Urteil des SozG Berlin vom 30.10.2007

SozG Berlin: untätigkeitsklage, erlass, gebühr, toleranzgrenze, verwaltungsverfahren, vorverfahren, auflage, vergütung, lieferung, verwaltungsgerichtsbarkeit

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Gericht:
SG Berlin 165.
Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
S 165 SF 65/09 E
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Norm:
§ 14 RVG
Kostenfestsetzung - Höhe der Rechtsanwaltsgebühr -
Toleranzrahmen
Leitsatz
Bei der Bemessung der angemessenen Gebühren des Rechtsanwaltes ist grundsätzlich ein
"Toleranzrahmen" von 20 v.H. angemessen.
Tenor
Auf die Erinnerung des Erinnerungsführers gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des
Urkundsbeamten des Sozialgerichts vom 30. Oktober 2007 werden die von dem
Erinnerungsgegner zu erstattenden Kosten auf 238,00 EUR festgesetzt. Die
weitergehende Erinnerung wird zurückgewiesen.
Von den notwendigen außergerichtlichen Kosten des Erinnerungsverfahrens hat der
Erinnerungsgegner die Hälfte zu erstatten.
Gründe
Auf die zulässige Erinnerung waren die zu erstattenden Kosten auf den Betrag von
238,00 EUR lt. nachstehender Berechnung festzusetzen:
Verfahrensgebühr Nr. 3102 VV RVG
Terminsgebühr Nr. 3106 VV RVG
Post- und Telekommunikationsdienstleistungen Nr. 7002 VV RVG
Umsatzsteuer Nr. 7008 VV RVG (19%)
Summe
Die Kammer teilt zur Frage der Verfahrens- und (fiktiven) Terminsgebühr und deren
Höhe bei Untätigkeitsklagen grundsätzlich (seit S 165 SF 11/09 E vom 2. Februar 2009)
die Auffassung der 164. Kammer des Sozialgerichts Berlin, die nunmehr neben der 165.
Kammer für die Entscheidungen nach § 197 Satz 2 SGG eine Alleinzuständigkeit hat, vgl.
den gleich gelagerten Beschluss der 164. Kammer vom 21. Januar 2009 – S 164 SF
12/09 E -. Darin heißt es:
„Zu Recht ist die zuständige Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle bezüglich der
Verfahrens- bzw. Geschäftsgebühr von dem Gebührenrahmen der Nr. 3102 VV RVG (40
€ bis 460 €) ausgegangen. Eine (verminderte) Gebühr nach Nr. 3103 VV RVG, die dann
anfällt, wenn eine Tätigkeit im Verwaltungsverfahren oder im weiteren, der Nachprüfung
des Verwaltungsakts dienenden Verwaltungsverfahren (Vorverfahren) vorausgegangen
ist, kann im Verfahren der Untätigkeitsklage nach § 88 SGG nicht anfallen. Das
Verfahren der Untätigkeitsklage setzt weder ein eigenes Verwaltungsverfahren noch ein
Vorverfahren voraus, weshalb schon begrifflich der Tatbestand der Nr. 3103 VV RVG
nicht einschlägig ist (so auch SG Berlin, Beschluss vom 01.12.2004; Az.: S 54 AL
4073/04; SG Nürnberg, Beschluss vom 04.10.2006, Az.: S 14 R 813/05 KO; Schneider,
RVGreport 2007, 1)
Was die Bestimmung der angemessenen Gebühr innerhalb dieses
Gebührenrahmens angeht, ist die Kammer der Auffassung, dass grundsätzlich auch bei
einer Untätigkeitsklage zunächst von der Mittelgebühr auszugehen ist. Es entspricht
allgemeiner Auffassung in Rechtsprechung und Schrifttum, dass die Mittelgebühr ein
angemessenes Äquivalent für die anwaltliche Tätigkeit in einem in jeder Hinsicht
durchschnittlichen Streitverfahren darstellt. Davon ausgehend sind sodann Abschläge
für unterdurchschnittliche und Zuschläge für überdurchschnittliche Klageverfahren
vorzunehmen. Die Maßstäbe für diese Einordnung lassen sich der Regelung des § 14
RVG entnehmen. Bei der Bestimmung der konkreten Gebühr sind nach § 14 Abs. 1 S. 1
RVG alle Umstände des Einzelfalls, vor allem Umfang und Schwierigkeit der anwaltlichen
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RVG alle Umstände des Einzelfalls, vor allem Umfang und Schwierigkeit der anwaltlichen
Tätigkeit, Bedeutung der Angelegenheit und die Einkommens- und
Vermögensverhältnisse des Auftraggebers zu berücksichtigen. Bei den hier
einschlägigen Betragsrahmengebühren ist außerdem das (besondere) Haftungsrisiko
des Rechtsanwalts zu berücksichtigen (§ 14 Abs. 1 S. 3 RVG).
