Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 30.05.1996

OVG NRW (öffentliche sicherheit, gefahr, grundwasser, vertrag, gemeinde, produktion, bezug, obg, verantwortlichkeit, boden)

Oberverwaltungsgericht NRW, 20 A 2640/94
Datum:
30.05.1996
Gericht:
Oberverwaltungsgericht NRW
Spruchkörper:
20. Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
20 A 2640/94
Vorinstanz:
Verwaltungsgericht Köln, 14 K 6068/92
Tenor:
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte
darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in
Höhe des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin
vor der Vollstreckung Sicherheit in entsprechender Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
1
Der Beklagte nimmt die Klägerin wegen Grundwasser- und Bodenverunreinigungen im
Bereich der Waldsiedlung in M. -T. in Anspruch.
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Die Waldsiedlung ist auf dem ca. 80 ha großen Gelände eines früheren
Sprengstoffwerkes in der ehemals selbständigen Gemeinde T. errichtet. Der 1887
genehmigte Betrieb zur Herstellung von Bergwerkssprengstoffen wurde 1890 von der
Sprengstoff Aktiengesellschaft D. (D. AG) übernommen, die spätestens ab 1905
zusätzlich militärische Sprengstoffe produzierte. Die Rüstungsproduktion, die auch die
Herstellung von Munition umfaßte, wurde bis 1918 erheblich gesteigert und nach dem
Waffenstillstand eingestellt. Bis 1920 wurde Munition delaboriert. Die Herstellung der
gewerblichen Sprengstoffe wurde 1926 beendet. Anschließend wurden die
betrieblichen Anlagen demontiert und beseitigt. 1934 veräußerte die D. AG das Gelände
an eine Siedlungsgesellschaft. In der Folgezeit wurde das Gebiet in mehreren
Bauabschnitten bis Anfang der 60er Jahre hauptsächlich mit Wohnhäusern bebaut. Zu
der Siedlung gehören inzwischen etwa 900 Häuser; durch Bebauungsplan der Stadt M.
ist das Gebiet überwiegend als reines Wohngebiet ausgewiesen.
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Das bei der Herstellung und Verarbeitung der Sprengstoffe anfallende Abwasser wurde
nach Vorreinigung zunächst auf dem Werksgelände versickert. Im Zusammenhang mit
dem Verkauf einer Kiesgrube an die D. AG beschloß der Rat der Gemeinde T. im Jahre
1914, die in die Grube einzuleitenden Abwässer seien zuvor zu reinigen; sollten die
Brunnen des gemeindlichen Wasserwerkes durch Abwässer geschädigt werden, habe
die D. AG die Gemeinde schadlos zu halten. Im Oktober 1915 faßte der Gemeinderat
aufgrund eines Gutachtens zur Qualität des geförderten Wassers den Beschluß, das
Wasserwerk zu schließen, weil das Wasser gesundheitsschädlich sei. Das Wasserwerk
wurde daraufhin außer Betrieb gesetzt. Die Gemeinde nahm hinsichtlich der
Wasserversorgung Verhandlungen auf mit der D. AG sowie der E. -Actien- Gesellschaft
vormals B. O. & Co (E. AG), die auf dem dem Carbonitwerk westlich benachbarten
Gelände ebenfalls eine Sprengstoffabrik mit Abwasserversickerung betrieb. Nachdem
sich infolge der gestiegenen Produktion die anfallenden Abwassermengen stark erhöht
hatten, beabsichtigten die D. AG und die E. AG ab 1916, das Abwasser mittels eines
Kanals in den Rhein abzuleiten. Die Königliche Landesanstalt für Wasserhygiene hielt
in einem Gutachten vom 15. Januar 1918 eine nachteilige Beeinflussung des Rheins
durch das u.a. säurehaltige Abwasser im Hinblick auf die sich einstellende Verdünnung
für ausgeschlossen. Mit Vertrag vom 14. August 1918 verpflichteten sich die D. AG und
die E. AG gegenüber der Gemeinde T. zur Erbringung einer Entschädigungszahlung
wegen der Nichtbenutzung des Wasserwerkes (§ 1), zur Finanzierung eines neuen
Wasserwerkes (§ 2) sowie zur kostenlosen Lieferung von bis zu 1.440 m3 Wasser/Tag
bis zur Inbetriebnahme des neuen Wasserwerks (§ 4). Außerdem waren der Gemeinde
neben den Kosten eines Beweissicherungsverfahrens die Aufwendungen für den
erstellten Anschluß an das Wasserwerk der D. AG zu erstatten (§ 11). Die Gemeinde
erklärte, aus der Verunreinigung des Wassers weitere Ansprüche gegen die Fabriken
nicht herleiten zu wollen, auf etwaige Ansprüche vielmehr zu verzichten (§ 12). Die
Fabriken sagten zu, hinsichtlich der Behandlung der Abwässer alle
gewerbepolizeilichen, landespolizeilichen und wasserrechtlichen Vorschriften zu
erfüllen und nach der schnellstmöglichen Fertigstellung des Abwasserkanals zum
Rhein keine Abwässer oder Stoffe in den Boden einzuleiten, die den Boden oder das
Grundwasser verunreinigen könnten (§ 13). Des weiteren regelt der Vertrag den An-
bzw. Verkauf von Grundstücken.
4
Mit Wirkung vom 26. Juli 1935 übertrug die D. AG ihr Vermögen einschließlich der
Schulden unter Ausschluß der Liquidation auf die zum Konzern der I.G. Farbenindustrie
AG gehörende E. AG, mit der sie bis dahin durch einen Beherrschungsvertrag
verbunden gewesen war. Nach dem 2. Weltkrieg war die E. AG von den
besatzungsrechtlichen Maßnahmen zur Entflechtung der I.G. Farbenindustrie AG
betroffen. Die hiermit verbundenen Verbote, Beschränkungen und Kontrollen wurden
1953 aufgehoben. 1959 wurde die E. AG durch Übertragung sämtlicher Aktiva und
Passiva auf die neu gegründete Aktiengesellschaft für Kunststoffwerte unter Ausschluß
der Abwicklung umgewandelt; die Firma dieser Gesellschaft wurde geändert in E. O.
AG. Mit Wirkung zum 1. Januar 1988 übertrug die E. O. AG ihre Unternehmensbereiche
Sprengmittel und Kunststofformteile auf die G. O. AG, die diese Bereiche zeitgleich in
ihre Tochtergesellschaft E. O. S. AG einbrachte. Die Aktien der E. O. AG übernahmen
die I. AG und die J. GmbH, die die Gesellschaft mit den verbliebenen
Unternehmenssparten Chemie und Kunststoffe unter der Firma I. U. AG fortgeführt
haben; inzwischen trägt die Gesellschaft die Firma Kunststoffe N. AG. Die E. O. S. AG,
die auf die 1949 gegründete Deutsche K. GmbH, S. , zurückgeht, wurde in E. O. AG
(neu) umfirmiert.
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Der vertraglich vereinbarte Bau eines neuen Wasserwerkes unterblieb. Hingegen
lieferte die E. AG entsprechend dem Vertrag Wasser. In Ablösung des Vertrages und
eines Ergänzungsvertrages aus dem Jahre 1922 vereinbarten die E. AG und die Stadt
M. unter dem 1./4. Juni 1956 die Lieferung einer erhöhten Wassermenge. An die Stelle
dieses Vertrages trat der Vertrag vom 3./16. September 1963, der eine weitere
Steigerung der Wasserlieferung vorsah und aufgrund der Lieferpflichten laut Vertrag
vom 14. August 1918 bis Juni 1986 für 2.000 m3 Wasser/Tag einen Preisvorteil
einräumte. Inzwischen ist die Wasserlieferung durch Vertrag vom 10./17. August 1984
geregelt.
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Seit 1981 stufte der Beklagte das Werksgelände als Altlastenverdachtsfläche ein. Ab
Herbst 1988 untersuchte er im Bereich der Waldsiedlung das Grundwasser auf
Schadstoffparameter mit Bezug zur Sprengstoffproduktion. Die Untersuchungen
ergaben Belastungen des Grundwassers durch Nitroaromaten (Nitrotoluole und
Nitrobenzole); der Gehalt an 2, 4, 6-Trinitrotoluol (TNT) belief sich in dem
Grundwasserpegel an der T. straße (Pegel 92), der im Bereich einer städtischen
Grünanlage mit Kinderspielplatz eingerichtet ist, auf bis zu 1,821 mg/l. Der Beklagte ließ
daher durch die Planungsgesellschaft und mbH (PGBU) eine historisch- deskriptive
Erstbewertung der Örtlichkeit vornehmen. In ihrem Bericht vom 4. Mai 1990 arbeitete die
PGBU anhand von Archivunterlagen die Lage der Werksanlagen der früheren D. AG
und deren betriebliche Abläufe auf; hiernach befanden sich an der T. straße
Produktionsanlagen für TNT. Die PGBU gelangte zu dem Ergebnis, das
Untersuchungsgebiet stelle einen Standort mit potentiell weitreichenden Boden- und
Grundwasserbelastungen dar. Wegen der Wohnbebauung und der damit verbundenen
intensiven Freiflächennutzung sei das Gefährdungspotential besonders hoch. Das
Waschhaus der TNT- Abteilung sei einer der potentiellen Kontaminationsschwerpunkte.
Daraufhin verfügte der Beklagte für die Waldsiedlung das Verbot der
Grundwasserförderung und -nutzung.
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Nach Einholung einer Stellungnahme des Bundesgesundheitsamtes zur
Gefährdungswirkung von Nitrotoluolen und nach vorheriger Anhörung forderte der
Beklagte die Klägerin durch Ordnungsverfügung vom 18. Juli 1991, zugestellt am 29.
Juli 1991, auf, in einer in einem Lageplan präzisierten, etwa 7.000 m2 großen Fläche an
der T. straße innerhalb von zehn Wochen nach Zugang drei Grundwassermeßstellen
einzurichten, dreizehn Rammkernsondierungen niederzubringen, näher bezeichnete
Grundwasser- und Bodenproben zu nehmen und zu untersuchen sowie einen Gutachter
mit der Auswertung der Untersuchungsergebnisse und der Erstellung eines Konzeptes
der erforderlichen Folgemaßnahmen zu beauftragen. Der Beklagte ordnete die sofortige
Vollziehung der Ordnungsverfügung an und drohte der Klägerin die Ersatzvornahme an,
sofern nicht binnen acht Wochen nach Zustellung mit den angeordneten Maßnahmen
begonnen werde; die voraussichtlichen Kosten der Ersatzvornahme bezifferte der
Beklagte auf 129.900,-- DM. Zur Begründung gab der Beklagte an, das Grundwasser sei
an der Meßstelle 92, in deren Nähe sich ein Schwerpunkt der Verunreinigung befinde,
sehr hoch belastet. Das stelle eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit dar. Das
toxikologische Gefährdungspotential von Nitrotoluolen bestehe in nachgewiesener
Mutagenität und möglicher Humankarzinogenität. Daher müsse die Quelle der
Grundwasserverunreinigung ermittelt werden, um den Grundwasserschaden beseitigen
zu können. Die angeordneten Maßnahmen seien Teil der Gefahrenabwehr und nach Art
sowie Umfang erforderlich. Die Klägerin sei als Gesamtrechtsnachfolgerin der D. AG in
deren abstrakte Polizeipflicht eingetreten. Hieran ändere die Ausgliederung der Sparte
Sprengmittel nichts. Die D. AG sei im Sinne des § 17 des Ordnungsbehördengesetzes
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(OBG) verhaltensverantwortlich gewesen. Der Grundwasserschaden sei auf ihren
Betrieb zurückzuführen. Auch ein pflichtwidriges Verhalten der D. AG sei anzunehmen.
Zumindest sei ihr das Risiko der Verunreinigung zuzurechnen, weil es sich um eine
typische Folge des Betriebes handele; der Eintrag von Schadstoffen in den Boden sei
bei der gesamten Herstellung, der Abwasserbeseitigung und den zahlreichen Störfällen
zwangsläufig gewesen. Der Verbleib von Produktionsrückständen auf dem
Werksgelände sei von etwaigen gewerberechtlichen Genehmigungen nicht mitumfaßt.
Gründe für eine Einschränkung der Verantwortlichkeit seien nicht gegeben. Eine
Heranziehung der Grundstückseigentümer, die möglicherweise die
Zustandsverantwortlichkeit treffe, lasse eine erhebliche Erschwerung der Durchführung
der Maßnahmen befürchten. Umstände, die für eine vorrangige Inanspruchnahme von
Zustandsstörern sprechen könnten, lägen nicht vor, zumal die Klägerin unter
Umständen bei der E. O. AG Regreß nehmen könne.
Die Klägerin machte mit ihrem am 19. August 1991 eingelegten Widerspruch geltend,
sie sei nicht Rechtsnachfolgerin in eine Polizeipflichtigkeit der D. AG. Die D. AG sei in
bezug auf die Verunreinigungen, die maßgeblich während der
Kriegsrüstungsproduktion in der Zeit des 1. Weltkrieges angefallen seien, nicht
polizeipflichtig gewesen, sondern habe als weisungsabhängiges Werkzeug des
Deutschen Reiches gehandelt. Die Produktion sei auf Befehl im Rahmen der
Zwangsbewirtschaftung erfolgt. Die kriegsrechtlich angeordnete massive Steigerung der
Produktion schließe eine gleichzeitige polizeirechtliche Verantwortlichkeit aus. Sie - die
Klägerin - sei außerdem nicht Gesamtrechtsnachfolgerin der D. AG. Die
handelsrechtlichen Voraussetzungen für eine Gesamtrechtsnachfolge durch
Verschmelzung im Jahre 1935 seien nicht erfüllt gewesen. Ferner gehe eine nicht durch
Ordnungsverfügung konkretisierte Polizeipflicht allenfalls unter besonderen Umständen,
die nicht gegeben seien, auf einen Gesamtrechtsnachfolger über. Die bei einer
Gesamtrechtsnachfolge in zivilrechtlicher Hinsicht eintretende Verjährung sei auch
öffentlich-rechtlich zu beachten. Jedenfalls sei eine Inanspruchnahme aus
Ermessensgründen ausgeschlossen. Die wasserwirtschaftliche Gefährlichkeit von TNT
sei im Produktionszeitpunkt nicht erkennbar gewesen. Im übrigen seien die
angeordneten Maßnahmen nicht erforderlich, ungeeignet und unverhältnismäßig.
