Urteil des SozG Dortmund vom 15.03.2001

SozG Dortmund: krankenkasse, herausgabe der akten, stationäre behandlung, einsichtnahme, datenschutz, verzug, fälligkeit, mahnung, feststellungsklage, leistungsklage

Sozialgericht Dortmund, S 41 KR 176/99
Datum:
15.03.2001
Gericht:
Sozialgericht Dortmund
Spruchkörper:
41. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
S 41 KR 176/99
Nachinstanz:
Landessozialgericht NRW, L 5 KR 63/01
Sachgebiet:
Krankenversicherung
Rechtskraft:
nicht rechtskräftig
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen. Außergerichtliche Kosten haben die
Beteiligten einander nicht zu erstatten.
Tatbestand:
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Die Beteiligten streiten über die Verpflichtung der Beklagten, Verzugszinsen zu zahlen.
Ferner wird über die Berechtigung der Beklagten gestritten, von der Klägerin die
Übersendung des OP-Berichts zu verlangen.
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Aufgrund ärztlicher Verordnung wurde die bei der Beklagten versicherte ... am
25.05.1999 im Krankenhaus der Klägerin stationär aufgenommen. Mit am 28.05.1999
eingegangen ein Schreiben beantragte die Klägerin bei der Beklagten
Kostenübernahme. Als voraussichtliche Dauer der Krankenhausbehandlung wurden 11
Tage (bis zum 05.06.1999) angegeben. Die Versicherte wurde bei Zustand nach
Unterschenkelumstellungsosteotomie links wegen Pseudoarthrose behandelt. Mit
Schreiben vom 28.05.1999 erklärte die Beklagte die Kostenübernahme. Am 21.07.1999
wurde die Versicherte aus dem Krankenhaus entlassen.
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Auf Anfrage der Beklagten vom 23.06.1999 erstellte ein im Krankenhaus der Klägerin
beschäftigter Arzt am 28.06.1999 einen Zwischenbericht, wonach die
Krankenhausbehandlung noch ca. 14 Tage dauern werde. Am 28.07.1999 ging die
Entlassungsanzeige bei der Beklagten ein.
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Mit am 02.08.1999 bei der Klägerin eingegangenem Schreiben wies die Beklagte darauf
hin, das s die medizinische Notwendigkeit für eine Kostenübernahme abgeklärt werden
müsse. Die Klägerin wurde gebeten, einen ausführlichen Befundbericht über den
stationären Behandlungszeitraum ggf. direkt an den MDK Nordrhein zu übersenden. Am
30.07.1999 ging die während des Klageverfahrens beglichene Rechnung der Klägerin
bei der Beklagten ein. Die Rechnung sei sofort zahlbar ohne Abzug.
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Am 19.08.1999 übersandte die Klägerin der Beklagten den Kranken-
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hausentlassungsbericht ... beratender Arzt der Beklagten, schlug dieser daraufhin vor,
zur Prüfung eines Behandlungsfehlers bei der Klägerin den OP-Bericht anzufordern.
Eine entsprechende Aufforderung der Beklagten wies die Klägerin mit Schreiben vom
08.11.1999 zurück. Denn dies verstosse gegen den Landesvertrag, den Datenschutz
und die Vorschriften des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V) , Die Klägerin
setzte eine Frist von 14 Tagen zum Zahlungsausgleich. Sollte der Ausgleich nicht,
erfolgen, werde man Klage einlegen. Man werde auch Verzugszinsen einklagen.
Dieses Schreiben ging am 11.11.1999 bei der Beklagten ein.
Auf Anfrage der Beklagten teilte der MDK am 02.12.1999 mit, zur Verweildauerprüfung
benötige er sämtliche OP-Berichte. Am 03.12.1999 forderte die Klägerin die Beklagte
erneut zum Rechnungsausgleich auf. Mit Schreiben vom 17.12.1999 antwortete die
Beklagte, durch die Weigerung der Klägerin, ihr die für die Beurteilung des
Krankenhaus fall es notwendigen unterlagen zur Verfügung zu stellen, habe noch keine
Zahlung erfolgen können. Ferner übersandte die Beklagte der Klägerin eine von der
Versicherten unterzeichnete Einwilligung zur Offenbarung von Sozialdaten. Diese
reichte die Klägerin nicht aus. Sie forderte die Beklagte erneut zur
Rechnungsbegleichung auf.
