Urteil des OVG Rheinland-Pfalz vom 25.02.2010

OVG Koblenz: schiedsstelle, rechtliches gehör, vergleich, budget, abrechnung, form, behörde, genehmigung, beweisantrag, entstehungsgeschichte

OVG
Koblenz
25.02.2010
7 A 10976/09.OVG
Krankenhausfinanzierung
Oberverwaltungsgericht
Rheinland-Pfalz
Urteil
Im Namen des Volkes
In dem Verwaltungsrechtsstreit
1. der AOK - Die Gesundheitskasse in Rheinland-Pfalz, vertreten durch den Vorstand, Virchowstraße 30,
67304 Eisenberg,
2. der BKK-LKK Arbeitsgemeinschaft Rheinland-Pfalz, vertreten durch die Vorstände, Essenheimer
Straße 116, 55128 Mainz,
3. der IKK Südwest-Plus, vertreten durch den Vorstand, Isaac-Fulda-Allee 7, 55124 Mainz,
4. des VDEK e.V., vertreten durch den Vorstand, Askanischer Platz 1, 10963 Berlin,
- Kläger und Berufungsbeklagte -
Prozessbevollmächtigter zu 1-4: Herr Assessor jur. Dirk Heß, AOK - Die Gesundheitskasse in Rheinland-
Pfalz, Virchowstraße 30, 67304 Eisenberg,
gegen
das Land Rheinland-Pfalz, vertreten durch die Ministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Familie und
Frauen, Bauhofstraße 9, 55116 Mainz,
- Beklagter und Berufungskläger -
beigeladen:
M.,
Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt Friedrich W. Mohr, c/o Krankenhausgesellschaft Rheinland-
Pfalz e.V., Bauerngasse 7, 55116 Mainz,
wegen Festsetzung von Pflegesätzen
hat der 7. Senat des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz in Koblenz aufgrund der mündlichen
Verhandlung vom 25. Februar 2010, an der teilgenommen haben
Vorsitzende Richterin am Oberverwaltungsgericht Wünsch
Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Holl
Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Stahnecker
ehrenamtlicher Richter Kaufmann Schäfer
ehrenamtliche Richterin Betriebswirtin Bocklet
für Recht erkannt:
Unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Mainz vom 31. März 2009 wird die Klage
abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge haben die Kläger zu 14/15 und die Beigeladene und der
Beklagte zu je 1/30 zu tragen.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Kläger wenden sich gegen einen Bescheid des Beklagten, mit dem der Beschluss der Schiedsstelle
für die Festsetzung der Krankenhauspflegesätze für das St. J. Krankenhaus der Beigeladenen vom
25. Februar 2008 in der Fassung vom 16. April und 6. Mai 2008 genehmigt worden ist. In den Entgelt-
verhandlungen für das Jahr 2007 blieben folgende Punkte zwischen den Klägern und der Beigeladenen
streitig: Zum Einen die Überleitung der Vereinbarung 2006 auf den Vereinbarungszeitraum 2007, hier
insbesondere die Berücksichtigung von Kodiereffekten sowie voraussichtlichen Leistungsänderungen,
zum Anderen die Berücksichtigung der Veränderungsrate gemäß § 4 Abs. 4 S. 1 Nr. 3 Krankenhaus-
entgeltgesetz.
In den Verhandlungen vertrat die Beigeladene die Auffassung, dass die Ausgangsbasis des Budgets nicht
wegen sogenannter Kodiereffekte (Upcoding) zu berichtigen sei. Die geltend gemachte "unechte"
Leistungsveränderung sei ein zugunsten der Kläger wirkender und damit von ihnen darzulegender und zu
beweisender Tatbestand. Maßgebende Veränderungen der Bewertungsrelationen seien durch
Leistungsverschiebungen zwischen den niedrig bewerteten Beleg-DRGs und höher bewerteten
Hauptabteilung-DRGs zu erklären.
Demgegenüber vertraten die Kläger die Ansicht, dass mindestens 0,79 % der Bewertungsrelation der Ist-
Daten 2006 der Beigeladenen, das entspricht 36 Bewertungsrelationen, als Kodiereffekt abzuziehen
seien. Zur Ermittlung von Kodiereffekten hätten die Krankenkassen unter Heranziehung der sogenannten
Ludwigshafener Liste Basisfallgruppen zueinander gehörender Diagnosis Related Groups (DRG) zu
virtuellen Basisgruppen zusammengefasst, dabei in den jeweiligen Basisgruppen die vereinbarten und
erbrachten Fälle gegenüber gestellt und den jeweiligen CaseMixIndex ermittelt. Mit dieser
Berechnungsmethode hätten sie sogar ca. 47 Bewertungsrelationen ermitteln können, die auf ein
verändertes Kodierverhalten schließen lassen würden, und die somit gemäß § 4 Abs. 9
Krankenhausentgeltgesetz zu 100 % auszugleichen seien.
Betreffend den Streitpunkt Leistungsänderungen für die Fortschreibung des Erlösbudgets machte die
Beigeladene für den Vereinbarungszeitraum u. a. 85 Bewertungsrelationen geltend, die auf das
Behandeln von Apoplexien und das Eingruppieren dieser Leistungen als "neurologische
Komplexbehandlung des akuten Schlaganfalles" (OPS 8-981) zurückzuführen seien. Die Beteiligten
gingen übereinstimmend davon aus, dass der Versorgungsauftrag der Beigeladenen das Erbringen
neurologischer Komplexbehandlungen umfasste.
Ihre Auffassung, dass diese Behandlungsfälle der Vereinbarung dennoch nicht zugrunde gelegt werden
könnten, begründeten die Krankenkassen damit, der OPS-Katalog des Jahres 2007 definiere für die
Prozedur 8-981 verschiedene Mindestvoraussetzungen. Ausweislich des Ergebnisses einer
Strukturprüfung durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) seien diese bei der
Beigeladenen erst ab Juli 2007 erfüllt gewesen. Zuvor sei die vorausgesetzte mindestens 12-stündige
ärztliche Anwesenheit von Montag bis Freitag tagsüber, die der ausschließlichen Versorgung der
Patienten auf der Schlaganfalleinheit diene, nicht gewährleistet gewesen; die prospektive Annahme der
höherwertigen Leistung sei daher zum Zeitpunkt der Verhandlungen nicht tragfähig gewesen und es
könnten die sich hieraus ergebenden 85 Bewertungsrelationen nicht in die Vereinbarung aufgenommen
werden.
