Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 15.01.2003

OVG NRW: materielles recht, vorläufiger rechtsschutz, erstellung, behandlung, anschluss, offenlegung, beförderung, billigkeit, kreis, missbrauch

Oberverwaltungsgericht NRW, 1 B 2230/02
Datum:
15.01.2003
Gericht:
Oberverwaltungsgericht NRW
Spruchkörper:
1.Senat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
1 B 2230/02
Vorinstanz:
Verwaltungsgericht Gelsenkirchen, 12 L 1719/02
Tenor:
Der angefochtene Beschluss wird geändert.
Der Antrag wird abgelehnt.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens in beiden
Rechtszügen; die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen sind
nicht erstattungsfähig.
Der Wert des Streitgegenstandes wird auch für das
Beschwerdeverfahren auf 2.000,00 EUR festgesetzt.
G r ü n d e
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Die Beschwerde hat Erfolg.
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Der im Beschwerdeverfahren von der Antragstellerin weitergeführte Antrag,
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die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, die durch
die interne Stellenausschreibung der Stadtverwaltung I. vom 27. Mai 2002 für den
Fachbereich 4 ausgeschriebene Stelle der Bereichsleitung "Kindergarten und Schule
(BAT II/A 13 g.D.)" nicht auf der Grundlage des bisherigen Auswahlverfahrens mit dem
Beigeladenen zu besetzen,
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ist allerdings zulässig. Die Antragstellerin ist auf diesen Antrag beschränkt, hat
namentlich nicht die Möglichkeit, wegen der Nichtberücksichtigung ihrer Bewerbung, die
aus Gründen (angeblich) fehlender Erfüllung des Anforderungsprofils erfolgte, zu
beantragen, in das laufende Auswahlverfahren einbezogen zu werden.
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Vgl. OVG Schleswig, Beschluss vom 16. April 1993 - 3 M 15/93 -, NVwZ-RR 1994,
350/351 f.
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Der Antrag der Antragstellerin auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes ist indes
nicht begründet. Er hätte nur dann Erfolg haben können, wenn die endgültige Besetzung
der in Rede stehenden Stelle mit dem Beigeladenen eine Verletzung des
Bewerbungsverfahrensanspruchs der Antragstellerin darstellen würde. Dies ist indes im
Ergebnis nicht der Fall.
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Der Anspruch der Antragstellerin betrifft das Recht, dass über ihre Bewerbung ohne
Rechtsfehler entschieden wird. Dieses Recht wäre allerdings im Einklang mit den
zutreffenden rechtlichen Ansätzen der Antragstellerin, wie sie sie im
Beschwerdeverfahren vorbringt, verletzt, wenn das erste Auswahlverfahren, das Ende
des Jahres 2000 durch Ausschreibung vom 23. November 2000 eingeleitet worden war,
zwingend und dann auch nur unter Beachtung der Rechtsauffassung des
Verwaltungsgerichts in seinem Beschluss vom 28. Juni 2001 - 12 L 1024/01 - sowie
unter Beachtung der für jenes Auswahlverfahren maßgeblichen Umstände,
insbesondere also unter Berücksichtigung des damals in der Ausschreibung
festgelegten Anforderungsprofils und nach (erstmaliger) Erstellung von
Bedarfsbeurteilungen hätte fortgeführt werden müssen. In diesem Falle wäre der
Anspruch der Antragstellerin auf rechtsfehlerfreie Behandlung ihrer Bewerbung
offensichtlich verletzt worden, weil die Stellenbesetzung nach erneuter Ausschreibung
und unter Veränderung des Anforderungsprofils - hier insbesondere betreffend die (von
der Antragstellerin nicht erfüllte) zwingende Anforderung der mehrjährigen Erfahrung in
der kommunalen Schul- oder Kindergartenverwaltung - ohne Erstellung von in einen
Bewerbervergleich einbeziehbaren Bedarfsbeurteilungen vorgenommen worden ist.
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Die Antragsgegnerin war indes befugt, das Ende 2000 eingeleitete Auswahlverfahren
abzubrechen und ein neues Auswahlverfahren einzuleiten. Der Abbruch des ersten
Bewerbungsverfahrens aus sachlichen Gründen und die erneute Einleitung der
Stellenbesetzung durch erneute Ausschreibung des in Rede stehenden Dienstpostens
ließ die Bindung der Antragsgegnerin an die vom Verwaltungsgericht getroffene
Entscheidung entfallen.
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Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 4. September 2001 - 1 B 205/01 -.
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Der Abbruch des ersten Auswahlverfahrens war rechtmäßig. Der Dienstherr kann
Auswahlverfahren jederzeit beenden, sofern es dafür einen sachlichen Grund gibt.