Unter Würdigung all dieser Umstände ist das Gericht zu der Ansicht gelangt, dass in
dem hier vorliegenden Fall einer Untätigkeitsklage, die sich nach Klageerhebung ohne
weiteres durch Erlass des Widerspruchsbescheides unstreitig erledigt, ein deutlich
unterdurchschnittliches Klageverfahren gegeben ist. Diesem Umstand trägt die
streitgegenständliche Gebührenrechnung des klägerischen Prozessbevollmächtigten
nicht hinreichend Rechnung. Seine Bestimmung der Verfahrensgebühr ist daher nicht
verbindlich, weil sie unbillig ist (§ 14 Abs. 1 S. 4 RVG). Eine Kürzung der Mittelgebühr auf
(nur) 50% hält das Gericht nicht für ausreichend. Auf der anderen Seite würde die von
der Urkundsbeamtin vorgenommene Festsetzung lediglich in Höhe der doppelten
Mindestgebühr keine angemessene Vergütung der anwaltlichen Tätigkeit bedeuten. Die
Kammer meint vielmehr, dass eine Gebühr in Höhe von 40% der Mittelgebühr als
angemessene Gebühr nach Nr. 3102 VV RVG für ein durchschnittliches
Untätigkeitsklageverfahren zu bezeichnen ist (vgl. SG Nürnberg, Beschluss vom 4.
Oktober 2006, Az.: S 14 R 813/05 KO; SG Augsburg, Beschlüsse vom 10. August 2007
bzw. 21. November 2006, Az.: S 10 KR 58/06 KO und S 9 AS 286/06). Dabei ist
entscheidend zu beachten, dass die Untätigkeitsklage des § 88 SGG eine reine
Bescheidungsklage ist. Gegenstand des Verfahrens ist also allein der Erlass des
begehrten Verwaltungsakts. Auf die materielle Rechtslage kommt es folglich nicht an; sie
muss vom Rechtsanwalt weder geprüft noch dargelegt werden. Der anwaltliche
Arbeitsaufwand beschränkt sich daher auf die vorgerichtliche Überwachung der Frist des
§ 88 SGG, die Fertigung der Klageschrift, die Abgabe der nach Eintritt des erledigenden
Ereignisses angezeigten Prozesserklärung sowie den Kostenantrag. Dabei handelt es
sich um anwaltliche Tätigkeiten einfacher Art. Andererseits ist aber nicht zu verkennen,
dass die Untätigkeitsklage dem betroffenen Anspruchsinhaber mittelbar zur Erreichung
seines eigentlichen Ziels dient. Dazu ist der von dem Beklagten begehrte Erlass des
Verwaltungsakts ein notwendiger Zwischenschritt, da er zwingende Voraussetzung für
die Klageerhebung in der Sache ist. Unnötige zeitliche Verzögerungen auf diesem Weg
können daher auch ein Haftungsrisiko des Rechtsanwalts begründen, allerdings kein
besonderes Haftungsrisiko, welches vorliegend zu berücksichtigen wäre.
Zu Recht hat die Urkundsbeamtin auch eine Terminsgebühr als sog. „fiktive“
Terminsgebühr nach Nr. 3106 VV RVG festgesetzt. Gemäß VV 3106 Satz 2 Nr. 3
entsteht die Terminsgebühr auch, wenn das Verfahren nach angenommenem
Anerkenntnis ohne mündliche Verhandlung endet. Ein solcher Fall lag hier vor.
Allerdings handelt es sich im Rahmen einer Untätigkeitsklage nicht stets um ein
Anerkenntnis im Sinne von § 101 Abs. 2 SGG und VV 3106 Satz 2 Nr. 3, wenn die
Beklagte den Antrag bzw. den Widerspruch des Klägers durch Erlass eines - wie auch
immer gearteten - Bescheides bzw. Widerspruchsbescheides bescheidet, auch wenn die
Untätigkeitsklage gemäß § 88 SGG auf bloße Bescheidung gerichtet ist. Da eine
Untätigkeitsklage nur dann begründet ist, wenn die Beklagte ohne zureichenden Grund
über den Antrag bzw. den Widerspruch nicht innerhalb einer Frist von 6 bzw. 3 Monaten
entschieden hat, und auch nur dann eine Verurteilung des Beklagten zu der beantragten
Bescheidung erfolgen kann (vgl. Leitherer, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9.
