Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 19.03.2007

OVG NRW: wiedereinsetzung in den vorigen stand, die post, approbation, zeitlich befristete tätigkeit, zahnarzt, zahnheilkunde, ausländischer arbeitnehmer, anschlussberufung, kontrolle, ausbildung

Oberverwaltungsgericht NRW, 13 A 4204/06
Datum:
19.03.2007
Gericht:
Oberverwaltungsgericht NRW
Spruchkörper:
13. Senat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
13 A 4204/06
Vorinstanz:
Verwaltungsgericht Minden, 7 K 3968/04
Tenor:
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts
Minden vom 28. September 2006 geändert.
Die Klage wird auch hinsichtlich des Begehrens auf Erteilung einer
Erlaubnis nach § 13 ZHG abgewiesen.
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts
Minden vom 28. September 2006 verworfen.
Die Anschlussberufung des Klägers wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Instanzen.
Der Beschluss ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Streitwert wird unter Änderung der Streitwertfestsetzung des
Verwaltungsgerichts für beide Instanzen auf jeweils 105.000 EUR
festgesetzt.
G r ü n d e :
1
I.
2
Der 1963 in der Türkei geborene Kläger, der seit dem 24. Mai 2002 deutscher
Staatsangehöriger ist, begehrt die Erteilung der Approbation als Zahnarzt, hilfsweise die
Erteilung einer Erlaubnis nach § 13 Zahnheilkundegesetz mit der Begründung, sein
3
zahnmedizinisches Studium von 1982 bis 1988 an der Universität N. / Türkei in
Verbindung mit einem anschließend dort absolvierten Promotionsstudium sei
gleichwertig mit einem Zahnmedizinstudium in Deutschland.
Wegen des weiteren Sachverhalts nimmt der Senat zunächst gem. § 130b Satz 1
VwGO, der auch bei Beschlüssen nach § 130a VwGO anwendbar ist,
4
vgl. BVerwG, Urteil vom 25. August 1999 - 8 C 12.98 -, NVwZ 2000, 73 f;
Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Stand: April 2006, § 130a Rdn. 13; Sodan/
Ziekow, VwGO, 2. Aufl., § 130a Rdn. 47; OVG NRW, Beschlüsse vom 5. Februar 2007 -
13 A 1714/04 -, vom 8. Januar 2007 - 13 A 1741/04 - und vom 11. Dezember 2006 - 13 A
2771/03 -,
5
Bezug auf den Tatbestand des Urteils des Verwaltungsgerichts vom 28. September
2006 und macht sich die Feststellungen des Verwaltungsgerichts in vollem Umfange zu
Eigen.
6
Durch das angefochtene, den Beteiligten am 2. Oktober 2006 zugestellte Urteil, auf
dessen Gründe Bezug genommen wird, hat das Verwaltungsgericht die Klage des
Klägers hinsichtlich des Antrags, ihm eine Approbation als Zahnarzt zu erteilen,
abgewiesen und dem Klagebegehren wegen der Erteilung einer Erlaubnis zur
vorübergehenden Ausübung der Zahnheilkunde im Hinblick auf Art. 12 Abs. 1 GG
stattgegeben. Die Berufung wurde vom Verwaltungsgericht zugelassen.
7
Gegen das Urteil haben die Beteiligten jeweils Berufung eingelegt.
8
Die Berufung des Klägers wurde nicht fristgerecht begründet. Nach einem
entsprechenden gerichtlichen Hinweis (§ 125 Abs. 2 VwGO) beantragt der Kläger,
9
ihm wegen Versäumung der Berufungsbegründungsfrist Wiedereinsetzung in den
vorigen Stand zu gewähren.
10
Außerdem hat der Kläger Anschlussberufung eingelegt. Insoweit beantragt er
sinngemäß,
11
das angefochtene Urteil zu ändern und die Beklagte zu verpflichten, ihm die
Approbation als Zahnarzt zu erteilen.
12
Der Kläger macht geltend, das Verwaltungsgericht habe zu Unrecht sein
Zahnmedizinstudium in der Türkei nicht als gleichwertig anerkannt.
13
Die Beklagte beantragt,
14
das angefochtene Urteil zu ändern und die Klage auch hinsichtlich des Hilfsantrags auf
Erteilung einer Erlaubnis nach § 13 ZHG abzuweisen.
