Urteil des SozG Dresden vom 02.12.2009

SozG Dresden: leiter, ärztliche leitung, mitgliedschaft, versorgung, geschäftsführer, angestellter, behandlung, bestätigung, unterliegen, vorverfahren

Sozialgericht Dresden
Gerichtsbescheid vom 02.12.2009 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Dresden S 18 KA 132/09
Sächsisches Landessozialgericht L 1 KA 54/09
I. Der Bescheid des Beklagten vom 01.07.2009 wird aufgehoben. II. Es wird festgestellt, dass die Übertragung der
ärztlichen Leitung des Medizinischen Versorgungszentrums der Klägerin auf Dr. W. B. zulässig ist. III. Die Kosten
des Verfahrens trägt der Beklagte. Die Zuziehung eines Rechtsanwalts zum Vorverfahren war notwendig. IV. Der
Streitwert wird auf 15.000,00 EUR festgesetzt.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Bestellung des Geschäftsführers der Klägerin zum ärztlichen Leiter des von ihr
getragenen Medizinischen Versorgungszentrums.
Die Klägerin beantragte am 17.02.2009 mit Schreiben vom 16.02.2009 im Hinblick auf das Ausscheiden der
bisherigen ärztlichen Leiterin aus dieser Funktion die Bestätigung des Übergangs der ärztlichen Leitung auf den
Geschäftsführer der Klägern, Dr. W. B. Dr. B. ist Facharzt für Orthopädie. Gegenstand und Umfang der von ihm als
ärztlicher Leiter wahrzunehmenden Pflichten sind in einem am 15.02.2009 mit der Klägerin geschlossenen Vertrag
geregelt, wegen dessen Inhalt auf die beigezogene Verwaltungsakte Bezug genommen wird.
Der Zulassungsausschuss lehnte den Antrag durch Beschluss vom 02.03.2009 mit der Begründung ab, der ärztliche
Leiter eines Medizinischen Versorgungszentrums müsse dort selbst vertragsärztliche Leistungen erbringen, um die
erforderliche Direktions- und Kontrollfunktion wahrnehmen zu können.
Hiergegen erhob die Klägerin mit Schreiben vom 16.03.2009 Widerspruch. Die Auffassung des
Zulassungsausschusses entbehre der rechtlichen Grundlage. Der ärztliche Leiter übe Weisungs- und
Kontrollbefugnisse auf Grund seiner vertraglichen Vereinbarung mit der Klägerin und in seiner Funktion als
Geschäftsführer aus. Am Umfang dieser Befugnisse würde die Mitwirkung an der vertragsärztlichen
Leistungserbringung der Klägerin nichts ändern. Haftungssubjekt sei die Klägerin und nicht der ärztliche Leiter. Die
Disziplinargewalt der Kassenärztlichen Vereinigung erstrecke sich gemäß § 95 Abs. 3 Satz 2 SGB V ohnehin direkt
auf die angestellten Ärzte. Im Rahmen der ärztlichen Diagnostik und Therapie seien die Ärzte zudem weisungsfrei.
Der Beklagte wies den hiergegen gerichteten Widerspruch mit Beschluss vom 27.05.2009, als Bescheid ausgefertigt
am 01.07.2009 und den Bevollmächtigten der Klägerin zugestellt am 07.07.2009, zurück. Der ärztliche Leiter eines
Medizinischen Versorgungszentrums müsse selbst als angestellter Arzt dort ärztlich tätig sein, damit er Mitglied der
Kassenärztlichen Vereinigung werde. Dies sei wiederum erforderlich, um die Disziplinargewalt bei Verstößen gegen
vertragsärztliche Pflichten sichern zu können. Dieses Anliegen werde nicht durch § 95 Abs. 3 Satz 2 SGB V erübrigt.
Denn diese Vorschrift regele nur den Zeitpunkt des Beginns der Mitgliedschaft angestellter Ärzte in der
Kassenärztlichen Vereinigung, während weniger als halbtags beschäftigte Ärzte gemäß § 77 Abs. 3 Satz 2 SGB V
von der Mitgliedschaft ganz ausgenommen seien.
Hiergegen richtet sich die am 07.08.2009 beim Sozialgericht Dresden eingegangene Klage, mit der die
Bevollmächtigten der Klägerin ihre bisherige Argumentation vertiefen. Die Klägerin beantragt, den Beklagten unter
Aufhebung der entgegen stehenden Bescheide der Zulassungsgremien zu verurteilen, dem Übergang der ärztlichen
Leitung auf Dr. W. B. stattzugeben.