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Weil die Klägerin der Ordnungsverfügung nicht nachkam, setzte der Beklagte mit
Bescheid vom 25. September 1991, zugestellt am 30. September 1991, die
Ersatzvornahme fest und forderte die Klägerin zur Zahlung von 129.900,-- DM auf.
Hiergegen legte die Klägerin am 30. Oktober 1991 Widerspruch ein.
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Noch im Oktober 1991 beauftragte der Beklagte die PGBU mit der Durchführung der
angeordneten Maßnahmen. Nach dem hierüber erstellten Gutachten der P vom 5. Juni
1992 waren sowohl die Bodenproben als auch die Grundwasserproben zum Teil
deutlich mit Nitroaromaten - vornehmlich 2, 4, 6-TNT - belastet. Es sei als gesichert
anzusehen, daß die Belastung des Grundwassers aus der Belastung des Bodens im
Bereich des ehemaligen TNT- Waschhauses herrühre. Wegen der
gesundheitsgefährdenden Wirkung von Nitroaromaten sei jede Konzentration oberhalb
der Nachweisgrenzen als kritisch zu betrachten. Zur Unterbindung des weiteren
Schadstoffeintrags in das Grundwasser würden Sicherungs- und
Sanierungsmaßnahmen empfohlen.
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Außerdem nahm die P im Auftrag des Beklagten für das Werksgelände eine
Gefährdungsabschätzung anhand weiterer Archivmaterialien sowie Boden- und
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Grundwasseruntersuchungen vor, die großflächige Verunreinigungen u.a. mit
Nitroaromaten ergaben. In ihrem Gutachten vom 31. Oktober 1992 bewertete die PGBU
die Grundwasserbelastung als Folge der Bodenverunreinigung und als sehr hoch; die
Nitroaromaten im Boden könnten langfristig in das Grundwasser mobilisiert werden.
Der Regierungspräsident L. wies die Widersprüche der Klägerin mit Bescheid vom 4.
September 1992, zugestellt am 8. September 1992, zurück. Die D. AG sei trotz der
Kriegszwangswirtschaft nicht von ihrer Verantwortung für die
Grundwasserverunreinigung freigestellt worden. Die Klägerin sei
Gesamtrechtsnachfolgerin der D. AG und in deren Polizeipflichtigkeit eingetreten. Ziel
der Ordnungsverfügung sei es, die Quelle einer an einer bestimmten Stelle
vorhandenen Grundwasserverunreinigung festzustellen. Dagegen handele es sich nicht
um die willkürliche Forderung einer Einzeluntersuchung aus einem
Gesamtuntersuchungsprogramm.
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Am 7. Oktober 1992 hat die Klägerin Klage erhoben. Zur Begründung hat sie
vorgetragen, die D. AG sei nach dem anzuwendenden damaligen Recht nicht
polizeipflichtig gewesen. Während des 1. Weltkriegs sei eine quantitativ und qualitativ
neue Stufe der Produktion erreicht worden. Dies sei im Rahmen der
Kriegszwangswirtschaft geschehen. Die D. AG habe für eigene Willensentscheidungen
gegenüber den ihr auferlegten Pflichten keinen Spielraum besessen. Dem Kriegsrecht
sei Vorrang vor dem Polizeirecht zugekommen. Verunreinigungen seien zwangsläufige
Folge der befohlenen Art und Weise der Produktion gewesen. Daher hafte das
Deutsche Reich bzw. dessen Nachfolgerin, die Bundesrepublik Deutschland, als
Verhaltensstörer. Verunreinigungen außerhalb der Kriegsproduktionsphase seien vom
Beklagten nicht ermittelt und nicht bewiesen worden; diesbezüglich hätte der Beklagte
den Sachverhalt weiter aufklären müssen. Eine Gesamtrechtsnachfolge im Wege der
gesellschaftsrechtlichen Umwandlung habe 1935 nicht stattgefunden. Durch das
Besatzungsrecht über die Aufspaltung der I.G. Farbenindustrie AG sei die E. AG
enteignet, aufgelöst und 1953 als eine mit der früheren E. AG nicht identische,
wenngleich namensgleiche Nachfolgegesellschaft neu gegründet worden. Es sei
verfassungsrechtlich geboten, mit Blick auf die allgemeinen Verjährungsbestimmungen
an derart lange zurückliegende Vorgänge keine polizeirechtliche Inanspruchnahme zu
knüpfen, die ohnehin nur wertend festgestellt werden könne. Die Annahme einer
polizeirechtlichen Rechtsnachfolge verstoße bezogen auf das Jahr 1935 gegen das
verfassungsrechtliche Rückwirkungsverbot. Der Vertrag vom 14. August 1918 sei
öffentlich-rechtlicher Natur und enthalte eine abschließende Regelung hinsichtlich der
Verunreinigungen; daher entfalte er eine Sperrwirkung hinsichtlich der Heranziehung.
Der Beklagte habe sein Ermessen hinsichtlich der Störerauswahl nicht ordnungsgemäß
ausgeübt. Die in Frage kommenden Störer habe er nicht sämtlich berücksichtigt. Neben
der Haftung der E. O. AG (neu) habe er insbesondere seine maßgebliche Verantwortung
für das Vorhandensein der Waldsiedlung, die in Kenntnis der potentiellen Gefahren
baurechtlich zugelassen worden sei, verkannt. Sie - die Klägerin - befinde sich auch
wegen der Ausgliederung der Sparte Sprengstoffe in einer Opferposition. Letztlich gehe
es dem Beklagten um Gefahren für die Wohnbevölkerung, wie anhand der Vielzahl der
im übrigen ergangenen Ordnungsverfügungen in bezug auf die Sanierung der
Waldsiedlung und der gutachterlichen Einschätzung der PGBU deutlich werde. Eine
isolierte Grundwassersanierung komme nicht in Betracht und werde vom Beklagten, der
ein am Gesundheitsschutz der Bewohner der Siedlung ausgerichtetes
Sanierungskonzept verfolge, nicht erstrebt. Daher sei eine einheitliche Bewertung unter
Einbeziehung der zum Schutz der Bevölkerung ergangenen Ordnungsverfügungen
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angezeigt. Die Zustandsstörer seien vorrangig in Anspruch zu nehmen.
Die Klägerin hat beantragt,
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die Bescheide des Beklagten vom 18. Juli 1991 und 25. September 1991 in der
Fassung des Widerspruchsbescheides vom 4. September 1992 aufzuheben.
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Der Beklagte hat beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Er hat vorgetragen, das Verhalten der D. AG habe gegen die öffentliche Sicherheit im
Sinne des § 10 II 17 des preußischen Allgemeinen Landrechts (ALR) verstoßen.
Anhaltspunkte für eine Befreiung der D. AG von ihrer polizeirechtlichen
Verantwortlichkeit hinsichtlich der Rüstungsproduktion lägen nicht vor; eine
zwangsweise Verpflichtung zur Produktion sei nicht ersichtlich. Vorgaben des
Deutschen Reichs in bezug auf die Entsorgung der Produktionsrückstände seien nicht
belegt. Das Reich sei lediglich Besteller der Rüstungsgüter gewesen. Die
Verunreinigungen seien nicht unvermeidbar gewesen. Die E. AG sei 1935 im Wege der
Umwandlung der D. AG deren Gesamtrechtsnachfolgerin geworden und habe ihre
Rechtspersönlichkeit nicht durch die Zugehörigkeit zum Konzern der I.G.
Farbenindustrie AG sowie dessen Entflechtung verloren. Die D. AG sei durch die E. AG
beherrscht worden. Die Ausgliederung der Sparte Sprengstoff zum 1. Januar 1988 habe
auf den Bestand der Verantwortlichkeit der Klägerin keinen Einfluß. Eine zeitliche
Begrenzung der öffentlich-rechtlichen Verantwortlichkeit eines Gesamtrechtsnachfolgers
sei nicht veranlaßt. Der Vertrag vom 14. August 1918 beinhalte allein die
privatrechtliche Regelung der Erbringung von Schadensersatzleistungen an die
Gemeinde als Betreiberin des Wasserwerkes. Zuständige Polizeibehörde in bezug auf
Grundwasserverunreinigungen sei der Landrat gewesen, so daß die Gemeinde über
öffentlich-rechtliche Verantwortlichkeiten nicht habe befinden können. Die Sanierung
des Grundwasserschadens im fraglichen Bereich sei unabhängig von der Bebauung
des Werksgeländes geboten.
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Das Verwaltungsgericht hat der Klage durch das angefochtene Urteil, auf das Bezug
genommen wird, stattgegeben.
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Gegen diese Entscheidung, die ihm am 9. Mai 1994 zugestellt worden ist, hat der
Beklagte am 6. Juni 1994 Berufung eingelegt. Er trägt ergänzend und vertiefend vor, das
gesamte Abwassersystem der D. AG, der ein starkes Gewicht in der Gemeinde T.
zugekommen sei, sei auf Versickerung angelegt gewesen. Die Versickerung habe an
den einzelnen Produktionsstätten begonnen. Beim Verkauf des Werksgeländes habe
die D. AG, obwohl sie die Bebauung initiiert habe und ihr wegen des vorangegangenen
gefährlichen Handelns eine Rechtspflicht zum Tätigwerden oblegen habe, nicht auf das
im Boden befindliche Schadstoffpotential aufmerksam gemacht. Deshalb habe die
Wohnbebauung auch angesichts des nach der seinerzeitigen Rechtslage eng
begrenzten Handlungsinstrumentariums unbedenklich zugelassen werden können. Der
Sache nach sei die Veräußerung des Geländes einer polizeirechtlich unzulässigen
Dereliktion vergleichbar. Dem Vertrag vom 14. August 1918 lasse sich ein Verzicht auf
polizeirechtliches Einschreiten nicht entnehmen. Eine Regelung derartiger Befugnisse
enthalte der Vertrag seinem Gegenstand nach nicht; er beziehe sich ausschließlich auf
privatrechtliche Schadensersatzansprüche. Ein anderslautender Wille der
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Vertragsparteien, die wahrscheinlich einen über den Schadensersatz hinausgehenden
Regelungsbedarf nicht gesehen hätten, sei nicht feststellbar. Das gelte um so mehr, als
das Wasserwerk sich außerhalb des Gemeindegebietes befunden habe, der
Abwasserkanal zum Rhein schon vor Abschluß des Vertrages vereinbart worden sei
und die in Betracht kommenden Abwehrbrunnen den Grundwasserzustrom zum
Wasserwerk unterbunden hätten. Außerdem habe die Gemeinde das Gelände des
Wasserwerkes in dem Vertrag an die E. AG verkauft. Die vereinbarte Wasserlieferung
sei der E. AG ohne besonderen Aufwand möglich gewesen. Die geänderte Bewertung
der Gefahr stehe der Verantwortlichkeit des Verursachers nicht entgegen. Die
Voraussetzungen für eine vom Verwaltungsgericht angenommene Verwirkung seien
nicht erfüllt. Weder liege ein Vertrauenstatbestand vor noch habe die D. AG darauf
vertraut, daß von den polizeirechtlichen Eingriffsbefugnissen kein Gebrauch gemacht
werde. Im übrigen sei der Vertrag vom 14. August 1918 ebenso wie die
Nachfolgeverträge im Rahmen insgesamt guter Beziehungen zwischen der Gemeinde
bzw. der Stadt M. und der E. AG geschlossen worden. Die Entflechtung der I.G.
Farbenindustrie AG habe die E. AG nicht in ihrer juristischen Existenz berührt; weder
eine Auflösung noch eine Neugründung lasse sich aus dem Besatzungsrecht herleiten.
Anders als andere Unternehmen habe die E. AG infolge ihrer Zugehörigkeit zum
Konzern der I.G. Farbenindustrie AG ihre eigenständige Rechtspersönlichkeit nicht
verloren. Das komme auch im Handelsregister zum Ausdruck. Bei den mit der
Ordnungsverfügung angeordneten Maßnahmen handele es sich um solche der Abwehr
einer bekannten Gefahr. Die Grundsätze der Amtsermittlung hinderten die
Inanspruchnahme des Störers zur Ermittlung von Umfang und Quelle der Gefahr nicht.
Die zwischenzeitlich abgeschlossene Sanierungsuntersuchung habe ergeben, daß der
Sanierungsbedarf hinsichtlich des Oberbodens räumlich begrenzt sei; hinsichtlich des
Grundwassers sei geplant, das Grundwasser im Abstrombereich der Waldsiedlung zu
erfassen und zu behandeln. Das Kostenvolumen belaufe sich auf insgesamt ca. 33
Millionen DM.
Der Beklagte beantragt,
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das angefochtene Urteil zu ändern und die Klage abzuweisen.
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Die Klägerin beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Sie trägt vor, Ziel des Beklagten sei es, sie mit den Kosten der Gesamtsanierung des
Geländes, die in erster Linie dem Schutz der Wohnbevölkerung diene, zu belasten. Die
Ordnungsverfügung sei daher als Teil des Sanierungskonzeptes zu betrachten.
Aufgrund Besatzungsrechts seien die zum Konzern der I.G. Farbenindustrie AG
zählenden Gesellschaften vollständig entrechtet worden. Infolge des Entzugs aller
Vermögensrechte und aller Organkompetenzen sei die E. AG erloschen. Die
Neugründung der E. AG sei mit der Anordnung von Einzelrechtsnachfolge verbunden
gewesen; dabei sei die E. AG von allen bis zum 8. Mai 1945 entstandenen
Verbindlichkeiten befreit worden. Der Vertrag vom 14. August 1918 enthalte einen
rechtlich unbedenklichen Verzicht auf eine künftige ordnungsbehördliche
Inanspruchnahme und ziele darauf ab, einen Schlußstrich unter die
verunreinigungsbedingte Schadenssituation zu ziehen. Das mache nicht zuletzt der
erhebliche Umfang der von der D. AG eingegangenen Verpflichtungen, die von der E.
AG bzw. später der E. O. AG über Jahrzehnte erfüllt worden seien, deutlich. Jedenfalls
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komme dem Vertrag erhebliche Bedeutung hinsichtlich der Verwirkung der
Eingriffsbefugnisse gegenüber der D. AG bzw. ihr - der Klägerin - zu. Insoweit sei der
Vertrag als zulässige Ausübung von Ermessen anzusehen. Das Gefahrenpotential der
Verunreinigungen sei seinerzeit bekannt gewesen. Die D. AG und ihre
Rechtsnachfolger hätten sich auch wegen der langjährigen Untätigkeit der Gemeinde T.
und des Beklagten darauf eingerichtet, nicht mehr zu einer Sanierung herangezogen zu
werden. Außerdem sei sie - die Klägerin - mit der Sprengstoffproduktion der D. AG zu
keinem Zeitpunkt befaßt gewesen. Ihr fehle zumal nach der Ausgliederung des
Unternehmensbereichs Sprengmittel jeder inhaltliche Bezug zu der Gefahrensituation.
