). Das Kriterium der Notwendigkeit der Kosten ergibt sich aus dem
Grundsatz der Nachrangigkeit der Fürsorgeleistungen (so: Söhngen in: JURIS-Praxiskommentar zum SGB II, 1. Aufl.
2005, § 22, Rn. 42) sowie aus dem gesetzlichen Erfordernis in § 22 Abs. 3 Satz 2 SGB II, dass ohne die Zusicherung
eine Unterkunft in einem angemessenen Zeit-raum nicht gefunden werden kann (so: Kalhorn in: Hauck/Noftz,
Kommentar zum SGB II, Stand: Juni 2005, K § 22, Rn. 29). Das Kriterium der Angemessenheit der Kosten folgt aus
dem systematischen Zusammenhang der einzelnen Regelungen des § 22 SGB II, wonach die Umzugskosten nach §
22 Abs. 3 Satz 1 SGB II als Leistungen für Unterkunft gem. § 22 SGB II gelten bzw. als Annex mit der Deckung des
Unterkunftsbedarfs eng zusammen-hängen (in diesem Annexsinn bspw.: Wieland in: Estelmann, Kommentar zum
SGB II, Stand: Februar 2005, § 22, Rn. 1 und Söhngen in: JURIS-Praxiskommentar zum SGB II, 1. Aufl. 2005, § 22,
Rn. 19) und nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II Leistungen für Unterkunft in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen
erbracht werden, soweit die Aufwendungen ange-messen sind.
Entgegen der Auffassung der Antragstellerin folgt aus § 22 Abs. 3 Satz 1 SGB II jedoch nicht, dass die
Antragsgegnerin verpflichtet wäre, die Kosten eines Umzugs durch eine professionelle Speditionsfirma zu
übernehmen (vgl. dazu ausdrücklich: Gerenkamp in: Mergler/ Zink, Kommentar zum SGB II, Stand: Januar 2005, §
22, Rn. 23; Wieland in: Estelmann, Kommentar zum SGB II, Stand: Februar 2005, § 22, Rn. 52; im Bereich des
BSHG so auch ausdrücklich: OVG Berlin, Beschluss vom 26.11.2004, Az: 6 S 426.04). Der Umzug ist grundsätzlich
in eigener Regie durchzuführen, was aus dem Grundsatz folgt, dass die Leistungen nach dem SGB II lediglich Hilfe
zur Selbsthilfe vermitteln (so ausdrücklich: Wieland in: Estelmann, Kommentar zum SGB II, Stand: Februar 2005, §
22, Rn. 52; mit dem Verweis auf § 2 Abs. 2 SGB II so auch: Schmidt in: Oestreicher, Kom-mentar zum SGB II,
Stand: Juni 2005, § 22, Rn. 87 und Gerenkamp in: Mergler/Zink, Kommentar zum SGB II, Stand: Januar 2005, § 22,
Rn. 23) und dem Hilfebedürftigen nach § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB II obliegt, alle Möglichkeiten auszuschöpfen, seine
Hilfebedürftig-keit zu verringern (so explizit: Berlit in: Münder, Lehr- und Praxiskommentar zum SGB II, 1. Aufl. 2005,
§ 22, Rn. 63). Lediglich ausnahmsweise, wenn Selbsthilfe z.B. aus gesund-heitlichen Gründen, wegen des Alters oder
einer Behinderung nicht möglich oder nicht zumutbar ist, können die Kosten eines Umzugs durch eine professionelle,
gewerbliche Umzugsfirma übernommen werden (Berlit in: Münder, Lehr- und Praxiskommentar zum SGB II, 1. Aufl.
2005, § 22, Rn. 63; Wieland in: Estelmann, Kommentar zum SGB II, Stand: Februar 2005, § 22, Rn. 52), wobei vor
dem Umzug in der Regel mehrere Kosten-voranschläge von verschiedenen Umzugsfirmen einzuholen sind (Wieland
in: Estelmann, Kommentar zum SGB II, Stand: Februar 2005, § 22, Rn. 52).