Der Beklagte beantragt, unter Verweis auf seine bisherigen Ausführungen die Abweisung der Klage.
Entscheidungsgründe:
Das Gericht kann über den Rechtsstreit gemäß § 105 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) durch
Gerichtsbescheid entscheiden, weil die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art
aufweist, der Sachverhalt geklärt ist und die Beteiligten auf Anfrage keine Gründe vorgetragen haben, die einer
Entscheidung durch Gerichtsbescheid entgegen stehen würden.
Die Klage ist zulässig und begründet.
Hinsichtlich der Zulässigkeit der Klage ist zu berücksichtigen, dass das Gesetz eine förmliche Bestätigung des
ärztlichen Leiters durch die Zulassungsgremien nicht vorsieht. Ein Genehmigungsvorbehalt ergibt sich aus dem
Gesetz lediglich für die Anstellung eines an der vertragsärztlichen Versorgung mitwirkenden angestellten Arztes in
einem Medizinischen Versorgungszentrum (§ 95 Abs. 2 Satz 7 SGB V), nicht aber für die Übertragung der ärztlichen
Leitungsfunktion. Weil jedoch die Teilnahme des Medizinischen Versorgungszentrums an der vertragsärztlichen
Versorgung gemäß § 95 Abs. 1 Satz 2 SGB V eine rechtmäßige ärztliche Leitung voraussetzt, steht der Klägerin ein
legitimes Interesse zur Seite, die Rechtmäßigkeit der Bestellung des ärztlichen Leiters durch einen feststellenden
Verwaltungsakt des Zulassungsausschusses und im Streitfalle des Beschwerdeausschusses bzw. durch eine
Entscheidung des Sozialgerichts verbindlich klären zu lassen. Lehnen die Zulassungsgremien die beantragte
Bestätigung ab und befindet auf die hiergegen erhobene Klage des Trägers des Medizinischen Versorgungszentrums
das Sozialgericht die Bestellung des ärztlichen Leiters für rechtmäßig, tritt in entsprechender Anwendung des § 54
Abs. 4 in Verbindung mit § 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG die Feststellung des Gerichts an die Stelle der Bestätigung durch die
Zulassungsgremien, ohne dass es einer Verurteilung des Beklagten zum Erlass eines dahin gehenden feststellenden
Verwaltungsaktes bedarf. Der in die Gestalt einer Verpflichtungsklage gekleidete Klageantrag war deshalb, weil das
Begehren der Klägerin diese Rechtsfolge mit umfasst, gemäß § 123 SGG als auf eine dahin gehende Feststellung
gerichtet auszulegen.
In der Sache hat die Klage Erfolg. Die Klägerin hat einen Anspruch auf die Feststellung, dass Dr. B. die Funktion als
ärztlicher Leiter des Medizinischen Versorgungszentrums der Klägerin ausüben darf.
Die Voraussetzungen des § 95 Abs. 1 Satz 2 SGB V sind erfüllt. Nach dieser Vorschrift sind Medizinische
Versorgungszentren fachübergreifende ärztlich geleitete Einrichtungen, in denen Ärzte, die in das Arztregister
eingetragen sind, als Angestellte oder Vertragsärzte tätig sind. Daraus folgt, dass jedes Medizinische
Versorgungszentrum ärztlich geleitet sein muss und auch dann eines ärztlichen Leiters bedarf, wenn es von
Nichtärzten - hier einer juristischen Person des Privatrechts - getragen wird.
Der Geschäftsführer der Klägerin darf die Tätigkeit des ärztlichen Leiters nach dieser Vorschrift ausüben. Die seitens
des Beklagten hiergegen erhobenen Bedenken greifen nicht durch.
Das Gericht erinnert zunächst daran, dass Regelungen, welche Freiheit der Berufsausübung beschränken, gemäß
Artikel 12 Abs. 1 Satz 2 GG nur auf Grund eines Gesetzes zulässig sind. Darüber hinaus müssen gesetzliche und auf
Gesetz beruhende Rechtsnormen mit berufsregelnder Wirkung dem aus Art. 20 Abs. 3 GG abgeleiteten
rechtsstaatlichen Bestimmtheitsgebot genügen. Das rechtsstaatliche Gebot der Gesetzesbestimmtheit zwingt den
Gesetzgeber nicht, Regelungstatbestände stets mit genau erfassbaren Maßstäben zu umschreiben. Der Gesetzgeber
ist aber gehalten, seine Regelungen so bestimmt zu fassen, wie dies nach der Eigenart des zu ordnenden
Lebenssachverhalts mit Rücksicht auf den Normzweck möglich ist. Bei der Frage, welche
Bestimmtheitsanforderungen im Einzelnen erfüllt sein müssen, ist auch die Intensität der Einwirkungen auf die
Regelungsadressaten zu berücksichtigen. Die Rechtsunterworfenen müssen in zumutbarer Weise erkennen können,
ob die tatsächlichen Voraussetzungen für die in der Rechtsnorm ausgesprochene Rechtsfolge vorliegen. Dabei reicht
es aus, wenn sich dies im Wege der Auslegung der einschlägigen Bestimmung mit Hilfe der anerkannten
Auslegungsregeln feststellen lässt (Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 19.6.2007, Az. 1 BvR 1290/05).