Ferner sei der Gefahrenbeseitigungsanspruch, bei dem es in erster Linie um
vermögensrechtliche Fragen gehe, verjährt. Der Beklagte habe es versäumt, zumindest
bei der Ermessensausübung die unumgängliche wertende Würdigung der
charakteristischen Besonderheiten des vorliegenden Falles vorzunehmen. Schließlich
stelle die Ordnungsverfügung einen unzulässigen Gefahrerforschungseingriff dar. Sie
diene der Entscheidungsfindung und der Abwälzung der den Beklagten treffenden
Pflicht, den Sachverhalt selbst zu ermitteln.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der
Gerichtsakten, der Verfahrensakten 20 A 2638/94 und 20 A 2639/94 und der
beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten sowie der Widerspruchsbehörde
Bezug genommen.
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Entscheidungsgründe
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Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Die Ordnungsverfügung mit Androhung der
Ersatzvornahme vom 18. Juli 1991 und der die Ersatzvornahme festsetzende Bescheid
vom 25. September 1991 sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten
(§ 113 Abs. 1 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO -).
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Rechtsgrundlage der mit Blick auf die Ersatzvornahme und das hieran anknüpfende
Kostenerstattungsverlangen noch Rechtswirkungen entfaltenden Grundverfügung vom
18. Juli 1991, die in dem Lageplan gekennzeichnete Fläche an der T. straße nach
Maßgabe der einzelnen Anordnungen auf Grundwasser- und Bodenverunreinigungen
zu untersuchen sowie ein Maßnahmenkonzept erstellen zu lassen, ist § 14 OBG. Diese
Vorschrift findet über § 138 des Landeswassergesetzes (LWG), § 12 OBG Anwendung,
da der Beklagte die Verfügung ausweislich der ihr beigegebenen Begründung zum
Schutz des Grundwassers und damit in seiner Eigenschaft als untere Wasserbehörde,
also als Sonderordnungsbehörde, erlassen hat. Das Wasserrecht enthält in bezug auf
den zu regelnden Sachverhalt keine speziellen Eingriffsermächtigungen, sondern
verweist auf die Befugnisse nach allgemeinem Ordnungsrecht und dementsprechend
auch auf die ordnungsbehördliche Generalklausel des § 14 OBG. Es ist daher nicht
entscheidungserheblich, daß in der Verfügung als die sie tragenden Rechtsvorschriften
ausschließlich solche des Ordnungsbehördengesetzes genannt sind.
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Die Voraussetzungen für ein Einschreiten des Beklagten nach pflichtgemäßem
Ermessen gemäß § 14 Abs. 1 OBG liegen vor. Es besteht eine Gefahr für die öffentliche
Sicherheit, die sich in Gestalt der vorhandenen Grundwasserverunreinigungen bereits
zu einer Störung verdichtet hat. Das Grundwasser ist durch das Wasserhaushaltsgesetz
vor Verunreinigungen oder sonstigen nachteiligen Veränderungen seiner Eigenschaften
geschützt. An die Reinhaltung des Grundwassers werden in Anbetracht seiner
herausragenden Bedeutung für einen geordneten Wasserhaushalt sowie seiner
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Empfindlichkeit gegenüber Beeinträchtigungen seiner Qualität besonders hohe
Anforderungen gestellt. Unabhängig davon, ob das Grundwasser unmittelbar zum
Gebrauch oder zum Verbrauch - etwa zu Trinkwasserzwecken - bestimmt ist, ist es nach
der materiellen Wertung vor allem der §§ 6, 26, 34 des Wasserhaushaltsgesetzes vor
jeder Beeinträchtigung seines Ge- und Verbrauchswertes im Hinblick auf seine spätere
Nutzung geschützt.
Vgl. BVerwG, Beschluß vom 24. August 1989 - 4 B 59.89 -, NVwZ 1990, 474; Urteil vom
16. November 1973 - 4 C 44.69 -, ZfW 1974, 296.
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Nach den örtlichen Gegebenheiten überschreiten die in bezug auf die in Frage
stehende Fläche ermittelten Verunreinigungen die Gefahrenschwelle beträchtlich.
Dieser Teilbereich des früheren Werksgeländes der D. AG war, wie die historisch-
deskriptive Untersuchung der P und die von ihr ebenfalls vorgenommene
Gefährdungsabschätzung ergeben haben, im wesentlichen Standort der umfangreichen
TNT-Produktion, insbesondere eines Waschhauses, in dem große Mengen hochgradig
mit Nitrotoluolen und sonstigen Kohlenwasserstoffen belastete Abwässer anfielen. Die
vom Beklagten wiederholt vorgenommenen Untersuchungen des Grundwassers auf
sprengstoffspezifische Schadstoffparameter haben für den an der T. straße
eingerichteten Pegel 92, der am südwestlichen Rand der zur Untersuchung
ausgewählten Fläche in deren Grundwasserabstrom und in unmittelbarer Nähe eines
ehemaligen Kanals zur Ableitung der Abwässer der TNT-Produktion eingerichtet ist,
Verunreinigungen des Grundwassers durch Nitrotoluole und -benzole bestätigt.
Während sich die Gesamtbelastung an derartigen Schadstoffen auf bis zu 2,28 mg/l
belief, wurden für die im Vordergrund der Kontamination stehende Einzelsubstanz 2, 4,
6-TNT Werte von bis zu 1,82 mg/l ermittelt. Das Ergebnis dieser
Grundwasseruntersuchungen steht tendenziell im Einklang mit dem der seitens der P
zur Gefährdungsabschätzung und im Rahmen der Ersatzvornahme vorgenommenen
Grundwasserbeprobungen, die für den Pegel an der T. straße eine - wenngleich
erheblich niedrigere - Belastung durch Nitrotoluole von bis zu 0,79 mg/kg erbracht
haben. Die P ist zusammenfassend zu der Auffassung gelangt, der Kernbereich der
ehemaligen TNT-Produktion mit den zugehörigen Abwasseranlagen bilde die Ursache
für die extrem hohe Grundwasserbelastung mit Nitroaromaten.
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Nach Einschätzung des vom Beklagten eingeschalteten Bundesgesundheitsamtes, das
auf die von Nitroverbindungen je nach chemischer Zusammensetzung ausgehenden
gesundheitlichen Risiken hingewiesen hat, sind Werte der vorgefundenen
Größenordnung als sehr hoch einzustufen. Wenngleich sich diese Beurteilung vor allem
an einer Nutzung des Grundwassers zu Trinkwasserzwecken ausrichtet, die, was
private Eigenversorgungsanlagen anbelangt, vom Beklagten untersagt worden ist und
im Rahmen einer öffentlichen Anlage weder stattfindet noch sich für die Zukunft
abzeichnet, da das Wasserwerk der ehemaligen Gemeinde T. schon um 1915 wegen
der bereits damals bekannten Grundwasserverunreinigungen mit
gesundheitsgefährdenden Substanzen stillgelegt und bei späteren Bohrversuchen kein
für die Gewinnung von Trinkwasser qualitativ taugliches Grundwasser vorgefunden
worden ist, läßt dies den Schluß auf eine erhebliche Beeinträchtigung des
Grundwassers zu. Die Schadstoffe haben eine räumlich umfangreiche und ihrer
Intensität nach schwerwiegende schädliche Veränderung der chemischen
Beschaffenheit des Grundwassers herbeigeführt. Das Grundwasser ist ungeachtet einer
durch die Schadstoffbelastung bewirkten Gefährdung der menschlichen Gesundheit in
seinen für den Wasserhaushalt bedeutsamen Eigenschaften nachhaltig in nachteiliger
34
Weise betroffen. Bestätigt wird das durch die von der PGBU im einzelnen aufgezeigten
chemischen Wirkungen der verschiedenen Nitroverbindungen; diese werden auch
wegen der an anderen Standorten der Sprengstoffproduktion gewonnenen Erfahrungen
in bezug auf trotz langjähriger Betriebsstillegung noch nachweisbare Rückstände
aufgrund ihres Gefährdungspotentials generell als kritisch angesehen, wobei in bezug
auf die durch die chemischen Umwandlungsprozesse u.a. entstehenden aromatischen
Amine ein dauerhaftes Auftreten oberhalb der Nachweisgrenze als im Grundwasser
bedenklich betrachtet wird.
Außerdem ist ausweislich der Untersuchungen der P der Boden im fraglichen Bereich
gleichfalls mit Schadstoffen der vorgenannten Art in einem Maße belastet, das die
Fläche als Folge ihrer Nutzung zur TNT-Produktion und der Ableitung des hierbei
angefallenen Abwassers als potentiellen Kontaminationsschwerpunkt auf dem
Gesamtgelände erscheinen und ein fortschreitendes Auswaschen sowie Einsickern der
wassergefährdenden Substanzen in das Grundwasser als hinreichend wahrscheinlich
erwarten läßt. Im Rahmen der Gefährdungsabschätzung wurde auf dem
Kinderspielplatz neben anderen signifikanten Substanzen eine TNT-Konzentration -
gemessen als Summenparameter - von 143 mg/kg im Oberboden festgestellt. Die lange
Dauer zwischen der Einstellung der Sprengstoffabrikation und den durchgeführten
Untersuchungen schließt es nicht aus, daß (weiterhin) Schadstoffe aus dem Boden in
das Grundwasser gelangen können. Umstände, die eine Mobilisierung der
schädigenden Substanzen durch Niederschläge entgegen der Darstellung der P , die
die Grundwasserbelastung auf die Bodenbelastung im Bereich des TNT-Waschhauses
zurückführt und auf der Grundlage der chemischen und physikalischen Eigenschaften
der einzelnen Substanzen von einem sich langfristig fortsetzenden Eintrag in das
Grundwasser ausgeht, hindern könnten, sind weder dargetan worden noch sonst
ersichtlich.
35
Die im Zeitpunkt des Erlasses der Ordnungsverfügung noch bestehenden
Ungewißheiten über die näheren Einzelheiten der Verunreinigungen, vor allem einen
möglichen lokalen Schadensherd, und das Ziel der Ordnungsverfügung, diesbezüglich
zusätzliche Erkenntnisse zur Vorbereitung der Entscheidung, situationsangepaßte
Sicherungs- oder Sanierungsmaßnahmen ergreifen zu können, stehen der Annahme
einer vorhandenen Gefahr nicht entgegen. Abgesehen davon, daß das Vorliegen einer
Gefahr anhand der objektiven Gegebenheiten zu beurteilen ist, die erforderlichenfalls
nachträglich im Klageverfahren aufzuklären und festzustellen sind, so daß auch die
nach Erlaß der Ordnungsverfügung zusätzlich gewonnenen Sachverhaltskenntnisse in
die Bewertung mit einzubeziehen sind, rechtfertigten schon die aufgrund der
Gewässeruntersuchungen des Beklagten bekanntgewordenen Tatsachen den Schluß
auf eine Gefahr. Die Fragen sogenannter "Gefahrerforschungseingriffe" und der Pflicht
des Beklagten zur Aufklärung des Sachverhaltes von Amts wegen betreffen nicht das
Tatbestandsmerkmal der "Gefahr" in § 14 Abs. 1 OBG, sondern stellen sich im Hinblick
auf die zulässigerweise im Falle einer Gefahr zu deren "Abwehr" anzuordnenden
Maßnahmen. Ordnungsbehördliches Vorgehen auf der Grundlage der Generalklausel
kann von vornherein nur rechtmäßig sein, wenn trotz vorhandenen
Sachaufklärungsbedarfs eine nach Art und Umfang gegebenenfalls noch näher zu
erkundende Gefahr zu bejahen ist.
36
Die mit der Ordnungsverfügung angeordneten Maßnahmen halten sich nicht innerhalb
der Grenzen, die in Ausübung der dem Beklagten damit dem Grunde nach
zukommenden Befugnis, nach pflichtgemäßem Ermessen zur Abwehr der Gefahr
37
einzuschreiten, einzuhalten sind. Durchgreifenden Bedenken begegnet bereits die
Ordnungspflicht der Klägerin. Eine Inanspruchnahme der Klägerin als Zustandsstörerin
(§ 18 OBG) scheidet aus; die Klägerin ist weder Eigentümerin der verunreinigten Fläche
noch Inhaberin der tatsächlichen Gewalt über das Gelände. Die
Zustandsverantwortlichkeit knüpft an an die im Zeitpunkt des ordnungsbehördlichen
Einschreitens bestehenden Eigentums- bzw. Sachherrschaftsverhältnisse hinsichtlich
der Sache, von der die Gefahr ausgeht. Sie beruht auf der durch die rechtliche bzw.
tatsächliche Sachherrschaft vermittelten spezifischen Verbindung zur Gefahrenquelle,
die den Eigentümer bzw. Inhaber der tatsächlichen Gewalt in die Lage versetzt, auf die
Gefahr abwehrend einzuwirken.
Vgl. BVerwG, Urteil vom 4. Oktober 1985 - 4 C 76.82 -, DVBl. 1986, 360;
Drews/Wacke/Vogel/Martens, Gefahrenabwehr, 9. Aufl., S. 318 f.
38
Mit der Übertragung des Eigentums bzw. der tatsächlichen Gewalt geht dieser Bezug
verloren. Der bisherige Eigentümer und Inhaber der Sachherrschaft wird von seiner
Verantwortlichkeit für die Sache frei. Die Verantwortlichkeit entsteht in der Person des
neuen Eigentümers bzw. Inhabers der tatsächlichen Gewalt, weil nunmehr diesem
aufgrund seiner Sachherrschaft die Einwirkung auf die gefahrauslösende Sache
möglich ist. Da mit der Veräußerung des Geländes der Waldsiedlung im Jahre 1934/35
die Sachherrschaft der D. AG, die bereits zuvor ihre Produktion eingestellt hatte, sowohl
in rechtlicher als auch in tatsächlicher Hinsicht erloschen ist, scheidet auch aus, die
Klägerin unter dem Gesichtspunkt der Rechtsnachfolge nach der D. AG neben den
jetzigen Eigentümern und Inhabern der tatsächlichen Gewalt oder an ihrer Stelle als
zustandsverantwortlich zu betrachten. Die vom Beklagten gezogene Parallele zwischen
der Veräußerung des Werksgeländes und einer Eigentumsaufgabe im Wege der
Dereliktion, die den Fortbestand der Zustandsverantwortlichkeit nach gegenwärtiger
Rechtslage nicht aufhebt (§ 18 Abs. 3 OBG), trifft nicht zu. Das Gebiet der Waldsiedlung
ist nicht herrenlos, sondern unterliegt der Sachherrschaft von Eigentümern und Nutzern.
