Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 11.05.2005

OVG NRW: rechtliches gehör, behinderung, urteilsbegründung, gewerkschaft, vertretung, kritik, aufklärungspflicht, rüge, ermessensfehlgebrauch, datum

Datum:
Gericht:
Spruchkörper:
Entscheidungsart:
Tenor:
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Aktenzeichen:
Vorinstanz:
Oberverwaltungsgericht NRW, 12 A 4928/04
11.05.2005
Oberverwaltungsgericht NRW
12. Senat
Beschluss
12 A 4928/04
Verwaltungsgericht Münster, 9 K 1056/02
Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
Der Kläger trägt die Kosten des gerichtskostenfreien
Zulassungsverfahrens.
G r ü n d e :
Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Die geltend gemachten
Zulassungsgründe greifen nicht durch.
1. Das Zulassungsvorbringen begründet keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des
erstinstanzlichen Urteils im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Die
entscheidungstragende Annahme des Verwaltungsgerichtes, es könne nicht davon
ausgegangen werden, dass der Kläger im fraglichen Zeitraum in seiner Teilhabe am Leben
in der Gemeinschaft beeinträchtigt war (seelische Behinderung) oder eine solche
Beeinträchtigung zu erwarten war (Drohen einer seelischen Behinderung), wird mit den
Ausführungen in der Zulassungsschrift vom 30. Dezember 2004 nicht erschüttert.
Ausweislich Tatbestand und Urteilsbegründung ist das Verwaltungsgericht unter
ausdrücklicher Würdigung auch des diesbezüglichen Klägervortrags zu seinem Ergebnis
gelangt. Mit dem Zulassungsantrag wird das damalige Vorbringen des Klägers in der
Sache dem Sinne nach lediglich wiederholt; es wird inhaltlich nicht angereichert, und es
werden keine neuen Umstände mit indiziellem Charakter oder Belege unterbreitet, die die
Frage des Vorliegens oder des Drohens einer seelischen Behinderung zu Gunsten des
Klägers in einem anderen Licht erscheinen lassen. Namentlich soweit der Kläger eine
weitere Aufklärung angemahnt hat, besagt das nichts darüber, wie das Ergebnis
zusätzlicher Ermittlungen aussehen würde. Die Entscheidung, ob zur Frage der seelischen
Behinderung über die vorhandenen fachlichen Stellungnahmen hinaus ein weiteres
Gutachten eingeholt wird, stand im übrigen gemäß § 98 VwGO i.V.m. §§ 404, 412 ZPO im
Ermessen des Verwaltungsgerichtes, es sei denn, die Notwendigkeit einer weiteren
Beweiserhebung hätte sich ihm aufdrängen müssen.
Vgl. etwa BVerwG, Beschluss vom 30. September 2004 - 9 B 46.04 -, Juris m. w. N..
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Dass sich seinerzeit nach Maßgabe der Erwägungen des Verwaltungsgerichts eine
ergänzende Sachaufklärung aufdrängte, hat der Kläger aber ebenso wenig wie einen
Ermessensfehlgebrauch substantiiert dargetan.
Die Berufung kann auch nicht nach § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO wegen einer Verletzung des
grundgesetzlich gestützten Anspruchs auf rechtliches Gehör zugelassen werden. Die
sinngemäß erhobene Rüge, das Verwaltungsgericht habe seinen Kenntnisnahmepflichten
nicht genügt, greift nicht durch. Das Gebot des rechtlichen Gehörs verpflichtet das Gericht,
die Ausführungen der Verfahrensbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu
ziehen. Allerdings muss das Gericht in den Entscheidungsgründen das Vorbringen der
Verfahrensbeteiligten nicht in allen Einzelheiten würdigen. Deshalb müssen, soll eine
Versagung des rechtlichen Gehörs festgestellt werden, im Einzelfall besondere Umstände
deutlich machen, dass das Vorbringen eines Beteiligten entweder überhaupt nicht zur
Kenntnis genommen oder doch bei der Entscheidung nicht erwogen worden ist.
