Urteil des OVG Rheinland-Pfalz vom 21.07.2009

OVG Koblenz: aufschiebende wirkung, fahreignung, geeignetheit, dringlichkeit, konsum, verfügung, entziehung, entziehen, sicherstellung, könig

OVG
Koblenz
21.07.2009
10 B 10508/09.OVG
Fahrerlaubnisrecht
Oberverwaltungsgericht
Rheinland-Pfalz
Beschluss
In dem Verwaltungsrechtsstreit
…………
- Antragsteller und Beschwerdeführer -
Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte Stich, Dörr, Roth & Partner, Rheinstraße 22, 76870 Kandel,
gegen
den Landkreis Germersheim, vertreten durch den Landrat, Luitpoldplatz 1, 76726 Germersheim,
- Antragsgegner und Beschwerdegegner -
wegen Fahrerlaubnis
hier: aufschiebende Wirkung
hat der 10. Senat des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz in Koblenz aufgrund der Beratung vom
21. Juli 2009, an der teilgenommen haben
Vizepräsident des Oberverwaltungsgerichts Steppling
Richter am Oberverwaltungsgericht Möller
Richterin am Verwaltungsgericht Jahn-Riehl
beschlossen:
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Neustadt an der
Weinstraße vom 21. April 2009 wird zurückgewiesen.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 3.750,-- € festgesetzt.
G r ü n d e
Die Beschwerde ist zulässig, hat in der Sache aber keinen Erfolg.
Es ergeben sich aus den Gründen der Beschwerde keine rechtlichen Bedenken an der Entscheidung des
Verwaltungsgerichts.
Entgegen der Auffassung des Antragstellers ist das Verwaltungsgericht zutreffend davon ausgegangen,
dass der Antragsgegner das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung der
Fahrerlaubnisentziehung ausreichend begründet hat. Es kann insofern dahingestellt bleiben, ob die
gesonderte Begründung der Sofortvollzugsanordnung in der Verfügung vom 23. Februar 2009 – für sich
allein, ohne die Aussagen zur Begründung der Fahrerlaubnisentziehung mit in den Blick zu nehmen –
hinreichend deutlich macht, warum unter den hier gegebenen Umständen das öffentliche Interesse die
sofortige Unterbindung der weiteren Verkehrsteilnahme des Antragstellers gebietet. Im Fahrerlaubnisrecht
decken sich nämlich häufig – und das gilt auch hier – die Gründe für den Erlass der vom Gesetzgeber
zwingend geforderten Entziehung der Fahrerlaubnis wegen mangelnder Eignung weitestgehend mit den
Gründen für deren sofortige Durchsetzung, weswegen sich in Fällen dieser Art die Begründung zur
Anordnung des Sofortvollzugs sogar in der bloßen Bezugnahme auf die Ausführungen zur Fahr-
erlaubnisentziehung erschöpfen kann, sofern aus der Begründung der Verfügung bereits die besondere
Dringlichkeit des Einschreitens auch unter Berücksichtigung der gegenläufigen Interessen hervorgeht.
Genügt dies aber dann, so kann nichts anderes gelten, wenn in einem solchen Fall statt einer
Bezugnahme auf die Darlegungen in der Sache selbst eine lediglich formelhafte Sofortvollzugs-
begründung erfolgt; auch dann wird der Betroffene in die Lage versetzt, seine Rechte wirksam
wahrzunehmen und die Erfolgsaussichten eines Rechtsbehelfs abschätzen zu können, und erschließt
sich aus dem Bescheid, dass der Behörde der Ausnahmecharakter der Vollziehungsanordnung bewusst
gewesen ist und sie sich zur Prüfung veranlasst gesehen hat, ob tatsächlich ein überwiegendes
Vollzugsinteresse gegeben ist.
Eine „weitestgehende Übereinstimmung“ zwischen den Gründen für die Fahrerlaubnisentziehung
mangels Fahreignung und den Gründen für deren sofortige Durchsetzung hat der Senat namentlich in den
Fällen gesehen, in denen sich die Ungeeignetheit zur Teilnahme am Straßenverkehr aus dem Konsum
von Betäubungsmitteln – auch der gelegentlichen Einnahme von Cannabis bei fehlendem
Trennungsvermögen in Bezug auf Konsum und Fahren – herleitet, da es dann regelmäßig darum geht,
den von einem solchen zum Führen von Kraftfahrzeugen ungeeigneten Fahrerlaubnisinhaber
ausgehenden ständigen erheblichen Gefahren für andere Verkehrsteilnehmer möglichst umgehend und
nicht erst nach dem Abschluss eines gegebenenfalls mehrere Jahre dauernden gerichtlichen Verfahrens
zu begegnen. Genauso liegen aber auch die Dinge, wenn – worauf die Entziehung der Fahrerlaubnis des
Antragstellers gestützt ist – der Fahrerlaubnisinhaber das „Rauschmittel“ Alkohol missbräuchlich zu sich
nimmt, d.h. das Führen von Kraftfahrzeugen und einen die Fahrsicherheit beeinträchtigenden
Alkoholkonsum nicht hinreichend sicher trennen kann (vgl. Textziffer 8.1 der Anlage 4 zur
Fahrerlaubnisverordnung – im Folgenden nur: Anlage 4). Die keinen weiteren Aufschub duldende
besondere Dringlichkeit des Einschreitens gegen den Antragsteller hat der Antragsgegner in der zur
Fahrerlaubnisentziehung gegebenen Begründung unter dem Gesichtspunkt der seitens des Antragstellers
begehrten vorläufigen Zurückstellung der medizinisch-psychologischen Begutachtung noch einmal
deutlich hervorgehoben.
