Urteil des OVG Rheinland-Pfalz vom 02.10.2008

OVG Koblenz: vorverfahren, innenverhältnis, bad, vergütung, entlastung, quelle, rüge, widerspruchsverfahren, beratung, gebühr

OVG
Koblenz
02.10.2008
6 E 10833/08.OVG
Kostenfestsetzung
Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz
Beschluss
In dem Verwaltungsrechtsstreit
****Frau ***************, **************, ***** *******,
- Klägerin und Beschwerdegegnerin -
Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte Dr. Kuentzle, Greve & Fritz, Röntgenstraße 6, 76133 Karlsruhe,
gegen
die Verbandsgemeinde Bad Ems, vertreten durch den Bürgermeister, Bleichstr. 1, 56130 Bad Ems,
- Beklagte und Beschwerdeführerin -
Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte Klinge - Hess, Rheinstraße 2 a, 56068 Koblenz,
wegen Lotterierechts
hier: Kostenfestsetzung
hat der 6. Senat des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz in Koblenz aufgrund der Beratung vom
2. Oktober 2008, an der teilgenommen haben
Vorsitzender Richter am Oberverwaltungsgericht Zimmer
Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Frey
Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Beuscher
beschlossen:
Die Beschwerde der Beklagten gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Koblenz vom 9. Juli 2008
wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
G r ü n d e
Die Beschwerde der Beklagten ist unbegründet. Zu Recht hat das Verwaltungsgericht den
Kostenfestsetzungsbeschluss vom 15. April 2008 abgeändert und die im Vorverfahren entstandene
Geschäftsgebühr mit einem Gebührensatz von 0,65 auf die Verfahrensgebühr angerechnet, die mit dem
Kostenfestsetzungsantrag der Beklagten vom 10. April 2008 für die Tätigkeit ihres
Prozessbevollmächtigten geltend gemacht wurde. Diese Anrechnung beruht auf der Vorbemerkung 3
Abs. 4 zu Teil 3 des Vergütungsverzeichnisses (Anlage 1 zu § 2 Abs. 2 des
Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes – RVG –) und entspricht der Rechtsprechung des Senats, der in
seinem Beschluss vom 28. Januar 2008 (6 E 11203/07.OVG, DVBl 2008, 470, juris, ESOVGRP) hierzu
ausgeführt hat:
„Nach Satz 1 der vorbezeichneten Vorschrift wird in Fällen, in denen wegen desselben Gegenstandes
eine Geschäftsgebühr nach den Nummern 2300 bis 2303 entsteht, diese Gebühr zur Hälfte, jedoch
höchstens mit einem Gebührensatz von 0,75, auf die Verfahrensgebühr des gerichtlichen Verfahrens
angerechnet. Nach dem eindeutigen, einer weiteren Auslegung weder bedürftigen noch zugänglichen
Wortlaut dieser Bestimmung ist die anteilige Anrechnung der Geschäftsgebühr zwingend vorgeschrieben.
Dieser offensichtliche Regelungsinhalt entspricht auch dem klaren, in der Entstehungsgeschichte dieser
Norm zum Ausdruck kommenden Willen des Gesetzgebers, wie er insbesondere in der Begründung zum
diesbezüglichen Gesetzentwurf aller damaligen Fraktionen des Bundestags, dem „Entwurf eines Gesetzes
zur Modernisierung des Kostenrechts“ vom 11. November 2003 (BT-Drucks. 15/1971), seinen
Niederschlag findet. Danach sollte mit der Regelung des Satzes 1 der VV Teil 3 Vorb. 3 Abs. 4 u.a. ein
Missstand beseitigt werden, der nach Auffassung des Gesetzgebers darin bestand, dass nach der bis
dahin geltenden Bestimmung des § 118 Abs. 2 Satz 1 der Bundesrechtsanwaltsgebührenordnung -
BRAGO - nur die Geschäftsgebühr „für eine Tätigkeit außerhalb eines gerichtlichen oder behördlichen
Verfahrens“, nicht dagegen eine solche für ein behördliches, insbesondere ein vorangegangenes
Widerspruchsverfahren auf die Gebühren im anschließenden gerichtlichen Verfahren angerechnet
werden. Diesen Rechtszustand wollte der Gesetzgeber bewusst verändern.“
In der Begründung des Gesetzentwurfes (BT-Drucks. 15/1971) heißt es „zu Teil 3“ ausdrücklich:
„Eine Anrechnung ist zunächst aus systematischen Gründen erforderlich. Nach der Definition in Abs. 2
der Vorbemerkung erhält der Rechtsanwalt die gerichtliche Verfahrensgebühr für das Betreiben des
Geschäfts einschließlich der Information. Der Umfang dieser anwaltlichen Tätigkeit wird entscheidend
davon beeinflusst, ob der Rechtsanwalt durch eine vorgerichtliche Tätigkeit bereits mit der Angelegenheit
befasst war. Eine Gleichbehandlung des Rechtsanwalts, der unmittelbar einen Prozessauftrag erhält, mit
dem Rechtsanwalt, der zunächst außergerichtlich tätig war, ist nicht zu rechtfertigen.