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Vgl. BVerwG, Urteil vom 16. August 2001 - 2 A 3.00 -, DÖV 2001, 1044, Urteil vom 22.
Juli 1999 - 2 C 14.98 -, DVBl. 2000, 485 (486), Urteil vom 25. April 1996 - 2 C 21.95 -,
DVBl. 1996, 1146; OVG NRW, Beschluss vom 5. April 2001 - 1 B 315/01 -RiA 2002, 95,
Beschluss vom 3. Juli 2001 - 1 B 670/01 -, NVwZ-RR 2002, 362.
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Nach den insoweit von der Antragstellerin nicht durchgreifend in Frage gestellten
Einlassungen der Beschwerde erfolgten der Abbruch des ersten und die Einleitung des
neuen Auswahlverfahrens mit einem veränderten Anforderungsprofil vor dem
Hintergrund der Erfahrungen, welche die Antragsgegnerin mit dem ersten
Auswahlverfahren gesammelt hatte. Für die Antragsgegnerin stellte sich offenbar
erstmals gerade mit Blick auf die Gründe, aus denen der Antragstellerin auch nach
Auffassung des Senats völlig zu Recht vorläufiger Rechtsschutz in dem Beschluss des
Verwaltungsgerichts vom 28. Juni 2001 - 12 L 1024/01 - gewährt worden war, heraus,
dass die bisherige Handhabung der Auslese von Bewerbern rechtlich nicht haltbar war.
Dies betrifft vor allem den Umstand, dass regelmäßige Leistungsbeurteilungen in
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üblichen Zeitabständen für die beamteten Beschäftigten der Antragsgegnerin nicht
erstellt worden sind und im Zusammenhang mit den für die Auswahlentscheidung
grundlegenden Auswahlgesprächen über das Anforderungsprofil hinausgehende
Gesichtspunkte den Ausschlag für den einen oder anderen Konkurrenten - hier z. B.
betreffend die einschlägige Berufserfahrung - geben konnten. Es ist für den Senat
nachvollziehbar und erscheint ihm ohne weiteres als sachlich begründet, wenn nicht gar
dringend erforderlich, dass die Antragsgegnerin durch Abbruch dieser Handhabung
geradezu kameralistischer Personalpolitik, die eine rationale Nachprüfbarkeit von
Personalentscheidungen und damit eine Prüfung der Auswahlentscheidung an Art. 33
Abs. 2 GG eher systematisch ausschloss, sich nunmehr bemüht, auch bei der
Bewältigung von Personalentscheidungen den Anschluss an geltendes Recht zu
erreichen. Hierauf beruhen ersichtlich die Änderungen im Anforderungsprofil, die sich
nach allem lediglich als Offenlegung von Kriterien erweisen, die zuvor "in camera"
ohnehin bei der Auswahl eine erhebliche Rolle gespielt hätten. Die damit verbundene
Verengung des Bewerberfeldes beruht deswegen auch auf dem Bemühen, die
wesentlichen Anforderungen in die Ausschreibung (das Anforderungsprofil)
aufzunehmen, wie dies rechtlich geboten ist, wenn überhaupt eine interne
Ausschreibung eines Beförderungsdienstpostens erfolgt.
Vgl. Laubinger, Gedanken zum Inhalt und zur Verwirklichung des Leistungsprinzips bei
der Beförderung von Beamten, Verwaltungsarchiv 83 (1992), S. 246 ff. (268).
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Jene Verengung des Bewerberfeldes ist an der Sache grundlegend insoweit orientiert,
als sie sicherstellen soll, dass bereichsbezogen der geeignetste Bewerber die Stelle
erhält. Eine die Rechte der Antragstellerin berührende oder gar verletzende Maßnahme
liegt hierin nicht. Ein Anspruch auf möglichst umfassende Offenhaltung des
Bewerberfeldes durch möglichst allgemein gehaltenen Zuschnitt des Bewerbungs- bzw.
Anforderungsprofils existiert nicht. Die Grenzen, die dem Organisationsermessen des
Dienstherrn in diesem Zusammenhang unter dem Blickpunkt des Verbots des
unsachlichen Ausschlusses von Bewerbern gezogen sind, sind nicht überschritten. Die
in diesem Zusammenhang zu beachtende nahezu uneingeschränkt bestehende
organisatorische Dispositionsbefugnis erlaubt es dem Dienstherrn insbesondere,
funktionsspezifische Differenzierungen vorzunehmen und damit den Bewerberkreis
sachbezogen abzugrenzen.