Auch soweit der Antragsteller mit der Beschwerde in der Sache selbst erneut geltend macht, er habe sich
nicht geweigert, sich der geforderten medizinisch-psychologischen Untersuchung zu unterziehen, nur sei
die Frist zur Beibringung des Gutachtens zu kurz bemessen worden, weil es ihm in der hierzu einge-
räumten Zeit nicht möglich gewesen sei, seine Kraftfahreignung nachzuweisen, vermag er mit seinem
Vorbringen nicht die rechtliche Würdigung des Verwaltungsgerichts zu erschüttern. Das
Verwaltungsgericht hat vielmehr zutreffend festgestellt, dass die dem Antragsteller gegenüber ergangene
Anordnung der Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens zu seiner Fahreignung
rechtlich nicht zu beanstanden ist.
Zu einer solchen Anordnung gehört – als wesentlicher Bestandteil – auch die Setzung einer Frist, bis zu
der spätestens das Gutachten vorzulegen ist (vgl. § 11 Abs. 6 Satz 2, Abs. 8 der Fahrerlaubnisverordnung
- FeV -). Ist diese Frist angemessen und der Fahrerlaubnisinhaber nicht bereit, bis zu ihrem Ablauf das
Gutachten beizubringen, so weigert er sich unabhängig davon, ob er sich eine spätere Vorlage des
Gutachtens vorbehält, sich untersuchen zu lassen (§ 11 Abs. 8 Satz 1, 1. Alternative FeV). Wird das
Gutachten dann auch nicht innerhalb der Frist beigebracht, so ist zudem die 2. Alternative der genannten
Bestimmung erfüllt.
Mit der Beschwerde wendet sich der Antragsteller, was die Rechtmäßigkeit der Aufforderung zur
Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens angeht, allein gegen die Angemessenheit
der ihm zur Gutachtenbeibringung gesetzten Frist. Diese begegnet jedoch keinen rechtlichen Bedenken.
Wird – wie hier – auf der Grundlage des § 13 Satz 1 Nr. 2 b FeV die Beibringung eines medizinisch-
psychologischen Gutachtens zur Fahreignung verlangt, so dient dieses der Hilfestellung bei der
Beurteilung der Frage, ob der Betroffene gegenwärtig zum Führen von Kraftfahrzeugen geeignet ist (vgl.
z.B. Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 40. Aufl., Rdnr. 17 zu § 13 FeV). Im Besonderen geht
es dabei um die Klärung der Frage, ob aufgrund der Tatsache, dass der betreffende Fahrerlaubnisinhaber
in der Vergangenheit schon mindestens zweimal Zuwiderhandlungen im Straßenverkehr unter
Alkoholeinfluss begangen hat, davon auszugehen ist, dass er „heute“ das Führen von Kraftfahrzeugen
und einen die Fahrsicherheit beeinträchtigenden Alkoholkonsum nicht hinreichend sicher trennen kann.
Da insofern die Abwendung möglicher erheblicher Gefahren für andere Verkehrsteilnehmer inmitten steht,
ist den Eignungszweifeln unter dem Gesichtspunkt des Alkoholmissbrauchs so zeitnah wie möglich durch
die gesetzlich vorgegebenen Aufklärungsmaßnahmen nachzugehen. Die für die Beibringung des in den
Fällen des § 13 Satz 1 Nr. 2 b FeV zwingend vorgeschriebenen medizinisch-psychologischen Gutachtens
zu bestimmende Frist ist damit ausschließlich nach der Zeitspanne zu bemessen, die eine amtlich
anerkannte Begutachtungsstelle für Fahreignung zur Erstattung des Gutachtens voraussichtlich brauchen
wird. Keinesfalls hat sich die Dauer der Frist danach zu richten, wie lange der Betroffene zur
Sicherstellung einer positiven Begutachtung benötigt.