Vgl. BVerwG, Beschluss vom 1. Oktober 1993 - 6 P 7.91 -, NVwZ-RR 1994, 298.
Ausgehend von diesen Maßstäben zeigt der Kläger eine Verletzung des Anspruchs auf
rechtliches Gehör nicht auf. Dazu reicht es insbesondere nicht aus, wenn der Kläger
geltend macht, das Verwaltungsgericht hätte zusätzliches Entscheidungsmaterial ermitteln
müssen.
Insoweit kann sich der Kläger auch nicht auf eine Verletzung des
Amtsermittlungsgrundsatzes aus § 86 Abs. 1 Satz 1 VwGO als Verfahrensmangel i.S.v. §
124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO berufen. Eine Verletzung der Aufklärungspflicht liegt nur vor, wenn
sich - anders als hier (s.o.) - die weitere Sachverhaltsermittlung oder Beweiserhebung hätte
aufdrängen müssen bzw. geboten gewesen wäre.
Vgl. etwa Seibert in Sodan/Ziekow, VwGO, Stand Januar 2003, § 124 Rdnr. 236 m.w.N.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts verletzt ein Gericht
seine Pflicht zur erschöpfenden Aufklärung des Sachverhaltes zudem grundsätzlich dann
nicht, wenn es von einer Beweiserhebung absieht, die eine durch einen Rechtsanwalt
vertretene Partei nicht förmlich beantragt hat.
Vgl. etwa BVerwG, Urteil vom 25. Februar 1993 - 2 C 14.91 -, DVBl. 1993, 955.
Bei einer Vertretung durch die sachkundigen Rechtssekretäre der Gewerkschaft kann
nichts anderes gelten.
Soweit der Kläger ferner die dem Beklagten seitens des Verwaltungsgerichtes zuerkannte
Antragsbearbeitungszeit rügt, vermag der Senat von vornherein nicht zu erkennen,
inwieweit es sich dabei um einen relevanten Mangel des erstinstanzlichen
Gerichtsverfahrens handeln soll. Ungeachtet dessen kommt es für das vom
Verwaltungsgericht gefundene Ergebnis nicht darauf an, wie viel Zeit dem Beklagten zur
Bearbeitung des Antrags zuzubilligen war.
Letztlich scheitert der Kläger auch insoweit, als er geltend macht, im Urteil finde sich an
keiner Stelle eine Kritik an Ablauf und Ergebnis des Verwaltungsverfahrens und damit
sinngemäß eine Begründungsrüge erhebt. Nicht mit Gründen versehen im Sinne des § 138
Nr. 6 VwGO ist eine Entscheidung nur dann, wenn sie so mangelhaft begründet ist, dass
die Entscheidungsgründe ihre Funktion nicht mehr erfüllen können, die Beteiligten über die
dem Urteil zugrunde liegenden rechtlichen und tatsächlichen Erwägungen zu unterrichten
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und dem Rechtsmittelgericht die Nachprüfung der Entscheidung auf ihre inhaltliche
Richtigkeit zu ermöglichen. Dass die detaillierte Urteilsbegründung diesen Anforderungen
genügt, unterliegt keinerlei Zweifel. Gegenteiliges hat der Kläger allenfalls dem
Widerspruchsbescheid, nicht aber der erstinstanzlichen Gerichtsentscheidung entgegen
gehalten. Ein Begründungsmangel liegt zudem selbst dann nicht vor, wenn die Gründe -
anders als die sorgfältige Argumentation des Verwaltungsgerichts hier - lediglich nicht
überzeugen, nur oberflächlich, sachlich unvollständig, unrichtig und oder sonst fehlerhaft
sein sollten.
Vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 25. Februar 2000 - 9 B 77.00 -, Buchholz 402.240 § 53
AuslG Nr. 31, und vom 4. Dezember 1998 - 8 B 187.98 -, NVwZ- RR 2000, 257.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 2, 188 Satz 2 VwGO.
Mit diesem Beschluss, der nach § 152 Abs. 1 VwGO unanfechtbar ist, wird das
angefochtene Urteil des Verwaltungsgerichts Münster rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4
VwGO).