Für den Träger des Medizinischen Versorgungszentrums stellen sich die Teilnahme an der vertragsärztlichen
Versorgung in der Rechtsform eines Medizinischen Versorgungszentrums und dessen organisatorische Ausgestaltung
als Ausübung seiner durch Artikel 12 Abs. 1 GG, gegebenenfalls in Verbindung mit Artikel 19 Abs. 3 GG, geschützten
Freiheit der Berufsausübung dar. Für die angestrebte Leitungstätigkeit des vom Medizinischen Versorgungszentrum
zum ärztlichen Leiter berufenen Arztes gilt dies entsprechend.
Dass der ärztliche Leiter selbst ärztlich - durch die Behandlung gesetzlich Versicherter - zur Versorgung der Patienten
des Medizinischen Versorgungszentrums beitragen müsste, lässt sich den Vorschriften über die Einrichtung und
organisatorische Ausgestaltung Medizinischer Versorgungszentren nicht mit der gebotenen Bestimmtheit entnehmen.
Entscheidend, aber auch ausreichend ist nach Sinn und Zweck des Gesetzes allein, dass der ärztliche Leiter über
eine Qualifikation als Arzt verfügt und die Behandlung der Versicherten durch die am Medizinischen
Versorgungszentrum tätigen Ärzte gegenüber einer Einflussnahme durch Nichtärzte organisatorisch abschirmen kann.
Der ärztliche Leiter ist darüber hinaus Ansprechpartner des Medizinischen Versorgungszentrums in medizinischen
Fragen nach außen und übernimmt die Verantwortung für die Abrechnung, die Qualitätssicherung und die Einhaltung
der ärztlichen Pflichten in den durch die berufsrechtliche Verantwortlichkeit der Ärzte gesetzten Grenzen.
Weder ordnet der Wortlaut des Gesetzes mit hinreichender Deutlichkeit an, dass der ärztliche Leiter neben seiner
Leitungstätigkeit selbst an der Krankenbehandlung der Versicherten mitwirken muss, noch lässt sich eine solche
Anforderung dem Sinn und Zweck des Gesetzes als immanentes Tatbestandsmerkmal entnehmen; insbesondere ist
die unmittelbare Teilnahme an der Krankenbehandlung keine logisch oder sachlich zwingende Voraussetzung dafür,
dass der ärztliche Leiter seine Leitungs- und Koordinierungsaufgaben gegenüber den Ärzten des Medizinischen
Versorgungszentrums wahrnehmen kann.
Dies steht nicht in Widerspruch dazu, dass der ärztliche Leiter schon begrifflich eine "ärztliche" Funktion auszuüben
hat. Der Begriff "ärztlich" beschreibt zunächst nur eine Qualifikationsanforderung. Nur ein Arzt verfügt über die
notwendige fachliche Kompetenz für diese Aufgabe. Darüber hinaus stellt sich die ärztliche Leitung eines
Medizinischen Versorgungszentrums selbst als eine Form der Ausübung des Arztberufs dar. Ärztlich tätig ist nicht
nur, wer selbst Patienten behandelt. Schon auf Grund des weiten Verantwortungskreises eines ärztlichen Leiters kann
sich das Verlangen des Beklagten, der ärztliche Leiter müsse neben seiner Leitungstätigkeit auch therapeutisch tätig
sein, unter Umständen - je nach Größe des Medizinischen Versorgungszentrums - auf Grund der damit verbundenen
zeitlichen Inanspruchnahme bei der Wahrnehmung der ihm gesetzlich zugewiesenen Funktion sogar als hinderlich
erweisen.