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Im Dezember 1999 wurde Klage erhoben. Diese war ursprünglich auf Begleichung der
Hauptforderung, Verzugszinsen und Feststellung gerichtet. Die Klägerin meint, eine
Übersendung des OP-Berichts unmittelbar an die Beklagte sei unzulässig. Denn nach
den Vorschriften des Vertrages gemäß § 112 Abs. 2 Mr. 2 SGB V stehe das
Überprüfungsrecht ausschließlich dem MDK zu. Ihr Angebot, die unterlagen dem MDK
zu überlassen, habe die Beklagte aber ausdrücklich abgelehnt. Ohne ordnungsgemäße
Einwillungs- bzw. Schweigepflichtsentbindungserklärung ihrer Versicherten dürfe die
Beklagte die Behandlungsunterlagen nicht einsehen. Dies sei auch die Auffassung des
Bundesbeauftragten für den Datenschutz (BfD).
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Die von der Versicherten übersandte Erklärung sei aber keine ordnungsgemäße
Schweigepflichtsentbindungserklärung. Diesbezüglich bestehe auch
PeststeliungsInteresse, da sich solche Streitigkeiten. häuften. Die Klägerin meint, weder
die Befristung der Kostenübernahmerklärung noch die Einschaltung des MDK zur
Prüfung der Verweildauer schiebe die Fälligkeit des Zahlungsanspruchs hinaus.
Vielmehr seien die Rechnungen nach den Vorschriften des Vertrages gemäß S 112
Abs. 2 Nr. l SGB V 15 Tage nach Eingang zu begleichen. Die Zahlung dürfe auch nicht
von einer vorherigen Überprüfung durch den MDK abhängig gemacht werden. Vielmehr
versuche die Beklagte, das nach S 112 Abs. 2 Nr. 2 SGB V i. V. m. dem Landesvertrag
vorgesehene Überprüfungsverfahren zu umgehen. Der Zinsanspruch folge aus den
Vorschriften des Vertrages nach § 112 Abs. 2 Nr. l SGB v.
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Die Beklagte hält dem gegenüber die Einwilligungserklärung der Versicherten für
ausreichend. Im übrigen meint die Beklagte, dass eine solche Einwilligungserklärung
zur Überlassung der Krankenakte an sich gar nicht notwendig sei. Auch bestehe
angesichts einer Verweildauer der Versicherten von 58 Tagen durchaus Anlas s zur
Überprüfung. Denn bei der vorliegend behandelten Pseudoarthrose betrage die
Durchschnittsverweildauer 21 Tage. Mit der Zusendung der medizinischen Unterlagen
an den MDK in Münster sei man aber einverstanden.
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Hiergegen erhob die Klägerin keine Bedenken. Das in dieser Weise von der Beklagten
beabsichtigte Vorgehen sei ihr aber bisher nicht bekannt gewesen. Insbesondere habe
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man das Schreiben vom 29.07.1999 bisher nicht gekannt.
Im September 1999 übersandte die Klägerin die Behandlungsunterlagen dem MDK. Der
MDK fertigte am 13.10.2000 das Gutachten. Dieses erhielt die Beklagte am 16.10.2000.
Mit Schreiben vom selben Tage kündigte die Beklagte an, die Kosten der stationären
Behandlung für den hier streitigen Krankenhaus auf enthalt zu übernehmen.
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Die Beklagte meint, dieser Rechtsstreit hätte vermieden werden können, wenn die
Klägerin die angeforderten Behandlungsunterlagen sofort zugesandt hätte. Weitere
Kosten werde man daher nicht übernehmen.
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Die Hauptforderung in Höhe von 25.446,26 DM glich die Beklagte am 09.11.2000 aus.