Der Wechsel in der Person des jeweiligen Zustandsverantwortlichen steht einer
Eigentumsaufgabe, die das ordnungsrechtliche Problem der Überwälzung des
Sachrisikos auf die Allgemeinheit aufwirft, nicht gleich, sondern beurteilt sich danach,
daß die Zustandsverantwortlichkeit gemäß § 18 Abs. 1 und 2 OBG Ausdruck der
Sachherrschaft im Moment der Gefahrenabwehrmaßnahme ist.
39
Auf den Bestand einer Ordnungspflicht der D. AG unter dem Aspekt der Verursachung
der Gefahr (§ 17 Abs. 1 OBG) hatte die Veräußerung keinen Einfluß. Eine Verursachung
durch eigenes Verhalten der Klägerin ist indessen ausgeschlossen; ihre Heranziehung
kommt allein im Rahmen einer Rechtsnachfolge nach der D. AG in Frage. Die Existenz
der Verunreinigungen mit den aus der Sprengstoffabrikation herrührenden Schadstoffen
ist ausschließlich mit der betrieblichen Tätigkeit der D. AG zu erklären. Der Betrieb der
Vorgängerfirma, der 1890 von der D. AG übernommen worden ist, hat außerhalb des
von der Ordnungsverfügung erfaßten räumlichen Bereichs stattgefunden und sich nicht
auf die Herstellung von TNT erstreckt, so daß er sowohl räumlich als auch vom
Schadstoffbild her als Ausgangspunkt der Schadstoffeinträge ausscheidet und der
Rechtsnachfolge nach dieser Firma nicht nachgegangen zu werden braucht. Dafür, daß
die E. AG das Gelände betrieblich genutzt hat oder auf ihm in sonstiger Weise etwas
unternommen hat, was als Ursache der Verunreinigungen denkbar wäre, spricht nichts,
weil die Sprengstoffproduktion 1926 eingestellt wurde, der Abbau der Betriebsanlagen
1927 im wesentlichen durchgeführt war und unmittelbar nach der - vor der
Verschmelzung der D. AG mit der E. AG bewirkten - Veräußerung 1934/35 mit der
40
Errichtung der ersten Siedlungshäuser begonnen worden ist. Ob in bezug auf eine
Verhaltensverantwortlichkeit eine Rechtsnachfolge stattfindet, die nicht durch eine
speziell hierauf bezogene gesetzliche Nachfolgeregelung angeordnet ist, ist, wenn - wie
hier - eine Ordnungsverfügung vor dem Rechtsübergang noch nicht ergangen ist und
die Verantwortlichkeit daher allein als sogenannte abstrakte Polizeipflicht bestehen
kann, bislang nicht hinreichend geklärt. Während eine Einzelrechtsnachfolge nach
gesicherter Rechtsauffassung nicht möglich ist, weil die ordnungsrechtliche
Verantwortlichkeit im öffentlichen Interesse nicht zur rechtsgeschäftlichen Disposition
steht,
vgl. Drews/Wacke/Vogel/Martens, a.a.O., S. 298, 301; Ossenbühl, Zur Haftung des
Gesamtrechtsnachfolgers für Altlasten, S. 38 m.w.N.,
41
so daß dem zum 1. Januar 1988 vorgenommenen Übergang der Unternehmenssparte
Sprengmittel auf die E. O. AG (neu) entscheidungserhebliche Bedeutung nicht zukommt,
sind die Meinungen zur Gesamtrechtsnachfolge geteilt.
42
Vgl. BayVGH, Beschluß vom 28. November 1988 - Nr. 8 CS 87.02857 -, ZfW 1989, 147;
OVG NW, Urteil vom 29. März 1984 - 12 A 2194/82 -, UPR 1984, 279; Ossenbühl,
a.a.O., S. 39 f. m.w.N.; Brandt, Altlastenrecht, S. 148 f. m.w.N..
43
Zu einer vertieften Erörterung und abschließenden Entscheidung besteht diesbezüglich
vorliegend kein Anlaß, obgleich die Klägerin durch vermögensübertragende
Verschmelzungsakte Gesamtrechtsnachfolgerin der D. AG geworden ist. Die 1935 und
1958 stattgefundenen Umwandlungen einerseits der D. AG - Verschmelzung mit der E.
AG - und andererseits der E. AG - Verschmelzung mit der Aktiengesellschaft für
Kunststoffwerte - hatten jeweils die Übertragung sämtlicher Aktiva und Passiva unter
Ausschluß der Liquidation, mithin einen umfassenden Wechsel des Rechtssubjekts in
bezug auf das Gesellschaftsvermögen als Ganzes einschließlich der Verbindlichkeiten
und damit den Eintritt der übernehmenden Gesellschaft in alle Rechte und Pflichten der
übertragenden Gesellschaft zum Gegenstand. Die Zweifel der Klägerin an dem
Gesamtrechtscharakter der Umwandlung im Jahre 1935 sind, weil diese Transaktion
nach zeitnahen Angaben der E. AG gegenüber amtlichen Stellen auf der Grundlage des
Gesetzes über die Umwandlung von Kapitalgesellschaften vom 5. Juli 1934 i.V.m. der
hierzu erlassenen Durchführungsverordnung vom 14. Dezember 1934 (RGBl. S. 569,
1262) vorgenommen und im Handelsregister eingetragen worden ist, nicht begründet;
das unsubstantiierte Bestreiten der Eigenschaft der E. AG als Hauptgesellschafterin der
D. AG und damit der gesetzlichen Voraussetzungen für die Umwandlung bietet im
Hinblick darauf, daß die Verschmelzung seinerzeit unangegriffen auf dieser Prämisse
stattfand und registergerichtlich vollzogen worden ist, keinen Anlaß zu einer weiteren
Aufklärung des Sachverhaltes. Die Änderungen der jeweiligen Firma der Gesellschaften
berühren die Gesamtrechtsnachfolge ebensowenig wie der Wechsel der Gesellschafter
und die Abtrennung des Unternehmensbereiches Sprengmittel. Letzteres verminderte
die Bandbreite der gewerblichen Betätigung der Klägerin und ließ ihre juristische
Identität ungeachtet dessen unangetastet, welche Ansprüche im Hinblick auf die Folgen
der früheren Aktivitäten der D. AG im Bereich Sprengmittel zugunsten der Klägerin in
ihrem Verhältnis zur heutigen E. O. AG (neu) aus dem Vertragswerk abgeleitet werden
können.
44
Die besatzungsrechtlichen Maßnahmen zur Aufspaltung des I.G. Farbenindustrie AG
Konzerns haben nicht den Verlust der Existenz der E. AG als juristische Person bewirkt.
45
Eine aktienrechtliche Liquidation und Abwicklung hat nicht stattgefunden. Das
Handelsregister spiegelt vielmehr die ungebrochene Kontinuität der E. AG wider. Ein
Untergang der E. AG außerhalb der gesellschaftsrechtlich hierfür vorgesehenen
Mechanismen kann dem Besatzungsrecht nicht entnommen werden. Dabei kommt es
nicht entscheidend darauf an, ob die durch Art. 1 des Kontrollratsgesetzes (KRG) Nr. 9
vom 30. November 1945 in der deutschen Übersetzung ausgesprochene
"Beschlagnahme" entgegen einer wortgetreuen Interpretation als Enteignung und nicht
als Verfügungsbeschränkung zu verstehen ist. Selbst eine Enteignung bestand
allenfalls im Entzug sämtlicher Vermögensrechte der E. AG; die Vermögenslosigkeit
führte nicht zur Aufhebung der juristischen Existenz der Gesellschaft. Die Unterstellung
des Vermögens unter die Kontrolle der Alliierten beschränkte sich auf die
Suspendierung der Leitung der Gesellschaft durch eigene Organe. Das entspricht der
Zielsetzung des Kontrollratsgesetzes Nr. 9, die zuvor in den einzelnen
Besatzungszonen getroffenen Anordnungen der jeweiligen Besatzungsmacht zu
koordinieren, durch die das Vermögen der I.G. Farbenindustrie AG beschlagnahmt und
der Leitung der Militärregierungen unterstellt worden war.
Vgl. von Schmoller/Maier/Tobler, Handbuch des Besatzungsrechts, § 44 Anm. IV 1.
46
Seine Bestätigung findet dies in den Bestimmungen des Gesetzes Nr. 35 der Alliierten
Hohen Kommission vom 17. August 1950 (Abl. AHK S. 534), das als Ausführungsgesetz
zum Kontrollratsgesetz Nr. 9 konzipiert ist und das in seinem Art. 1 Abs. 3 eine
Liquidation der I.G. Farbenindustrie AG und ihre Auflösung als juristische Person erst für
die Zukunft ins Auge faßte, als Ziel der Maßnahmen die Aufspaltung des Konzerns in
mehrere Gesellschaften zur Vermeidung übermäßiger Konzentration bezeichnete (Abs.
2 der Präambel, Art. 1 Abs. 4), was die generelle Liquidation vorhandener
Gesellschaften nicht notwendig machte, die E. AG ausdrücklich als eine nicht zu
errichtende - also existente - Gesellschaft (Art. 4 Abs. 1 a, c, d i.V.m. Nr. 50 des 1. Teils
des Anhangs) behandelte, die aufgelöst oder umgestaltet werden konnte (Art. 4 Abs. 1 c,
d), und in Art. 2 als Rechtswirkungen des Kontrollratsgesetzes Nr. 9 lediglich eine
fortdauernde Beschlagnahme und Kontrolle voraussetzte und die Fremdverwaltung
anordnete. Nichts anderes gilt im Hinblick auf die Durchführungsverordnung Nr. 1 zum
Gesetz Nr. 35 vom 17. Mai 1952 (Abl. AHK S. 1680), die die Errichtung oder
Umgestaltung der aufgeführten Gesellschaften, zu denen die E. AG (Nr. 11 des
Anhangs) zählte, regelte. Die hiernach nach damaligem Verständnis noch ausstehende
Liquidation der E. AG innerhalb des durch das Gesetz Nr. 35 gezogenen
Handlungsrahmens ist nicht erfolgt; die Verbote, Beschränkungen und Kontrollen
aufgrund des Kontrollratsgesetzes Nr. 9 und des Gesetzes Nr. 35 sind vielmehr durch
die Anordnung Nr. 97 vom 16. Dezember 1953 (Abl. AHK S. 2853) aufgehoben und die
organschaftlichen Rechte der Hauptversammlung sowie des Aufsichtsrates
wiederhergestellt worden. Auch das bringt sowohl dem Wortlaut als auch dem Sinn und
Zweck der Regelung nach die fortdauernde Existenz der E. AG zum Ausdruck, zumal
die E. AG durch die Zugehörigkeit zum Konzern der I.G. Farbenindustrie AG ihre
rechtliche Selbständigkeit nicht eingebüßt hatte, so daß die angestrebte Zerschlagung
des Kartells eine Errichtung der Gesellschaft deshalb nicht erforderte. Angesichts auch
der ununterbrochenen Fortführung des Handelsregisters mit Eintragungen u.a. der
Erteilung und des Entzugs von Prokura und der Aufgabe einer Zweigniederlassung
sowie der unter Beachtung des Gesellschaftsrechts sowie Handelsregisterrechts
vorgenommenen Neugründung von Gesellschaften aus dem Konzernverbund - vor
allem den Farbenfabriken Bayer AG im Jahre 1951/52 - und der gesonderten
Anordnung der Liquidation weiterer Gesellschaften zeigt sich, daß die handels- und
47
gesellschaftsrechtlichen Vorgaben des deutschen Rechtes, soweit sie mit den Zielen
der besatzungsrechtlichen Maßnahmen vereinbar waren, beachtet wurden und eine
Beendigung der E. AG durch einen Rechtsakt der Alliierten gerade nicht bestimmt
worden ist. Die E. AG ist vielmehr lediglich umgestaltet worden. Die hoheitliche
Zuordnung der Vermögensgegenstände der I.G. Farbenindustrie AG zu der jeweiligen
Nachfolgegesellschaft, als die jede gemäß der Durchführungsverordnung Nr. 1
errichtete oder umgestaltete Gesellschaft definiert war (Art. 4 der
Durchführungsverordnung Nr. 1), stellt die besatzungsrechtliche Regelung und Praxis,
die einzelnen Gesellschaften nach jeweils spezieller Bestimmung entweder aufzulösen
oder aufrechtzuerhalten, nicht in Frage; die Zuordnung betrifft nicht den Bestand der
jeweiligen Gesellschaft, sondern die Zusammensetzung ihres Vermögens. Das gilt auch
für die in bezug auf die E. AG erlassene Anordnung Nr. 97.
Die Klägerin ist aber trotz der Gesamtrechtsnachfolge nach der D. AG nicht im Sinne
des § 17 OBG verhaltensverantwortlich. Die zivilrechtlichen Nachfolgetatbestände für
Verbindlichkeiten sind im öffentlichen Recht grundsätzlich einer zumindest
entsprechenden Anwendung zugänglich.
48
Vgl. BVerwG, Urteil vom 18. September 1981 - 8 C 72.80 -, BVerwGE 64, 105; Kopp,
VwVfG, 6. Aufl., § 13 Rdnr. 49.
49
Eine Klärung der Frage, ob die - abstrakte - Verhaltensverantwortlichkeit eine der
Gesamtrechtsnachfolge fähige Pflicht ist, steht jedoch noch aus. Versteht man die
Verhaltensverantwortlichkeit lediglich dahin, daß der Betreffende im Sinne der
Eingriffsermächtigung die Eigenschaft eines potentiellen Adressaten einer noch
ausstehenden ordnungsbehördlichen Inanspruchnahme innehat, auf deren Grundlage
eine Rechtspflicht zukünftig erst begründet werden könnte,
50
vgl. Papier, Zur rückwirkenden Haftung des Rechtsnachfolgers für Altlasten, DVBl.