Die Anrechnung ist aber auch erforderlich, um eine außergerichtliche Erledigung zu fördern. Es muss der
Eindruck vermieden werden, der Rechtsanwalt habe ein gebührenrechtliches Interesse an einem
gerichtlichen Verfahren. Dieses Interesse kollidiert zwangsläufig mit dem Bestreben einer
aufwandbezogenen Vergütung. Diesen unterschiedlichen Interessen wird die vorgeschlagene
Anrechnungsregel gerecht.“
Danach ging es dem Gesetzgeber zwar nicht um eine Entlastung des unterlegenen Prozessbeteiligten,
sondern vielmehr um eine sachgerechte Begrenzung des Vergütungsanspruchs des Rechtsanwalts
gegenüber seinem Mandanten (vgl. OVG N-W, 7 E 410/06, NJW 2006, 1991; NdsOVG, 10 OA 73/07, juris).
Daraus lässt sich aber nicht schließen, Vorbemerkung 3 Abs. 4 zu Teil 3 des Vergütungsverzeichnisses
sei im Kostenfestsetzungsverfahren nicht anwendbar (vgl. NdsOVG, 10 OA 143/07, NdsRpfl 2008, 290,
juris; BayVGH, VGH München, 19 C 06.268, NJW 2006, 1990, juris). Denn der unterlegene
Prozessbeteiligte ist nach § 162 Abs. 1 VwGO nur zur Erstattung der notwendigen Aufwendungen
verpflichtet, also zur Übernahme der nach § 162 Abs. 2 Satz 1 VwGO erstattungsfähigen Gebühren und
Auslagen eines Rechtsanwalts, die dem obsiegenden Beteiligten tatsächlich entstanden sind und von ihm
zu tragen wären, wenn er deren Erstattung nicht beanspruchen könnte.
Kann aber der Prozessbevollmächtigte von seinem Mandanten, dem obsiegenden Beteiligten, aufgrund
der erwähnten Anrechnungsregelung im Innenverhältnis nur eine gekürzte Verfahrensgebühr verlangen,
weil wegen desselben Gegenstandes zugleich eine Geschäftsgebühr entstanden ist, wird der
Erstattungsanspruch dieses Beteiligten gegenüber dem Kostentragungspflichtigen (evtl. neben weiteren
Gebühren und Auslagen) auf die gekürzte Verfahrensgebühr beschränkt.
Davon unabhängig ist die Frage, ob der obsiegende Beteiligte zusätzlich die im Vorverfahren angefallene
Geschäftsgebühr erstattet verlangen kann. Das hängt gemäß § 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO davon ab, ob das
Gericht die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig erklärt. Fehlt es an
dieser Voraussetzung, muss der obsiegende Beteiligte die Vorverfahrenskosten selbst tragen. In diesem
Fall kann aber – anders als mit der Beschwerde vorgetragen – nicht davon gesprochen werden, diese
Vorverfahrenskosten seien „im Sinne der Anrechnungsvorschrift“ nicht entstanden. Deren Entstehen hängt
keineswegs von ihrer Erstattungsfähigkeit ab.
Die dadurch eintretende Anrechnung der Geschäftsgebühr auf die im gerichtlichen Verfahren entstehende
Verfahrensgebühr begünstigt allerdings den Kostentragungspflichtigen, der sonst eine ungekürzte
Verfahrensgebühr hätte übernehmen müssen. Diese Folge mag zwar nicht im Vordergrund der vom
Gesetzgeber mit der Neuregelung verfolgten Ziele gestanden haben; sie ergibt sich aber zwingend aus
den erwähnten Bestimmungen. Der obsiegende Beteiligte wird auch nicht – wie es in der
Beschwerdebegründung heißt - doppelt schlechter gestellt. Dass der Kostentragungspflichtige durch die
Anrechnung einen Vorteil hat, belastet den obsiegenden Beteiligten nicht. Dieser erhält die
Verfahrensgebühr in dem (gekürzten) Umfang erstattet, in dem er sie sonst zu tragen hätte. Den
obsiegenden Beteiligten trifft lediglich die kostenmäßige Konsequenz aus seiner vom Gericht nicht als
notwendig anerkannten Entscheidung, einen Bevollmächtigten im Vorverfahren hinzuziehen.
Wie das Verwaltungsgericht in dem angefochtenen Beschluss zutreffend ausgeführt hat, würde die mit der
Beschwerde vertretene Auffassung darüber hinaus zu einem mit den gesetzlichen
Vergütungsbestimmungen unvereinbaren Ergebnis führen. Würde nämlich im
Kostenfestsetzungsverfahren eine Kürzung der Verfahrensgebühr nicht erfolgen, könnte der
Prozessbevollmächtigte im Innenverhältnis zu seinem Mandanten, dem obsiegenden Beteiligten, nach
wie vor auch eine volle Geschäftsgebühr verlangen, also zusammen mit der Erstattung einer vollen
Verfahrensgebühr durch den Kostentragungspflichtigen eine höhere Vergütung erhalten, als sie ihm
zusteht.
Soweit mit der Beschwerde geltend gemacht wird, der vom Verwaltungsgericht im Tenor seines
Beschlusses festgesetzte Kostenerstattungsbetrag sei nicht nachvollziehbar, fehlt es an einer Begründung
dieser Rüge. Sie kann ohne eine Darlegung, inwiefern die verwaltungsgerichtliche Entscheidung in
diesem Zusammenhang beanstandet wird, keinen Erfolg haben.
Nach alledem ist die Beschwerde mit der sich aus § 154 Abs. 2 VwGO ergebenden Kostenfolge
zurückzuweisen. Die Festsetzung des Werts des Beschwerdegegenstands erübrigt sich, weil nach Nr.
5502 des Kostenverzeichnisses (Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG) eine Festgebühr anfällt.
gez. Zimmer gez. Dr. Frey gez. Dr. Beuscher