Urteil des OVG Saarland vom 01.04.2009

OVG Saarlouis: konkurrenz, qualifikation, beförderung, ermessen, kreis, beamtenrecht, tatsachenfeststellung, beschränkung, konkurrent, stellenausschreibung

OVG Saarlouis Beschluß vom 1.4.2009, 1 A 121/08
Konkurrenz von Beförderungs- und Versetzungsbewerbern bei der Dienstpostenvergabe
Leitsätze
1. Durch die Festlegung auf ein Auswahlverfahren, an dem sowohl Beförderungsbewerber
als auch Versetzungsbewerber unterschiedslos teilnehmen, beschränkt der Dienstherr
seine Orga-nisationsfreiheit. Versetzungsbewerber sind dann ebenfalls am
Leistungsgrundsatz zu messen.
2. Hat der Dienstherr durch die Ausschreibung zu erkennen gegeben, dass er je nach
Bewerberfeld die Vorabwahl nach Organisationsermessen treffen möchte, fehlt es an einer
Festlegung auf ein Auswahlverfahren nach den Grundsätzen des Art. 33 Abs. 2 GG.
Tenor
Der Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung gegen das aufgrund mündlicher
Verhandlung vom 4. Dezember 2007 ergangene Urteil des Verwaltungsgerichts des
Saarlandes - 2 K 273/06 - wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Zulassungsverfahrens fallen der Klägerin zur Last.
Der Streitwert wird für das Zulassungsverfahren auf 5.000,-- EUR festgesetzt.
Gründe
Der Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung gegen das im Tenor genannte Urteil
des Verwaltungsgerichts des Saarlandes ist zulässig, aber nicht begründet.
Durch das angegriffene Urteil hat das Verwaltungsgericht die Klage der Klägerin gegen ihre
Nichtberücksichtigung bei einer Stellenbesetzung abgewiesen.
Das den Prüfungsumfang begrenzende Vorbringen der Klägerin im Schriftsatz vom
25.2.2008 gibt keine Veranlassung, das erstinstanzliche Urteil einer Überprüfung in einem
Berufungsverfahren zuzuführen. Aus der Antragsbegründung ergeben sich weder ernstliche
Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) noch
besondere rechtliche oder tatsächliche Schwierigkeiten der Rechtssache im Verständnis
des § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO, und schließlich stellt sich auch keine
entscheidungserhebliche Frage grundsätzlicher Bedeutung im von § 124 Abs. 2 Nr. 3
VwGO vorausgesetzten Sinn.
Die Zulassung der Berufung unter dem Aspekt der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit
des erstinstanzlichen Urteils ist dann geboten, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz
oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage
gestellt wird, ein Erfolg der angestrebten Berufung nach den Erkenntnismöglichkeiten des
Zulassungsverfahrens mithin möglich ist. (vgl. BVerfG, Beschluss vom 23.6.2000 - 1 BvR
803/00 -, NVwZ 2000, 163, sowie BVerwG, Beschluss vom 10.3.2004 - 7 AV 4/03 -,
DVBl. 2004, 838) Daran fehlt es hier.
Die Beklagte hat – entsprechend der Ankündigung in der Stellenausschreibung - der
streitgegenständlichen Auswahlentscheidung die Richtlinien für die Ausschreibung und
Übertragung von Dienstposten sowie für die Beförderung der Beamtinnen und Beamten
des höheren und gehobenen Dienstes in der Zollverwaltung und der
Bundesmonopolverwaltung für Branntwein - ARZV - vom 10.6.2003 zugrunde gelegt. Es
begegnet dabei keinen rechtlichen Bedenken, wenn das Verwaltungsgericht mit Blick auf
die Regelung der Nr. 18 ARZV annimmt, dass sich die Beklagte mit der Ausschreibung im
konkreten Fall nicht verbindlich darauf festgelegt hat, die Auswahl unter Beachtung des
Leistungsgrundsatzes nach Art. 33 Abs. 2 GG vorzunehmen.