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Darauf hin erklärte die Klägerin den Rechtsstreit insoweit für erledigt. Offen seien aber
noch die von der Beklagten zu tragenden Zinsen. Verzug liege seit dem 15.08.1999 vor.
Verzugszinsen seien vom 15.08. bis 31.12.1999 in Höhe von 3,95 %, vom 01.01. bis
30.04.2000 in Höhe von 4,68 % sowie vom 01.05 bis 30.08.2000 in Höhe von 5,42 %
angefallen. Der Zinsanspruch bestehe für die Zeit vom 15.08.1999 bis zum 09.11.2000.
Die Klägerin hält an Ihrer Meinung fest, das die Beklagte kein eigenes
Überprüfungsrecht habe. Sie meint, eine Übersendung der Behandlungsunterlagen
unmittelbar an die beklagte Krankenkasse sei eine Umgehung der gesetzlichen
Regelung zur Prüfung der medizinischen Sachverhalte durch den MDK. Dies
bestätigten auch der BfD und der Landesbeauftragte für den Datenschutz Sachsen-
Anhalt in Stellungnahmen vom 25.08.2000 und 12.01.2001.
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Die Klägerin beantragt,
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1. die Beklagte zu verurteilen, an sie 2% Zinsen über den Basiszins aus 25.446,26 DM
seit dem 15.08.1999 bis zum 09.11.2000 zu zahlen und
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2. festzustellen, dass das Verlangen der Beklagten ihres Mitarbeiters, ihr einen OP-
Bericht über die operative Behandlung ihrer Versicherten ... 06.06.1958, zu übersenden,
unzulässig gewesen ist.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Sie meint der Zinsanspruch bestehe nicht. Denn wenn die Klägerin ihrem Anspruch auf
Herausgabe der Akten rechtzeitig nachgekommen wäre, wäre es auch zu keiner
Zahlungsverzögerung gekommen. Die Beklagte meint, sie könne nicht darauf
angewiesen sein, den Ausführungen des MDK ohne eigene Überprüfungsmöglichkeit
zu folgen. Denn der MDK berate die Kassen lediglich gutachterlich gemäß S 275 SGB
V. Die Entscheidungshoheit verbleibe hingegen bei der Kasse. Von daher sei auch die
Anforderung des OP-Berichts berechtigt gewesen.
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Die Klägerin hat Stellungnahmen des BfD und des Landesbeauftragten für den
Datenschutz Sachsen-Anhalt sowie ein Rundschreiben der Krankenhausgesellschaft
Nordrhein-Westfalen zu den Akten gereicht, auf deren Inhalt Bezug genommen wird.
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Ferner wird wegen weiterer Einzelheiten auf den Inhalt der Gerichts- und
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Verwaltungsakte sowie auf den Inhalt der beigezogenen Krankenhausakte der Klägerin
Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
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Die Klage ist als echte Leistungsklage gemäß S 54 Abs. 5 des Sozialgerichtsgesetzes
(SGG) zulässig. Denn es handelt sich um eine Zahlungsklage im
Gleichordnungsverhältnis, weshalb es weder eines Vorverfahrens bedarf noch eine
Klagefrist existiert (vgl. BSG Urteil vom 17.05.2000, - Az.: B 3 KR 33/99 R).
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Die Klage ist jedoch unbegründet. Denn weder der Zins- noch der
Feststellungsanspruch bestehen.
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1. Als Anspruchsgrundlage für den Zinsanspruch kommt allein § 112 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1
SGB V i. V. m. § 15 Abs. 1 Satz 4 Sicherstellungsvertrag in Betracht. § 15 Abs. 1
Sicherstellungsvertrag bestimmt: "Die Rechnungen sind innerhalb von 15
Kalendertagen nach Eingang zu begleichen. Als Tag der Zahlung gilt der Tag der
Übergabe des Überweisungsauftrages an ein Geldinstitut oder Übersendung von
Zahlungsmitteln an das Krankenhaus. Ist der Fälligkeitstag ein Samstag, Sonntag oder
gesetzlicher Feiertag, verschiebt er sich auf den nächstfolgenden Arbeitstag. Bei
Überschreitung des Zahlungsziels kann das Krankenhaus nach Maßgabe der §§ 284,
285, 288 Abs. 1 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch) Verzugszinsen in Höhe von 2 v.H. über
dem jeweiligen Diskontsatz der Deutschen Bundesbank ab dem auf dem Fälligkeitstag
folgenden Tag verlangen."