15
Sie macht geltend, die Entscheidung des Verwaltungsgerichts berücksichtige nicht
hinreichend, dass eine Erlaubnis nach § 13 ZHG nur zeitlich befristet erteilt werden
könne und die Auflage, der Kläger dürfe den zahnärztlichen Beruf nur unter Aufsicht
eines approbierten Zahnarztes ausüben, nicht praktikabel und nicht geeignet sei. Zum
Wiedereinsetzungsbegehren und zur Anschlussberufung des Klägers hat die Beklagte
16
nicht ausdrücklich Stellung genommen.
Wegen der Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird Bezug genommen auf den
Inhalt ihrer Schriftsätze, wegen des Sachverhalts im Übrigen auf die Gerichtsakte und
die Verwaltungsvorgänge der Beklagten.
17
II.
18
Der Senat entscheidet über das Wiedereinsetzungsbegehren des Klägers und über die
Berufungen der Beteiligten - u. a. aus Gründen der Prozessökonomie - nach
entsprechender Anhörung der Beteiligten gemäß § 125 Abs. 2 Satz 2, § 130a VwGO
durch Beschluss.
19
Vgl. Redeker/von Oertzen, VwGO, 14. Aufl., § 127 Rdnr. 9; a.A.: Sodan/Ziekow, VwGO,
2. Aufl., § 127 Rdnr. 12; Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Stand: April 2006, §
127 Rdnr. 13; Bader/Funke-Kaiser/Kuntze/von Albedyll, VwGO, 3. Aufl., § 127 Rdnr. 13.
20
III.
21
Die Berufung des Klägers ist unzulässig, weil sie nicht fristgerecht begründet wurde und
eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Begründungsfrist
nicht in Betracht kommt.
22
Da das Urteil des Verwaltungsgerichts vom 28. September 2006 keine
Einschränkungen in der Tenorierung und keine nach den zulässigen Rechtsmitteln in
Abhängigkeit vom Erfolg des Klagebegehrens differenzierende Rechtsmittelbelehrung
enthält, muss der Senat von einer umfassenden Zulassung der Berufung durch das
Verwaltungsgericht ausgehen,
23
vgl. Sodan/Ziekow, VwGO, a. a. O., RdNrn. 13 ff, 266 ff, 279; Schoch/Schmidt-
Aßmann/Pietzner, a. a. O., § 124a RdNrn. 7 ff, 113 ff; BAG, Urteil vom 6. September
1990 - 2 AZR 165/90 -, NJW 1991, 1002,
24
auch wenn die Gründe des angefochtenen Urteils erkennen lassen, dass eine
Berufungszulassung vom Verwaltungsgericht offenbar nur wegen einer angenommenen
grundsätzlichen Bedeutung im Rahmen des § 13 ZHG gewollt war. Dementsprechend
ist von der Statthaftigkeit (auch) der Berufung des Klägers auszugehen.
25
Bei der Berufung des Klägers fehlt es aber an einer fristgerechten Begründung.
26
Gemäß § 124a Abs. 2 Satz 1 VwGO ist die Berufung, wenn sie von dem
Verwaltungsgericht zugelassen worden ist, innerhalb eines Monats nach Zustellung des
vollständigen Urteils bei dem Verwaltungsgericht einzulegen. Gemäß § 124a Abs. 3
Satz 1 VwGO ist die Berufung innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des
vollständigen Urteils zu begründen. Über diese Erfordernisse sind die Beteiligten in der
Rechtsmittelbelehrung des Urteils des Verwaltungsgerichts vom 28. September 2006
ordnungsgemäß belehrt worden.
27
Nachdem das verwaltungsgerichtliche Urteil dem Bevollmächtigten des Klägers am 2.
Oktober 2006 zugestellt worden war, hat zwar das am 2. November 2006 eingegangene
Fax mit der "Einlegung der Berufung, soweit der Klageantrag zu 1. abgelehnt worden
28
ist", die Frist des § 124a Abs. 2 Satz 1 gewahrt. Der Kläger hat aber die Frist zur
Begründung der Berufung nicht eingehalten. Die zweimonatige Frist des § 124a Abs. 3
Satz 1 VwGO für die Begründung der Berufung lief am 2. Dezember 2006 bzw., da dies
ein Samstag war, am 4. Dezember 2006 ab. Bis zum Ablauf dieser Frist ist ein
Begründungsschriftsatz des Klägers bzw. seines Bevollmächtigten beim
Oberverwaltungsgericht nicht eingegangen.
Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 60 Abs. 1 VwGO) wegen Versäumung
der Berufungsbegründungsfrist kommt nicht in Betracht. Die Versäumung der
Berufungsbegründungsfrist war, was Voraussetzung für eine Wiedereinsetzung wäre,
nicht unverschuldet.