Aufl. 2008, § 88 Rn. 9), liegt ein Anerkenntnis im Rechtssinne vielmehr nur vor, wenn die
Frist des § 88 Abs. 1 bzw. Abs. 2 SGG abgelaufen ist und der Beklagte zusätzlich zum
Erlass des Bescheids bzw. des Widerspruchsbescheids uneingeschränkt zugesteht, dass
er keinen zureichenden Grund für die verspätete Entscheidung hatte. Dies kann sich
nicht nur aufgrund einer ausdrücklichen Erklärung des Beklagten, sondern auch aus den
gesamten Umständen der Bescheiderteilung ergeben. So liegt es nahe, dass der
Beklagte eingesteht, dass er ohne zureichenden Grund binnen angemessener Frist nicht
entschieden hat, wenn er nichts zum Vorliegen eines zureichenden Grundes vorträgt, da
er grundsätzlich zureichende Gründe darzulegen hat (vgl. Leitherer, a.a.O., Rn. 7a).
Gleiches gilt, wenn der Beklagte ohne Einschränkungen oder Erläuterungen ein
Kostenanerkenntnis dem Grunde nach abgibt, da er damit eingesteht, dass die
Untätigkeitsklage begründet war und er Anlass zur Klage gegeben hat. Ansonsten
müsste er nämlich die außergerichtlichen Kosten des Klägers nicht übernehmen (vgl. SG
Köln, Beschluss vom 02.11.2007, Az.: S 6 AS 231/06).
Nach diesen Grundsätzen hat der Beklagte und Antragsgegner durch Erlass des
Widerspruchsbescheides vom 08.04.2008 ein Anerkenntnis abgegeben. Zudem hat der
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Widerspruchsbescheides vom 08.04.2008 ein Anerkenntnis abgegeben. Zudem hat der
Beklagte nicht geltend gemacht, es habe für die verspätete Entscheidung einen
zureichenden Grund gegeben, und sich folgerichtig auch bereit erklärt, die notwendigen
außergerichtlichen Kosten dem Grunde nach zu übernehmen. Nach den Umständen ist
damit der Erlass des Widerspruchsbescheide vom 20. März 2008 als uneingeschränktes
Zugeständnis, dass der nach § 88 Abs. 2 SGG geltend gemachte Klageanspruch
bestand, zu werten. Die Erledigungserklärung der Antragstellerin im Schriftsatz stellt die
Annahme dieses Anerkenntnisses dar mit der Folge, dass der Rechtsstreit nach § 101
Abs. 2 SGG beendet wurde.
Grundsätzlich ist die Terminsgebühr unabhängig von der Verfahrensgebühr zu
beurteilen (Schleswig-Holsteinisches LSG, Beschluss vom 12.09.2006, Az.: L 1 B 320/05
SF SK; SG Reutlingen, Beschluss vom 19.06.2007, Az.: S 3 KR 1396/07 A), damit dem
Umstand Rechnung getragen werden kann, dass etwa eine sehr aufwändige schriftliche
Vorbereitung zu einer extrem kurzen mündlichen Verhandlung geführt hat oder
umgekehrt (Schleswig-Holsteinisches LSG, Beschluss vom 12.09.2006, Az.: L 1 B 320/05
SF SK). Maßgeblich ist insoweit nicht zuletzt die Dauer der Verhandlung (vgl. Schleswig-
Holsteinisches LSG, Beschluss vom 12.09.2006, Az.: L 1 B 320/05 SF SK; LSG Nordrhein-
Westfalen, Beschluss vom 15.01.2007, Az.: L 19 B 13/06 AL).