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Gemäß dem Verweis auf das Bürgerliche Gesetzbuch bedeutet daher Verzug
schuldhafte Nichtzahlung trotz Fälligkeit und Mahnung. Nichtzahlung liegt bis zum
09.11.2000 vor. Fälligkeit ist bei Rechnungseingang am 30.07.1999 gemäß S 15 Abs. 1
S. 3 Sicherstellungsvertrag allerdings erst am 16.08.1999 eingetreten, da der
15.08.1999 ein Sonntag war.
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Der weitere Zinsanspruch bis zum 25.11.1999 scheitert an der bis dahin nicht
vorliegenden, gemäß § 15 Abs. 1 S. 4 Sicherungsvertrag i. V. m. § 284 Abs. 1 S. 1 BGB
aber erforderlichen Mahnung. Denn die Mahnung ist erst mit am 11.11.1999 bei der
Beklagten eingegangenem Schreiben der Klägerin vom 08.11.1999 erfolgt, in dem eine
14-tägige Zahlungsfrist gesetzt wurde.
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Der danach noch zu prüfende Zinsanspruch ab dem 26.11.1999 scheitert daran, dass
die Beklagte ohne Verschulden die Zahlung erst am 09.11.2000 geleistet hat.
Schuldhafte Nichtleistung ist wegen des Verweises in § 15 Abs.15.4 Sicherungsvertrag
auf § 285 BGB erforderlich.
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§ 285 BGB lautet: "Der Schuldner kommt nicht in Verzug, solange die Leistungen
infolge eines Umstandes unterbleibt, den er nicht zu vertreten hat."
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Die Nichtleistung vor dem 09.11.2000 war nicht schuldhaft. Denn die Beklagte war
berechtigt, den Rechnungsausgleich von einer vorherigen Überprüfung durch den MDK
abhängig zu machen. Sie war ferner berechtigt, die Behandlungsunterlagen der
Klägerin vor einer Rechnungsbegleichung zwecks eigener Überprüfung einzusehen.
Das Überprüfungsbegehren der Beklagten vor Zahlung war gesetzes- und
vertragsgemäß. Dies ergibt sich aus folgendem:
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Die Beklagte war nicht schon aus ihrer Kostenübernahmeerklärung vom 28.05.1999 zur
sofortigen Zahlung ohne weitere Überprüfungen verpflichtet. Denn die
Kostenübernahmeerklärung begründet keinen eigenenständigen Verpflichtungsgrund,
sondern hat die Wirkung eines bloß deklaratorischen Schuldanerkenntnisses (BSG,
a.a.O.). Im übrigen erstreckte sich die Kostenübernahmeerklärung nur auf die Zeit bis
zum 05.06.1999.
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Die Beklagte Krankenkasse war auch berechtigt, die
Krankenhausbehandlungsbedürftigkeit ihrer Versicherten gemäß S 39 Abs. 1 § 2 SGB V
selbständig zu überprüfen. Entgegen der klägerischen Auffassung ist sie nicht an die
Feststellung des Krankenhauses gebunden, dass eine stationäre Behandlung über 58
Tage notwendig war. Dies bestätigt schon § 2 Abs. 1 S. 1 des Vertrages nach § 112
Abs. 2 S. 1 Nr. 2 SGB V. Denn hiernach obliegt der Krankenkasse die Überprüfung der
leistungsrechtlichen Voraussetzungen der stationären Krankenhausbehandlung. Auch
kann die Krankenkasse gemäß § 6 Abs. 3 S. 4 Sicherstellungsvertrag in Zweifels fällen
zur Überprüfung der Krankenhausleistungen den MDK einschalten. Das nähere
Verfahren ist in den §§ 275, 276 SGB V geregelt. Die Krankenkassen sollen den MDK
zur Erfüllung ihrer Aufgaben zu Rate ziehen (S 275 Abs. 4 SGB V). Sie haben dem MDK
die erforderlichen Unterlagen vorzulegen (S 276 Abs. l S. l SGB V). Der MDK hat zur
Notwendigkeit und Dauer stationärer Behandlungen gutachtlich Stellung zu nehmen (§