Dem hielt die Beigeladene entgegen, ob eine Leistung im Einzelfall in eine bestimmte Fallgruppe
eingestuft und entsprechend abgerechnet werden könne, sei hier nicht von Bedeutung, sondern erst im
Rahmen eines konkreten Vergütungsrechtsstreits von den Sozialgerichten zu klären. Maßgeblich sei viel-
mehr der Versorgungsauftrag des Krankenhauses, der hier nicht in Frage gestellt sei.
Bezüglich des Streitpunktes "Berücksichtigung der Veränderungsrate" waren die Kläger der Ansicht, dass
die Beigeladene zu Unrecht die Veränderungsrate nach § 71 SGB V in voller Höhe geltend gemacht
habe. § 4 Abs. 4 S. 1 Nr. 3 Krankenhausentgeltgesetz schreibe zwar eine Veränderung des
Ausgangswertes vor. Allerdings verlange er dabei lediglich eine "Berücksichtigung" der Veränderungs-
rate, mithin keine zwingende Erhöhung des Ausgangswertes um die Veränderungsrate, sondern nur
insoweit, als dies sachgerecht sei. Der Gesetzgeber habe mit der Veränderungsrate nach § 71 SGB V
lediglich eine Obergrenze vorgesehen, die im Interesse der Beitragsstabilität nicht überschritten werden
dürfe. Eine zwingende Erhöhung des Ausgangswertes um die Veränderungsrate entspräche nicht dem
Sinn und Zweck dieser Norm. Außerdem würde die Annahme eines Anpassungsautomatismus zu
sinnwidrigen Ergebnissen führen, weil diejenigen Krankenhäuser, die über die vorgesehene
Kappungsgrenze hinaus ihr Budget eigentlich weiter reduzieren müssten, insoweit aber durch die
Kappungsgrenze geschützt würden, durch Hinzurechnen der Veränderungsrate eine sachlich nicht
gerechtfertigte Budgeterhöhung erhalten würden.
Die Beigeladene vertrat demgegenüber die Ansicht, dass § 4 Abs. 4 S. 1 Nr. 3 Krankenhausentgeltgesetz
eine Muss-Vorschrift sei, die das Einbeziehen der Veränderungsrate nicht in das Ermessen der
Vertragsparteien stelle. Dies ergebe sich neben dem Wortlaut auch aus der Entstehungsgeschichte des
Gesetzes.
Im Hinblick auf die gescheiterten Verhandlungen rief die Beigeladene daraufhin zur Durchsetzung ihrer
Anträge die Schiedsstelle an. Im Verhandlungstermin der Schiedsstelle stellte ein Mitglied, Herr E., den
Antrag, die Geschäftsführerin des Krankenhauses der Beigeladenen zu der Frage als Zeugin zu
vernehmen, ob von der Beigeladenen die in den Entgeltverhandlungen angesprochenen 10
Bewertungsrelationen lediglich als Upcoding-Potential oder bereits als ermitteltes Upcoding bewertet
worden seien. Eine Zeugeneinvernahme fand nicht statt, auch wurde der Antrag nicht förmlich
beschieden, da die Schiedsstelle in ihrem Beschluss davon ausging, der Antrag sei schließlich nicht
aufrecht erhalten worden.
Mit Beschluss vom 25. Februar 2008 folgte die Schiedsstelle für die Festsetzung der
Krankenhauspflegesätze in allen Streitpunkten der Argumentation der Beigeladenen und setzte deren
Budget entsprechend fest. Bezüglich der voraussichtlichen Leistungsänderungen gebe es keinen
rechtlichen Grund, der gegen den Ansatz der neurologischen Komplexpauschalen in der
Leistungsplanung spreche. Nicht entscheidend sei, ob die Kodier- bzw. Abrechnungsvoraussetzungen im
Einzelfall erfüllt seien. Die Veränderungsrate sei in voller Höhe angesetzt worden, weil das Gesetz nach
Wortlaut und Entstehungsgeschichte keinen Ermessensspielraum zugunsten der Vertragspartei bzw. der
Schiedsstelle vorsehe.
In der Folgezeit beantragte die Beigeladene die Genehmigung des Beschlusses der Schiedsstelle durch
den Beklagten, während die Kläger dessen Nichtgenehmigung beantragten. Ergänzend zu dem
bisherigen Vorbringen führten diese aus, der Schiedsstellenbeschluss sei auch deshalb nicht
genehmigungsfähig, weil die Schiedsstelle durch das Nichtbescheiden des von Herrn E. gestellten
Beweisantrages und die unterbliebene Zeugenvernehmung den Anspruch der Kläger auf rechtliches
Gehör verletzt habe.
Mit Bescheid vom 29. Mai 2008 lehnte der Beklagte den Antrag der Kläger auf Nichtgenehmigung ab und
gab dem Antrag der Beigeladenen auf Genehmigung der Schiedsstellenfestsetzung statt. Zur Begründung
nahm er dabei vollinhaltlich auf die Ausführungen im Schiedsstellenbeschluss Bezug.
Gegen den ihnen am 2. Juni 2008 zugegangenen Genehmigungsbescheid haben die Kläger unter
Bezugnahme auf ihr Vorbringen vor der Schiedsstelle Anfechtungsklage erhoben. Hinsichtlich der
Berücksichtigung von Kodiereffekten habe die Schiedsstelle rechtswidrig eine Beweislastentscheidung zu
ihren Lasten getroffen. Sie habe verkannt, dass das vorgelegte Material der Beigeladenen nicht geeignet
gewesen sei, Kodiereffekte auszuschließen. Zudem hätten sie den Vortrag der Beigeladenen u. a. mit
Hilfe der Untersuchungen unter Berücksichtigung der Ludwigshafener Liste entkräftet.
Die Beigeladene hat ergänzend vorgebracht: Die gerügte Verletzung des rechtlichen Gehörs der Kläger
liege nicht vor, weil in der Sitzung ein Schiedsstellenmitglied und nicht eine Verhandlungspartei den
Beweisantrag gestellt habe. Zudem habe Herr E. nach Stellung des Beweisantrages die
Schiedsstellensitzung während der laufenden Verhandlung verlassen und damit den Anschein erweckt,
auf einer weiteren Sachaufklärung in der angeregten Hinsicht nicht weiter zu bestehen.
Das Verwaltungsgericht Mainz hat der Klage mit Urteil vom 31. März 2009 stattgegeben und zur
Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Der Genehmigungsbescheid leide schon in formeller Hinsicht
an Mängeln, die zu seiner Aufhebung führen müssten. Ihm fehle es an der nach § 39 Abs. 1
Verwaltungsverfahrensgesetz erforderlichen Begründung. Diesem Erfordernis werde die bloße Bezug-
Verwaltungsverfahrensgesetz erforderlichen Begründung. Diesem Erfordernis werde die bloße Bezug-
nahme auf den Schiedsstellenentscheid schon wegen des unterschiedlichen Prüfungsmaßstabes nicht
gerecht. Das gelte insbesondere im Hinblick auf die Kontrolle der Rüge der Verletzung des rechtlichen
Gehörs, die das rechtmäßige Zustandekommen der Schiedsstellenentscheidung in Zweifel ziehe. Der
Bescheid sei auch in materiell-rechtlicher Hinsicht rechtswidrig, weil sich der Schiedsstellenentscheid in
wesentlichen Punkten als rechtswidrig erweise und nicht hätte genehmigt werden dürfen. Ob und in
welcher Höhe Kodiereffekte im Sinne des § 4 Abs. 4 S. 3 Krankenhausentgeltgesetz vorgelegen hätten,
unterfalle zwar dem Beurteilungsspielraum der Schiedsstelle, die insoweit nach der Rechtsprechung des
Bundesverwaltungsgerichts nicht zur Amtsermittlung verpflichtet sei. Angesichts ihres weiten
Beurteilungsspielraums müsse die Schiedsstelle ihre Entscheidungen indessen plausibel und
nachvollziehbar begründen. Daran habe es hier gefehlt. Sie sei im Hinblick auf den Gesichtspunkt des
Nichtvorliegens von Kodiereffekten dem Antrag der Beigeladenen gefolgt, ohne sich mit den substan-
tiierten Einwendungen der Gegenseite auseinanderzusetzen. Unabhängig davon leide die
Schiedsstellenentscheidung auch insoweit an einem materiell-rechtlichen Fehler, als sie bei der Frage
des Leistungsgerüstes die zu beachtenden gesetzlichen Vorgaben verkannt habe. Wenn auch die
Schiedsstelle das Vorliegen eines Versorgungsauftrages zur Erbringung der neurologischen Komplex-
behandlungen zu Recht angenommen habe, habe sie aber andererseits den Spielraum bei der
prognostischen Abschätzung der im Vereinbarungszeitraum zu erwartenden Leistungen und
Leistungsveränderungen im Sinne des § 4 Abs. 4 S. 1 Nr. 1 Krankenhausentgeltgesetz verkannt. Bei der
Einschätzung der Veränderung von Art und Menge der voraussichtlich zu erbringenden Fallpauschalen
und Zusatzentgelte sei es einem Prognoseausfall gleichkommend, wenn die Prognose die
Abrechnungsvoraussetzungen außer Acht lasse. Maßstab für die Eingruppierung einer Leistung und
damit der Ermittlung der dem Krankhaus zustehenden Fallpauschalen seien die im OPS-Katalog
niedergelegten Voraussetzungen für die Kodierung einzelner Krankenhausleistungen. Stelle sich wie hier
bei den erst im Mai des Vereinbarungszeitraums geführten Verhandlungen heraus, dass erkennbar
Abrechnungsvoraussetzungen nicht vorgelegen hätten, müsse dies bei der Berechnung des Erlösbudgets
seinen Niederschlag finden. Demgegenüber sei die Entscheidung der Schiedsstelle im Hinblick auf die
Berücksichtigungsmöglichkeit der Veränderungsrate nach § 71 SGB V gemäß § 4 Abs. 4 S. 1 Nr. 3
Krankenhausentgeltgesetz nicht zu beanstanden, weil der Begriff des "Berücksichtigens" des gesetzlichen
Tatbestandes der Schiedsstelle kein Ermessen darüber eröffne, ob und in welcher Höhe dieser
Bemessungsfaktor in die Budgetermittlung eingestellt werde.
Dagegen haben der Beklagte und die Beigeladene die vom Senat durch Beschluss vom 4. September
2009 zugelassenen Berufungen eingelegt. Zur Begründung haben sie im Wesentlichen geltend gemacht:
Die Begründungspflicht nach § 39 Abs. 1 Verwaltungsverfahrensgesetz sei durch den Beklagten nicht
verletzt worden, da die Bezugnahme auf die Schiedsstellenentscheidung ausreiche, sofern die dort
geäußerte Rechtsauffassung von der Genehmigungsbehörde geteilt werde. Der Genehmigungsbescheid
könne auch nicht deshalb aus formell-rechtlichen Gründen aufgehoben werden, weil ein Verstoß gegen
den Grundsatz des rechtlichen Gehörs vorliege. Dies sei schon deshalb nicht anzunehmen, weil die
Schiedsstelle selbst sich in einem Berichtigungsbeschluss vom 16. April 2008 dahin geäußert habe, dass
weil das Mitglied E. nach Stellung des Beweisantrages die Sitzung verlassen habe ‑ davon habe
ausgegangen werden können, dass der Antrag nicht aufrechterhalten worden sei. Im Übrigen werde dort
ausdrücklich festgestellt, dass es bei der Schiedsstellenentscheidung auf die Fragestellung des
Beweisantrages im Hinblick auf die Entscheidungsgründe nicht angekommen wäre. Diesen
Berichtigungsbeschluss habe der Genehmigungsbescheid des Beklagten aufgegriffen, wenn dort
ausgeführt werde (Genehmigungsbescheid vom 29. Mai 2008), dass vollinhaltlich auf die Entscheidungen
und Begründungen der Schiedsstelle vom 25. Februar 2008 und 16. April sowie 6. Mai 2008 Bezug
genommen werde. Im Übrigen könnten die Kläger ein Übergehen des Antrags eines
Schiedsstellenmitglieds auch nicht als Verletzung des eigenen rechtlichen Gehörs geltend machen.
Schließlich habe er, der Beklagte, mit Schreiben vom 17. Juni 2009 seine Begründung auch ergänzt und
insoweit etwaige Mängel geheilt. Dem Genehmigungsbescheid fehle es auch in materiell-rechtlicher
Hinsicht nicht an der Rechtmäßigkeit. Die Nichtberücksichtigung von Kodiereffekten durch die
Schiedsstelle sei rechtlich nicht zu beanstanden, zumal vorliegend das Krankenhaus einen konkreten
Sachverhalt zur Begründung der Leistungsausweitung habe anführen können, den damit die
Schiedsstelle auch als plausibel habe erachten dürfen. Zu Recht sei die Schiedsstelle auch zu der
Auffassung gelangt, dass die Leistungen der neurologischen Komplexbehandlung zu berücksichtigen
waren. Die Abteilung Neurologie bestehe seit mehr als 25 Jahren in dem Krankenhaus, die neurologische
Frührehabilitation sei im Jahr 1996 eingeführt worden. Mit Bescheid vom 16. Januar 2004 sei eine
regionale Schlaganfalleinheit mit vier Plätzen innerhalb der Fachabteilung ausgewiesen worden. Mit den
fehlenden Abrechnungsvoraussetzungen für eine neurologische Komplexbehandlung könne entgegen
der Auffassung des Verwaltungsgerichts nicht die Fehlerhaftigkeit der Prognose der Beigeladenen
begründet werden. Das Vorliegen der Abrechnungsvoraussetzungen sei regelmäßig zum Zeitpunkt der
Verhandlungen bei der Prognose nicht absehbar und könne damit für die Budgetverhandlungen keine
Rolle spielen. Es sei auch nicht absehbar gewesen, inwieweit Einzelfallprüfungen gemäß § 275 Abs. 1
SGB V des MDK zu einer tatsächlich anderen Abrechnung führen würden. Daher sei lediglich auf den
Versorgungsauftrag des Krankenhauses abzustellen, den das Verwaltungsgericht hier insoweit
zweifelsfrei bejaht habe. Das Verwaltungsgericht verkenne auch grundsätzlich den Unterschied zwischen
einer Vorauskalkulation und der nachfolgenden Abrechnung. Die Krankenkassen seien bei der Einzel-
abrechnung im Übrigen von Einwendungen ausgeschlossen, wenn das Prüfverfahren nicht rechtzeitig
eingeleitet werde. Schließlich seien die festgesetzten Leistungen auch tatsächlich erbracht worden.
Der Beklagte und die Beigeladene beantragen,
unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Mainz vom 31. März 2009 die Klage abzuweisen.
Die Kläger beantragen,
die Berufungen zurückzuweisen.
Zwar sei durch den Bescheid vom 17. Juni 2009 die unterlassene Begründung inzwischen nachgeholt
und der Begründungsmangel insoweit geheilt worden. Indessen sei der Verstoß gegen den Grundsatz
des rechtlichen Gehörs erheblich und begründe eine Verletzung ihrer subjektiven Rechte im Verfahren.
Das Verwaltungsgericht habe auch zu Recht darauf erkannt, dass die Schiedsstelle mit den
Einwendungen der Kläger betreffend die Frage des Upcoding mit Hilfe der Ludwigshafener Liste
substantiierte Einwendungen im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts übergangen
habe. Auch in der Frage der Leistungsprognose im Hinblick auf die neurologische Komplexbehandlung
sei das Urteil des Verwaltungsgerichts folgerichtig. Dementsprechend habe inzwischen auch das
Sozialgericht Koblenz in einem Urteil vom 12. Januar 2010 das Fehlen der Abrechnungsvoraussetzungen
bis Mitte des Jahres 2007 festgestellt. Ziel des Gesetzes sei eine möglichst genaue Leistungs- und
Budgetkalkulation ohne große Mehr- oder Mindererlösausgleiche ("Punktlandung"). An erkennbaren
Hindernissen zur Leistungserbringung und Abrechnung könne damit nicht vorbeigesehen werden. Ein
medizinisch leistungsgerechtes Budget werde der Beigeladenen damit nicht abgesprochen, sie könne
lediglich die vorgesehene höhere Vergütung für die Komplexbehandlung nicht verlangen.
In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat haben die Beteiligten über die Frage des "Kodiereffektes"
und die dabei im Rahmen des § 4 Abs. 4 und 4 Abs. 9 KHEntgG zugrunde zu legenden
Bewertungsrelationen einen Teil-Vergleich abgeschlossen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die von den Beteiligten
gewechselten Schriftsätze sowie die beigezogenen Verwaltungsakten Bezug genommen, die sämtlich
Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.
Entscheidungsgründe
Die Berufungen des Beklagten und der Beigeladenen haben, soweit der Streit nicht durch den in der
mündlichen Verhandlung geschlossenen Teil-Vergleich erledigt ist, in vollem Umfang Erfolg. Entgegen
der Auffassung des Verwaltungsgerichts erweist sich der angefochtene Genehmigungsbescheid des
Beklagten als rechtmäßig, da die genehmigte Schiedsstellenentscheidung vom 25. Februar 2008 in der
Fassung der Ergänzungen vom 16. April und 6. Mai 2008, soweit die noch streitigen Teile betroffen sind,
nicht im Sinne des § 18 Abs. 5 S. 1 des Krankenhausfinanzierungsgesetzes ‑ KHG ‑ gegen Bestimmungen
dieses Gesetzes oder sonstiges Recht verstößt.
Die Prüfung des Senats ist dabei nur noch auf die Streitpunkte in dem Beschluss der Schiedsstelle
beschränkt, die nicht durch den Teil-Vergleich in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat unstreitig
geworden sind. Es ist dabei zu berücksichtigen, dass die Pflegesatzparteien die Herren des Verfahrens
sind und in erster Linie nach der gesetzlichen Ausgestaltung dazu berufen sind, eine Vereinbarung im
Sinne des § 18 Abs. 1 KHG zu treffen und die Gestaltungsbefugnis (BVerwG NJW 1993, 2391)
auszuüben. Lediglich im Falle des Nichtzustandekommens einer Vereinbarung setzt nach § 18 Abs. 4
KHG die Schiedsstelle auf Antrag einer Vertragspartei die Pflegesätze oder die Höhe der Entgelte nach
Abs. 3 S. 3 unverzüglich fest. Die vereinbarten wie die festgesetzten Pflegesätze sind insoweit unter den
Voraussetzungen des § 18 Abs. 5 KHG von der Genehmigungsbehörde zu genehmigen. Soweit im
gerichtlichen Verfahren daher Streitpunkte, die Gegenstand der Festsetzungen der Schiedsstelle waren,
durch Vereinbarung ausgeräumt werden und in einem gerichtlichen Vergleich die Genehmigungsbehörde
dieser Regelung wie hier zustimmt, kann der den Gegenstand des Rechtsstreits bildende
Genehmigungsbescheid nicht mehr deshalb aufgehoben werden, weil etwa die in diesem Punkt
getroffene Schiedsstellenentscheidung gegen Rechtsvorschriften verstoßen hätte. Als
Prüfungsgegenstand scheidet daher im Rahmen des Berufungsverfahrens der Genehmigungsbescheid
insoweit aus, als die Schiedsstellenentscheidung sich auf den Einfluss von Kodiereffekten bei der
Ausgleichsregelung nach § 4 Abs. 9 sowie die Fortschreibung des Budgets 2006 für das Jahr 2007 nach
§ 4 Abs. 4 Nr. 1 des Krankenhausentgeltgesetzes ‑ KHEntgG ‑ in der bis zum 24. März 2009 geltenden
Fassung bezieht.
Der Genehmigungsbescheid leidet entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts nicht deshalb an einem
zur Aufhebung führenden Rechtsfehler, weil es an der erforderlichen Begründung dieses Bescheides im
Sinne des § 39 Abs. 1 VwVfG gefehlt hätte. Wie die Kläger im Übrigen selbst inzwischen eingeräumt
haben, ist ein etwa bestehender Mangel durch die Nachholung der erforderlichen Begründung, die
gemäß § 45 Abs. 2 VwVfG bis zum Abschluss des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens möglich ist, geheilt
worden (§ 45 Abs. 1 Nr. 2 VwVfG). Im Übrigen genügt die Behörde durchaus ihrer Begründungspflicht,
soweit sie ‑ wenn dies nicht aus funktionellen Gründen sich als unzureichend erweist ‑ auf die
Begründung der Schiedsstellenentscheidung Bezug nimmt. Dies reicht aus, soweit die
Schiedsstellenentscheidung Rechtsausführungen betrifft und die Genehmigungsbehörde sich diesem
Standpunkt anschließen will. Soweit es um die Überprüfung der verfahrensmäßigen Rechtmäßigkeit der
Schiedsstellenentscheidung sowie um die Frage geht, ob die Schiedsstellenentscheidung das ihr
eingeräumte Ermessen im Rahmen ihrer Gestaltungsfreiheit nicht unter einseitiger Bevorzugung einer der
Verhandlungsparteien ausgeübt hat, reicht zwar eine Bezugnahme ersichtlich nicht aus. Indessen ist
fraglich, ob eine Aufhebung des Genehmigungsbescheids allein mit Blick auf einen solch formalen
Mangel der Begründung in Betracht kommen könnte, da mit Blick auf eine rechtlich gebundene
Entscheidung wie hier, bei der der Genehmigungsbehörde keinerlei Ermessen zusteht, offensichtlich sein
könnte, dass durch den Begründungsmangel die Entscheidung der Behörde nicht beeinflusst sein kann.
Der Genehmigungsbescheid ist auch nicht deshalb rechtswidrig, weil der Beschluss der Schiedsstelle
unter Verletzung des Grundsatzes des rechtlichen Gehörs zustande gekommen wäre. Soweit die Kläger in
diesem Zusammenhang rügen, ihr Beweisantragsrecht im Verfahren sei übergangen worden, weil das
Schiedsstellenmitglied E. einen Antrag auf Vernehmung einer Zeugin gestellt habe und dieser Antrag
nicht beschieden worden sei, ist kein eigenes Beweisantrittsrecht der Kläger als Verfahrenspartei im
Schiedsstellenverfahren verletzt worden. Zwischen Antragsrechten eines Ausschussmitglieds und den
Verfahrensrechten der Beteiligten ist insoweit strikt zu trennen. Offen kann hier bleiben, ob die Kläger als
Verfahrenspartei in eigenen subjektiven Rechten betroffen sein können, wenn die
Schiedsstellenentscheidung nicht ohne Verletzung von geschäftsordnungsmäßigen Rechten von
Mitgliedern des Gremiums zustande gekommen ist. Ein solcher Fehler wäre vorliegend nicht erheblich,
weil die Schiedsstelle durch ergänzenden Beschluss den Antrag des Mitglieds mehrheitlich als
unerheblich angesehen hat, weil diese Mehrheit von dem Rechtsstandpunkt ausging, dass es auf den
fraglichen Sachverhalt, auf den der Beweisantrag des Mitglieds sich bezog, nicht ankam. Im Übrigen wäre
der Verfahrensfehler auch nicht mehr zu prüfen, da er sich auf den Streitgegenstand "Kodiereffekte"
bezieht, der durch den Teil-Vergleich in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat ausgeräumt worden
ist.