Der Umfang der Erstattung von Umzugskosten liegt dabei im pflichtgemäßen und bei Vor-liegen einer Zusicherung
nach § 22 Abs. 3 Satz 2 SGB II gebundenem Regel-Ermessen der Behörde. Im Rahmen der Selbsthilfe sind daher die
notwendigen Kosten für Packen, Transport, Versicherung, Benzin sowie eine Pauschale für Mehraufwendungen für
mithel-fende Familienangehörige oder Bekannte anzuerkennen (vgl. dazu bspw.: Lang in: Ei-cher/Spellbrink,
Kommentar zum SGB II, 1. Aufl. 2005, § 22, Rn. 84; Wieland in: Estel-mann, Kommentar zum SGB II, Stand:
Februar 2005, § 22, Rn. 52; Berlit in: Münder, Lehr- und Praxiskommentar zum SGB II, 1. Aufl. 2005, § 22, Rn. 63;
Kalhorn in: Hauck/Noftz, Kommentar zum SGB II, Stand: Juni 2005, K § 22, Rn. 27; Gerenkamp in: Mergler/Zink,
Kommentar zum SGB II, Stand: Januar 2005, § 22, Rn. 23; Schmidt in: Oestreicher, Kommentar zum SGB II, Stand:
Juni 2005, § 22, Rn. 87).
Die Umstände des jeweiligen Einzelfalles sind hinsichtlich des individuellen Kostenum-fangs und damit der
Angemessenheit der Umzugskosten zu berücksichtigen (so auch – im Bereich des BSHG –: Trenk-Hinterberger, juris-
PR-SozR 10/2005 vom 24.03.2005, Anm. 6).
Deshalb ist zwar im vorliegenden konkreten Fall zu berücksichtigen, dass die Antragstelle-rin weder über eine
Fahrerlaubnis noch über einen Pkw verfügt und, ausweislich ihrer ei-desstattlichen Versicherung auch – was zwar
wenig nachvollziehbar aber nicht zu widerle-gen ist und im Ergebnis ohnehin dahinstehen kann, weil eine Verpflichtung
von Freunden und Bekannten beim Umzug "mit zuzupacken" weder kreiert noch durchgesetzt werden kann – keine
Freunde, Verwandte und Bekannte hat, die ihr beim Umzug helfen könnten. Weiterhin ist im vorliegenden konkreten
Fall Folgendes zu berücksichtigen: Auf Grund des persönlichen Eindrucks, den sich das Gericht von der
Antragstellerin im Rahmen des gerichtlichen Erörterungstermins am 15. August 2005 verschaffen konnte, geht das
Gericht davon aus, dass die Antragstellerin weder allein noch gemeinsam mit ihren beiden minder-jährigen,
lernbehinderten Kindern in der Lage ist, die Großteile der Wohnungseinrichtung (Möbel) sachgerecht und ohne
Funktions- und Qualitätseinbußen zu verursachen, zu de-montieren und zu montieren. Hierzu bedarf sie genauso wie
für den Transport dieser Mö-bel von der 9. Etage (mit Fahrstuhl) in die 6. Etage (ohne Fahrstuhl) fremder, sachgerech-
ter und körperlich kräftiger Hilfe. Jedoch führen auch diese Umstände in der Gesamtschau nicht dazu, dass die
Antragsgegnerin verpflichtet wäre, die von der Antragstellerin begehr-ten Kosten in Höhe von 2.500,00 EUR für einen
gewerblich durchgeführten, professionellen Umzug zu übernehmen. Es ist nicht zu erkennen, dass ein Umzug eines
3-Personen-Haushaltes nicht mit Hilfe von zwei studentischen Hilfskräften als Umzugshelfer sowie einer
studentischen Hilfskraft als Umzugswagenfahrer und zusätzlicher Umzugshelfer durchgeführt werden könnte (vgl.
