Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 21.12.2004

OVG NRW: hauptsache, entlastung, obsiegen, erlass, meinung, rechtsschutz, alter, strafvollzug, glaubhaftmachung, umstrukturierung

Datum:
Gericht:
Spruchkörper:
Entscheidungsart:
Tenor:
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Aktenzeichen:
Vorinstanz:
Oberverwaltungsgericht NRW, 6 B 2662/04
21.12.2004
Oberverwaltungsgericht NRW
6. Senat
Beschluss
6 B 2662/04
Verwaltungsgericht Münster, 4 L 1349/041.
Die Beschwerde wird auf Kosten des Antragstellers zurückgewiesen.
Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 2.500,-- Euro
festgesetzt.
G r ü n d e :
Die Beschwerde ist nicht begründet. Die mit ihr dargelegten Gründe (§ 146 Abs. 4 Sätze 3
und 6 der Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO -) führen nicht zum Erfolg des
Rechtsmittels.
Der im Jahre 19.. geborene Antragsteller ist seit 19.. Akademischer Oberrat. Er leistet
Dienst an der Westfälischen X-Universität X. Mit einer beim Verwaltungsgericht X unter
dem Aktenzeichen x geführten Klage wendet er sich dagegen, dass er mit Wirkung vom
00.00.00 nicht mehr wie bisher 12, sondern 13 wöchentliche Lehrveranstaltungsstunden zu
je mindestens 45 Minuten Dauer (laut Anordnung des Dekans des Fachbereichs
Psychologie und Sportwissenschaft vom 00.00.00 im Wintersemester 200./0. "im Vorgriff"
14 wöchentliche Lehrveranstaltungsstunden) abhalten und außerdem in vermehrtem
Umfang Verwaltungsaufgaben wahrnehmen soll. Nach Auffassung des Antragsgegners ist
ihm beides innerhalb der seit dem 00.00.00 für Beamte, die das 60. Lebensjahr vollendet
haben, geltenden wöchentlichen Arbeitszeit von regelmäßig 39 Stunden möglich. Im
vorliegenden Verfahren erstrebt der Antragsteller, den Antragsgegner im Wege der
einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihn bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die
Klage mit wöchentlich höchstens 12 Lehrveranstaltungsstunden einzusetzen und für die
von ihm im Einzelnen bezeichneten zusätzlichen Verwaltungsaufgaben nicht einzusetzen.
Das Verwaltungsgericht hat den Anordnungsantrag als auf eine unzulässige
Vorwegnahme der Hauptsache gerichtet abgelehnt.
Der Antragsteller macht geltend: Er verfolge keine Vorwegnahme der Hauptsache. Eine
Verringerung seiner dienstlichen Aufgaben bis zum Abschluss des Klageverfahrens könne
zwar nicht wieder rückgängig gemacht werden. Das bedeute jedoch keine faktisch
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endgültige Regelung, die laut dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 31.
März 2003 - 2 BvR 1779/02 -, Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht 2003, 1112,
Voraussetzung für die Annahme einer Vorwegnahme der Hauptsache sei. Etwas anderes
verstoße auch gegen das Gebot der Gewährung effektiven Rechtsschutzes; er stehe kurz
vor dem Eintritt in den Ruhestand. Vor diesem Hintergrund habe sich das
Verwaltungsgericht auch nicht auf eine summarische Prüfung beschränken dürfen. Die
Erhöhung der Lehrverpflichtung von 12 auf 13 Wochenstunden sei Folge der Erhöhung der
regelmäßigen Arbeitszeit für Beamte seit dem Jahresbeginn 2004. Bei einem
rechnerischen Vergleich mit der bis dahin geltenden regelmäßigen Arbeitszeit von 38,5
Wochenstunden - die er für die Wahrnehmung seiner dienstlichen Aufgaben in dem damals
noch geringeren Umfang auch benötigt habe - ergebe sich, dass seine wöchentliche
Arbeitszeit bezüglich der Lehrveranstaltungen um 1 Stunde und 45 Minuten erhöht worden
sei. Unter Hinzunahme der ihm übertragenen weiteren Verwaltungsaufgaben entspreche
das der nunmehr geltenden Wochenarbeitszeit von 41 Stunden für Beamte, die anders als
er das 60. Lebensjahr noch nicht vollendet hätten. Offensichtlich werde er bezüglich der
wöchentlichen Arbeitszeit unzulässigerweise so gestellt wie diese jüngeren Beamten.
Daraus geht nicht hervor, dass das Verwaltungsgericht dem Antrag auf Erlass einer
einstweiligen Anordnung hätte stattgeben müssen.