29
Verschulden im Sinne des § 60 Abs. 1 VwGO liegt vor, wenn der Verfahrensbeteiligte
diejenige Sorgfalt außer Acht lässt, die für einen gewissenhaften und seine Rechte und
Pflichten sachgemäß wahrnehmenden Prozessführenden geboten ist und ihm nach den
gesamten Umständen des konkreten Falles zuzumuten war. Das Verschulden eines
Bevollmächtigten muss sich dabei der von ihm Vertretene zurechnen lassen (§§ 173
VwGO, 85 Abs. 2 ZPO).
30
Vgl. BVerwG, Beschluss vom 5. Mai 1999 - 4 B 35/99 -, NVwZ 2000, 65.
31
Auch wenn die Anforderungen an das Vorliegen der Voraussetzungen für die
Gewährung von Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht überspannt werden
dürfen,
32
Vgl. BVerfG, Beschluss vom 2. September 2002
33
- 1 BvR 476/01 -, NJW 2002, 3692,
34
ist hier unter Berücksichtigung der geltend gemachten Umstände eine
Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht zu gewähren.
35
Der Kläger bzw. sein Bevollmächtigter haben als Begründung für den
Wiedereinsetzungsantrag angegeben, der Schriftsatz zur Begründung der Berufung sei
vom Rechtsanwalt fristgerecht am 24. November 2006 gefertigt worden und am selben
Tag von einem Referendar bei der Post in den Briefkasten eingeworfen worden. Dieses
Vorbringen rechtfertigt nicht die Annahme, den Kläger bzw. seinen
Prozessbevollmächtigten treffe kein Verschulden an der Fristversäumung. (Schon) die
Möglichkeit einer verschuldeten Fristversäumung steht aber einer Wiedereinsetzung in
den vorigen Stand entgegen.
36
Vgl. BGH, Beschluss vom 18. Oktober 1995 - I ZB 15/95 -, NJW 1996, 319.
37
Die vom Bevollmächtigten des Klägers bzw. von dem dort seinerzeit tätigen Referendar
vorgelegten - undatierten - eidesstattlichen Versicherungen, die grundsätzlich als Mittel
der Glaubhaftmachung geeignet sind,
38
vgl. BVerwG, Beschluss vom 16. Oktober 1995 - 7 B 163/95 -, NJW 1996, 409,
39
weisen schon insoweit einen gewissen Widerspruch auf, als der erklärende
Rechtsanwalt in seiner eidesstattlichen Versicherung angegeben hat, den Schriftsatz
40
vom 24. November 2006 in der Angelegenheit F. "angefertigt" und dem Referendar G. T.
zur Ausfertigung und Übersendung durch die Post übergeben zu haben. Von einer
Mitarbeit des Referendars an dem Schriftsatz, die dieser in seiner eigenen
eidesstattlichen Versicherung angegeben hat, ist darin hingegen keine Rede. Zudem
fehlt es in der eidesstattlichen Versicherung des Referendars mit der pauschalen
Angabe, er habe den Schriftsatz vom 24. November 2006 "bei der Post in den
Briefkasten eingeworfen", an einer für die zuverlässige Beurteilung eines möglichen
Verschuldens oder Mitverschuldens an einer Fristversäumnis notwendigen Darlegung
der konkreten Umstände der Einlieferung der Sendung nach Zeit und Ort.
Vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 17. Mai 1977
41
- 1 Ss Owi 550/77 -, MDR 1977,948.
42
Eine entsprechende gerichtliche Aufklärung und Konkretisierung der Angaben durch
den Kläger, die grundsätzlich in Betracht kommen kann,
43
vgl. Sodan/Ziekow, a. a. O., § 60 VwGO, Rdnr. 122,
44
hält der Senat angesichts der nachfolgend dargelegten Erfolglosigkeit des
Wiedereinsetzungsgesuchs insoweit nicht für geboten.
45
Zwar ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass einem Verfahrensbeteiligten eine
Verzögerung oder ein Unterbleiben der Briefbeförderung durch die Post nicht als
Verschulden angerechnet werden kann. Etwas anderes gilt jedoch dann, wenn
Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass der Betreffende selbst eine zurechenbare Ursache
für die Verspätung oder das Unterbleiben der Postauslieferung gesetzt hat.
46
Vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 7. Januar 2003 - 2 BvR 447/02 -, NJW 2003, 1516, vom
11. Januar 1991 - 1 BvR 1435/89 -, NJW 1992, 38, und vom 25. Oktober 1978 - 1 BvR
761, 806/78 = NJW 1979, 641; Sodan/Ziekow, a. a. O., § 60 Rdnr. 63 f.