276 Abs. 4 S. l SGB V).
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Nicht der MDK, sondern die Krankenkasse trifft also die Entscheidung darüber, ob und
wie lange stationäre Krankenhausbehandlung erforderlich ist. Die Krankenkasse
bedient sich lediglich zur Entscheidungsfindung der Fachkunde des MDK. Schon das
aber impliziert, dass die Krankenkasse die Möglichkeit haben muss, zu prüfen, ob sie
der Stellungnahme des MDK folgt. Diese Überprüfung aber kann die Krankenkasse
sachgerecht nur anhand der Unterlagen vornehmen, die auch dem MDK zur Verfügung
standen. Schon von daher muss auch der Krankenkasse ein Einsichtsrecht in die
Behandlungsunterlagen ihres Versicherten zustehen. Hiervon ging ersichtlich auch der
Gesetzgeber aus. Auch der Gesetzgeber ist nämlich der Auffassung, dass die
Krankenkasse zur Entscheidungsfindung Erkenntnisse über Krankheitsverläufe,
Versorgungsablaufe und Behandlungsergebnisse benötigt, welche sie nur dann
gewinnen kann, wenn der einzelne Behandlungsfall nachvollziehbar ist (Bundestags-
Drucksache 12/5187, 32; vgl. auch SG Speyer, Urteil vom 10.04.2000, Az.: S 3 K
181/98). Das aber bedingt die Einsichtnahme in Behandlungsunterlagen. Dies sieht
auch im übrigen das BSG nicht anders.
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So führt es in dem bereits zitierten Urteil vom 17.05.2000 aus: "Bei verständiger
Würdigung der beiderseitigen Interessenlagen ergibt sich hieraus nicht nur das Recht
der Krankenkassen, tatsächlich erstellte Dokumentationen in Augenschein zu nehmen,
sondern zugleich die Pflicht des Krankenhauses, aussagefähige Dokumentationen über
die Notwendigkeit der Krankenhausbehandlung zu führen."
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Das aber bedeutet nichts anderes als einen Anspruch der Krankenkasse auf
Einsichtnahme in die Behandlungsunterlagen des Krankenhauses. Von daher enthält
auch § 301 SGB V keine diesbezüglich abschließende Regelung.
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Bei den zitierten Ausführungen des BSG handelt es sich auch um grundsätzliche
Erwägungen. Entgegen der Auffassung der Klägerseite ist die zitierte Aussage nach
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Überzeugung der Kammer nicht durch Besonderheiten des Niedersächsischen Landes
Vertrages bedingt.
Aus dem Gesagten ergibt sich, dass die Krankenkasse vor einer Einsichtnahme in die
Behandlungsunterlagen des Krankenhauses Zahlungen nicht zu leisten braucht. Denn
nur dann, wenn die Krankenkasse berechtigt ist, mit der Zahlung solange zu warten, bis
sie festgestellt hat, dass Krankenhausbehandlungsbedürftigkeit im vom Krankenhaus in
Rechnung gestellten umfang vorlag, ist die der Krankenkasse obliegende Kontrolle der
Notwendigkeit und des Umfangs Krankenhausbehandlung effektiv gewährleistet. Denn
gemäß § 12 Abs. 1 Satz 2 SGB V darf die Krankenkasse nur notwendige und
wirtschaftliche Leistungen bewilligen. Hiermit aber wäre eine sonst bestehende
generelle Vorleistungspflicht der Krankenkassen zur Zahlung der
Krankenhausrechnungen, bevor überhaupt die Notwendigkeit stationärer Behandlungen
geklärt ist, auch im Interesse der beitragzahlenden Versicherten unvereinbar. Von daher
hält auch das BSG (a.a.O.) die Krankenkasse nur für verpflichtet,
Krankenhausbehandlung in dem Umfang zu bezahlen, wie sie erforderlich war.