Der ärztliche Leiter muss nicht als Angestellter des Medizinischen Versorgungszentrums selbst vertragsärztliche
Leistungen erbringen, um als Mitglied der Kassenärztlichen Vereinigung die Einhaltung der vertragsärztlichen Pflichten
durchsetzen zu können. Gemäß § 77 Abs. 3 SGB V sind die im Medizinischen Versorgungszentrum angestellten
Ärzte, sofern sie mindestens halbtags beschäftigt sind, selbst Mitglieder der zuständigen Kassenärztlichen
Vereinigung und unterliegen damit in eigener Person unmittelbar deren Disziplinargewalt. Es bedarf insoweit nicht der
Mitgliedschaft des ärztlichen Leiters des Medizinischen Versorgungszentrums in der Kassenärztlichen Vereinigung,
um deren Disziplinargewalt, vermittelt durch die Kontroll- und Weisungsbefugnisse eines disziplinarisch persönlich
verantwortlichen ärztlichen Leiters auf die (anderen) angestellten Ärzte des Medizinischen Versorgungszentrums zu
transportieren.
Zudem unterliegt der ärztliche Leiter den disziplinarischen Befugnissen der Kassenärztlichen Vereinigung nur weil und
wenn er selbst mindestens halbtags an der vertragsärztlichen Leistungserbringung des Medizinischen
Versorgungszentrums mitwirkt. Die Mitgliedschaft in der Kassenärztlichen Vereinigung verpflichtet ihn (nur) persönlich
in dieser Tätigkeit zur Einhaltung der für die Mitglieder geltenden vertragsärztlichen Pflichten. Das Gesetz ordnet
dagegen nicht die Mitgliedschaft eines Arztes in der Kassenärztlichen Vereinigung an, um über die eigene
vertragsärztliche Tätigkeit hinaus auf dritte, an der vertragsärztlichen Versorgung mitwirkende Ärzte Einfluss zu
nehmen.
Dem würde schon entgegen stehen, dass nach der gegenteiligen Auffassung des Beklagten der ärztliche Leiter auf
Grund des § 77 Abs. 3 SGB V gehalten wäre, mindestens die Hälfte seiner Arbeitszeit persönlich der Behandlung der
Versicherten zu widmen, um zu gewährleisten, dass das Medizinische Versorgungszentrum in dem ihm nach den
Vorschriften des Bedarfsplanungsrechts in Verbindung mit § 95 Abs. 3 Satz 2 SGB V obliegenden Umfang zur
Sicherstellung des Versorgungsauftrags beiträgt; dieser Umfang wäre auch unter Berücksichtigung der auf den
ärztlichen Leiter entfallenden mindestens hälftigen Arztstelle zu bestimmen (vgl. § 95 Abs. 2 Satz 9 SGB V, § 1 Abs.
3 Nr. 2 Ärzte-ZV, § 39 Satz 1 Halbs. 1 in Verbindung mit § 23a Nr. 1 und § 23 BedarfsplRL).
Grade in dem Mindestumfang der ärztlichen Mitarbeit im Medizinischen Versorgungszentrum, den der Beklagte
voraussetzt, um den ärztlichen Leiter des Medizinischen Versorgungszentrums - in dieser Funktion - in den
Pflichtenkreis der Mitglieder der Kassenärztlichen Vereinigung einzubeziehen, könnte der ärztliche Leiter indessen
keine ärztlichen Leitungsfunktionen gegenüber anderen angestellten Ärzten ausüben, um deretwillen der Beklagte
gerade auf der disziplinarischen Verantwortlichkeit des ärztlichen Leiters besteht. Eine solche inkongruente Zweck-
Mittel-Verknüpfung wäre sachwidrig und objektiv willkürlich.
Hieran ändert es nichts, dass angestellte Ärzte, die nicht mindestens halbtags tätig sind, gemäß § 77 Abs. 3 Satz 2
SGB V nicht Mitglieder der Kassenärztlichen Vereinigung sind. Der Gesetzgeber hat nicht ausdrücklich geregelt, ob
und wie unterhalbschichtig angestellte Ärzte den an die Mitgliedschaft in der Kassenärztlichen Vereinigung
anknüpfenden vertragsärztlichen Vorschriften unterworfen werden können. Hieraus kann indessen nicht der Schluss
gezogen werden, der Gesetzgeber sei davon ausgegangen, dass die Normbindung dieser Ärzte durch die
Weisungsbefugnisse eines selbst mindestens halbschichtig vertragsärztlich tätigen ärztlichen Leiters vermittelt würde.