1996, 125 (127 f.) m.w.N.,
51
oder nimmt man an die Person des Rechtsvorgängers gebundene und daher die
Nachfolge hindernde Besonderheiten der abstrakten Verhaltensverantwortlichkeit an,
52
vgl. Ossenbühl, a.a.O., S. 29 ff., 65 ff. m.w.N.,
53
fällt der Klägerin schon deshalb keine von der D. AG abgeleitete Verantwortlichkeit zur
Last. Betrachtet man die ordnungsbehördliche Verfügung dagegen als bloße
Konkretisierung einer ohnehin kraft Gesetzes bestehenden materiellen Polizeipflicht,
54
vgl. Schink, Rechtsfragen der Altlasten, GewArch 1996, 50 (60 f.) m.w.N., Brandt, a.a.O.,
S. 148 f. m.w.N.,
55
fehlt es an einer derartigen Pflichtenstellung der D. AG. Die D. AG hat die Gefahr nicht
im Sinne des § 17 OBG verursacht; im Zeitpunkt der Verschmelzung mit der E. AG im
Jahre 1935 traf sie auch aus sonstigen Gründen keine materielle Polizeipflicht. Der
Ursachenzusammenhang ist anerkanntermaßen wertend nach ordnungsrechtlich
geprägten Maßstäben zu ermitteln. Taugliches Zurechnungskriterium ist dabei im
allgemeinen die Feststellung, daß durch ein bestimmtes Verhalten nach den
Umständen des Einzelfalles die Gefahrenschwelle überschritten und damit die
unmittelbare Ursache für den Eintritt der Gefahr gesetzt worden ist.
56
Vgl. Drews/Wacke/Vogel/Martens, a.a.O., S. 313 m.w.N.; OVG NW, Urteil vom 7. März
1996 - 20 A 657/95 -.
57
Das schließt aber die ergänzende Heranziehung weiterer Kriterien, die - wie vor allem
Gesichtspunkte der Rechtswidrigkeit oder des Pflichtverstoßes - dazu bestimmt und
geeignet sind, bei Vorliegen besonderer Umstände eine angemessene Risikoverteilung
sicherzustellen, nicht aus.
58
Vgl. OVG Hamburg, Urteil vom 27. April 1983 - Bf. II 15/79 -, ZfW 1984, 368; Brandt,
a.a.O., S. 132 ff.; Kloepfer, Die Verantwortlichkeit für Altlasten im öffentlichen Recht,
NuR 1987, S. 7 (10 f.).
59
Ein solches Korrektiv ist gerade bei der Beurteilung von Altlastenfällen deshalb
unerläßlich, weil die Frage der Verursachung im Sinne des § 17 Abs. 1 OBG im Ansatz
unabhängig davon zu beantworten ist, ob das Tun oder Unterlassen subjektiv
vorwerfbar und die Gefahr vorhersehbar war. Hieraus eine letztlich konturenlose
Gefährdungshaftung für jegliche Folgen gewerblicher Tätigkeit wegen objektiv
gefahrenträchtigen Verhaltens zu entwickeln, verfehlt den Zweck der
Verhaltensverantwortlichkeit, eine der verfassungsrechtlich verbürgten
Verhältnismäßigkeit gerecht werdende Zurechnung gegenwärtiger Gefahren anhand
der Risikosphären einerseits des Handelnden und andererseits der Allgemeinheit
herbeizuführen. Die gebotenen objektivierten Verhaltenskriterien müssen, weil sie
rechtliche Wertungen nachvollziehen und eine Richtschnur für das rechtskonforme Tun
oder Unterlassen bilden, der Rechtslage in der Vergangenheit und den in ihr
niedergelegten Wertungen angepaßt sein. Ausgehend hiervon kann eine Verursachung
der Gefahr durch die D. AG nicht festgestellt werden.
60
Auf die betriebliche Tätigkeit der D. AG während des Zeitraums der
Sprengstoffproduktion findet das allgemeine Polizei- und Ordnungsrecht Anwendung,
wie es sich auf der Grundlage des § 10 II 17 ALR darstellt und in seiner Auslegung
durch das Preußische Oberverwaltungsgericht im Preußischen
Polizeiverwaltungsgesetz kodifiziert worden ist, das seinerseits, was die
ordnungsbehördliche Generalklausel und die Ordnungspflichtigen anbelangt, im
wesentlichen ohne inhaltliche Abweichung in die §§ 14, 17, 18 OBG übernommen
worden ist. Nach den örtlichen und betrieblichen Gegebenheiten, soweit sie aufgeklärt
sind, ist die D. AG zwar Urheberin der Gefahr. Die Gefahr ist von ihr jedoch nicht unter
Verstoß gegen normierte Verhaltens- bzw. Unterlassungspflichten herbeigeführt
worden. In tatsächlicher Hinsicht ist ungewiß, welche betrieblichen Vorgänge die
Verunreinigungen im einzelnen ausgelöst haben. In Betracht kommen etwa neben den
angewandten Produktionsmethoden einschließlich der Ausgestaltung der
Sicherheitsvorkehrungen und den wiederholten Störfällen mögliche Undichtigkeiten bei
Abwasserleitungen, das Versickernlassen von Abwasser oder die Beseitigung von
Abfällen, wobei ferner offen ist, in welchem Zeitpunkt oder Zeitraum sich die
maßgebenden Vorgänge ereignet haben. Daß die Gefahr, wie im
Widerspruchsbescheid angenommen worden ist, darauf zurückgeht, daß und wie sich
die D. AG der Produktionsrückstände entledigt hat, ist ebensowenig gesichert wie
andere als auslösende Faktoren zu erwägende Umstände. In rechtlicher Hinsicht bietet
sich namentlich kein zureichender Anhaltspunkt für einen gefahrauslösenden Verstoß
der D. AG gegen wasserrechtliche Vorschriften. Das gilt für den Zeitraum sowohl vor als
auch nach dem Inkrafttreten des Preußischen Wassergesetzes (PrWG) vom 7. April
61
1913. Durch das Preußische Wassergesetz war das Grundwasser nicht gegen jegliches
Hineingelangen von Schadstoffen geschützt. Der Eigentümer eines Grundstücks konnte
über das unter der Oberfläche befindliche Wasser vorbehaltlich besonderer Bestimmung
und entgegenstehender Rechte Dritter frei verfügen (§ 196 PrWG). § 202 PrWG
untersagte die Einbringung oder Einleitung von Stoffen in den Boden, durch die das
unterirdische Wasser zum Nachteil anderer verunreinigt wurde. Einbringen und/oder
Einleiten erfaßte ein zweckgerichtet auf den Gebrauch und die Nutzung des
unterirdischen Wassers bezogenes Verhalten, vor allem die Zuführung von Abwasser
und sonstigen Stoffe in der Absicht, sich ihrer zu entledigen.
Vgl. BGH, Urteil vom 22. März 1966 - V ZR 126/63 -, NJW 1966, 1360; Holtz- Kreutz,
Preußisches Wassergesetz, 4. Aufl., § 19 Anm. 5.
62
Ein solches finales Verhalten der D. AG, auf das die der Ordnungsverfügung
zugrundeliegende Gefahr zurückgeführt werden könnte, ist aus den bisherigen
Kenntnissen über die Betriebsabläufe nicht abzuleiten; zusätzliche Möglichkeiten der
Sachverhaltsaufklärung sind weder dargetan worden noch ersichtlich. Die Umstände,
unter denen das im Werk anfallende Abwasser beseitigt worden ist, konnten nur
unvollständig und in Umrissen ermittelt werden. Einrichtungen zum Verpressen von
Abwasser in den Untergrund oder sonstige dem Ziel der Beseitigung des Abwassers
durch Einbringen in den Boden dienende Anlagen sind im entscheidungserheblichen
Bereich an der T. straße und der näheren Umgebung nicht festgestellt worden. Die im
südwestlichen Werksbereich gelegene ehemalige Kiesgrube, in die vorgereinigtes
Abwasser zur Versickerung eingeleitet worden ist, befindet sich in deutlicher Entfernung
vom TNT-Waschhaus in Grundwasserfließrichtung und stellt daher keinen annähernd
verläßlichen Anhalt für die Annahme dar, von dieser Stelle könnten die gefahrbildenden
Verunreinigungen ausgegangen sein. Daß die näher gelegenen Abwasserbecken - in
erster Linie dasjenige an der C. straße - ebenfalls der Versickerung dienten, ist
ebensowenig belegt wie eine hierdurch bedingte Beeinflussung der Schadstoffsituation
im Umfeld des TNT-Waschhauses. Tatsachen, die hierüber Aufschluß geben könnten,
sind nicht bekannt. Daß die Abwasserverhältnisse bis zur Erstellung des Kanals zum
Rhein insgesamt auf Versickerung ausgerichtet waren, besagt nicht, daß die
Verunreinigungen an der T. straße maßgebend auf eine Versickerung zurückgehen.
Neben der Lage der Kiesgrube, die allein als Einrichtung zur Versickerung
nachgewiesen ist, ist dabei zu bedenken, daß der Boden des Geländes auch außerhalb
der Trasse der Abwasserkanäle mit Schadstoffen belastet ist und letztlich lediglich
Hypothesen darüber angestellt werden können, auf welche Weise die Schadstoffe in
den Boden bzw. in das Grundwasser gelangt sind. Die P führt die vorhandenen bzw.
drohenden Grundwasserbeeinträchtigungen allein auf den Gefährdungspfad Boden-
Grundwasser zurück und vertritt - ebenso wie der Beklagte in der Ordnungsverfügung -
nicht die Auffassung, die Gefahr beruhe auf dem direkten Eintrag von Schadstoffen in
das Grundwasser mittels hierauf bezogener Handlungen. Als Ausgangspunkt für die
Grundwasserverunreinigung werden vielmehr Bodenverunreinigungen angenommen,
die sukzessive in das Grundwasser absickern und abgesickert sind.
63
Darüber hinaus zielte das Preußische Wassergesetz mit den §§ 196 ff. auf den
privatrechtlichen Schutz der Rechte Dritter, nicht aber - was für die gegebene Gefahr
entscheidend ist - auf die Bewahrung der natürlichen Beschaffenheit des Grundwassers
als Schutzgut der öffentlichen Sicherheit. Ein polizeiliches Interesse gegenüber einer
Verunreinigung des Grundwassers bestand nicht generell, vor allem nicht im Hinblick
auf die Beeinträchtigung von Rechten Dritter, sondern lediglich insoweit, als die
64
Beschaffenheit des Grundwassers zu einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder
Ordnung führte. Verunreinigungen des Grundwassers in Überschreitung der
Eigentümerbefugnisse war deshalb grundsätzlich im Wege der privatrechtlichen
Rechtsverfolgung des Geschädigten zu begegnen, nicht aber durch - subsidiäres -
polizeiliches Einschreiten.
Vgl. PrOVG, Urteil vom 13. Dezember 1928 - V A 6/26 -, OVGE 84, 357; Holtz- Kreutz,
a.a.O., § 196 Anm. 4, Vorbem. III zum 6. Abschnitt.
65
Polizeiliche Interessen waren durch den Zustand des Grundwassers u.a. dann berührt,
wenn aus seiner Verunreinigung im Einzugsbereich einer Wassergewinnungsanlage
Gesundheitsgefahren für die Bevölkerung erwuchsen.
66
Vgl. PrOVG, Urteil vom 12. Dezember 1929 - III B 24/28 -, OVGE 85, 283.
67
Polizeiwidrig war es damit, wenn infolge eigenen Verhaltens eine Gefahr für die
öffentliche Sicherheit oder Ordnung eintrat, mithin ein Schaden an geschützten
Rechtsgütern hinreichend wahrscheinlich war. Mit dem Eintritt der Gefahr entstand
neben der materiellen Pflicht zur Gefahrenabwehr die polizeiliche Eingriffskompetenz.
Das trifft in bezug auf die Qualität des Grundwassers aufgrund der spätestens 1915
produktionsbedingt eingetretenen Grundwasserverunreinigungen zu. Ab diesem
Zeitpunkt unterblieb die Wasserversorgung der Bevölkerung aus dem im gemeindlichen
Wasserwerk geförderten Wasser, nachdem gesundheitsschädliche Eigenschaften des
Wassers zu Tage getreten waren. Ausweislich des Entwurfs eines
Verwaltungsberichtes für die Jahre 1920 bis 1923 war die gesundheitsschädliche
Wirkung durch einen erheblichen Gehalt des Wassers an salpeterhaltigen Säuren
belegt. Die Verunreinigungen nahmen ihren Ausgangspunkt in Vorgängen auf dem
Werksgelände der D. AG, wie sich aus dem Schadensbild, der Darstellung der P von
den betrieblichen Abläufen sowie aus Lage und Ausdehnung der Schadstoffahne ergibt,
die der Eingabe der Farbenfabriken vormals G. C. & Co vom 30. Juli 1921 zu
entnehmen ist.
68
Unklar geblieben ist trotz der umfangreichen Ermittlungen jedoch, ob hieraus in
polizeirechtlicher Hinsicht ein Pflichtenverstoß der D. AG abgeleitet werden kann. Dabei
kann auch mit Blick darauf, daß ungewiß ist, worauf genau die Verunreinigungen
beruhen, unerörtert bleiben, ob die als konkrete Ursache zu erwägenden
Verhaltensweisen durch Genehmigungen legalisiert waren, deren Geltungsanspruch je
nach dem Inhalt der Genehmigung zuwiderlaufende Polizeipflichten ausschloß. Wegen
der in Ausübung eines Rechtes bewirkten schädigenden Folgen konnte der Betreffende
polizeirechtlich nicht verantwortlich gemacht werden, soweit er sich innerhalb der
Grenzen eines ihm zustehenden Rechtes hielt.
69
Vgl. PrOVG, Urteil vom 29. September 1927 - V B 29/24 -, OVGE 82, 351; Urteil vom 17.
März 1910 - IV C 39/09 -, OVGE 56, 366.
70
Dabei ist zu bedenken, daß Anlagen zur Sprengstoffproduktion gewerberechtlich zu
genehmigen (§ 16 der Gewerbeordnung - GewO -) und in diesem Zusammenhang
polizeirechtliche Aspekte zu prüfen waren, so daß Regelungen etwa über den Verbleib
von Reststoffen und Abwässern getroffen werden konnten (§ 18 GewO). Die
Archivauswertung durch die P hat auch die Erteilung von gewerbepolizeilichen
Genehmigungen unter Nebenbestimmungen bestätigt. Die Genehmigungsurkunden
71
zeigen, daß im gewerberechtlichen Genehmigungsverfahren den Gefahren infolge der
Sprengstoffproduktion zumindest teilweise auch tatsächlich nachgegangen worden ist.