47
So liegt der Fall hier, weil der Prozessbevollmächtigte des Klägers nicht alles Nötige zur
Verhinderung der Fristversäumnis getan hat. Nach den vorgelegten eidesstattlichen
Versicherungen hat dieser den bei ihm seinerzeit tätigen Referendar G. T. mit der
Ausfertigung und Übersendung des Berufungsbegründungs- Schriftsatzes vom 24.
November 2006 durch die Post beauftragt. Zwar kann sich ein Rechtsanwalt bei der
Wahrnehmung seiner verfahrensrechtlichen Aufgaben auch Hilfspersonen bedienen
und diese mit Botendiensten betrauen, wenn die Gewähr für eine ordnungsgemäße
Erledigung des Auftrags besteht. Geschieht dies aber durch eine insoweit unerfahrene
Person oder durch eine solche, die nicht schon in der Vergangenheit Erfahrungen mit
entsprechenden Botendiensten gesammelt und derartige Aufgaben zuverlässig erfüllt
hatte, muss die Durchführung einer Anweisung für einen Botendienst durch eine eigene
oder eine von einer insoweit erfahrenen Mitarbeiterin durchzuführende Kontrolle
überwacht werden.
48
Vgl. BGH, Beschlüsse vom 13. Januar 1988 - IV a ZB 13/87 -, NJW 1988, 2045, vom 18.
Oktober 1995 - 1 ZB 15/95 - NJW 1996, 319, und vom 27. November 1990 - VI ZB 22/90
-, NJW 1991, 1179; BVerwG, Urteil vom 8. Mai 1991 - 3 C 68/89 -, NJW 1992, 63.
49
Insoweit ist zu bedenken, dass es regelmäßig nicht zu den Aufgaben eines bei einem
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Rechtsanwalt tätigen Referendars gehört, Briefe zu frankieren und bei der Post
einzuwerfen. Aus den vorgelegten eidesstattlichen Versicherungen ist auch nicht
erkennbar, dass der im November 2006 bei dem Bevollmächtigten des Klägers tätige
Referendar schon vorher mit entsprechenden Aufgaben betraut war und diese
zuverlässig erfüllt hatte. Anders als bei einem insoweit geschulten und erfahrenen
Kanzleimitarbeiter durfte der Bevollmächtigte deshalb nicht ohne weiteres davon
ausgehen, dass der dem Referendar erteilte Auftrag zur Übergabe des
Berufungsschriftsatzes an die Post ordnungsgemäß ausgeführt wurde. Vor diesem
Hintergrund und angesichts dessen, dass der 24. November 2006 (angegebener Tag
der Fertigung der Berufungsbegründung) ein Freitag war und sich wegen des folgenden
Wochenendes die Frist für die Begründung der Berufung bis zum 2. bzw. 4. Dezember
2006 weiter verringerte, wäre es vielmehr geboten gewesen, am nächstfolgenden
Arbeitstag nachzufragen, ob der Einwurf des Briefs bei der Post ordnungsgemäß erfolgt
war, bzw. durch eigene Kontrolle der Akten oder durch eine Anweisung zur Kontrolle
derselben durch eine zuverlässige Mitarbeiterin der Kanzlei abzuklären, ob dies
geschehen war.
Vgl. BGH, Beschluss vom 18. Oktober 1995 - 1 ZB 15/95 - a. a. O.
51
Mit einer solchen Nachfrage oder Kontrolle der Akten hätte beispielsweise festgestellt
werden können, ob eine Absendung des Schriftsatzes vom 24. November 2006
eventuell doch versehentlich unterblieben war. Angesichts dessen, dass vom
Prozessbevollmächtigten des Klägers nicht eine mit der Absendung von fristwahrenden
Schriftstücken vertraute und erfahrene Mitarbeiterin beauftragt worden war und die Frist
zur Begründung der Berufung nur noch wenige Tage betrug, war der Bevollmächtigte
zudem verpflichtet, sich vor Ablauf der Begründungsfrist beim Gericht zu erkundigen, ob
der Begründungsschriftsatz vom 24. November 2006 dort eingegangen war. Eine
derartige Veranlassung bestand zusätzlich im Hinblick auf den Schriftsatz der Beklagten
vom 23. November 2006, mit dem die Berufung der Beklagten begründet und in dem auf
der letzten Seite zur Berufung des Klägers "eine weitergehende Stellungnahme,
nachdem die Berufungsbegründung erfolgt ist", angekündigt wurde. Dieser Schriftsatz,
der am 29. November 2006 an den Kläger abgesandt wurde und diesem bei Annahme
einer dreitägigen Postlaufzeit spätestens am Montag, den 4. Dezember 2006,
zugegangen sein wird, hätte dem Bevollmächtigten des Klägers nämlich ebenfalls
Veranlassung geben müssen zu einer telefonischen Nachfrage beim Gericht, ob sein
Begründungsschriftsatz vom 24. November 2006 inzwischen dort eingegangen war.
Auch das Unterbleiben einer solchen Nachfrage steht deshalb einer Wiedereinsetzung
in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Begründung der Berufung
entgegen. Dass in den vorgenannten Entscheidungen zum Teil eine Verpflichtung zur
Kontrolle des erteilten Posteinlieferungsauftrags bzw. zu einer telefonischen Nachfrage
beim Gericht verneint worden ist, bedingt keine andere Sichtweise in diesem Fall. Der
entscheidende Unterschied, der eine Vergleichbarkeit mit den hier vorliegenden
Umständen ausschließt, liegt darin, dass in jenen Fällen die Botendienste erfahrenen
Mitarbeitern, die ihre Zuverlässigkeit bereits durch ordnungsgemäße Durchführung
entsprechender Aufträge in der Vergangenheit unter Beweis gestellt hatten, übertragen
worden waren und hier der Prozessbevollmächtigte des Klägers gerade nicht von einer
derartigen nachgewiesenen Zuverlässigkeit des Referendars in der Auftragsaufführung
ausgehen durfte. Dies gilt auch angesichts der juristischen Vor- und Ausbildung eines
Referendars.
52
IV.
53
Die Anschlussberufung (§ 127 VwGO) des Klägers ist zulässig.
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Gem. § 127 Abs. 2 Satz 1 VwGO ist die Anschlussberufung, die nicht denselben
Streitgegenstand wie die zugelassene Hauptberufung betreffen und für die ein
rechtlicher oder wirtschaftlicher Zusammenhang mit dem im Wege der Hauptberufung
verfolgten Begehren bestehen muss,
55
Vgl. BVerwG, Teilurteil vom 19. Januar 2006 - 3 C 52.04 -, BVerwGE 125, 44, Urteil vom
11. April 2002 - 4 C 4.01 -, BVerwGE 116, 169;
56
auch statthaft, wenn der Beteiligte auf die Berufung verzichtet hat oder die Frist für die
Berufung verstrichen ist. Dies gilt auch, wenn - wie hier - die Verwerfung wegen
Nichtwahrung der Begründungsfrist erfolgte.
57
Vgl. RG, Urteile vom 24. Februar 1925 - II 264/24 -, RGZ 110, 231, und vom 10. Februar
1937 - V 108/36 -, RGZ 153, 348; Stein-Jonas/Grunsky, ZPO, 20.Aufl. § 521 Rdnr. 18;
Rimmelspacher in Münchener Kommentar zur ZPO; 2. Aufl., § 524, Rdnr. 33.
58
Die Anschlussberufung des Klägers ist aber nicht begründet.
59
Das Verwaltungsgericht hat, u. a. unter Hinweis auf den Beschluss des Senats vom 17.
Juli 2006 - 13 E 556/05 - zur Beschwerde des Klägers wegen Versagung der
Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das entsprechende Begehren, zutreffend
dargelegt, dass der Kläger wegen nicht nachgewiesener Gleichwertigkeit des
Ausbildungsstandes keinen Anspruch auf Erteilung einer Approbation als Zahnarzt
nach § 2 Abs. 2 Satz1 Nr. 1 ZHG hat. Auf die diesbezüglichen Ausführungen und
Erwägungen nimmt der Senat Bezug. Das Vorbringen des Klägers im
Berufungsverfahren bedingt - auch nach erneuter Prüfung - keine andere Wertung. Dem
Schluss, dass die herangezogenen Gleichwertigkeitslisten nur Ausbildungsbereiche mit
einem zeitlichen Stand nach Januar 2003 und nicht auch frühere Ausbildungen
erfassen, stehen schon zwingende logische Gründe entgegen, weil wegen der
Mehrjährigkeit derselben ab Januar 2003 absolvierte Ausbildungen zu den genannten
Stichtagen der Gleichwertigkeitslisten nicht abgeschlossen waren bzw. sein konnten,
und weil Bewertungsgegenstand für eine Gleichwertigkeitsprüfung nur eine in der
Vergangenheit bereits abgeschlossene Ausbildung, nicht aber eine zum Stichtag noch
andauernde Ausbildung sein kann. Der Kläger hat im Berufungsverfahren auch keine
zusätzlichen, im bisherigen Verfahren noch nicht bekannte und verwertete Nachweise
vorgelegt oder Erkenntnisse beigebracht, die die Einschaltung eines Sachverständigen
zur Beurteilung der behaupteten Gleichwertigkeit des Ausbildungsstandes geboten
hätten. Dies gilt auch für das von ihm genannte Zusatzstudium und Volontariat in der
Türkei, weil es für die Frage der Gleichwertigkeit des Ausbildungsstandes auf die
Verhältnisse unmittelbar nach Abschluss des Studiums ankommt. Bezüglich seiner
zahnärztlichen Tätigkeit in den Niederlanden und in der Schweiz hat der Kläger, wie
das Verwaltungsgericht ebenfalls zutreffend ausgeführt hat, nicht den Nachweis
erbracht, dass dieser eine Anerkennung seiner Ausbildung in der Türkei durch die
dortigen Behörden nach europarechtlichen Bestimmungen zu Grunde liegt.
60
V.
61
Die Berufung der Beklagten hat Erfolg.
62
Das Verwaltungsgericht hat dem hilfsweise geltend gemachten Klagebegehren wegen
Erteilung einer Erlaubnis nach § 13 ZHG zu Unrecht stattgegeben. Die Entscheidung
des Verwaltungsgerichts, die Beklagte zu verpflichten, dem Kläger dauerhaft eine
Berufserlaubnis unter Beifügung bestimmter Auflagen zu erteilen, widerspricht dem
Wortlaut und der Systematik des Zahnheilkundegesetzes, das die Ausübung der
Zahnheilkunde von einer Approbation als Zahnarzt oder einer Erlaubnis nach § 13 ZHG
mit den damit jeweils verbundenen Wirkungen abhängig macht.
63
Die Gesetzesformulierung in § 1 ZHG einerseits und in § 13 ZHG andererseits mit der
Bezeichnung einer Erlaubnis zur "vorübergehenden" Ausübung der Zahnheilkunde
sprechen eindeutig dafür, dass mit der Approbation die Berechtigung zur dauernden
Ausübung der Zahnheilkunde verbunden und der Berufserlaubnis nach § 3 ZHG eine
zeitlich beschränkte Ausübung der Zahnheilkunde zugeordnet ist und dass insoweit
eine abschließende und dementsprechend einer abweichenden Interpretation nicht
zugängliche Differenzierung zwischen den Berechtigungen für die Tätigkeit als Zahnarzt
getroffen wurde.
64
Vgl. BVerwG, Urteil vom 9. Dezember 1998 - 3 C 4.98 -, NJW 1999, 1798 (für die
vergleichbaren Bestimmungen der §§ 2, 10 BÄO); OVG NRW, Beschluss vom 23.
August1989 - 5 B 1795/89 -, MedR 1990,156; VG Saarl., Beschluss vom 22. Juli 1994 -
1 F 39/94 -, juris.
65
Ob eine weitere Möglichkeit als Berechtigung für die Tätigkeit als Zahnarzt, etwa in
Anlehnung an die Formulierung in § 2 Abs. 2 BÄO ("Eine vorübergehende oder eine auf
bestimmte Tätigkeiten beschränkte Ausübung des ärztlichen Berufs ... ist auch aufgrund
einer Erlaubnis zulässig.") besteht (vgl. vorstehendes Urteil des BVerwG), bedarf keiner
Entscheidung, weil eine vergleichbare Formulierung in § 1 Abs. Satz 3 ZHG nicht
enthalten ist. Dementsprechend ist mit einer Erlaubnis nach § 13 ZHG praktisch per
gesetzlicher Definition und Umschreibung eine Berechtigung zu einer (nur)
vorübergehenden, also zeitlich befristeten, Ausübung der Zahnheilkunde verbunden.
Auf dieses Charakteristikum wurde bereits im Rahmen einer seinerzeit beabsichtigten
Änderung des Zahnheilkundegesetzes in einer Beschlussempfehlung für den
Deutschen Bundestag vom 2. Dezember 1982 (BT-Drucks. 9/2235, S. 3) und im
nachfolgenden Beschluss des Deutschen Bundestags vom 10. Dezember 1982 (BT-
Prot. 9/137, S. 8548), die sich auf "die zur unbeschränkten Berufsausübung
berechtigende Approbation" und auf "eine vorübergehende Ausübung der
Zahnheilkunde (§ 13)" bezogen, abgestellt und es blieb bei allen nachfolgenden
Gesetzesberatungen und -änderungen praktisch als Selbstverständlichkeit
unangetastet. Dies ergibt sich auch aus einer vergleichenden Betrachtung mit ähnlichen
Vorschriften der Bundesärzteordnung. § 13 ZHG wurde ebenso wie die die Approbation
betreffende Bestimmung des § 2 ZHG in dieser Form durch das Erste Gesetz zur
Änderung des Gesetzes über die Ausübung der Zahnheilkunde vom 25. Februar 1983
(BGBl. I, S. 187) in Angleichung an entsprechende Regelungen in der
Bundesärzteordnung eingefügt. Für den dem § 13 ZHG vergleichbaren § 10 BÄO ist
aber (ebenfalls) anerkannt, dass die Möglichkeit der Erteilung von vorübergehenden
Erlaubnissen zeitlichen Begrenzungen unterliegt und dass eine praktisch zeitlich
unbegrenzte Erlaubnis zur vorübergehenden Ausübung des ärztlichen Berufs über die
in § 10 BÄO selbst genannten Zeitabschnitte hinaus nicht in Betracht kommt.