Dagegen spricht schon, dass § 77 Abs. 3 Satz 2 SGB V mit Wirkung ab dem 01.01.2007 und damit erst nach dem
Inkrafttreten des § 95 Abs. 1 Satz 2 SGB V in das Gesetz eingefügt wurde und deshalb nur eingeschränkt zur
systematischen Auslegung der zuletzt genannten Norm beitragen kann. Zudem wäre es, ausgehend von der
Rechtsauffassung des Beklagten, konsequenter gewesen, entweder zur Vermeidung unnötiger Differenzierungen auch
die mehr als halbtags angestellten Ärzte des Medizinischen Versorgungszentrums von der Mitgliedschaft in der
Kassenärztlichen Vereinigung auszunehmen und sie ebenfalls ausschließlich der Weisungsbefugnis des ärztlichen
Leiters zu unterstellen oder die Mitgliedschaft des ärztlichen Leiters in der Kassenärztlichen Vereinigung von der
Beschäftigung unterhalbschichtig angestellter Ärzte im Medizinischen Versorgungszentrum abhängig zu machen.
Beides trifft indessen nicht zu.
Mag die vom Beklagten angestrebte Rechtskonstruktion gleichwohl noch schlüssig erscheinen, ist sie doch nicht
Gesetz geworden. Tatsächlich spricht vieles dafür, dass - was hier offen bleiben kann - entweder der Wortlaut § 77
Abs. 3 Satz 2 SGB V eine verdeckte Lücke enthält oder zumindest der objektive Regelungsgehalt der Norm über das
rechtspolitisch angestrebte Regelungsziel hinausschießt, da ausweislich der Begründung des Gesetzgebers zur
Neuregelung von § 77 Abs. 3 Satz 2 SGB V bei einem geringen Beschäftigungsumfang lediglich die Ausübung
mitgliedschaftlicher Selbstverwaltungsrechte ausgeschlossen werden sollte (Deutscher Bundestag, Drucksache
15/2474 S. 20). Es wäre verfehlt, aus einer offenkundig missglückten Norm nicht nur Rückschlüsse auf die vom
Gesetzgeber intendierte Ausgestaltung Medizinischer Versorgungszentren ziehen zu wollen, sondern diesen
Schlussfolgerungen sogar eine normative Wirkung mit die Berufsausübung regelndem Charakter beimessen zu wollen.
Es ist Aufgabe des Gesetzgebers, zu klären, welchen Rechten und Pflichten die nicht zwangskorporierten
angestellten Ärzte im Hinblick auf § 77 Abs. 3 Satz 2 SGB V unterliegen. Das Fehlen einer klarstellenden Regelung
berechtigt den Beklagten jedenfalls nicht dazu, zur Kompensation des gesetzgeberischen Unterlassens die Gründung
und organisatorische Ausgestaltung Medizinischer Versorgungszentren ohne eindeutige gesetzliche Grundlage zu
Lasten der Berufsausübungsfreiheit und der Organisationshoheit der Träger von Medizinischen Versorgungszentren zu
reglementieren.
Aus der Funktion des ärztlichen Leiters folgt schließlich, dass auch die Bestellung als Geschäftsführer nicht der
Berufung zum ärztlichen Leiter entgegen steht. Der ärztliche Leiter muss nicht, kann aber zugleich Geschäftsführer
sein. Er muss nicht, kann aber zugleich auch Aufgaben der kaufmännischen Leitung übernehmen. Notwendig und
ausreichend ist lediglich, die Qualität der medizinischen Behandlung gegenüber fachfremden Weisungen
nichtärztlicher Personen abzusichern.
Schränkt mithin keine Rechtsnorm die privatautonome Gestaltungsfreiheit des Trägers des Medizinischen
Versorgungszentrums und des zum ärztlichen Leiter bestellten Arztes über diese Vorgaben hinaus ein, so folgt
unmittelbar aus den verfassungsrechtlichen Grundfreiheiten der Klägerin und ihres Geschäftsführers, dass jener
zugleich die Funktion des ärztlichen Leiters ausüben darf.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit § 154 Abs. 1 VwGO. Die Zuziehung
eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren ist auf Grundlage von § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit §
162 Abs. 2 Satz 2 VwGO für notwendig zu erklären.
Der gemäß § 52 Abs. 1 GKG in Verbindung mit § 1 Nr. 4 GKG und § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG nach der sich aus dem
Klageantrag ergebenden Bedeutung der Sache festzusetzende Streitwert orientiert sich am Dreifachen (vgl. § 42 Abs.
3 Satz 1 GKG) des Auffangstreitwerts nach § 52 Abs. 2 GKG.