Jedenfalls entfällt ein die Qualifizierung als "Verursachung" zulassender Verstoß der D.
AG gegen die ihr obliegenden Verhaltenspflichten aufgrund der besonderen
Bedingungen der Produktion der militärischen Sprengstoffe. Für zivile
Verwendungszwecke bestimmte Sprengstoffe wurden nach den Untersuchungen der P
im fraglichen Bereich an der T. straße nicht hergestellt. Dieser Teil des Werkes wurde
für die TNT-Produktion zu Rüstungszwecken genutzt und dieser Bestimmung mit dem
Ende des 1. Weltkrieges entzogen; die Verunreinigungen sind geprägt von diesen
Produktionszweig kennzeichnenden Substanzen. Als entscheidungserheblich sind des
weiteren in erster Linie die Verhältnisse während des 1. Weltkrieges zu berücksichtigen.
Zwar ist es wegen der hinsichtlich der konkreten Entstehungsursachen der Gefahr
bestehenden Ungewißheiten möglich, daß die Verunreinigungen zumindest auch auf
der vor dem 1. Weltkrieg stattgefundenen Produktionshandhabung beruhen, was
bedeuten würde, daß die Verunreinigungen letztlich auf freie unternehmerische
Entscheidungen der D. AG zurückzuführen wären. Dies ist aber ungewiß, ohne daß sich
vor dem Hintergrund des bereits getätigten Ermittlungsaufwandes erfolgversprechende
Ansätze für eine zusätzliche und abschließende Sachverhaltsaufklärung bieten würden;
auf die bloße Möglichkeit eines bestimmten Geschehens kann eine
Verhaltensverantwortlichkeit nicht gestützt werden. Im Gegenteil lassen die
beträchtliche Produktionsausweitung während des 1. Weltkrieges und die hieraus nach
dem Gutachten der Königlichen Landesanstalt für Wasserhygiene vom 15. Januar 1918
folgende Schwierigkeit, die bisher ausgeübte Versickerung auf Dauer durchführen zu
können, einen maßgebenden Einfluß der Friedensproduktion auf Art und Umfang der
Verunreinigung wenig wahrscheinlich erscheinen. In der Kriegsphase traten neben die
unternehmerische Leitung der Produktion staatliche Einflußnahmen -
Lenkungsmaßnahmen planwirtschaftlicher Art zur Schaffung einer Kriegswirtschaft -, die
die Rechtsbeziehungen zwischen der D. AG und dem Deutschen Reich, die zuvor in
einem rein zivilrechtlichen Beschaffungsverhältnis bestanden hatten, überlagerten. Das
spiegelt sich in der Einbeziehung des Werkes in das sogenannte Hindenburg-
Programm zur Sicherung und Steigerung der Sprengstoffproduktion und der in diesem
Rahmen stattfindenden Vorgaben für Rohstofflieferung, Rohstoffverteilung und
Endprodukte wider. Dabei mag es sein, daß die unternehmerische Selbstbestimmung
der D. AG im Kern fortbestand, weil verbindliche Anordnungen des Deutschen Reiches
im Sinne von strikt zu befolgenden Befehlen nicht ergingen und sich die staatlichen
Einwirkungen unterhalb der Schwelle der Begründung von Pflichten - vor allem
hinsichtlich der die Verunreinigungen konkret bedingenden Einzelheiten der Produktion
- bewegten. Ferner kommt es nicht darauf an, ob die Erfüllung der
Belieferungsinteressen des Deutschen Reiches schlicht der wirtschaftlichen sowie
sonstigen Zielsetzung der D. AG entsprach oder ob sie es unter dem Druck der
politischen Gegebenheiten oder aufgrund übereinstimmender Interessen als eine
schlechthin selbstverständliche Pflicht ansah, sich den Rüstungsbedürfnissen
vorbehaltlos und rückhaltlos anzupassen. Selbst wenn die Verantwortung über die für
die Verunreinigungen ausschlaggebenden Umstände grundsätzlich nicht zuletzt
deshalb bei der D. AG verblieb, weil sich in ihnen das mit dem nach wie vor
privatnützigen und gewinnorientierten Betrieb produktspezifisch verbundene Risiko
realisierte, trat die damit an sich gebotene Sorgfalt hinsichtlich der Vermeidung von
Umweltschäden in ihrer Bedeutung hinter der staatlich verlangten Ausschöpfung aller
Produktionsmöglichkeiten zurück. Die betriebliche Situation während des Krieges war
nach den Geschäftsberichten für die Jahre 1915 und 1917 durch die Erreichung der
72
Grenze der Leistungsfähigkeit sowie die Umsetzung des Hindenburg-Programms
geprägt, was sich in der Erreichung von Produktionshöchstmengen unter äußerster
Anspannung der personellen und sächlichen Mittel äußerte. Anlagenerweiterungen
führten bis zum Waffenstillstand im Jahre 1918 zu einer nochmaligen Steigerung der
Produktion. Die hierdurch bedingten und gegenüber der Friedensproduktion stark
erhöhten Abwassermengen veranlaßten ab 1916 Überlegungen, das Abwasser nicht
mehr zu versickern, sondern mittels eines Kanals dem Rhein zuzuleiten; auf die
Unschädlichkeit dieser Art der Abwasserableitung wurde aus der infolge der
Vermischung des Abwassers mit dem Rheinwasser eintretenden Verdünnung der
Schadstoffkonzentration geschlossen. Das zeigt auch im Hinblick auf die schon
eingetretene und bekannte Grundwasserschädigung sowie den Vertrag vom 14. August
1918, daß die D. AG sich einerseits gehalten sah, nachteilige Auswirkungen ihres
Betriebes in Kenntnis des Schadstoffpotentials unbedenklich zu gestalten, daß
andererseits aber die Produktion Vorrang vor der Beachtung von umweltbezogenen
Sicherheitsanforderungen beanspruchte. Diese Rangfolge entsprach den staatlich
verfolgten Rüstungszielen, bei akuter Rohstoffknappheit und krisenhaften militärischen
Kräfteverhältnissen alle Anstrengungen auf die zu Kriegszwecken nutzbaren Mittel zu
konzentrieren, wobei der an sich zu beachtenden generellen Ausrichtung jeglichen
Unternehmens, den Betrieb so einzurichten, daß er keine gemeinschädlichen
Wirkungen hervorrief, trotz erkannter Risiken kein bzw. wesentlich weniger Augenmerk
gewidmet wurde. Der Vorrang der militärischen Erfordernisse wird augenfällig deutlich
daran, daß ein polizeiliches Einschreiten gegen die als grund- und
trinkwasserschädigend bewiesenen Wirkungen der Produktion unterblieben ist. Der D.
AG sind schon 1914/15, noch vor der Verschärfung der betrieblichen Situation infolge
des Hindenburg-Programms, gewerberechtliche Genehmigungen erteilt worden, die
wegen des Kriegszustandes einen herabgesetzten Schutzstandard zuließen. Erst mit
dem "Eintritt normaler Verhältnisse" waren an sich vorgegebene Anforderungen für die
Einrichtung und den Betrieb von Anlagen u.a. gerade für die hier kritischen
Nitroverbindungen umzusetzen; eine Ergänzung der Genehmigung nach Kriegsende
behielt sich die Behörde ausdrücklich vor. Soweit das "vaterländische Interesse" es
unbedingt erforderte, wurde die Verwendung einer giftigen Sprengstoffkomponente
zugelassen (Genehmigungen vom 25. November 1914, 13. Januar 1915 und 21. Januar
1915). Weitere Genehmigungen wurden unter Mitwirkung militärischer Dienststellen
speziell für die Dauer des Krieges bzw. des Belagerungszustandes erteilt, wobei (allein)
auf die Wahrung von Leben, Gesundheit und Eigentum Dritter hingewiesen wurde
(Genehmigungen vom 17. Juli 1915, 21. September 1915). Die Nebenbestimmungen
beschränkten sich in erster Linie auf - gegenüber den Friedenszeiten verminderte -
Schutzvorkehrungen zugunsten der beschäftigten Arbeiter. Die Verfügbarkeit der
militärisch erforderlichen Sprengstoffprodukte wurde demzufolge als zureichender und
übergeordneter Rechtfertigungsgrund für die Unterschreitung eigentlich einzuhaltender
Sicherheitspflichten angesehen. Auch der Vertrag vom 14. August 1918 beschränkt sich
auf Kompensationsleistungen der D. AG; die Produktion als solche, insbesondere auch
alle Vorgänge, die nicht als Einleitung oder Abwasserbehandlung anzusehen waren (§
13 des Vertrages), die dennoch aber das produktionstypische Handhabungsrisiko
verkörperten, blieben unangetastet. Das läßt insgesamt den Schluß darauf zu, daß die
Produktion von den zuständigen Behörden aufgrund überwiegender Kriegsinteressen,
die polizeirechtlich dem Verantwortungsbereich der Allgemeinheit zugehören, unter den
gegebenen Bedingungen gebilligt und gewollt war und zwar unabhängig davon, ob
diese Bedingungen unzulänglich waren, um den Boden und das Grundwasser vor
Verunreinigungen zu schützen, und ob zusätzliche, mit der Friedensproduktion (so)
nicht einhergehende Umweltrisiken entstanden. Das stellt keine bloße polizeiliche
Duldung des Inhalts dar, gegen ein gefahrverursachendes Handeln in Ausübung von
Ermessen nicht einzuschreiten, wodurch eine zur Fortsetzung dieses Handelns
berechtigende Wirkung nicht hätte eintreten können. Vielmehr lassen diese Umstände
das Handeln der D. AG öffentlich- rechtlich als im Einklang mit den polizeirechtlichen
Anforderungen stehend erscheinen, so daß sie eine Einschränkung der Risikosphäre
der D. AG dahin zur Folge haben, daß hinsichtlich der allgemeinen Auswirkungen der
Rüstungsproduktion auf das Grundwasser eine polizeirechtliche Verantwortlichkeit nicht
gegeben war. Trotz der formalen und in den Genehmigungsurkunden in Bezug
genommenen Pflicht, bei Auftreten von Nachteilen, Gefahren oder Belästigungen für die
Allgemeinheit zur Mängelbeseitigung geeignete betriebliche Änderungen vorzunehmen,
waren die normativen Maßstäbe für pflichtgemäßes Handeln außer Kraft gesetzt. Selbst
wenn direkter staatlicher Zwang zu umweltschädigendem Verhalten nicht ausgeübt
worden sein sollte, würde es den Befugnissen und Pflichten der D. AG nicht gerecht,
ihre Kriegsrüstungsproduktion während des 1. Weltkriegs wegen der
grundwasserschädigenden Folgen dieses Tuns als Anknüpfungspunkt für eine
polizeirechtliche Verantwortlichkeit gegenüber der Allgemeinheit, die dieses Tun
zumindest aktiv gefördert hat und auf die Rüstungsproduktion zur Kriegsführung
zwingend angewiesen war, heranzuziehen; diese betrieblichen Umweltrisiken
unterfallen der Sphäre der Allgemeinheit.
Nimmt man gleichwohl eine Verursachung der Gefahr im Sinne des § 17 OBG an, ergab
sich hieraus bezogen auf die Verschmelzung im Jahre 1935 keine der
Gesamtrechtsnachfolge fähige materielle Polizeipflicht der D. AG, die als Bestandteil
ihres auf die E. AG - nachfolgend auf die Klägerin - übergegangenen Vermögens
betrachtet werden könnte. Hierfür reicht es nicht aus, daß die D. AG den Anlaß dafür
gesetzt hat, daß gegenwärtig eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit besteht. Nicht der
bloße Verpflichtungsgrund einer noch "unfertigen" und damit inhaltlich nicht hinreichend
konkreten Verpflichtung kann auf einen Rechtsnachfolger übergehen, sondern allenfalls
eine - von den Befürwortern der Gesamtrechtsnachfolge im Bereich der
Verhaltensverantwortlichkeit angenommene und als nachfolgefähig betrachtete -
materiell schon entstandene Pflicht. Die Verhaltensverantwortlichkeit ist darauf gerichtet,
konkrete Gefahren für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung abzuwehren. Die
tatbestandliche Begrenzung der behördlichen Eingriffskompetenz bestimmt zugleich
den Inhalt der materiellen Pflichtenstellung, weil diese lediglich aus denselben
Rechtsnormen - der Generalklausel und den Vorschriften über die Verantwortlichkeit -
hergeleitet werden kann. Das bedeutet, daß die materielle Pflichtigkeit nur bestehen
kann, wenn und soweit die polizeirechtlichen Eingriffsvoraussetzungen erfüllt sind.
73
Vgl. Kloepfer, a.a.O., NuR 1987, 7 (10); Brandt, a.a.O., S. 149; Ossenbühl, a.a.O., S. 57;
Papier, a.a.O., DVBl. 1996, 125 (126).
74
Das war im Jahre 1935 nicht der Fall; es war kein Anlaß zu polizeilichem Einschreiten
gegen die D. AG gegeben. Eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit wegen Verstoßes
gegen die Vorschriften des Preußischen Wassergesetzes oder sonstige Rechtsnormen
bestand - wie erwähnt - nicht. Die beim Gebrauch des verunreinigten Grundwassers für
die öffentliche Wasserversorgung bestehende und Interessen der Allgemeinheit
berührende Gesundheitsgefahr war dadurch abgewendet, daß das Wasserwerk außer
Betrieb genommen worden war und durch den Vertrag vom 14. August 1918 sowie die
vertragsgemäßen Wasserlieferungen für die Zukunft die Zurverfügungstellung
gesundheitlich unbedenklichen Wassers sichergestellt war. Ein polizeirechtlich
motiviertes Einschreiten der Gemeinde klingt folgerichtig weder im Text des Vertrages
75
noch in den seine Entstehung und Handhabung durch die Parteien betreffenden
Unterlagen auch nur ansatzweise als beabsichtigt oder als in den Raum gestellte
Handlungsmöglichkeit an; hierfür bestand aufgrund der vertraglich zugesagten
Leistungen kein Erfordernis. Auch die Beschaffenheit des Oberbodens des Geländes
konnte öffentliche Interessen daher allein im Hinblick auf die anstehende Errichtung der
Wohnsiedlung betreffen. Eine - vorliegend entscheidungserhebliche - Pflicht zur Abwehr
von Gefahren vom Grundwasser konnte sich hieraus allerdings nicht ergeben.