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Hiernach kann die Krankenkasse ihre Leistungspflicht sehr wohl von vorherigen
Überprüfungen anhand der Behandlungsunterlagen abhängig machen. Schon gar nicht
ist die Krankenkasse daher, wie die Klägerseite aus für das Gericht in keiner Weise
nachvollziehbaren Gründen meint, zur Zahlung vor einer Überprüfung durch den MDK
verpflichtet.
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Festzuhalten bleibt, dass die Krankenkasse zur Einsichtnahme in die
Behandlungsunterlagen befugt ist. Daraus folgt, dass es auch unter dem Gesichtspunkt
des § 100 Abs. 2 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) (Drohen von
Strafverfolgung) keiner Einwilligungserklärung der Versicherten bedurfte. Denn § 203
Strafgesetzbuch pönalisiert nur die unbefugte Offenbarung des aus der Behandlung des
Versicherten erwachsenden Berufsgeheimnisses. Dieses Ergebnis ist auch deshalb
unbedenklich, weil die Krankenkasse für die Wahrung des Sozialgeheimnisses Sorge
zu tragen hat (SS 35 Erstes Buch Sozialgesetzbuch/ SGB I, 76 SGB X - vgl. auch SG
Speyer.a.a.O.).
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Die Beklagte durfte die Zahlung also nicht nur von einer vorherigen Überprüfung durch
den MDK abhängig machen, sondern war auch berechtigt, die Behandlungsunterlagen
vor einer Zahlung zwecks Überprüfung selbst einzusehen. Die Behandlungsunterlagen
wurden dem MDK jedoch erst im September 2000 über die Klägern zugeleitet. Die
Beklagte hat dann auch mit Schriftsatz vom 16.10.2000 ihre Leistungspflicht anerkannt
und die Rechnung am 09.11.2000 ausgeglichen. Hieran ist keine schuldhaft verspätete
Leistung, sondern vielmehr ein umgehender Rechnungsausgleich zu sehen.
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2. Die Feststellungsklage ist gemäß § 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG zulässig. Denn die
Feststellung, dass das Verlangen der Beklagten bzw. ihres Mitarbeiters, ihr einen OP-
Bericht über die operative Behandlung ihrer Versicherten ... zu übersenden, unzulässig
gewesen ist, betrifft ein Rechtsverhältnis zwischen Klägerin und Beklagter, über das
nicht im Wege der Gestaltungs- oder Leistungsklage entschieden werden kann. Die
Feststellungsklage ist auch nicht fristgebunden. Sie ist aber unbegründet. Denn da die
Beklagte sogar - wie zu 1) bereits festgestellt wurde - berechtigt ist, Einsicht in die
gesamten Behandlungsunterlagen zu nehmen, war sie auch berechtigt, von der
Klägerin die Übersendung des OP-Berichts als Bestandteil der Behandlungsakten zu
verlangen.
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3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Eine Kostenbeteiligung der
Beklagten kann auch nicht daraus hergeleitet werden, dass die Klage hinsichtlich des
ursprünglich auch geltend gemachten Hauptanspruchs aufgrund des angenommenen
Teilanerkenntnisses der Beklagten Erfolg hatte. Denn Klageveranlassung bestand nicht.
Vielmehr hätte diese Klage in der Tat vermieden werden können, wenn die Klägerin
dem berechtigten Verlangen der Beklagten auf Einsichtnahme in die
Behandlungsunterlagen unverzüglich nachgekommen wäre.
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4. Die Berufung ist ohne weiteres zulässig. Denn der Wert des für über ein Jahr geltend
gemachten Zinsanspruchs aus 25.446,26 DM liegt über 1.000,00 DM. Der Wert des
Zinsanspruches ist auch maßgeblich, da er im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung
als Hauptanspruch geltend gemacht wurde (§§ 144 Abs. IS. l Nr. l, 202 SGG i. V. m. § 4
Abs. 1 Hs. 2 Zivilprozeßordnung/ZPO).
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