Das Verwaltungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass der Antragsteller eine
Vorwegnahme der Hauptsache (eines für ihn positiven Ausgangs des Klageverfahrens)
erstrebt. Er will mit der einstweiligen Entlastung von dienstlichen Aufgaben sofort das
durchsetzen, was er bei einem Obsiegen in dem Klageverfahren erreichen könnte. Das
käme faktisch einer endgültigen Regelung gleich. Eine Rückgängigmachung der
Entlastung (nach einem für den Antragsteller negativen Ausgang des Klageverfahrens)
würde nichts daran ändern, dass die Entlastung ihm bis dahin zugute gekommen wäre. Sie
wäre - anders als bei der vorläufigen Aussetzung einer Anordnung der getrennten
Unterbringung im Strafvollzug, um die es in dem vom Antragsteller angeführten Beschluss
des Bundesverfassungsgerichts vom 31. März 2003, a.a.O., ging - nicht reversibel; ein
"Nachholen" wäre (unabhängig von einem baldigen Eintritt des Antragstellers in den
Ruhestand) nicht möglich.
Unter diesen Umständen verstößt es nicht gegen das Gebot eines effektiven
Rechtsschutzes, die Zulässigkeit des Anordnungsverfahrens davon abhängig zu machen,
dass ein wirksamer Rechtsschutz im Hauptsacheverfahren nicht zu erreichen ist, dem
Antragsteller ohne den Erlass der einstweiligen Anordnung schlechthin unzumutbare
Nachteile drohen und er im Hauptsacheverfahren voraussichtlich obsiegen wird.
Ständige Rechtsprechung, vgl. zuletzt Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-
Westfalen, Beschluss vom 2. September 2004
- 6 B 1841/04 -, m.w.N.
Ersteres dürfte zwar zu bejahen sein. Bereits das Vorliegen der zweiten Voraussetzung ist
jedoch nicht dargelegt; das Verwaltungsgericht hat verneint, dass dem Antragsteller, falls er
nicht sofort lediglich 12 anstatt 13 Lehrveranstaltungsstunden in der Woche anbietet und
auf seine bisherigen Verwaltungsaufgaben beschränkt bleibt, schlechthin unzumutbare
Nachteile drohen. Den diesbezüglichen Argumenten des Verwaltungsgerichts ist der
Antragsteller nicht substantiiert entgegengetreten. Er verweist allein darauf, seiner Meinung
nach habe der Dienstherr bei ihm offensichtlich die für Beamte im Alter von über 60 Jahren
seit dem 00.00.00 geltende Begrenzung der wöchentlichen Arbeitszeit negiert. Das reicht
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auch unter Berücksichtigung eines alsbaldigen Eintritts des Antragstellers in den
Ruhestand im vorliegenden Zusammenhang nicht aus.
Ergänzend weist der Senat darauf hin, dass der Antragsteller nach dem gegenwärtigen
Sachstand auch nicht voraussichtlich im Klageverfahren obsiegen wird (was zugleich der
Glaubhaftmachung eines Anordnungsanspruchs entgegensteht). Dass die dem
Antragsteller für das Wintersemester 200./0. abverlangten dienstlichen Aufgaben ihn in der
Woche regelmäßig mehr als 39 Stunden beanspruchen, ist allein mit dem Hinweis auf
deren Vermehrung nicht dargelegt. Hierzu hat das Verwaltungsgericht ausgeführt, eine
Überbeanspruchung sei, zumal der Antragsteller über eine jahrzehntelange (die
Vorbereitung der Lehrveranstaltungen erleichternde) Lehrerfahrung verfüge und einige
Lehrveranstaltungen doppelt anbiete, nicht überwiegend wahrscheinlich. Darauf ist der
Antragsteller nicht eingegangen. Sein pauschales Vorbringen, bereits der bisherige
Umfang seiner dienstlichen Aufgaben habe ihn bei einer regelmäßigen wöchentlichen
Arbeitszeit von 38,5 Stunden voll in Anspruch genommen, besagt noch nicht, dass er -
erforderlichenfalls nach einer gewissen Umstrukturierung seiner Arbeitsschwerpunkte - die
ihm nunmehr zugewiesenen dienstlichen Aufgaben nicht in regelmäßig 39
Wochenarbeitsstunden erledigen kann.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf §§ 53
Abs. 3 Nr. 1, 52 Abs. 2 des Gerichtskostengesetzes in der seit dem 1. Juli 2004 geltenden
Fassung.