Abgesehen hiervon konnten - und können - etwaige Gefahren für die angesiedelte
Bevölkerung nicht der D. AG als von ihr verursacht zugerechnet werden. Die
Gefahrengrenze für die der Wohnbevölkerung drohenden spezifischen Risiken ist nicht
durch ein Verhalten der D. AG überschritten worden, sondern erst infolge der von der
Siedlungsgesellschaft nach Stillegung des Betriebes betriebenen und behördlich
zugelassenen Bebauung. Insoweit stellt der Produktionsbetrieb der D. AG eine bloß
mittelbare und deshalb eine Ordnungspflicht nicht tragende Ursache dar. Die D. AG war
polizeirechtlich auch nicht verpflichtet, von der Veräußerung des Geländes zu
Wohnzwecken Abstand zu nehmen oder aber Vorsorge dafür zu treffen, daß eine
zukünftige Bebauung ohne aus der Beschaffenheit des Baugrundes folgende Gefahren
für die anzusiedelnde Bevölkerung realisiert werden konnte. Die in Frage stehende
Gesundheitsgefährdung wurde hinreichend wahrscheinlich erst mit der Bebauung, die
auf die eigenständigen und deshalb eigenverantwortlich zu vertretenden
Willensentscheidungen der Bauherren - sowie die behördlichen
Zulassungsentscheidungen - zurückgeht und deshalb in deren polizeirechtlichen
Verantwortungsbereich fällt. Aus dem vom Beklagten angeführten Gesichtspunkt
(pflichtwidrig) unterlassener Aufklärung über die Schadstoffbelastung ergibt sich schon
deshalb nichts anderes, weil die Bebauung nicht auf unzureichender Kenntnis von der
örtlichen Situation beruht. Unklarheiten über den früheren Verwendungszweck des
Geländes konnten weder auf seiten der die Fläche erwerbenden Siedlungsgesellschaft
noch auf seiten der mit der Errichtung der Siedlung befaßten öffentlichen Stellen
bestehen. Selbst wenn Einzelheiten insoweit trotz der Zeitnähe zur Produktionsphase
nicht aktuell bewußt gewesen sein sollten, ließen jedenfalls die in der Örtlichkeit noch
vorhandenen Anlagenreste, die im Kaufvertrag mit der Siedlungsgesellschaft noch
gesondert angesprochen worden sind ("Sprengstoffmagazine"), sowie das auf
behördlicher Seite aktenmäßig verfügbare Wissen Zweifel in dieser Richtung nicht zu.
Bekannt war desgleichen, daß die Sprengstoffproduktion den Umgang mit einer
Vielzahl unterschiedlicher und potentiell gesundheitsgefährdender chemischer
Substanzen in ganz erheblichen Mengen mit sich gebracht hatte. Die gesundheitlichen
Risiken speziell von Nitroverbindungen waren, wie die in den gewerberechtlichen
Genehmigungen in Bezug genommenen "Grundzüge für die Herstellung von Nitro- oder
Aminoverbindungen" (HMBl. 1911, 405) belegen, seinerzeit zumindest in Grundzügen
geläufig. Im Zeitpunkt der Errichtung der ersten Wohnhäuser 1935 wußte zumindest die
Gemeinde T. als Rechtsvorgängerin der Stadt M. darüber hinaus jedenfalls aufgrund der
Vorgänge um das gemeindliche Wasserwerk um die starke Verunreinigung des
Grundwassers mit gesundheitsschädigenden Stoffen. Aktenkundig ist des weiteren, daß
1921 aus der Bevölkerung Säureschäden an einem nahen Waldbestand gemeldet
worden sind. Dem Leserbrief eines ehemaligen Anwohners zufolge fiel zudem beim
Aushub der Baugruben für die Häuser eine Gelbfärbung des Bodens auf, die auf den
Eintrag von Chemikalien zurückgeführt wurde. Der abschließenden Bebauung des
Siedlungsgeländes Anfang der 60er Jahre waren Mitte der 50er Jahre
Grundwasseruntersuchungen vorangegangen, die nach dem hierüber erstellten und
dem Beklagten bekannten Gutachten Dr. T. schon wegen der Farbe des Wassers mit
Sicherheit auf das Vorhandensein von Nitrokörpern schließen ließen. Die
polizeirechtliche Verantwortlichkeit für die Eignung des Geländes zu Wohnzwecken
dennoch unter dem Gesichtspunkt des abgeschlossenen Schadstoffeintrages in den
Boden und nicht unter dem der den Verhältnissen nicht bzw. nur unzureichend
angepaßten Nutzungsart zu bestimmen, würde dem Umstand nicht gerecht, daß die
Bebauung Ausfluß der Eigentümerbefugnisse war und ist und daher der Risikosphäre
des Eigentümers bzw. Bauherrn unterfällt. Diesbezüglich eine "latente", infolge der
Bebauung lediglich aktualisierte und offengelegte Gefahr anzunehmen, würde eine den
Eigentumswechsel überdauernde Verantwortlichkeit für den Zustand der
gefahrbringenden Sache voraussetzen, die § 18 OBG gerade nicht enthält.
Die vom Beklagten angeordneten Maßnahmen sind ferner deshalb rechtsfehlerhaft, weil
die Klägerin hierdurch unzumutbar und unbillig hart belastet wird (§ 15 OBG). Der
gebotene Schutz des Grundwassers verlangt regelmäßig intensive und damit
kostenträchtige Bemühungen um die Ausräumung von Verunreinigungen, die das
Grundwasser schädigen, so daß die Kosten entsprechender
Gefahrenabwehrmaßnahmen bei angemessenem Sanierungsziel allenfalls unter
besonderen Umständen außer Verhältnis zu dem angestrebten Erfolg stehen. Die mit
der angefochtenen Ordnungsverfügung abverlangten Maßnahmen sind allerdings
dadurch gekennzeichnet, daß sie nur einen Bruchteil der anstehenden
Gesamtmaßnahmen ausmachen. Schon bei Erlaß der Ordnungsverfügung bestanden
aufgrund der Ergebnisse der Grundwasserbeprobungen und der historisch-deskriptiven
Untersuchung klare Anhaltspunkte dafür, daß das Werksgelände großflächig mit
grundwassergefährdenden Schadstoffen belastet ist, wobei mit mehreren potentiellen
Schwerpunkten zu rechnen war; diese Einschätzung hat durch die nachfolgenden
Untersuchungen ihre Bestätigung erfahren. Dieser Erkenntnisstand schloß es von
vornherein aus, die Situation mit ausschließlich auf den von der Ordnungsverfügung
erfaßten Bereich an der T. straße bezogenen Maßnahmen sachgerecht bewältigen und
den Grundwasserschutz effektiv gewährleisten zu können; allenfalls konnte mit der
Ordnungsverfügung das Problem einer Verbesserung der Grundwasserqualität in einem
verhältnismäßig kleinen Ausschnitt des Verunreinigungsgebietes angegangen werden,
was im Hinblick auf die Beschaffenheit des Grundwassers im übrigen selbst im Falle
des Auffindens eines lokal eingrenzbaren Schadensherdes - des TNT-Waschhauses -
einen greifbaren Erfolg im Sinne einer tatsächlichen Behebung der Gefahr wegen der
fortdauernden Verunreinigungen der Umgebung nicht erwarten ließ. Von einem sehr
viel weiterreichenden Handlungsbedarf ist auch der Beklagte ausgegangen. Das
bedeutet nicht, daß die der Klägerin aufgegebenen Maßnahmen zur Gefahrenabwehr
nicht geeignet - weil diesem Ziel nicht förderlich - sind, verlangt aber, das Ausmaß der
Inanspruchnahme der Klägerin nicht isoliert allein im Hinblick auf den überschaubaren
Aufwand zur Umsetzung der Ordnungsverfügung zu beurteilen, sondern die
Gesamtsituation in den Blick zu nehmen. Hierbei handelt es sich, was schon bei Erlaß
der Ordnungsverfügung bekannt war und nachfolgend durch die späteren
Ordnungsverfügungen sowie das aktuelle Sanierungskonzept bestätigt wird, sowohl
hinsichlich des Umfangs der Verunreinigungen als auch hinsichtlich der Art der
Schadstoffe um ein technisches und finanzielles Großprojekt. Das Gewicht der der
Klägerin abverlangten Maßnahmen verstärkt sich für sie ferner dadurch, daß die
Ordnungsverfügung allein an die Gefahr für das Grundwasser anknüpft und die
gesundheitlichen Risiken für die Bevölkerung ausklammert, obwohl diese im
Vordergrund der Gesamtsituation stehen und der Klägerin - wie dargelegt - nicht als von
der D. AG verursacht zugerechnet werden können. Die mit der Ordnungsverfügung
angestrebte Erlangung von Kenntnissen über die Details der Boden- und
Grundwasserverhältnisse ist nicht nur von Bedeutung für etwaige Maßnahmen des
76
Grundwasserschutzes, sondern ebenfalls dienlich für etwaige Maßnahmen des
Gesundheitsschutzes. Daher ist es sachlich nicht angemessen, die Klägerin allein und
hinsichtlich sämtlicher zur Erkundung der Örtlichkeit für erforderlich gehaltener
Maßnahmen in Anspruch zu nehmen. Eine Betrachtungsweise, die die Abwehr der -
nach Einschätzung der P zudem vordringlich in Angriff zu nehmenden -
Gesundheitsgefahren lediglich als tatsächliches Ergebnis der ohnehin zur Beseitigung
der Grundwasserbeeinträchtigung angezeigten Maßnahmen in den Blick nimmt, läßt die
objektiv gegebene Doppelfunktionalität der Maßnahmen zum Nachteil der Klägerin
außer acht.
Mit Blick auf dieses erhebliche Ausmaß der Belastung der Klägerin erweist sich ihre
Heranziehung wegen des den vorliegenden Fall kennzeichnenden Zeitmomentes sowie
des Vertrages vom 14. August 1918 als unbillig. Die die Gefahr verursachenden
Handlungen lagen bei Erlaß der Ordnungsverfügung 60 Jahre und mehr zurück. Das
bedingt nicht die Verjährung der Ordnungspflicht in Anwendung der mangels
einschlägiger Sonderbestimmungen allein in Betracht kommenden zivilrechtlichen
Bestimmungen über die Verjährung von Ansprüchen. Unter einem Anspruch ist das
Recht zu verstehen, von einem anderen ein Tun oder ein Unterlassen zu verlangen (§
194 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches). Demgegenüber verschafft § 14 OBG die
hoheitliche Befugnis, ordnungsbehördlich einzuschreiten, und zwar deshalb, weil
aktuell eine Gefahr vorliegt. Weder hebt § 14 OBG auf den Zeitpunkt des Eintritts der
Gefahr in der Vergangenheit oder den Zeitraum des Vorhandenseins der Gefahr ab
noch ist diese Ermächtigung ihrem Charakter nach einem Anspruch im bürgerlich-
rechtlichen Gleichordnungsverhältnis vergleichbar. Unter dem Gesichtspunkt der
Verhältnismäßigkeit nicht außer acht gelassen werden kann aber, daß die Zeitdauer
von mehreren Jahrzehnten seit der Herbeiführung der Gefahr und dem
Eigentumswechsel zu einer Verfestigung des Zustandes in dem Sinne geführt hat, daß
für den allgemeinen Rechtsverkehr die Umstände, unter denen das Werksgelände seine
tatsächliche Beschaffenheit erlangt hat, entscheidend an Bedeutung verloren haben.
Die Verjährung von Ansprüchen dient nicht nur dem Interesse des Schuldners, der
wegen der mit fortschreitender Zeit zunehmend in Frage gestellten vollständigen
Sachverhaltsaufklärung in seinen Verteidigungsmöglichkeiten eingeschränkt ist und
dessen Dispositionsmöglichkeiten beeinträchtigt sind, sondern bringt auch im
öffentlichen Interesse an Rechtssicherheit und Rechtsfrieden die Einsicht zur Geltung,
daß tatsächliche Zustände, die seit längerer Zeit unangegriffen Bestand haben, als
gegeben hingenommen und anerkannt werden.
77
Vgl. BGH, Urteil vom 20. April 1993 - X ZR 67/92 -, BB 1993, 1395; Urteil vom 16. Juni
1972 - I ZR 154/70 -, BGHZ 59, 72; Palandt, BGB, 55. Aufl., vor § 194 Rdnr. 4.
78
Der Rechtsgedanke, eine bestehende Situation nach Ablauf gewisser Zeit nicht aus
Gründen ihrer Entstehung gleichsam ungeschehen zu machen, berührt auch den für die
Verhaltensverantwortlichkeit entscheidenden Zurechnungsgrund. Das objektiv
gefahrauslösende Verhalten bildet zwar ungeachtet von Verschulden, Vorhersehbarkeit
und der sich im Zuge des technisch-wissenschaftlichen Fortschritts ändernden
Gefahrenbewertung ein spezifisches, dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit
unterfallendes Risikomoment. Das hierdurch begründete Näheverhältnis zur Gefahr
erfährt jedoch durch einen Zeitabstand von mehreren Jahrzehnten zumindest dann eine
Lockerung, wenn - wie hier - das Risiko vom früheren Eigentümer in Ausübung seiner
Eigentümerbefugnisse geschaffen worden ist.
79
Vgl. BayVGH, Beschluß vom 13. Mai 1986 - 20 Cs 86.00338 -, NVwZ 1986, 942.
80
Während die seinerzeitigen Ereignisse unvordenklich lange zurückliegen, und - wenn
überhaupt - nur unvollständig, eher zufällig und lückenhaft, rekonstruiert werden können,
hat der neue Eigentümer gegenüber der Allgemeinheit für den Zustand der Sache
unabhängig von den einzelnen Entstehungsfaktoren und einer betrieblichen Kontinuität
einzustehen; zivilrechtlich kann er schon aus Gründen der Verjährung gegen den
früheren Eigentümer wegen der schädigenden Folgen der früheren Eigentumsnutzung
nicht erfolgreich Rückgriff nehmen.