dazu auch aus dem Bereich des BSHG zuletzt: OVG Berlin, Beschluss vom 26.11.2004, Az: 6 S 426.04; im dortigen
Sachverhalt wurde beim Umzug eines 1-Personen-Haushalts einer psychisch kranken, nicht im Wege der Selbsthil-fe
mithelfenden Person die Bewilligung von Kosten für zwei studentische Hilfskräfte als Umzugshelfer für angemessen
erachtet). Die Erstattung von Kosten für studentische Hilfs-kräfte, die als Umzugshelfer eingesetzt werden, entspricht
den Grundsätzen des SGB II, dass lediglich Hilfe zur Selbsthilfe gewährt werden kann und der Hilfebedürftige seiner
Obliegenheit zur Ausschöpfung der zumutbaren Möglichkeiten zur Verringerung des Hil-febedarfs nachkommt und
knüpft damit an die bewährte Praxis im Bereich des früheren Sozialhilferechts an (vgl. aus dem Bereich des BSHG
zuletzt: OVG Berlin, Beschluss vom 26.11.2004, Az: 6 S 426.04), welches ausweislich der Gesetzesbegründung für
die Statuie-rung des § 22 Abs. 3 SGB III maßgeblich war (vgl.: BT-Drs. 15/1516, S. 57 zu § 22 Abs. 2 des
Gesetzesentwurfs zum SGB II). Der Einwand der Antragstellerin, sie verfüge über kei-nen Führerschein greift daher
ebenso wenig, wie ein etwaiger Hinweis auf haftungsrechtli-che bzw. personenbeförderungsrechtliche Probleme. Im
Rahmen der von der Antragsgeg-nerin zu finanzierenden Hilfe zur Selbsthilfe der Antragstellerin können als
notwendige und angemessene Kosten des Umzugs lediglich folgende Positionen berücksichtigt werden – wobei aus
dem Selbsthilfegebot folgt, dass sowohl die Antragstellerin als auch ihre Kin-der, die weder krank, behindert noch
gebrechlich sind, sowohl ihre Umzugskartons selbst packen als auch während des Umzugs die Umzugskartons mit
tragen –: · Kosten der Anmietung eines Umzugsfahrzeugs, · Benzinkosten, · Kosten für zwei studentische Hilfskräfte
als Umzugshelfer, · Kosten für eine studentische Hilfskraft als Umzugswagenfahrer, · Kosten für eine
Haftpflichtversicherung für die Umzugshelfer, · Kosten für Umzugskartons und sonstiges Verpackungsmaterial, ·
Kosten für Entsorgung von Sperrmüll, · Kosten für eine Ausnahmegenehmigung für das Parken des Umzugswagens
in den Halteverbotszonen.
Diese Kosten belaufen sich, ausgehend von den individuellen Umständen des Einzelfalles, die darin bestehen, dass
die Antragstellerin selbst weder über ein Fahrzeug noch eine Fahr-erlaubnis verfügt, das Umzugsgut mit einem
Volumen von ca. 40 m³ von der 9. Etage (mit Fahrstuhl) in die 6. Etage (ohne Fahrstuhl) auf eine einfache Entfernung
von ca. 3,5 km innerorts von D. transportiert werden muss, 3 Schrankwände, ein komplettes Schlafzimmer und eine
Küche demontiert und montiert werden müssen und damit realistischer Weise von einem Zeitaufwand von einem
Wochenende (2 mal jeweils ca. 8 Stunden) ausgegangen werden muss, auf folgende Kosten: · Kosten der Anmietung
eines Umzugsfahrzeugs: 267,99 EUR (vgl. Internetrecherche des Gerichts bei www.europcar.com unter
Zugrundelegung eines mittleren Trans-portfahrzeugs der Marke MAN 8185 mit 7,5 t und Pritschenaufsatz oder
gleichwer-tiges Fahrzeug einer anderen Marke inklusive 200 Freikilometer); · Benzinkosten: ca. 40,00 EUR; · Kosten