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungs- sowie des
Bundesverwaltungsgerichts steht es im organisatorischen Ermessen des Dienstherrn, ob er
eine Stelle im Wege der Beförderung oder der Versetzung vergeben will. Entschließt er sich
eine Stelle im Wege der Beförderung oder der Versetzung vergeben will. Entschließt er sich
jedoch für ein Auswahlverfahren, an dem sowohl Beförderungsbewerber als auch
Versetzungsbewerber unterschiedslos teilnehmen, legt er sich durch diese
Organisationsgrundentscheidung auf ein an den Maßstäben des Art. 33 Abs. 2 GG
ausgerichtetes Auswahlverfahren fest. Durch die Wahl und die Ausgestaltung des
Besetzungsverfahrens beschränkt der Dienstherr in diesem Fall seine Organisationsfreiheit.
Versetzungsbewerber sind dann ebenfalls am Leistungsgrundsatz zu messen (BVerfG-K,
Beschlüsse vom 28.2.2007 - 2 BvR 2494/06 -, NVwZ 2007, 693, und vom 28.11.2007 -
2 BvR 1431/07 -, NJW 2008, 909; BVerwG, Urteil vom 25.11.2004 - 2 C 17/03 -, NVwZ
2005, 702) .
An einem solchen Auswahlverfahren, an dem Beförderungs- und Versetzungs-(Status-
)bewerber unterschiedslos teilnehmen, fehlt es hier. Das Bundesverwaltungsgericht stellt in
diesem Zusammenhang entscheidend darauf ab, ob sich der Dienstherr durch die
Ausschreibung auf das Modell der Bestenauslese für das Auswahlverfahren festgelegt hat.
Die Beklagte hat mit der Ausschreibung im konkreten Fall eine solche
Organisationsgrundentscheidung in dem Sinne, dass Beförderungs- und
Versetzungsbewerber unterschiedslos am Auswahlverfahren teilnehmen, indes nicht
getroffen. Durch die Bezugnahme in der Ausschreibung auf die ARZV, darunter auch Nr. 18
ARZV, wonach „bei einer Konkurrenz zwischen Status- und Versetzungsbewerberinnen und
-bewerber … Statusbewerberinnen und -bewerber Vorrang (haben), wenn sie das
Anforderungsprofil mindestens in gleichem Maße erfüllen“, hat der Dienstherr vielmehr zu
erkennen gegeben, dass er je nach Bewerberfeld eine Vorauswahl nach
Organisationsermessen treffen möchte (vgl. Günther, Zum Anspruch des
Versetzungsbewerbers als Konkurrent, RiA 2005, 279) . Eine Selbstbindung des
Dienstherrn dahingehend, dass bereits auf Grund des Ausschreibungsinhalts sämtliche
Bewerber, sofern sie nur dem der Ausschreibung zu entnehmenden Anforderungsprofil
entsprechen, zwingend in einen Bewerbervergleich nach den Grundsätzen der
Bestenauslese einzubeziehen sind und eine Auswahlentscheidung am Ende ausschließlich
nach diesen Grundsätzen zu treffen ist, hat demgemäß nicht stattgefunden. Auch vom
Standpunkt der Adressaten der Ausschreibung wurde durch die Bezugnahme auf die ARZV
im Ausschreibungstext deutlich, dass alle das Anforderungsprofil erfüllenden Bewerber
zunächst einmal erfasst werden sollen und der Bewerberkreis sodann ggf. durch weitere
(Vor-)Auswahlschritte abschichtend verkleinert wird. Eine solche Ausschreibungspraxis ist
rechtlich nicht zu beanstanden; insbesondere stellt sich die Dienstpostenvergabe an den
Beigeladenen nicht als nachträgliche Änderung der Auswahlkriterien dar (BVerfG, Beschluss
vom 28.2.2007 - 2 BvR 2494/06 -, NVwZ 2007, 693) . In der Rechtsprechung und
Literatur wird zum Teil in Auseinandersetzung mit der oben zitierten Rechtsprechung des
Bundesverwaltungsgerichts sogar vertreten, der Dienstherr sei auch durch eine (offene)
Ausschreibung nicht daran gehindert, im Verlaufe des Auswahlverfahrens eine
Beschränkung auf den Kreis der Umsetzungs- und/oder Versetzungsbewerber
vorzunehmen (OVG Münster, Beschluss vom 7.8.2006 – 1 B 653/06 -, BeckRS 2006,
25120, und Urteil vom 16.4.2007 -1 A 1789/06 -, RiA 2007, 271; OVG Lüneburg,
Beschluss vom 4.11.2004 - 2 ME 1243/04 -, NVwZ-RR 2006, 491; Schnellenbach,
Beamtenrecht in der Praxis, 6. Aufl. Rdnr. 68 m.w.N.; Günther, a.a.O.) .