Bei der hier in Rede stehenden fiktiven Terminsgebühr kann die Dauer der
Verhandlung denknotwendigerweise keine Rolle spielen (siehe auch SG Berlin, Beschluss
vom 10.09.2007, Az.: S 48 SB 2223/05). Ein Abstellen auf die zeitliche Beanspruchung
des Rechtsanwaltes würde nur die Festsetzung der Mindestgebühr rechtfertigen (so SG
Aachen, Beschluss vom 18.02.2005, Az.: S 3 SB 178/04). Damit wird aber der Zweck der
fiktiven Terminsgebühr, eine Erledigung des Rechtsstreites auch ohne mündliche
Verhandlung ohne nachteilige Kostenfolge für den Rechtsanwalt attraktiv zu machen,
unterlaufen (SG Berlin, Beschluss vom 10.09.2007, Az.: S 48 SB 2223/05; SG Lüneburg,
Beschluss vom 23.06.2006, Az.: S 4 SF 55/06). Die fiktive Terminsgebühr ist daher in den
Fällen, in denen es nicht zur Durchführung eines Termins kommt, in Anlehnung an die
Verfahrensgebühr bzw. die ihr zugrundeliegenden Kriterien festzulegen (SG Berlin,
Beschluss vom 10.09.2007, Az.: S 48 SB 2223/05; SG Lüneburg, Beschluss vom
23.06.2006, Az.: S 4 SF 55/06, SG Köln, Beschluss vom 02.11.2007, Az.: S 6 AS
231/06).“
Der vorliegende Rechtsstreit lässt keine Besonderheiten erkennen (insbesondere auch
nicht in den Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Erinnerungsführers), die eine
abweichende Festsetzung der Verfahrensgebühr rechtfertigen könnten. Grundsätzlich
gelten die Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Bezieher von Leistungen zur
Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II als unterdurchschnittlich, weshalb
hierfür ein angemessener Abschlag vorzunehmen ist. Allerdings wird dieses Merkmal der
Unterdurchschnittlichkeit regelmäßig nach der sog. Kompensationstheorie dadurch
kompensiert, dass die Bedeutung der Angelegenheit für den Auftraggeber entsprechend
höher ist. Nicht notwendig in diesem Zusammenhang ist die Erörterung weiterer
Problemlagen, die der Kläger im Rahmen der Leistungsgewährung mit dem
Leistungsträgers geklärt wissen will, denn die dafür anfallenden Kosten können jedenfalls
nicht als notwendig für die Einreichung einer Untätigkeitsklage angesehen werden.
Danach ist vorliegend die Verfahrensgebühr nach Nr. 3102 VV RVG auf 100,00 EUR
festzusetzen (Gebührenrahmen 40,00 EUR bis 460,00 EUR; Mittelgebühr 250,00 EUR,
davon 40%), die Terminsgebühr nach Nr. 3106 VV RVG auf 80,00 EUR (Gebührenrahmen
20,00 EUR bis 380,00 EUR; Mittelgebühr 200,00 EUR, davon 40%).
Auf die zwischen den Beteiligten streitige und von dem Urkundsbeamten verneinte
Frage, ob dem Prozessbevollmächtigten des Erinnerungsführer bei seinem
Kostenfestsetzungsantrag eine Toleranzgrenze von 20% zusteht, kommt es nach diesen
Feststellungen im vorliegenden Fall nicht mehr an, da die beantragten Gebührenansätze
die von der Kammer als billig erachteten Gebühren um mehr als 20% überschreiten.
Das Gericht weist allerdings darauf hin, dass es der diesbezüglichen Auffassung des
Urkundsbeamten im Grundsatz nicht folgt. Denn trotz der von diesem zitierten
Entscheidung des BSG vom 7. Dezember 1983 (JurBüro 1984, 1511) werden seither im
Allgemeinen - und zwar sowohl im Rahmen der Ermessenserwägungen nach § 12 BRAGO
als auch nach § 14 RVG - Abweichungen bis zu 20% noch als verbindlich angesehen,
darüber hinaus wird mittlerweile teilweise sogar noch eine Toleranzgrenze von 30% als
angemessen erachtet (Gerold/Schmidt, Rechtsanwaltsvergütungsgesetz, Kommentar,
18. Aufl. 2008, § 14, Rz. 12; Straßfeld, Vergütung von Rechtsanwälten in
sozialgerichtlichen Verfahren (Teil II), SGb 12/08, S. 705, 706 mit umfassenden
Nachweisen zu Rechtsprechung (auch des BSG) und Literatur), wobei die Kammer
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Nachweisen zu Rechtsprechung (auch des BSG) und Literatur), wobei die Kammer
allerdings weiterhin im Grundsatz Toleranzgrenzen von maximal 20% für tragbar
erachtet, da eine Ausweitung auf 30% zwar nur (weitere) 10% Spielraum eröffnen, dieses
jedoch im Ergebnis einem „Sprung“ der Möglichkeit einer Abweichung von dem Ansatz
des Urkundsbeamten von einem Fünftel auf ein Drittel entspricht und - auch im Sinne
von Rechtsklarheit und Rechtssicherheit - zur Überzeugung der Kammer dann nicht
mehr von „Toleranzgrenzen“ gesprochen werden kann bzw. die Billigkeit über Gebühr
und in nicht mehr tolerierbarer Weise gedehnt würde. Dass bereits der größte Teil des
gesamten Gebührenrahmens bei der Annahme einer Toleranzgrenze von 20%
abgedeckt wird spricht ebenfalls gegen die Annahme einer noch größeren
Toleranzgrenze (eher für eine geringere).