für zwei studentische Hilfskräfte als Umzugshelfer: 320,00 EUR - Stundenpreis 10,00 EUR - (vgl. Internetrecherche
des Gerichts bei www.stav-dresden.de unter Be-rücksichtigung, dass der Durchschnittslohn der Jobangebote der
studentischen Ar-beitsvermittlung e.V. in D. zur Zeit 7,00 EUR pro Stunde beträgt und bei einer fairen Bezahlung
schneller und motiviertere Studenten von der Studentischen Arbeits-vermittlung vermittelt werden können, so dass bei
der körperlich schweren Um-zugsarbeit ein Stundenlohn von 10,00 EUR realistisch und angemessen erscheint); ·
Kosten für eine studentische Hilfskraft als Umzugswagenfahrer sowie zusätzlicher Umzugshelfer: 160,00 EUR -
Stundenpreis 10,00 EUR - (vgl. Internetrecherche des Ge-richts bei www.stav-dresden.de unter Berücksichtigung,
dass der Durchschnittslohn der Jobangebote der studentischen Arbeitsvermittlung e.V. in D. zur Zeit 7,00 EUR pro
Stunde beträgt und bei einer fairen Bezahlung schneller und motiviertere Studenten von der Studentischen
Arbeitsvermittlung vermittelt werden können, so dass bei der körperlich schweren Umzugsarbeit ein Stundenlohn von
10,00 EUR realistisch und angemessen erscheint); · Kosten für die Vermittlungsgebühr bei der Studentischen
Arbeitsvermittlung: 52,50 EUR (vgl. Internetrecherche des Gerichts bei www.stav-dresden.de unter Be-rücksichtigung,
dass bei einem Bruttogesamtverdienst eines Studenten über 150,00 EUR bis 200,00 EUR eine Vermittlungsgebühr
pro Student in Höhe von 17,50 EUR inklusive 16 % Umsatzsteuer anfällt); · Kosten für eine Haftpflichtversicherung für
die Umzugshelfer: ca. 50,00 EUR; · Kosten für Umzugskartons und sonstiges Verpackungsmaterial: ca. 76,00 EUR
(vgl. Umzugsangebote der Firma H. GmbH vom 23. Juni 2005, der Firma K. & S. GbR vom 24. Juni 2005 und der
Firma F. Transporte vom 24. Juni 2005 unter Berück-sichtigung, dass das arithmetische Mittel der Preisspannen von
64,50 EUR, 88,00 EUR und 75,00 EUR = 75,83 EUR beträgt); · Kosten für Entsorgung von Sperrmüll: 20,00 EUR (vgl.
Abfallkalender der Landes-hauptstadt Dresden für das 2.Halbjahr 2005, wonach Sperrmüll bis 2 m³ gem. § 6 Abs. 2
der Abfallwirtschaftsgebührensatzung gegen eine Gebühr von 20,00 EUR nach vorheriger Anmeldung abgeholt wird); ·
Kosten für eine Ausnahmegenehmigung für das Parken des Umzugswagens in den Halteverbotszonen: ca. 70,00
EUR (vgl. Umzugsangebote der Firma H. GmbH vom 23. Juni 2005, der Firma K. & S. GbR vom 24. Juni 2005 und
der Firma F. Trans-porte vom 24. Juni 2005, unter Berücksichtigung, dass das arithmetische Mittel der Preisspannen
von 65,00 EUR, 70,00 EUR und 75,00 EUR = 70,00 EUR beträgt).
Die notwendigen und angemessenen Umzugskosten belaufen sich demnach auf ca. 1.056,49 EUR, so dass die
Antragsgegnerin, abzüglich der bereits bewilligten Kosten in Höhe von 750,00 EUR, verpflichtet ist, der Antragstellerin
weitere 306,49 EUR – wie tenoriert – zu zah-len. Darüber hinausgehende, von der Antragstellerin begehrte
Umzugskosten können nicht als angemessen erachtet werden, so dass dem einstweiligen Rechtsschutzantrag nur
teil-weise Erfolg beschieden werden konnte.