66
Vgl. BVerwG, Urteil vom 26. Februar 1987 - 3 C 51.85 -, NJW 1988, 782.
67
Wegen der Vergleichbarkeit der Bestimmungen und der Formulierung des § 13 ZHG
nach dem Vorbild des § 10 BÄO muss dies in gleicher Weise gelten bei einer Erlaubnis
zur vorübergehenden Ausübung der Zahnheilkunde, zumal sachliche
Rechtfertigungsgründe für eine unterschiedliche Handhabung beider Bestimmungen
nicht erkennbar sind.
68
Der gesetzlich umschriebene Geltungsbereich und die kennzeichnenden Zeitkriterien
einer Erlaubnis nach § 13 ZHG können nicht unterlaufen werden. Ein Ermessen steht
der Erlaubnisbehörde insoweit nicht zu, so dass sich hinsichtlich der zeitlichen Wirkung
einer solchen Erlaubnis auch keine Ermessensreduzierung auf Null ergeben kann. Die
Ermessenseinräumung in der Bestimmung bezieht sich nur auf die Frage, ob eine
Erlaubnis und ggf. mit welchen einschränkenden Nebenbestimmungen erteilt wird, nicht
aber auf das für eine solche Erlaubnis entscheidende normativ fixierte Charakteristikum
der Berechtigung zur vorübergehenden Ausübung der Zahnheilkunde. Wenn eine
Erlaubnis nach § 13 ZHG erteilt wird, ist ihr per se eine zeitlich befristete Tätigkeit als
Zahnarzt immanent. Dieses Merkmal ist nicht disponibel in der Weise, dass eine
Erlaubnis nach § 13 ZHG auf Dauer erteilt wird und von der zeitlichen Wirkung her
praktisch einer Approbation gleichkommt. Das eine Erlaubnis nach § 13 ZHG
kennzeichnende Kriterium einer befristeten zahnärztlichen Tätigkeit kann auch nicht
dadurch unterlaufen bzw. umgangen werden, dass ihr Auflagen zur Begrenzung der
zulässigen Tätigkeiten beigefügt werden; dies gilt insbesondere dann, wenn - was die
Beklagte nach Auffassung des Senats in ihrer Berufungsbegründung zutreffend
ausgeführt hat - erhebliche Zweifel an der Geeignetheit derselben bestehen.
69
Die dargelegte Sichtweise hat auch Bestand im Lichte des die Berufsfreiheit
schützenden Art. 12 Abs. 1 GG. Zwar betreffen die normativen Vorgaben des
Zahnheilkundegesetzes (und der Bundesärzteordnung), die Ausübung der (zahn-
)ärztlichen Tätigkeit von einer Approbation oder einer Erlaubnis abhängig zu machen,
die Freiheit der Berufswahl. Vor dem Hintergrund, dass Art. 12 Abs. 1 GG aber keinen
abstrakten Anspruch auf eine Approbation oder eine Erlaubnis gibt und dafür
Zulassungsvoraussetzungen festgelegt werden dürfen, und konkret (nur) die Frage
ansteht, ob der Kläger die normativen Voraussetzungen für die Erteilung der Erlaubnis
nach § 13 ZHG erfüllt, ist hier Art. 12 Abs. 1 GG hinsichtlich der Berufsausübung
tangiert.
70
Vgl. BVerwG, Urteil vom 9. Dezember 1998 - 3 C 4.98 -, a. a. O.