Soweit sich der Antragsteller hierzu auf den Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 27.
Februar 2007 – 11 CS 06.3132 – (Juris) beruft, ist ihm entgegenzuhalten, dass der dort rechtlich
gewürdigte Sachverhalt – anders als dies offenbar auch das Verwaltungsgericht gemeint hat – mit den
Gegebenheiten im vorliegenden Fall nicht zu vergleichen ist. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof
hatte in der besagten Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Anordnung einer medizinisch-
psychologischen Begutachtung zu der Frage zu befinden, ob der Betroffene nach einem – feststehenden
– Verlust der Fahreignung infolge des Konsums von Betäubungsmitteln die Fahreignung inzwischen
wiedererlangt hat – was regelmäßig den Nachweis einer einjährigen Abstinenz nach Entgiftung und
Entwöhnung voraussetzt (vgl. Textziffer 9.5 der Anlage 4). Diese Frage kann sich regelmäßig erst in einem
Fahrerlaubniswiedererteilungsverfahren stellen. In einem Fahrerlaubnisentziehungsverfahren – wie
allerdings auch im Falle des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs – ist sie nur entscheidungserheblich,
wenn die vormalige Fahrungeeignetheit mit Rücksicht darauf, dass sich der Betroffene im Ent-
ziehungsverfahren auf eine spätere Verhaltensänderung beruft und zugleich die in Textziffer 9.5 der
Anlage 4 genannte Jahresfrist nach der behaupteten Einstellung des Konsums verstrichen ist, allein nicht
mehr dazu ausreicht, um ihm die Fahrerlaubnis zu entziehen. Hier liegen die Dinge jedoch anders. Die
Beantwortung der im Interesse der Sicherheit des Straßenverkehrs möglichst zeitnah zum Aufkommen des
entsprechenden Verdachts zu klärenden Frage, ob der Fahrerlaubnisinhaber zum gegenwärtigen
Zeitpunkt wegen im hier behandelten Sinne missbräuchlichen Alkoholkonsums nicht zum Führen von
Kraftfahrzeugen geeignet ist, hängt nicht – für den Regelfall – davon ab, ob er über eine gewisse Zeit
Alkoholabstinenz geübt hat oder nicht. Eine Alkoholenthaltung über einen bestimmten Zeitraum wird in
Fällen des Alkoholmissbrauchs nicht einmal dann vorausgesetzt, wenn – dem vom Bayerischen
Verwaltungsgerichtshof gewürdigten Sachverhalt entsprechend – festzustellen ist, ob nach einer –
„erwiesenen“ – Fahrungeeignetheit wegen Alkoholmissbrauchs die Eignung zum Führen von
Kraftfahrzeugen zurückgewonnen werden konnte (vgl. Textziffer 8.2 der Anlage 4). Die Einhaltung einer
einjährigen Abstinenz ist von Gesetzes wegen nur in den Fällen vorausgesetzt, in denen die
Wiedererlangung der Fahreignung nach einer Alkoholabhängigkeit in Rede steht (vgl. Textziffer 8.4 der
Anlage 4).
Ergänzend weist der Senat darauf hin, dass eine Fahrerlaubnisentziehung nicht in Betracht kommt, wenn
sich die Begutachtungsstelle im Rahmen einer Gutachtenerstattung nach Maßgabe des § 13 Satz 1 Nr. 2
b FeV aus welchen Gründen auch immer der allein ihr insoweit vorbehaltenen sachverständigen Ein-
schätzung zufolge zum Begutachtungszeitpunkt noch nicht dazu in der Lage sieht, verlässlich Auskunft zur
Frage der Eignung des betreffenden Fahrerlaubnisinhabers aus Gründen eines Alkoholmissbrauchs zu
geben, d.h. weder die Geeignetheit noch die Ungeeignetheit feststellen kann, die Frage der Geeignetheit
aus sachverständiger Sicht mithin offen bleiben muss. Eine Fahrerlaubnis kann nur entzogen werden,
wenn die Ungeeignetheit des Fahrerlaubnisinhabers erwiesen ist. Die materielle Beweislast trägt insofern
die Fahrerlaubnisbehörde.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO -.
Die Streitwertfestsetzung für das Beschwerdeverfahren beruht auf §§ 53 Abs. 3 Nr. 2, 52 Abs. 1 und Abs.
2, 47 des Gerichtskostengesetzes – GKG – i.V.m. Nrn. 1.5 und 46 des Streitwertkatalogs für die
Verwaltungsgerichtsbarkeit (NVwZ 2004, 1327).
Der Beschluss ist gemäß § 152 Abs. 1 VwGO unanfechtbar.
gez. Steppling gez. Möller gez. Jahn-Riehl