Soweit die Antragsgegnerin meint, der bewilligte Betrag für Umzugskosten in Höhe von 750,00 EUR sei ausreichend,
um den Umzug angemessen durchzuführen, da dieser pauschale Betrag für den Umzug eines 3-Personen-Haushaltes
von der Stadt D. als Träger der Kosten der Unterkunft auf Grund von Angeboten verschiedener Umzugsfirmen aus
11/04 ermittelt worden sei, kann dem seitens des Gerichts nicht gefolgt werden. Zum ersten ist weder
nachvollziehbar, noch bezogen auf den konkreten Fall der Antragstellerin dargelegt oder gar glaubhaft gemacht, dass
ein Umzug mit einer Umzugsfirma für 750,00 EUR realistischer Weise durchzuführen ist, zumal die von der
Antragstellerin eingeholten Kostenvoranschlä-ge das Gegenteil beweisen. Zum zweiten hat die Antragsgegnerin der
Antragstellerin auch keine Umzugsfirmen benannt oder gar vermittelt, die einen Umzug zu einem derart preis-werten
Angebot durchführen würden. Um zum dritten – und wichtigsten – kann sich die Antragsgegnerin nicht auf die
Festlegung von Pauschalen berufen, weil dies weder den Umständen des Einzelfalles, die die Antragsgegnerin zur
Ausfüllung der unbestimmten Rechtsbegriffe der Notwendigkeit und Angemessenheit der Umzugskosten individuell
um-zusetzen hat, gerecht wird, noch das SGB II es überhaupt zulässt, in derart pauschalierter und Einzelfallumstände
ausblendender Weise vorzugehen. Die Festsetzung von Obergren-zen für Umzugskosten obliegt nach § 27 Nr. 2 SGB
II dem Bundesministerium für Wirt-schaft und Arbeit im Einvernehmen mit dem Bundesministerium der Finanzen und
dem Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung. Dieses hat von seiner Verord-nungsermächtigung –
soweit ersichtlich – bislang keinen Gebrauch gemacht. Soweit die Antragsgegnerin auf ihre eventuelle Befugnis zum
Erlass von ermessensbindenden und Gleichmäßigkeit des Verwaltungshandelns gewährleistenden
Verwaltungsvorschriften abstellen sollte, vermag auch diese Befugnis sie nicht von der Berücksichtigung der Um-
stände des jeweiligen Einzelfalles zu entbinden. Wäre die Antragsgegnerin unter Berück-sichtigung der
Einzelfallumstände, die vorliegend hauptsächlich darin bestehen, dass die Antragstellerin weder über ein Fahrzeug
noch eine Fahrerlaubnis verfügt, das Umzugsgut der Antragstellerin mit einem Volumen von ca. 40 m³ von der 9.
Etage (mit Fahrstuhl) in die 6. Etage (ohne Fahrstuhl) auf eine einfache Entfernung von ca. 3,5 km innerorts von D.
transportiert werden muss, 3 Schrankwände, ein komplettes Schlafzimmer und eine Küche demontiert und montiert
werden müssen und damit realistischer Weise von einem Zeitauf-wand von einem Wochenende (2 mal jeweils ca. 8
Stunden) ausgegangen werden muss, in der Lage gewesen, der Antragstellerin Umzugshelfer inklusive
Transportfahrzeug und Fah-rer für 750,00 EUR zu benennen oder gar zu vermitteln, dann hätte sie hierzu ausreichend
Ge-legenheit gehabt, zumal sich die Antragstellerin bereits einen ganzen Monat vor dem ge-planten Umzugstermin an
die Antragsgegnerin gewandt hat. Da der Bescheid der Antrags-gegnerin vom 11. Juli 2005 keinerlei Begründung für
die Gewährung von ausgerechnet und lediglich 750,00 EUR ausweist, kann dies nur so interpretiert werden, dass der
konkrete und individuelle Umzug der Antragstellerin mit diesen Kosten nicht bewerkstelligt werden kann, was dem
Sinn und Zweck des SGB II, Grundsicherung zu gewährleisten jedoch nicht gerecht wird.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 Satz 1 SGG und folgt der Entscheidung über den vorläufigen
Rechtsschutzantrag. Eine Kostengrundentscheidung ist auch im vorläufigen Rechtsschutzverfahren zu treffen (vgl.
Meyer-Ladewig, Kommentar zum SGG, 7. Aufl. 2002, § 86b, Rn. 17 und § 193, Rn. 2; Zeihe, Kommentar zum SGG,
Stand: April 2003, § 86b, Rn. 37f). Da die Antragstellerin nur teilweise, und zwar in Höhe von 306,49 EUR, obsiegte,
war es angemessen, eine Kostenquotelung vorzunehmen (vgl. Meyer-Ladewig, Kommentar zum SGG, 7. Auflage
2002, § 193, Rn. 12a). Die Quotelung war entsprechend der teilweisen Erfolglosigkeit des einstweiligen
Rechtsschutzantrages vorzu-nehmen; wobei es unter Anwendung des Grundgedankens des § 63 Abs. 1 Satz 1 des
Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) zulässig ist (vgl. Meyer-Ladewig, Kommentar zum SGG, 7. Auflage
2002, § 193, Rn. 12a), das wertmäßige Verhältnis des Obsiegens zum Unterliegen zu schätzen bzw. zu runden (vgl.
Roos in: von Wulffen, Kommentar zum SGB X, 4. Auflage 2001, § 63, Rn. 17, S. 479).