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Vgl. insoweit BVerwG, Beschluss vom 5. Dezember 2001 - 2 VR 8.01 - S. 5 des
amtlichen Umdrucks, OVG NRW, Beschluss vom 14. Dezember 1999 - 12 B 1304/99 -
S. 2 und 4 des amtlichen Umdrucks, Beschluss vom 20. November 1998 - 12 B 2446/98
- S. 3 des amtlichen Umdrucks, Beschluss vom 4. September 1998 - 12 B 333/98 - S. 4
des amtlichen Umdrucks, Beschluss vom 4. September 2001 - 1 B 205/01 - S. 11 des
amtlichen Umdrucks und Beschluss vom 27. November 2001 - 1 B 1075/01 - S. 8 des
amtlichen Umdrucks.
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In diesem Zusammenhang ist insbesondere ausschlaggebend zu bedenken, dass die
sehr weite Organisationsbefugnis des Dienstherrn, die Funktion eines Dienstpostens
nach Art und Umfang sowie die an den Amtsinhaber zu stellenden Anforderungen
festzulegen, der gerichtlichen Prüfung enge Grenzen setzt. Hier ist insbesondere ein
Missbrauch der Organisationsgewalt nicht feststellbar. In Anlehnung an den in § 4 Abs.
2 Satz 3 der Bundeslaufbahnverordnung enthaltenen Rechtsgedanken, wonach der
Dienstherr von einer internen, d. h. also im Ergebnis von jeglicher Ausschreibung aus
Gründen der Personalplanung oder des Personaleinsatzes absehen kann,
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vgl. hierzu allgemein auch OVG NRW, Beschluss vom 25. September 1998 - 1 A
4317/97.PVB - S. 7 f. des amtlichen Umdrucks m.w.N.,
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wenn er z. B. einen bestimmten Beamten aus sachbezogenen - etwa die Anforderungen
des Dienstpostens betreffenden - Gründen besonders fördern will, kann es keine
Verletzung des Anspruchs auf Bewerbung (sollte es einen derartigen Anspruch
überhaupt geben), bzw. auf rechtsrichtige Behandlung der Bewerbung darstellen, wenn
wie hier von der Ausschreibung zwar nicht abgesehen, das Bewerberfeld aber
sachbezogen, d. h. durch dienstpostenbezogene Anforderungen entsprechend
eingeengt wird. Insbesondere ist der Grundsatz der Bestenauslese nicht berührt, wenn
ein einzelner Bewerber für einen bestimmten Beförderungsdienstposten wegen dessen
besonderen Profils nicht geeignet ist. Ein derartiger Bewerber darf vielmehr -
unbeschadet seiner sonstigen Leistungsstärke, - wenn - wie hier auch für die Person
des Beigeladenen von der Antragstellerin nicht durchgreifend in Frage gestellt - andere
Bewerber dem Anforderungsprofil in vollem Umfang entsprechen, bereits im Vorfeld der
eigentlichen Auswahlentscheidung aus dem Kreis aussichtsreicher Bewerber
ausgeschieden werden.
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Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 20. November 1998 - 12 B 2446/98 - und Beschluss
vom 14. September 1998 - 12 B 333/98 - sowie OVG Rheinland-Pfalz, Beschlüsse vom
30. Juni 1997 - 2 B 11323 und 11653/97 -, NVwZ-RR 1999, 49-51.
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Ist die Verengung des Bewerberkreises nach allem rechtlich nicht zu beanstanden, steht
der Antragstellerin kein weitergehendes formelles oder materielles Recht aus dem
Anspruch auf fehlerfreie Handhabung ihrer Bewerbung zu. Da die Antragstellerin auch
nicht für die Stellenbesetzung in irgendeinem Zeitpunkt ernsthaft vorgesehen war, hat
sie schließlich auch aus diesem Gesichtspunkt - wollte man ihn insoweit für
rechtserheblich halten - keine Handhabe, die Rechtmäßigkeit der erneuten
Ausschreibung in Zweifel zu ziehen.
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Vgl. zu diesem Gesichtspunkt: Schöbener, Verwaltungsgerichtlicher Rechtsschutz in
beamtenrechtlichen Konkurrenzsituationen, BayVBl. 2001, S. 321 ff. (328).
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Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1 und Abs. 3, 162 Abs. 3 VwGO; die
Streitwertfestsetzung auf §§ 20 Abs. 3, 13 Abs. 1 Satz 2 GKG. Gründe der Billigkeit, die
die Auferlegung der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen zu Lasten der
Antragstellerin als der unterliegenden Partei gerechtfertigt hätten, liegen nicht vor. Der
Streitwert ist - wie in Fällen vorliegender Art regelmäßig - in Höhe der Hälfte des
Auffangstreitwertes nach § 13 Abs. 1 Satz 2 GKG festzusetzen.
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Dieser Beschluss ist unanfechtbar.
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