Schließlich begegnet die vom Verwaltungsgericht zugrunde gelegte systematische
Einordnung von Nr. 18 ARZV gegenüber der in Nr. 22 ARZV vorgesehenen
Frauenförderung ebenfalls keinen ernstlichen Zweifeln.
Nr. 18 ARZV betrifft das durch § 28 Abs. 2 BBG (§ 26 Abs. 1 Satz 1 BBG a.F.) bei
Versetzungen eingeräumte Ermessen des Dienstherrn. Demgegenüber stellt Nr. 22 ARZV
eine Auswahlregel im Rahmen einer nach den Maßstäben des Art. 33 Abs. 2 GG
vorzunehmenden Auswahlentscheidung dar und setzt von daher voraus, dass die
Auswahlentscheidung nach den Grundsätzen der Bestenauslese zu erfolgen hat.
Dass beide Regelungen tatsächlich nicht gleichrangig nebeneinander stehen, sondern Nr.
18 ARZV systematisch vorgeht, ergibt sich schon aus dem Wortlaut der beiden
Vorschriften. Gemäß Nr. 18 ARZV ist für die Anwendbarkeit der Auswahlregelung dem
Wortlaut nach Voraussetzung, dass - wovon für die Klägerin und den Beigeladenen
ausgegangen wird - Versetzungs- und Beförderungsbewerber nach dem Anforderungsprofil
mindestens gleich qualifiziert sind. Erst dann greift die Vorrangregelung zugunsten der
Versetzungsbewerber. Nr. 18 ARZV statuiert also einen Mindestqualifikationsstandard,
ohne jedoch die endgültige Auswahlentscheidung vorzugeben. Erfüllen das
Anforderungsprofil Versetzungs- und Beförderungsbewerber in gleichem Maße, greift die
Regelung zugunsten der Versetzungsbewerber ein. Erfüllen dagegen nur
Beförderungsbewerber das Anforderungsprofil in gleichem Maße, erfolgt die (weitere)
Auswahl nach den Kriterien der Nrn. 19 ff. bzw. nach Art. 33 Abs. 2 GG. Für die
Anwendbarkeit von Nr. 22 ARZV ist nach dem Wortlaut das entscheidende Kriterium die
gleiche Qualifikation der Konkurrenten, was voraussetzt, dass eine Auswahlentscheidung
nach den Maßstäben des Art. 33 Abs. 2 GG getroffen werden muss. Erst im Rahmen eines
solchen Auswahlverfahrens ist bei gleicher Qualifikation das Hilfskriterium der
Frauenförderung als letztlich ausschlaggebend heranzuziehen (OVG Münster, Beschluss
vom 8.11.2004 - 1 B 1387/04 -, juris) . Mangels eines Auswahlverfahrens in diesem Sinne
stellt sich daher hier die Frage der Vereinbarkeit der Nr. 18 ARZV mit Nr. 22 ARZV oder § 8
BGleiG nicht.
Bestehen damit an der Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung keine ernstlichen
Zweifel, so kann die Berufung auch nicht wegen der geltend gemachten besonderen
Schwierigkeiten der Rechtssache zugelassen werden. Aus der Begründung zum
Zulassungstatbestand des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ergibt sich nämlich, dass solche
Schwierigkeiten nicht vorliegen. Daraus folgt zugleich, dass die Rechtssache keine
entscheidungserheblichen grundsätzlichen Fragen aufwirft, die nur in einem
Berufungsverfahren zu klären wären, so dass die Berufung auch nicht wegen
grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zuzulassen
ist.
Die Kostenfolge ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO; zu einem Ausspruch gemäß § 162
Abs. 3 VwGO besteht dabei kein Anlass.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf den §§ 63 Abs. 2, 52 Abs. 2, 47 Abs. 3 GKG.
Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar.