Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 14.03.2017

OVG NRW (der rat, gemeinde, kag, gesetzliche vertretung, erweiterung, kommentar, land, satzung, herstellung, beitragspflicht)

Oberverwaltungsgericht NRW, XV A 2589/78
Datum:
20.09.1979
Gericht:
Oberverwaltungsgericht NRW
Spruchkörper:
XV. Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
XV A 2589/78
Vorinstanz:
Verwaltungsgericht Aachen, 4 K 977/77
Tenor:
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
1
Der Rat der ehemals selbständigen Gemeinde ... die seit dem 1. Januar 1970 in die
klagende Gemeinde ... eingegliedert ist, beschloß am 7. November 1968 und 16. Juni
1969, die Straßenbeleuchtung der Gemeinde zu erweitern und zu diesem Zweck eine
Ausschreibung zu veranlassen, den dafür entstehenden finanziellen Aufwand aber nicht
durch die Erhebung von Anliegerbeiträgen zu decken. Die Auftragsvergabe erfolgte am
9. Oktober 1975 durch den Rat der Klägerin. Im gesamten Ortsteil ... wurde das alte, aus
Holzmasten bestehende Straßenbeleuchtungsnetz abgerissen und durch
Peitschenmasten an neuen Standorten ersetzt. Die Baumaßnahme wurde von Anfang
August 1975 bis zum Februar 1976 durchgeführt; die elektrotechnische Abnahme
erfolgte am 5. Mai 1976.
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In seiner Sitzung vom 24. Juni 1976 beschloß der Rat der Klägerin u.a., für die
Erweiterung der Straßenbeleuchtung im Ortsteil ... keine Beiträge gemäß §8 KAGNW in
Verbindung mit §6 der "Satzung über die Erhebung von Beiträgen nach §8 KAG NW für
straßenbauliche Maßnahmen der Gemeinde ..." in der Fassung der Bekanntmachung
vom 5. Dezember 1975 zu erheben.
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Nach Abstimmung mit dem Beklagten beanstandete der Gemeindedirektor der Klägerin
diesen Ratsbeschluß mit Schreiben vom 14. Februar 1977. Der Rat der Klägerin
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bestätigte daraufhin seinen Beschluß in der Sitzung vom 21. April 1977.
Mit Bescheid vom 8. Juni 1977 hob der Beklagte den Ratsbeschluß vom 24. Juni 1976
im Umfang der Beanstandung mit folgender Begründung auf: Der Ratsbeschluß
verstoße gegen §1 der auf der Grundlage des §8 KAG NW erlassenen Abgabensatzung
der Klägerin. Danach erhebe die Gemeinde zum Ersatz des Aufwandes für die
Erweiterung und Verbesserung von öffentlichen Straßen, Wegen und Plätzen und als
Gegenleistung für die dadurch den Eigentümern der erschlossenen Grundstücke
erwachsenden wirtschaftlichen Vorteile Beiträge und sei nicht berechtigt, durch
Ratsbeschluß eine andere Regelung zu treffen. Der Beschluß des Rates der
ehemaligen Gemeinde ... für die Beleuchtungsmaßnahme Beiträge nicht zu erheben, sei
vor dem Inkrafttreten des neuen KAG gefaßt worden, habe nur die
haushaltswirtschaftlichen Belange dieser seinerzeit noch selbständigen Gemeinde
berücksichtigt und könne schon deshalb die Klägerin nicht binden. Dies um so weniger
als die Beitragspflicht erst mit der Fertigstellung der Beleuchtungsmaßnahme im Jahre
1976 entstanden sei. Der Beschluß des Rates der Klägerin verstoße auch gegen das in
§§62, 63 GO NW niedergelegte Gebot der Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit der
gemeindlichen Haushaltsführung sowie die Verpflichtung der Klägerin, ihre eigenen
Einnahmequellen auszuschöpfen. Denn sie sei zur Ausgleichung ihres Haushaltes auf
Zuwendungen aus dem Ausgleichsstock angewiesen.
5
Zur Begründung der am 7. Juli 1977 erhobenen Klage hat die Klägerin vorgetragen: Im
Hinblick auf die Beschlußfassung des Rates der ehemaligen Gemeinde ... sei es dem
Rat der Gemeinde ... verwehrt gewesen, rückwirkend die Erhebung von Beiträgen für
die Straßenbeleuchtungsmaßnahme zu beschließen. Daß die Beitragspflicht nach dem
KAG erst mit der endgültigen Herstellung der Anlage entstehe, sei dabei nicht von
entscheidender rechtlicher Bedeutung. Wesentlich sei vielmehr, daß in ... seinerzeit eine
funktionsfähige Straßenbeleuchtung vorhanden gewesen sei, deren Ersetzung den
Anliegern, wenn überhaupt, wirtschaftliche Vorteile allenfalls in Höhe eines Bruchteils
der Gesamtkosten gebracht habe.
6
Die Klägerin hat beantragt,
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die Verfügung des Beklagten vom 8. Juni 1977 aufzuheben.
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Der Beklagte hat unter Vertiefung der Gründe seines Aufhebungsbescheides beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Das Verwaltungsgericht hat durch das wegen seiner Gründe in Bezug genommene
angefochtene Urteil die Klage abgewiesen.
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Ihre - fristgerechte - Berufung begründet die Klägerin über ihr erstinstanzliches
Vorbringen hinaus wie folgt: Den Bürgern der früher selbständigen und finanzstarken
Gemeinde ... sei es unverständlich, daß sie nach der vollzogenen Eingliederung in die
finanzschwächere Gemeinde ... nunmehr beitragspflichtig sein sollten. Auch sei zu
berücksichtigen, daß §8 Abs. 1 Satz 1 KAG NW die Klägerin keineswegs zwingend zur
Beitragserhebung verpflichte. Zudem sei die Beitragserhebung im Sinne von §63 Abs. 2
Nr. 1 GO NW weder vertretbar noch geboten. Wenn sich die Klägerin verpflichtet gefühlt
habe, die vom Rat der früheren Gemeinde ... beschlossene Beleuchtungsverbesserung
durchzuführen, so sei sie daran gebunden, daß der Rat der Gemeinde ... beschlossen
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habe, von einer Beitragserhebung abzusehen, und dürfe die Anlieger nicht rückwirkend
schlechter stellen.
Die Klägerin beantragt,
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unter Änderung des angefochtenen Urteils dem erstinstanzlichen Klageantrag
stattzugeben.
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Der Beklagte beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Er führt aus: Im Jahre 1976 sei die Klägerin gemäß §8 KAG in Verbindung mit der
Beitragssatzung gehalten gewesen, für straßenbauliche Maßnahmen der Gemeinde
Beiträge zu erheben. Nach dem Beschluß der ehemaligen Gemeinde ..., die Anlieger
nicht heranzuziehen, und der Verwirklichung der Maßnahme im Jahre 1975/76 sei eine
Änderung in der Sach- und Rechtslage eingetreten. Nachdem der Beitragstatbestand
erfüllt worden sei, seien die Beitragspflichtigen zu veranlagen, ohne daß ein
Ratsbeschluß diese Rechtslage außer Kraft setzen könne. Da die Gemeinde ... im Jahre
1976 nicht in der Lage gewesen sei, ihren Haushalt auszugleichen, sei sie gezwungen
gewesen, alle Einnahmemöglichkeiten auszuschöpfen. Es sei nicht zu vertreten, daß
die Bürger, denen durch die Verbesserung der Straßenbeleuchtung Vorteile erwachsen
seien, finanziell geschont werden sollten, während die Allgemeinheit über den
kommunalen Ausgleichsstock die Aufwendungen übernehmen solle. Im übrigen komme
es darauf, inwieweit die Beleuchtungsverbesserung für jedes einzelne Grundstück
wirtschaftliche Vorteile gebracht habe, im Rahmen dieses Verfahrens nicht an. Die
Bewohner des Ortsteils ... würden durch die Erhebung der Beiträge auch nicht
rückwirkend schlechter gestellt als die Bewohner der Übrigen Ortslagen, die bei der
Durchführung von Straßenbaumaßnahmen zu Beitragsleistungen herangezogen
würden. Auf Grund des nach der Neugliederung geschaffenen einheitlichen Ortsrechts
seien in den übrigen Ortsteilen der Gemeinde ..., soweit beitragspflichtige Maßnahmen
durchgeführt worden seien, Beiträge erhoben worden. Den Bewohnern des Ortsteils ...
in der neuen Gemeinschaft der jetzigen Gemeinde könne nicht deshalb eine
Sonderstellung eingeräumt werden, weil die ehemals selbständige Gemeinde ...
wirtschaftlich besser gestellt gewesen sei als die Gemeinde ....
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Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der
beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.
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Entscheidungsgründe:
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Die zulässige Berufung hat keinen Erfolg.
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Die Anfechtungsklage ist zulässig. Sie ist wirksam erhoben, obwohl die für das
Klageverfahren erteilte Prozeßvollmacht von dem Bürgermeister (nicht von dem
Gemeindedirektor) der Klägerin unterzeichnet ist. Zwar überträgt §55 Abs. 1 der
Gemeindeordnung für das Land Nordrhein-Westfalen (GO NW) in der Fassung der
Bekanntmachung vom 19. Dezember 1974, GV NW 1975, S. 91, mit späteren
Änderungen, die gesetzliche Vertretung der Gemeinde dem Gemeindedirektor. Trotz
dieser Zuständigkeitsverteilung ist jedoch im vorliegenden Falle der Bürgermeister zur
Vertretung berufen, weil der Gemeindedirektor den streitigen Ratsbeschluß vom 24. Juni
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1976 gemäß §39 Abs. 2 Satz 1 GO NW beanstandet hat und er somit als Vertreter der
Gemeinde in dem gegen diese Beanstandung gerichteten Verwaltungsstreitverfahren
einem Interessenwiderstreit ausgesetzt wäre. Zur Durchsetzung seiner bereits in der
Beanstandung des Ratsbeschlusses zum Ausdruck gekommenen abweichenden
Rechtsauffassung wäre der Gemeindedirektor nämlich in den Stand gesetzt, durch
Nichterteilung bzw. -genehmigung der Prozeßvollmacht eine gerichtliche Überprüfung
der Kommunalaufsichtsmaßnahme zu verhindern bzw. zu erschweren. Da der Klägerin
aber erforderlichenfalls auch gegen den Willen des Gemeindedirektors
uneingeschränkter verwaltungsgerichtlicher Rechtsschutz im Sinne des §112 GO NW
gegen die kommunalaufsichtliche Aufhebungsanordnung offenstehen muß, ist sie in
einer solchen Fallgestaltung - anknüpfend an den bereits in §38 Abs. 2 GO NW zum
Ausdruck kommenden Rechtsgedanken - als durch den Bürgermeister ordnungsgemäß
vertreten anzusehen.
- Vgl. dazu auch Senatsurteil vom 27. April 1979 - XV A 4/78 -
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Die Klage ist nicht begründet. Die Aufhebungsverfügung des Beklagten vom 8. Juni
1977 ist nicht rechtswidrig und verletzt die Klägerin nicht in ihrem
Selbstverwaltungsrecht aus Art. 28 Abs. 2 Satz 1 des Grundgesetzes, Art. 78 Abs. 1 der
Landesverfassung.
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Nach §108 Abs. 1 Satz 1 GO NW kann die Aufsichtsbehörde - hier der gemäß §106 a
Abs. 1 GO NW zuständige Beklagte - den Gemeindedirektor anweisen, Beschlüsse des
Rates (und der Ausschüsse), die das geltende Recht verletzen, beanstanden. Sie kann
solche Beschlüsse gemäß §108 Abs. 1 Satz 2 GO NW nach vorheriger Beanstandung
durch den Gemeindedirektor und nochmaliger Beratung im Rat (oder Ausschuß)
aufheben.
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Der vom Rat der Klägerin am 24. Juni 1976 gefaßte Beschluß, für die Erweiterung der
Straßenbeleuchtungsanlage im Ortsteil ... keine Anliegerbeiträge gemäß §8 KAG NW zu
erheben, verletzte in dem bei Anwendung des §108 Abs. 1 GO NW maßgeblichen
Zeitpunkt der Beschlußfassung geltendes Recht.
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Nach §62 GO NW hat die Gemeinde ihre Haushaltswirtschaft so zu planen und zu
führen, daß die stetige Erfüllung ihrer Aufgaben gesichert ist. Die Haushaltswirtschaft ist
sparsam und wirtschaftlich zu führen. Der Haushalt soll in jedem Haushaltsjahr
ausgeglichen sein. §63 GO NW faßt die Grundsätze zusammen, nach denen die
Gemeinden die zur Erfüllung dieser allgemeinen Haushaltsgrundsätze erforderlichen
Einnahmen zu beschaffen haben. Nach §63 Abs. 1 GO NW erhebt die Gemeinde
Abgaben nach den gesetzlichen Vorschriften. Sie hat die zur Erfüllung ihrer Aufgaben
erforderlichen Einnahmen
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1. soweit vertretbar und geboten aus speziellen Entgelten für die von ihr erbrachten
Leistungen,
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2. im Übrigen aus Steuern
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zu beschaffen, soweit die sonstigen Einnahmen nicht ausreichen (Abs. 2). Sie darf
Kredite nur aufnehmen, wenn eine andere Finanzierung nicht möglich ist oder
wirtschaftlich unzweckmäßig wäre (Abs. 3). Diese zwingend festgelegte Rangfolge der
bei der Inanspruchnahme für die Erfüllung der kommunalen Aufgaben benötigten
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Deckungsmittel verpflichtet die Gemeinden dazu, die ihnen gesetzlich zugewiesenen
Abgabenquellen voll auszuschöpfen, insbesondere dazu, die ihnen eröffneten
Möglichkeiten zur Erhebung spezieller Leistungsentgelte (z.B. Gebühren und Beiträge) -
abgesehen von der sich aus "vertretbar und geboten" ergebenden Beschränkung -
vorrangig wahrzunehmen.
- Vgl. dazu Kottenberg-Rehn, Gemeindeordnung für Nordrhein-Westfalen, Kommentar,
10. Aufl., §63 Anm. II. 1.; von Loebell, Gemeindeordnung für das Land Nordrhein-
Westfalen, Kommentar, 3. Aufl., §63 Anm. 2; Rauball-Rauball, Gemeindeordnung für
Nordrhein-Westfalen, Kommentar, 2. Aufl., §63 Anm. 2 (S. 306); Scheel/Steup,
Gemeindehaushaltsrecht Nordrhein-Westfalen, Kommentar, 2. Aufl., §63 Anm. 2 (S. 62);
Senatsbeschlüsse vom 26. Juni 1979 - XV B 634/79 -, vom 29. Juni 1979 - XV B 675/79
- und vom 6. Juli 1979 - XV B 855/79 - (zur Veröffentlichung vorgesehen) -
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Die Erhebung gemeindlicher Steuern ist nur gestattet, soweit spezielle
Leistungsentgelte nicht ausreichen. Ein Verzicht auf die Erhebung spezieller Entgelte ist
also unzulässig. Der Gesetzgeber tritt damit einer Tendenz entgegen, möglichst viele
Lasten der Allgemeinheit, d.h. dem Steuerzahler, aufzuerlegen, und entspricht zugleich
der das gemeindliche Haushaltsrecht bindenden Forderung der neuen
Kommunalabgabengesetze nach der Erhebung kostendeckender Abgaben.
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- So: Depiereux, Das neue Haushaltsrecht der Gemeinden, 4. Aufl. (1974); S. 32 -
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Die Weigerung des Rates der Klägerin, für die im Ortsteil ... durchgeführte
Straßenbeleuchtungsmaßnahme keine Beiträge zu erheben, verstößt gegen die zuvor
dargestellten bindenden Grundsätze der kommunalen Einnahmebeschaffung.
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Gemäß §8 Abs. 1 Satz 1 des Kommunalabgabengesetzes für das Land Nordrhein-
Westfalen (KAG) in der maßgeblichen Fassung vom 21. Oktober 1969, GV NW S. 712,
mit späteren Änderungen, können die Gemeinden und Gemeindeverbände Beiträge
erheben. Bei den dem öffentlichen Verkehr gewidmeten Straßen, Wegen und Plätzen
sollen Beiträge erhoben werden, soweit nicht das Bundesbaugesetz anzuwenden ist
(Satz 2). Beiträge nach §8 kommen danach für Baumaßnahmen an Straßen in Betracht,
die schon einmal programmgemäß fertiggestellt waren. Gemäß §8 Abs. 2 KAG sind
Beiträge Geldleistungen, die dem Ersatz des Aufwandes für die Herstellung,
Anschaffung und Erweiterung öffentlicher Einrichtungen und Anlagen im Sinne des §4
Abs. 2, bei Straßen, Wegen und Plätzen auch für deren Verbesserung, jedoch ohne die
laufende Unterhaltung und Instandsetzung, dienen. Sie werden von den
Grundstückseigentümern als Gegenleistung dafür erhoben, daß ihnen durch die
Möglichkeit der Inanspruchnahme der Einrichtungen und Anlagen wirtschaftliche
Vorteile geboten werden. Abgaben dürfen gemäß §2 Abs. 1 Satz 1 KAG nur auf Grund
einer Satzung erhoben werden. Die Beitragspflicht entsteht mit der endgültigen
Herstellung der Einrichtung oder Anlage (§8 Abs. 7 KAG).
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Im vorliegenden Falle kommt die Soll-Vorschrift des §8 Abs. 1 Satz 2 KAG zur
Anwendung. Denn die durchgeführte Erweiterung und Verbesserung der
Straßenbeleuchtung im Ortsteil ... stellt sich nicht als Maßnahme an einer
Erschließungsanlage im Sinne von §127 Abs. 2 des Bundesbaugesetzes dar, die zur
erstmaligen programmgemäßen Herstellung dieser Straßen gehört.
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- Vgl. dazu Bauernfeind-Zimmermann, Kommunalabgabengesetz für das Land
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Nordrhein-Westfalen, Kommentar, §8 RdNr. 5 (S. 169) -
Mit der endgültigen Fertigstellung der neuen Beleuchtungsanlage im Laufe des Jahres
1976 ist die Beitragspflicht dem Grunde nach entstanden (§8 Abs. 7 Satz 1 KAG).
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Da die Klägerin unstreitig im wesentlichen Umfange kommunale Steuern erhebt und
darüber hinaus zur Deckung ihres Haushaltes Mittel aus dem Ausgleichsstock in
Anspruch nehmen muß, ist sie gemäß §63 Abs. 1 Nr. 2 GO NW verpflichtet, die ihr für
die Straßenbeleuchtungsmaßnahme erwachsenen Kosten vorrangig durch die
Erhebung von Beiträgen, nämlich das ihr insoweit zugewiesene spezielle
Leistungsentgelt zu decken. Sie hat dementsprechend auch eine Satzung über die
Erhebung von Beiträgen nach §8 KAG für straßenbauliche Maßnahmen der Gemeinde
... erlassen, die in §2 Abs. 1 Nr. 4 d) insbesondere den Aufwand für
Beleuchtungseinrichtungen als beitragsfähig erklärt.
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Die Heranziehung der Anlieger im Ortsteil ... zu Beiträgen für die Neuerstellung der
Straßenbeleuchtung ist im vorliegenden Falle auch "vertretbar und geboten" im Sinne
von §63 Abs. 2 Nr. 1 GO NW. Insbesondere kann sich die Klägerin nicht unter Berufung
auf die Belange der in diesem Ortsteil wohnenden Straßenanlieger erfolgreich darauf
berufen, daß der Rat der Gemeinde ... vor der kommunalen Neuordnung angesichts der
seinerzeit günstigen Finanzausstattung dieser Gemeinde beschlossen hat, für die
Erweiterung der Straßenbeleuchtung in diesem Ortsteil Anliegerbeiträge nicht zu
erheben. Mit der Eingliederung der Gemeinde in die "neue" Gemeinde ... hat die
finanzwirtschaftliche Kompetenz der aufgelösten Gebietskörperschaft mit der Folge ihr
Ende gefunden, daß die Klägerin nicht verpflichtet war, die vom ... Rat beschlossene
Straßenbeleuchtungsmaßnahme auszuführen.
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- Vgl. in diesem Zusammenhang Henze/Schoroth, Kommunale Neuordnung und
Überleitung der Finanzwirtschaft, in: Der Gemeindehaushalt 1972, S. 49 f (59); Giepner,
Rechtsfolgeprobleme kommunaler Gebietsreform, Diss. Münster (1974), S. 128: Mit der
Gebietsänderung werden bisherige Organisationseinheiten aufgehoben und durch
andere ersetzt. -
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Der Beschluß des Rates der aufnehmenden Gemeinde ... trotz ihrer schlechteren,
unausgeglichenen Haushaltslage die Straßenbeleuchtung in ... auszubauen, folgt aus
deren nunmehr auch auf diesen Ortsteil erstreckten eigenständigen
Selbstverwaltungsrecht. Der nach der kommunalen Neuordnung mit der Fertigstellung
der Beleuchtungsmaßnahme selbst geschaffene Beitragstatbestand verpflichtet die
Klägerin nach dem Gesetz und dem einschlägigen Ortsrecht zur Beitragserhebung. Bei
Gebietsänderungen kann eine aufnehmende Gemeinde nur solche Tatbestände nicht
mit Abgaben belegen, die bereits vor der Gebietsänderung verwirklicht waren.
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- Vgl. Bauernfeind/Zimmermann, a.a.O., Anm. 16 zu §1 -
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In der Beitragserhebung liegt - wie bereits das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt
hat - keine rückwirkende Schlechterstellung der Bewohner des Ortsteils .... Vielmehr
würden diese, wenn keine Beiträge erhoben würden, innerhalb der neuen Gemeinschaft
der Gemeinde ... besser gestellt als die Bewohner der übrigen Ortslagen dieser
Gebietskörperschaft, die nach der kommunalen Neuordnung auf der Grundlage des
geschaffenen einheitlichen Ortsrechts zu Beiträgen für seitdem durchgeführte
Straßenbaumaßnahmen herangezogen worden sind bzw. noch herangezogen werden.
43
Der Grundsatz der Abgabengerechtigkeit verbietet es aber, den Bewohnern des
Ortsteils ... in der aufnehmenden Gemeinde ... eine Sonderstellung nur deshalb
einzuräumen, weil die eingegliederte Gemeinde wegen ihrer ausgeglichenen
Haushaltssituation in der Lage gewesen wäre, die Kosten für die
Straßenbeleuchtungsmaßnahme aus eigenen Mitteln abzudecken.
- Vgl. auch Giepner, a.a.O., S. 131/132: Die Gebietsänderung begründet für das
eingegliederte Gebiet keinerlei rechtliche Sonderstellung innerhalb der aufnehmenden
Gemeinde -
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Ob die Heranziehung im jeweiligen Einzelfall auf der Grundlage der Satzung über die
Erhebung von Beiträgen nach §8 KAG für straßenbauliche Maßnahmen der Gemeinde
Blankenheim rechtmäßig ist, ist nicht in dem vorliegenden, sondern in einem etwaigen
Anfechtungsrechtsstreit gegen eine konkrete Einzelheranziehung zu beurteilen.
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Die Kostenentscheidung folgt aus §154 Abs. 2 VwGO, der Ausspruch über ihre
vorläufige Vollstreckbarkeit aus §167 VwGO, §708 Nr. 10 ZPO.
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