71
Zur Rechtfertigung einer Einschränkung der Berufsfreiheit in diesem Bereich durch eine
gesetzliche Regelung reichen vernünftige Gründe des Gemeinwohls. Diese sind
gegeben. Auch § 13 ZHG, der im Rahmen der zahnärztlichen Versorgung der
Bevölkerung eine Berufslenkung und Bedarfssteuerung ermöglicht,
72
vgl. OVG NRW, Beschluss vom 23. August1989 - 5 B 1795/89 -, a. a. O.; VGH Baden-
Württemberg, Beschluss vom 8. Mai 1995 - 9 S 1459/94 -, NVwZ-RR 1996, 25 (für § 10
BÄO),
73
und bei dem die verschiedensten Aspekte wie z. B. entwicklungspolitische
Überlegungen, Versorgung ausländischer Arbeitnehmer mit zahnärztlichen Leistungen
usw. berücksichtigt werden können, dient dem Patientenschutz. Die Bestimmung macht
bezüglich der erforderlichen Voraussetzungen keinen Unterschied zwischen Deutschen
74
und Ausländern, auf die sich die Vorschrift vorrangig, wenn auch nicht nur, bezieht und
begründet keinen Vorrang für Deutsche. Wenn - wie hier - die Gleichwertigkeit des
Ausbildungsstandes einer nicht in Deutschland absolvierten zahnärztlichen Ausbildung,
die bei der Ermessensprüfung im Rahmen des § 13 ZHG relevant ist,
Vgl. BVerwG, Beschluss vom 9. Oktober 1980
75
- 3 B 55/80 -, juris; OVG NRW, Beschlüsse vom 6. April 2005 - 13 B 221/05 - und vom
23. Februar 2000 - 13 B 1111/99 -; VG Bremen, Urteil vom 5. Dezember 1979 - 1 A
190/78 -, InfoAuslR 1980, 315; VG Frankfurt/Main, Urteil vom 17. September 1986 - V/II
E 330/86 -, InfoAuslR 1987, 16; VG Düsseldorf, Beschluss vom 12. April 2002 - 3 L
1020/02 -.
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in Frage steht und die Gesundheitsbehörden in der Vergangenheit zu deren
erfolgreichen Nachweis Erlaubnisse nach dieser Norm erteilt haben, rechtfertigt sich die
zeitliche Beschränkung einer solchen Erlaubnis gleichermaßen bei Deutschen wie auch
bei Ausländern schon allein aus dem Umstand nicht nachgewiesener ausreichender
Kenntnisse und Fertigkeiten für eine eigenständige zahnärztliche Tätigkeit. Eine solche
Gleichwertigkeit des Ausbildungsstandes auf Grund seines Zahnmedizinstudiums in der
Türkei hat der Kläger bisher nicht nachweisen können mit der Folge, dass die
Gewährleistung eines ausreichenden Patientenschutzes auch nicht durch Auflagen zur
Begrenzung der Tätigkeiten als Zahnarzt sichergestellt werden kann.
77
VI.
78
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 155 Abs. 3 VwGO, die Entscheidung
über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711,
713 ZPO.
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Die Revision wird nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO
nicht vorliegen.
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Die Streitwertänderung und -festsetzung beruht auf §§ 47 Abs. 1, 52 Abs. 1, 63 Abs. 3
GKG i. V. m § 45 Abs. 1 Satz 2 GKG für das erstinstanzliche Verfahren und § 45 Abs. 2
GKG für das Berufungsverfahren (vgl. auch Hartmann, Kostengesetze, 36. Aufl., § 45
GKG Rdnrn. 30 ff, 34 ff), wobei der Senat üblicherweise bei der begehrten Erteilung
einer Approbation als Zahnarzt einen Streitwert von 65.000 EUR und bei einer
Berufserlaubnis nach § 13 ZHG einen solchen von 40.000 EUR zu Grunde legt. Diese
Einzelstreitwerte sind zusammenzurechnen, weil es sich bei einer zahnärztlichen
Approbation und bei einer Erlaubnis nach § 13 ZHG um unterschiedliche
Streitgegenstände handelt, über beide Begehren aber sowohl in der ersten als auch in
der zweiten Instanz gemeinsam entschieden wurde. Die Richtigkeit einer
Zusammenrechnung auch in der ersten Instanz ergibt sich zudem aus der Erwägung,
dass das Verwaltungsgericht die mit Beschluss vom 13. April 2005 bewilligte
Prozesskostenhilfe bezüglich des Begehrens des Klägers auf Erteilung einer Erlaubnis
nach § 13 ZHG für die Kostenabrechnung mit 40.000 EUR bewertet hat und bei
Annahme eines Streitwerts von 65.000 EUR insgesamt dann nur ein Streitwert von
25.000 EUR für die begehrte Approbation bliebe, obwohl diese wertmäßig höher
einzustufen ist als eine Berufserlaubnis.
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