81
Darüber hinaus stellen sich die Anordnungen der Ordnungsverfügung der Sache nach
als dem Vertrag vom 14. August 1918 zuwiderlaufende Ergänzung früherer Maßnahmen
dar. Die im Wissen um diesen Vertrag jahrzehntelang unterbliebene Heranziehung der
D. AG bzw. ihrer Nachfolgegesellschaften zu Gefahrenabwehrmaßnahmen läßt die
gegebene Inanspruchnahme als unangemessen hart erscheinen. Die D. AG hat sich im
Vertrag vom 14. August 1918 zu Leistungen im Hinblick auf den Grundwasserschaden
verpflichtet. Diese Leistungen sind in Gestalt einer Entschädigungszahlung für die
Unbrauchbarkeit des Wasserwerkes und der zunächst kostenlosen, später
kostengünstigen Lieferung von Wasser für die öffentliche Versorgung auch erbracht
worden, wobei unerheblich ist, ob dies durch die D. AG selbst geschah oder durch die
E. AG, weil beide Gesellschaften im Innenverhältnis über einen Beherrschungsvertrag
verbunden waren und im Außenverhältnis einheitlich handelten. Der Vertrag sollte die
Gemeinde T. durch Finanzierung eines neuen Wasserwerkes und Belieferung mit
Wasser bis zu dessen Inbetriebnahme in den Stand versetzen, trotz der
gesundheitsschädlichen Verunreinigung des bislang genutzten
Grundwasservorkommens die öffentliche Wasserversorgung aufrechtzuerhalten. Im
Blickpunkt der Parteien standen dabei privatrechtliche Schadensersatz- bzw.
Entschädigungsansprüche der Gemeinde T. . Hierauf deuten der ausdrückliche
Regelungsgehalt der die Leistungspflicht der D. AG begründenden §§ 1, 2 und 4 des
Vertrages hin. Das steht im Einklang einerseits mit der Beurteilung des Vertragswerkes
durch die Gemeinde T. , die ausweislich der Gemeinderatssitzung vom 23. Juli 1918
von der Regelung der Entschädigung und der hiermit zusammenhängenden Fragen
ausgegangen ist, und andererseits dem Eingeständnis der E. AG in ihrem Schreiben
vom 14. Februar 1917 an Prof. Dr. X. , der Gemeinde zum Schadensersatz verpflichtet
zu sein. Der Vertrag stellt erkennbar den Abschluß der wegen geltend gemachter
Schadensersatzansprüche der Gemeinde, die bereits ein Beweissicherungsverfahren
eingeleitet hatte, geführten Verhandlungen dar. Während der Verhandlungen waren von
dem Chemiker Dr. M. ausweislich seiner Kostenrechnung Wasseruntersuchungen u.a.
hinsichtlich des Vorhandenseins von TNT durchgeführt worden, was belegt, daß die
Problematik dieser spezifischen Substanz, die gegenwärtig den Hauptfaktor der
Verunreinigung bildet, erkannt war. Eine privatrechtliche Regelung lag zudem deshalb
nahe, weil Verunreinigungen des Grundwassers wasserrechtlich nach dem oben
Gesagten als Frage der Verletzung privatrechtlicher Ansprüche betrachtet wurden (§§
196, 202 PrWG); über Ansprüche des Geschädigten war im ordentlichen Rechtsweg zu
befinden, so daß eine polizeirechtliche Regelungsbefugnis insoweit nicht bestand.
82
Das ändert aber nichts daran, daß die Gemeinde T. nicht nur privatrechtlich geschädigt
war, sondern daß ihr Bürgermeister als allgemeine Ortspolizeibehörde (§ 28 der
Kreisordnung für die Rheinprovinz vom 30. Mai 1887, pr GS S. 209) für die öffentliche
Sicherheit gegenüber Gefahren durch verunreinigtes Grundwasser Sorge zu tragen
hatte. Dieser Zuständigkeit standen wasserpolizeiliche Aufgaben (§ 352 PrWG) nicht
83
entgegen, da solche in bezug auf die Qualität des Grundwassers nicht wahrzunehmen
waren.
Vgl. PrOVG, Urteil vom 12. Dezember 1929 - III B 24/28 - a.a.O.; Urteil vom 25.
November 1904 - Rep. I A 154/02 -, OVGE 46, 423.
84
Angesichts der Tatsache, daß sich die Schadensersatzpflicht und die Polizeipflicht in
tatsächlicher Hinsicht - Beeinträchtigung der ordnungsgemäßen Wasserversorgung -
überschnitten, konnte und mußte die D. AG das Vorgehen der Gemeinde T. und ihres
sie vertretenden Bürgermeisters dahin verstehen, daß es hinsichtlich der
Grundwasserverunreinigung mit der Erbringung der vereinbarten Leistungen sein
Bewenden haben sollte. Eine außerhalb der vertraglichen Beziehungen stehende, auf
Polizeirecht gestützte Inanspruchnahme der D. AG etwa zur Reinigung des
Grundwassers oder des Bodens von Schadstoffen hätte wirtschaftlich den im Vertrag
gefundenen, eingehend geregelten Interessenausgleich einseitig zu Lasten der D. AG
verändert. Eine Handlungsalternative in dieser Richtung wäre denkbar, aber allenfalls
im Falle der Klarstellung und Erwähnung eines entsprechenden Vorbehaltes im Vertrag
zu erwarten gewesen. § 12 des Vertrages besagt aber, daß die Gemeinde aus der
Verunreinigung des Wassers weitere Ansprüche nicht herleiten wolle, auf etwaige
weitere Ansprüche vielmehr verzichte. Wenngleich damit privatrechtliche
Schadensersatzansprüche gemeint waren, der Vertrag einer ausdrücklichen Regelung
hinsichtlich eines polizeirechtlichen Einschreitens also entbehrt, spricht nichts dafür,
daß zugunsten der Gemeinde als Ortspolizeibehörde die Möglichkeit eines solchen
Vorgehens offengehalten werden sollte. Eine solche Annahme kann namentlich nicht
daraus abgeleitet werden, daß das beeinträchtigte Wasserwerk außerhalb des
Gemeindegebiets lag und sich die Schadstoffahne im Grundwasser entsprechend der
Fließrichtung des Grundwasserstroms in erster Linie auf das Gebiet der
Nachbargemeinden erstreckte. Es ging bei dem Vertrag vielmehr ersichtlich darum, die
in der Gemeinde T. und damit im Zuständigkeitsbereich ihres Bürgermeisters
ausgelösten Auswirkungen des Betriebes der D. AG auf das Grundwasser unschädlich
zu gestalten. Das zeigt sich auch daran, daß der Vertrag über Jahrzehnte hinweg als
abschließende Regelung des Komplexes der betriebsbedingten
Grundwasserverunreinigung gehandhabt worden ist. Erstmals die angefochtene
Ordnungsverfügung, die nach Angaben des Beklagten in Unkenntnis des Vertrages und
damit auf der Grundlage eines in wesentlicher Hinsicht unvollständigen Sachverhaltes
erlassen worden ist - was bereits als solches die Rechtmäßigkeit der
Ermessensausübung in Frage stellt -, beinhaltet ein auf die Verbesserung der
Grundwasserqualität gerichtetes ordnungs-(polizei-)behördliches Handeln.
85
Dieses Verständnis des Vertrages und seiner Umsetzung erweist sich nicht deswegen
als verfehlt, weil die Befugnis zum polizeilichen Einschreiten nicht zur vertraglichen
Disposition steht. Aus damaliger Sicht war aufgrund der vertraglichen Leistungen ein
polizeiliches Tätigwerden zur Abwehr von Gefahren für das Grundwasser, sofern die
öffentliche Sicherheit durch die Verunreinigungen betroffen war, nicht veranlaßt.
Geändert haben sich nicht die tatsächlichen Gegebenheiten der Gefahrensituation,
sondern der Handlungsbedarf zur Gefahrenabwehr. Gegenüber der früher, auch bei
Abschluß des Vertrages im Vordergrund stehenden Nutzbarkeit des Grundwassers zu
Trinkwasserzwecken, die nach Lage der Dinge mit wirtschaftlich vertretbarem Aufwand
schwerlich hergestellt werden kann, wovon das derzeitige Sanierungskonzept des
Beklagten selbst ausgeht, hat der weiterreichende Gedanke, das Grundwasser um
seiner selbst willen zu schützen, maßgebende Bedeutung erlangt. Die Klägerin dem
86
Risiko dieses Wandels auszusetzen, würde außer acht lassen, daß die
Polizeipflichtigkeit der D. AG sich seinerzeit nicht auf die Beschaffenheit des
Grundwassers als solche bezog und würde die von der D. AG bzw. der E. AG
erbrachten vertraglichen Leistungen gleichsam rückwirkend als unzulänglich
qualifizieren. Zwar schließen erfolglos gebliebene Versuche der Gefahrenabwehr eine
erneute ordnungsbehördliche Inanspruchnahme nicht aus, da Ausgangspunkt hierfür
grundsätzlich das Vorliegen einer gegenwärtigen Gefahr ist und die Ordnungspflicht
nicht dadurch erlischt, daß letztlich unzureichende Maßnahmen zur Gefahrenabwehr
unternommen werden. Anderes gilt aber dann, wenn der Ordnungspflichtige
schutzwürdig darauf vertrauen konnte und vertraut hat, nicht (mehr) in Anspruch
genommen zu werden. So ist es hier. Der Vertrag vom 14. August 1918 diente dazu, die
das Grundwasser schädigenden Folgen des Betriebes der D. AG zu bewältigen. Der
Beklagte hat im Zusammenhang mit der Ablösung des Vertrages in den 50er Jahren auf
die Fortschreibung der Vertragspflichten der D. AG und der E. AG gedrängt und diese
Pflichten bis 1986 zur Durchsetzung einer zunächst kostenlosen, ab 1963
preisgünstigen Wasserbelieferung genutzt. Die Bebauung des Geländes mit
Wohnhäusern ist ersichtlich für unbedenklich erachtet worden. Auch die wiederholten
Wasseruntersuchungen, die zuletzt 1955/56 durch das Gutachten Dr. T. die
fortdauernden Grundwasserverunreinigungen aufzeigten, sowie die Einstufung des
Geländes als Altlastenverdachtsfläche ab 1981 lösten über den Vertrag hinausgehende
Forderungen zum Grundwasserschutz nicht aus. Hierzu kam es erst aufgrund der ab
1988 durchgeführten gezielten Suche nach sprengstoffspezifischen Schadstoffen im
Grundwasser. Es wäre widersprüchlich und verstieße gegen den das öffentliche Recht
einschließlich des Polizei- und Ordnungsrechts beherrschenden Grundsatz von Treu
und Glauben, einerseits über ca. 70 Jahre hinweg Leistungen aufgrund des Vertrages
vom 14. August 1918 einzufordern, andererseits aber unter Hinweis auf zeitgemäße
Maßstäbe der Gefahrenbeseitigung und unter Verwendung der modernen
Analysemethoden zum Schadstoffnachweis auf Kosten der Klägerin einen
weitreichenden zusätzlichen Handlungsbedarf zu befriedigen. Dadurch würde der
Rechtsnachfolgerin der D. AG im nachhinein ein Gefahren- und Kostenrisiko
aufgebürdet, das nach damaliger Rechtslage die D. AG selbst nicht zu tragen hatte.
Dies der Klägerin zuzumuten, ist auch nicht deswegen gerechtfertigt, weil der
wirtschaftliche Wert der von der D. AG bzw. der E. AG bzw. der E. O. AG (alt) vertraglich
erbrachten Leistungen aus heutiger Sicht hinter dem anstehenden hohen
Sanierungsaufwand deutlich zurückbleibt.
Daß die Klägerin - wie auch ihre Rechtsvorgängerinnen - darauf vertraut hat, der
Beklagte werde nicht in der gegebenen Weise gegen sie vorgehen, ergibt sich schon
daraus, daß nur unter dieser Voraussetzung die vertragsgetreue Erfüllung des Vertrages
vom 14. August 1918 und der Nachfolgeverträge erklärlich ist; ein auf den
Grundwasserschutz gerichtetes Gefahrenabwehrverlangen hätte der beiderseitigen
Vorstellung, durch die vertraglichen Leistungen das Problem der
Grundwasserverunreinigung tatsächlich, vollständig und dauerhaft zu lösen, die
Grundlage entzogen. Der von der E. AG 1954 im Zusammenhang mit den
Verhandlungen um eine Erhöhung der gelieferten Wassermenge geäußerten
Auffassung, die Vertragspflicht aus dem Jahre 1918 sei durch die lange Zeit der
Lieferung von Wasser und den wirtschaftlichen Wert dieser Leistung erfüllt, trat der
Beklagte mit der Erwägung entgegen, die Wasserlieferung von 1.440 m3/Tag sei
unbefristet bis zum noch ausstehenden Bau eines neuen Wasserwerkes geschuldet;
außerdem habe die Grundwasserverseuchung einen bei Vertragsschluß nicht
vorauszusehenden Umfang angenommen, wofür die E. AG unter Umständen haftbar
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gemacht werden könne. Ausgehend von diesen Verhandlungspositionen und in
Kenntnis der nachgewiesenen Fortdauer der Belastung des Grundwassers mit
Schadstoffen aufgrund der Sprengstoffproduktion wurde der Vertrag vom 1./4. Juni 1956
geschlossen, durch den das Anliegen des Beklagten, den städtischen Wasserbedarf in
größerem Umfang als zuvor und zu günstigen Konditionen durch Lieferungen der E. AG
zu decken, langfristig bis Juni 1986 verwirklicht worden ist. Das läßt es, zumal der
Preisvorteil in den Verträgen vom 3./16. September 1963 und 10./17. August 1984
fortgeschrieben worden ist, nicht zu, anzunehmen, die E. AG habe auch nur entfernt
damit gerechnet oder rechnen müssen, neben ihren vertraglich eingegangenen
Pflichten aus Gründen des allgemeinen Polizei- und Ordnungsrechts beträchtliche
Aufwendungen zur Verbesserung bzw. Sicherung der Grundwasserqualität tätigen zu
müssen. Übereinstimmende Meinung der Vertragsparteien war es ersichtlich, mit der
einvernehmlichen Lösung der Trinkwasserfrage die Verantwortlichkeit der D. AG für die
Grundwasserschädigung auf Dauer und insgesamt abzugelten.
Die der angefochtenen Ordnungsverfügung beigegebene Androhung der
Ersatzvornahme teilt das rechtliche Schicksal der Grundverfügung, zu deren
Durchsetzung sie ergangen ist. Entsprechendes gilt für die Festsetzung der
Ersatzvornahme und die Geltendmachung der Kostenforderung durch den Bescheid
vom 25. September 1991.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Entscheidung über die
vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 167 VwGO, §§ 708 Nr. 10, 711 der
Zivilprozeßordnung.
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Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen der §§ 132 Abs. 2, 137
Abs. 1 VwGO nicht vorliegen. Die vom Beklagten als rechtsgrundsätzlich angesehenen
Fragen beurteilen sich nach Landesrecht.
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