Gleicher Auffassung ist grundsätzlich auch die 164. Kammer im Beschluss vom 11.
Februar 2009- S 164 SF 138/09 E – (für einen noch nach der BRAGO zu beurteilenden
Fall):
„Das Gericht hat nicht sein Ermessen an die Stelle des Prozessbevollmächtigten zu
setzen. In der Praxis hat sich die Faustregel herausgebildet, dass ein anwaltlicher
Ansatz, der sich um nicht mehr als 20 % von der Vorstellung des Gerichts unterscheidet,
noch nicht als unbillig anzusehen ist (OLG Düsseldorf, Anwaltsblatt 1983, 262, LSG
Mainz, Anwaltsblatt 1990, 523). Dieser Auffassung haben sich die Sozialgerichte in
Aachen, Augsburg, Düsseldorf, Duisburg, Hildesheim, Karlsruhe, Kassel, Reutlingen und
Stuttgart (vgl. Nachweise bei Gerold/Schmidt/v. Eicken/Madert, Bundesgebührenordnung
für Rechtsanwälte, 14. Aufl. 1999, § 116 Rz. 9) und nicht zuletzt auch das Sozialgericht
Berlin mehrfach angeschlossen.“
Die Kostenentscheidung für das Erinnerungsverfahren beruht auf § 193 SGG.
Die Kammer hält eine gesonderte Kostenentscheidung im Erinnerungsverfahren für
erforderlich, da das Erinnerungsverfahren im Hinblick auf das Hauptsacheverfahren eine
gesonderte Angelegenheit i.S.d § 18 Nr. 5 Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG)
darstellt (ebenso: LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 15. September 2005 - L
2 B 40/04, AnwBl 2006, 146; LSG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 30. November 2006 - L
6 B 221/06 SB, jeweils für das Beschwerdeverfahren; vgl. zur Verfahrensgebühr für
sozialgerichtliche Verfahren über die Beschwerde und die Erinnerung, wenn in dem
Verfahren Betragsrahmengebühren nach § 3 RVG entstehen: Nr. 3501 des
Vergütungsverzeichnisses zum RVG; überdies Rohwer-Kahlmann, SGG, 4. Auflage, 42.
Lieferung 2004, § 197 RdNr. 18; Schneider, KostRsp., Nr. 1 § 18 Nr. 5 RVG, Lieferung 264,
Februar 2007; Schneider/Wolf, RVG, 3. Auflage 2006, § 16 RdNr. 108 ff.).
Die Kammer folgt ausdrücklich nicht dem Beschluss des Verwaltungsgerichts
Regensburg (VG Regensburg, 11. Kammer, Beschluss vom 01.07.2005, Az.: RN 11 S
03.2905), wonach nach dem ausdrücklichen Wortlaut des Gesetzes nur Verfahren über
eine Erinnerung gegen eine Entscheidung des Rechtspflegers in Angelegenheiten, in
denen sich die Gebühren nach Teil 3 des Vergütungsverzeichnisses richten, eine
besondere Angelegenheit nach § 18 Nr. 5 RVG darstellen sollen. Das SGG kennt den
Rechtspfleger nicht. Aus dem Gebührentatbestand Nr. 3501 VV RVG ergibt sich
eindeutig, dass eine Verfahrensgebühr für Verfahren vor den Gerichten der
Sozialgerichtsbarkeit über die Beschwerde und die Erinnerung, in denen
Betragsrahmengebühren entstehen, umfasst ist. Dass der Gesetzgeber in § 18 Nr. 5
RVG vom „Rechtspfleger“ spricht, darf als glattes (redaktionelles) Versehen des
Gesetzgebers gewertet werden.
Das Bundesverwaltungsgericht hat am 18.06.2007 (Az.: 4 KSt 1002/07) und am
21.06.2007 (Az.: 4 KSt 1001/07) entschieden, dass § 18 Nr. 5 RVG auch Erinnerungen
gegen Kostenfestsetzungen des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle in der
Verwaltungsgerichtsbarkeit umfasst (entgegen VG Regensburg, a. a. O.).
Dieser Beschluss ist, auch hinsichtlich der Kostengrundentscheidung, unanfechtbar (§
197 Abs. 2 SGG).
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