Anders als das Verwaltungsgericht annehmen will, verstößt der Schiedsstellenbeschluss vom 25. Februar
2008 auch nicht insoweit gegen Rechtsvorschriften, als angenommen worden ist, bei der Entscheidung
zur Fortschreibung des Erlösbudgets des Vorjahres im Sinne des § 4 Abs. 3 S. 2 i. V. m. Abs. 4 S. 1 Nr. 1
KHEntgG (Berücksichtigung von Veränderungen von Art und Menge zu erbringender Fallpauschalen) sei
deshalb ein Rechtsfehler unterlaufen, weil die Schiedsstelle von der Berücksichtigungsfähigkeit des
Ansatzes der "neurologischen Komplexpauschalen" ausgegangen sei. Das Verwaltungsgericht nimmt
zwar an, dass die prognostizierten Leistungen noch innerhalb des Versorgungsauftrages des
Krankenhauses liegen (vgl. § 8 Abs. 1 S. 3 KHEntgG: "Die Entgelte dürfen nur im Rahmen des
Versorgungsauftrages berechnet werden."); indessen lägen die Abrechnungsvoraussetzungen gemäß
dem OPS-Schlüssel 8‑981 nicht vor.
Bei der Ausfüllung der Voraussetzungen der Budgetfortschreibung nach den genannten Bestimmungen
geht es nicht im eigentlichen Sinne um die Anwendung von Rechtsvorschriften, sondern um die
Ausfüllung einer den Pflegesatzparteien zukommenden Prognose über Art und Menge der künftigen
Leistungen. Eine Rechtsbeanstandung einer Schiedsstellenentscheidung kann sich angesichts des
diesem Gremium zustehenden Spielraums nur darauf beziehen, ob die Prognose unter Vermeidung von
rechtlich fehlerhaften Annahmen und von Verfahrensfehlern zustande gekommen ist. Das Verfahren ist
insoweit durch den Beibringungsgrundsatz geprägt. Die Schiedsstelle muss sich schon aus Zeitgründen
darauf beschränken, dasjenige zu würdigen, was ihr die Beteiligten unterbreiten (vgl. zum Ganzen
BVerwGE 124, 209, juris, Rn. 18). Der Schiedsstelle ist es in diesem Rahmen nicht verwehrt, ihre
Entscheidung etwa auf das Vorbringen des Krankenhauses zu stützen, wenn die Kostenträger hiergegen
keine substantiierten Einwendungen erheben. Allerdings dürfen insoweit die Anforderungen an die
Substantiierungspflicht auch nicht überzogen werden (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 10. Juli 2008 ‑ 3 C
7/07 ‑, juris, Rn. 31).
Eine rechtssatzmäßige Bindung derart, wie die Beigeladene dies hier geltend macht, vermag der Senat
allerdings nicht zu erkennen. Dass die Berücksichtigung der Abrechnungsbestimmungen bei der
Ausfüllung der Prognose von vorneherein unzulässig wäre, ergibt sich aus den Bestimmungen des
Krankenhausentgeltgesetzes nicht zwingend. Dafür kann insbesondere nicht die Bestimmung des § 11
Abs. 1 S. 1 KHEntgG herangezogen werden, wonach die Vertragsparteien u. a. das Erlösbudget "nach
Maßgabe der §§ 3 bis 6 unter Beachtung des Versorgungsauftrags regeln". Dies entspricht der Vorgabe
des § 8 Abs. 1 KHEntgG, wonach die Entgelte nur im Rahmen des Versorgungsauftrags berechnet
werden dürfen (vgl. dazu auch Dietz/Geiser, KHEntgG, 6.2005, § 11, Rn. 7). Aus diesem Charakter als
einschränkender Bestimmung kann nicht zugleich zwingend für die Ausfüllung des Prognosespielraums
abgeleitet werden, dass keinerlei andere Kriterien als der Versorgungsauftrag sachgerecht verwendet
werden könnten. Das schließt indessen nicht aus, dass je nach Sachlage sachgerecht tatsächlich nur der
Versorgungsauftrag als Maßstab in Betracht kommt. Das Verwaltungsgericht hat in diesem
Zusammenhang bereits darauf hingewiesen, dass bei der vom Gesetz angestrebten Vereinbarung zu
Zusammenhang bereits darauf hingewiesen, dass bei der vom Gesetz angestrebten Vereinbarung zu
einem Zeitpunkt vor Beginn des Vereinbarungszeitraums (vgl. § 4 Abs. 4 KHEntgG: "Vereinbarungen für
einen zukünftigen Zeitraum") es der Schiedsstelle im Regelfall nicht möglich sein wird, das Vorliegen von
Abrechnungsvoraussetzungen für die im Vereinbarungszeitraum zu erbringenden Leistungen zu
beurteilen und in die Prognose einzustellen. Es hat andererseits aber angenommen, sachgerecht könne
auf die Einbeziehung der Abrechenbarkeit nicht verzichtet werden, wenn die Verhandlungen während des
Laufs des Verhandlungszeitraums noch nicht abgeschlossen sind. Wenigstens für den abgelaufenen
Zeitraum scheint es auf den ersten Blick angemessen, in der Rückschau die Frage mit einzubeziehen, ob
die Abrechnungsvoraussetzungen vorlagen.
Es kann offen bleiben, ob dies bei evidenten Mängeln hinsichtlich der Abrechenbarkeit anzunehmen ist.
Eine solche Fallgestaltung wird wohl kaum je einer Schiedsstellenentscheidung zugrunde liegen, weil
sich sonst die Beteiligten insoweit wohl einig wären. Im Streitfall wie hier steht gerade nicht ‑ wie die
Kläger geltend machen wollen ‑ "fest", dass die Abrechnungsvoraussetzungen nicht gegeben waren. Zwar
mag mit Blick auf einzelne Abrechnungen durchaus einiges dafür gesprochen haben, dass nicht sämtliche
Voraussetzungen des OPS-Codes 8-981 für die Abrechenbarkeit einer "neurologischen
Komplexpauschale" vorgelegen haben. Dafür könnte das zum Zeitpunkt der Verhandlungen und der
Schiedsstellenentscheidung bereits vorliegende Gutachten des Medizinischen Dienstes der
Krankenversicherung (MDK) von Juli 2007 ("Strukturprüfung St. J. Krankenhaus Z. - OPS 8-981 -
neurologische Komplexbehandlung des akuten Schlaganfalles"), sprechen, wie letztlich auch in einem
inzwischen ergangenen ‑ noch nicht rechtskräftigen ‑ Urteil des Sozialgerichts Koblenz vom 12. Januar
2010, S 3 KR 105/08, angenommen wird. Wegen der strukturellen Bedingungen des
Abrechnungsverfahrens (vgl. auch die Rügefrist nach § 275 Abs. 1 c SGB V) und wegen der Art des
geltend gemachten Mangels (nicht ausreichende 12-stündige ausschließliche Verfügbarkeit eines Arztes
für diese Patientengruppe über Tag) war allerdings ohnehin angesichts der unterschiedlichen
Standpunkte der Vertragsparteien und der nur eingeschränkten Ermittlungsmöglichkeiten der
Schiedsstelle kaum zu überblicken, ob insoweit ein alle Abrechnungsfälle übergreifender "struktureller"
Mangel vorlag.
Diese Ungewissheit hinsichtlich der Abrechnungsvoraussetzungen zeigt sich auch in der
Ergebnisniederschrift der Erörterungen in der Sitzung der Schiedsstelle vom 25. Februar 2008, in der die
Standpunkte umfangreich ausgetauscht worden sind. Die Kläger haben in diesem Zusammenhang zwar
auf die "Strukturprüfung" durch den MDK hingewiesen; dem ist die Gegenseite indessen mit dem
Argument entgegengetreten, eine solche "Strukturprüfung" sei im Gesetz nicht vorgesehen;
Einwendungen gegen die Abrechnung bezögen sich jeweils auf den einzelnen Fall. Bei der angefragten
Strukturprüfung gehe es in erster Linie um eine arbeitszeitrechtlich korrekte Form der
Leistungserbringung; damit werde aber nicht für jeden Fall in Frage gestellt, dass das Krankenhaus
leistungsrechtlich die geforderten Bedingungen einer 12-stündigen Anwesenheit eines Arztes zur
ausschließlichen Versorgung der Patienten auf der Schlaganfalleinheit erfüllt habe.
Danach ergab sich für die Schiedsstelle der Eindruck, dass das Krankenhaus ‑ was rechtlich im Übrigen
zutreffend sein dürfte ‑ sich nicht an das Gutachten des MDK gebunden fühlte und gewillt war, seine
Forderungen im Leistungsrechtsstreit vor den Sozialgerichten zu verteidigen. Bei dieser Ausgangslage ist
die Entscheidung der Schiedsstelle, für die Veränderung des Erlösbudgets im Sinne des § 4 Abs. 4 S. 1
Nr. 1 KHEntgG den Ansatz der "neurologischen Komplexbehandlung" zu akzeptieren, rechtlich nicht zu
beanstanden. Wenn es insoweit zur Begründung heißt, (ausgehend von der Tatsache, dass die
Erbringung neurologischer Leistungen ohne Zweifel innerhalb der Abteilung ausgewiesen wurde) wegen
Abrechnungsstreitigkeiten seien die Kläger auf die Klärung durch die Sozialgerichte angewiesen, ohne
dass der Streit hier Veranlassung für die Absetzung der Leistung im Rahmen der Festsetzung des
Erlösbudgets sein könne, wird damit zutreffend der rechtliche Ausgangspunkt für die Eröffnung des
Spielraums der Schiedsstelle getroffen. Diese hat keinen falschen rechtlichen Ausgangspunkt zugrunde
gelegt, sondern in Ausfüllung ihres Ermessens angenommen, es sei angesichts des Streitstandes
angemessen, für das Erlösbudget den Versorgungsauftrag zugrunde zu legen und den Abrechnungsstreit
den Sozialgerichten zu überantworten. Dies hält sich im Rahmen ihres Einschätzungsermessens.
Ob es rechtlich ebenso wenig zu beanstanden wäre, wenn die Schiedsstelle angesichts der im
Schiedsstellenverfahren nicht abschließend zu klärenden Streitigkeiten um die Abrechenbarkeit eine den
Kostenträgern eher entgegenkommende Entscheidung getroffen hätte, kann hier offen bleiben. Eine
einseitige Benachteiligung der Krankenkassenseite liegt insoweit jedenfalls nicht vor, wenn berücksichtigt
wird, dass einerseits angesichts der Vorhaltekosten und dem Aufwand die Leistung gegenüber den
Patienten im Wesentlichen erbracht wird, der Ausfall der Komplexpauschale bei der Festsetzung des
Erlösbudgets andererseits erhebliche wirtschaftliche Einbußen für das Krankenhaus im laufenden
Wirtschaftsjahr gezeigt hätte. Im Übrigen konnten die Krankenkassen ihren Standpunkt durch den
Abrechnungsstreit vor dem Sozialgericht im Einzelfall wahren. Der Senat übersieht dabei nicht, dass bei
zurückbleibendem Ist-Budget durch einen Erfolg in den Abrechnungsstreitigkeiten die Kassen zwar
rechnerisch einen Mindererlösausgleich in Höhe von 20 v. H. der Leistung hätten hinnehmen müssen.
Angesichts der aufgezeigten Gesamtinteressen kann die Entscheidung der Schiedsstelle dennoch nicht
als einseitig und verfahrensfehlerhaft verworfen werden.
Schließlich ist der Genehmigungsbescheid des Beklagten auch insoweit nicht zu beanstanden, als er die
Entscheidung der Schiedsstelle gebilligt hat, was den Ansatz der sogenannten "Veränderungsrate" nach
§ 4 Abs. 4 S. 1 Nr. 3 KHEntgG angeht. Dass die Schiedsstelle davon ausgegangen ist, die
Veränderungsrate nach § 71 Abs. 3 S. 1 i. V. m. Abs. 2 SGB V sei "zwingend" anzusetzen, widerspricht
entgegen der Auffassung der Kläger nicht geltendem Recht. Der Ausgangswert des Vorjahresbudgets
wird nach der gesetzlichen Bestimmung verändert, indem für den zukünftigen Zeitraum u. a. folgender
"Tatbestand berücksichtigt wird " … " Nr. 3: Die Veränderungsrate …".
Mit einem Beschluss der Berliner Schiedsstelle vom 11. April 2006 (vgl. Anlage zur Klageschrift Nr. 23)
wollen die Kläger darin keinen "Anpassungsautomatismus" sehen. Die Vorschrift spreche zwar davon,
dass "verändert" werde, aber nur dadurch, dass etwas "berücksichtigt" werde, was bedeute, dass die
entsprechenden Tatsachen zwar mit in die Betrachtung einfließen müssten, indessen keine vollständige
Umsetzung angeordnet sei. Dem kann sich der Senat - wie auch bereits das Verwaltungsgericht - nicht
anschließen. Gegen die Auslegung des Wortes "berücksichtigen" in dieser Weise spricht bereits, dass
dann auch die Tatbestände der Nr. 1 und 2 entsprechend relativiert werden müssten, wovon in der
Argumentation der Kläger indessen keine Rede ist. Dies kommt auch in sachlicher Hinsicht nicht in
Betracht, denn es gibt keine Gründe, die Veränderung etwa von Art und Menge der voraussichtlich zu
erbringenden Fallpauschalen nicht vollständig in Ansatz zu bringen. An anderer Stelle sprechen in Bezug
auf diesen Tatbestand die Kläger selbst davon, dass der Gesetzgeber mit der Ausgestaltung des Systems
insoweit eine "Punktlandung" der Vorausschätzung mit Blick auf das Erlösbudget (Vermeidung von
Ausgleichsmechanismen) anstrebe. Hätte der redaktionell in gleicher Weise gefasste
Veränderungstatbestand der Nr. 3 abweichend davon keinen zwingenden Charakter haben sollen,
müsste dieses in der gesetzlichen Fassung in entsprechender Weise zum Ausdruck kommen. Gegen den
eindeutigen gesetzlichen Wortlaut kann auch nicht mit der Berliner Schiedsstelle angeführt werden, dies
könne in bestimmten Fällen zu "sinnwidrigen" Ergebnissen führen, insbesondere mit Blick darauf, dass ein
Krankenhaus, das durch die Kappungsgrenze vor einem weitergehenden Konvergenzanpassungsschritt
geschützt werde, nicht zusätzlich in den vollen Genuss der Veränderungsrate kommen solle. Der Wortlaut
des Gesetzes schließt solche Überlegungen aus. Im Übrigen schließt sich der Senat insoweit den
Ausführungen des Verwaltungsgerichts zu der Gesetzgebungsgeschichte (vgl. auch Bl. 109
Gerichtsakten) an, ungeachtet des Umstandes, dass angesichts der klaren Wortlautfassung der Regelung
aus der Entstehungsgeschichte ein anderes Ergebnis auch schwerlich abgeleitet werden könnte.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, soweit durch Urteil entschieden worden ist; im
Übrigen beruht die Kostenentscheidung auf § 160 i. V. m. § 161 Abs. 2 VwGO, nämlich soweit über die
Streitigkeit ein Vergleich abgeschlossen worden ist. Insoweit haben die Beteiligten die
Kostenentscheidung dem Gericht überlassen. Bei der Kostenquote hat sich der Senat an den Streitwerten
orientiert, die den entsprechenden Gegenständen zugrunde lagen und die Aufstellung der Beigeladenen
Bl. 97 der Gerichtsakten, Schriftsatz vom 30. Oktober 2008, herangezogen, die insoweit zwischen den
Beteiligten unwidersprochen geblieben ist. Entsprechend dem gegenseitigen Nachgeben entsprach es
der Billigkeit, bei dem durch Vergleich erledigten Teil je 1/5 der Kosten dem Beklagten und der
Beigeladenen aufzuerlegen, 3/5 insoweit den Klägern.
Die Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung folgt aus § 167 VwGO i. V. m. § 708 Nr. 10 ZPO.
Die Revision war nicht zuzulassen, da Gründe der in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Art nicht vorliegen.
Rechtsmittelbelehrung
Die Nichtzulassung der Revision kann durch
Beschwerde
werden.
Die Beschwerde ist
innerhalb eines Monats
Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz
elektronischer Form einzulegen. Sie muss das angefochtene Urteil bezeichnen.
Die Beschwerde ist
innerhalb von zwei Monaten
Begründung ist ebenfalls bei dem
Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz
elektronischer Form einzureichen. In der Begründung muss die grundsätzliche Bedeutung der
Rechtssache dargelegt oder die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen
Senates der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts, von der das Urteil
abweicht, oder ein Verfahrensmangel, auf dem das Urteil beruhen kann, bezeichnet werden.
Die elektronische Form wird durch eine qualifiziert signierte Datei gewahrt, die nach den Maßgaben der
Landesverordnung über den elektronischen Rechtsverkehr mit den öffentlich-rechtlichen
Fachgerichtsbarkeiten vom 9. Januar 2008 (GVBl. S. 33) zu übermitteln ist.
Die Einlegung und die Begründung der Beschwerde müssen durch einen Rechtsanwalt oder eine
sonstige nach Maßgabe des § 67 VwGO vertretungsbefugte Person oder Organisation erfolgen.
gez. Wünsch
gez. Dr. Holl
gez. Dr. Stahnecker
Beschluss
Der Wert des Streitgegenstandes wird insgesamt auf 581.244,00 € festgesetzt, und zwar, soweit durch
Urteil entschieden worden ist, auf 478.861,00 €, soweit ein Vergleich zustande gekommen ist, auf
102.383,00 € (§ 52 Abs. 3 GKG).
gez. Wünsch
gez. Dr. Holl
gez. Dr. Stahnecker