Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 26.01.2005

OVG NRW: abstammung, eltern, form, staatsangehörigkeit, eigenschaft, drucksache, familie, beschränkung, bereinigung, datum

Datum:
Gericht:
Spruchkörper:
Entscheidungsart:
Tenor:
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Aktenzeichen:
Vorinstanz:
Oberverwaltungsgericht NRW, 2 A 4792/04
26.01.2005
Oberverwaltungsgericht NRW
2. Senat
Beschluss
2 A 4792/04
Verwaltungsgericht Minden, 11 K 7164/03
Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
Die Kläger tragen die Kosten des Zulassungsverfahrens zu je einem
Viertel. Außergerichtliche Kosten des Beigeladenen sind nicht
erstattungsfähig.
Der Streitwert wird für das Zulassungsverfahren auf 20.000,00 EUR
festgesetzt.
G r ü n d e :
Der von den Klägern gestellte Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Die
geltend gemachten Zulassungsgründe sind nicht gegeben.
Das Verwaltungsgericht hat seine abweisende Entscheidung darauf gestützt, dass der
Klägerin zu 1) ein Anspruch auf Aufnahme gemäß § 27 Abs. 1 BVFG nicht zustehe, weil sie
nicht von einem deutschen Volkszugehörigen im Sinne des § 6 Abs. 2 Satz 1 BVFG
abstamme. Die Eltern der Klägerin zu 1) seien beide keine deutschen Volkszugehörigen im
Sinne des Bundesvertriebenengesetzes. Die Abstammung von volksdeutschen Großeltern
sei nicht ausreichend.
Das Antragsvorbringen der Kläger, eine Beschränkung auf die elterliche Generation könne
der Gesetzgeber nicht gemeint haben, da in diesem Fall die Formulierung zumindest
genauer gefasst worden wäre, es gebe keine Anhaltspunkte dafür, dass die Abstammung
nur noch in der engsten Auslegung heranzuziehen sein sollte, rechtfertigt keine Zulassung
der Berufung wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (§ 124
Abs. 2 Nr. 1 VwGO).
Denn der Senat geht - worauf das Verwaltungsgericht in der angefochtenen Entscheidung
zutreffend hingewiesen hat (UA S. 4) - in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass
Abstammung im Sinne von § 6 Abs. 2 BVFG, und zwar sowohl nach der vor In-Kraft-Treten
des Spätaussiedlerstatusgesetzes vom 30. August 2001 geltenden Vorschrift des § 6 Abs.
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2 Satz 1 Nr. 1 BVFG - im Folgenden: BVFG a.F. -,
vgl. Beschluss des Senats vom 17. März 2000 - 2 A 888/98 -, unter Hinweis auf die
Begründung zum Gesetzentwurf der Bundesregierung, Entwurf eines Gesetzes zur
Bereinigung von Kriegsfolgengesetzen (Kriegsfolgenbereinigungsgesetz - KfBG) vom 7.
September 1992, BT-Drs. 12/3212, S. 23,
als auch nach § 6 Abs. 2 Satz 1 BVFG in der nunmehr geltenden Fassung,
vgl. Beschluss des Senats vom 5. Dezember 2003 - 2 A 4454/03 -,
die Abstammung von den Eltern meint. Für das Merkmal der Abstammung im Sinne von § 6
Abs. 2 Satz 1 BVFG genügt es daher nicht, dass frühere Generationen einer Familie
deutsche Volkszugehörige sind; erforderlich ist vielmehr, dass mindestens auch ein
Elternteil deutscher Volkszugehöriger im Rechtssinne ist.
Auch mit Rücksicht auf das von den Klägern zum Beleg für ihre Auffassung genannte Urteil
des VGH Baden-Württemberg vermag das Antragsvorbringen keine ernstlichen Zweifel an
der Richtigkeit des angefochtenen Urteils zu begründen.
Denn entgegen der vom VGH Baden-Württemberg geäußerten Auffassung ist der Wortlaut
des § 6 Abs. 2 Satz 1 BVFG in der seit In-Kraft-Treten des Spätaussiedlerstatusgesetzes
vom 30. August 2001 geltenden Fassung hinsichtlich des Tatbestandsmerkmals der
Abstammung "von einem deutschen Staatsangehörigen oder deutschen
Volkszugehörigen" ebenso wenig eindeutig wie derjenige des § 6 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1
BVFG a.F., sondern vielmehr einer Auslegung nicht nur zugänglich, sondern sogar
bedürftig. Zur Auslegung kann hier insbesondere die im Rahmen des
Gesetzgebungsverfahrens gegebene Begründung herangezogen werden. Nach der
Begründung zum Gesetzesentwurf der Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
zur Klarstellung des Spätaussiedlerstatus (Spätaussiedlerstatusgesetz) vom 19. Juni 2001
sollte die Neufassung des § 6 Abs. 2 BVFG - mit den Worten "von mindestens einem
Elternteil mit deutscher Staatsangehörigkeit oder Volkszugehörigkeit abstammt" - lediglich
klarer zum Ausdruck bringen, dass die Volksdeutschen-Eigenschaft nur durch
Abstammung von mindestens einem Elternteil mit deutscher Staatsangehörigkeit oder
Volkszugehörigkeit vermittelt werden kann.
Vgl. BT-Drs. 14/6310, S. 3 und 6.
Dass mit der vorgeschlagenen Neufassung insoweit keine Verschärfung bzw. Änderung
der bis dahin geltenden Rechtslage, d.h. des Tatbestandsmerkmals der Abstammung im
Sinne von § 6 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BVFG a.F., erfolgen sollte, wird darüber hinaus daraus
ersichtlich, dass es in der Begründung des Gesetzesentwurfs vom 19. Juni 2001 im
Weiteren wie folgt heißt: "so auch schon Begründung zum Regierungsentwurf eines
Kriegsfolgenbereinigungsgesetzes [KfbG], Drucksache 12/3212, S. 23". Schließlich lässt
sich aus dem Umstand, dass in der endgültigen Gesetzesfassung gerade die ursprünglich
beabsichtigte Klarstellung durch Einfügung der Worte "von mindestens einem deutschen
Elternteil" unterblieben, insoweit vielmehr der Wortlaut der Vorgängervorschrift "von einem
deutschen Staatsangehörigen oder deutschen Volkszugehörigen abstammt" in die
Gesetzesneufassung des § 6 Abs. 2 Satz 1 BVFG lediglich übernommen worden ist, nicht
schließen, dass damit auf eine Änderung der bisher geltenden Rechtslage in Form einer
Verschärfung verzichtet worden ist. Vielmehr verbleibt es dabei, dass das
Tatbestandsmerkmal der Abstammung von einem deutschen Staatsangehörigen oder
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deutschen Volkszugehörigen in § 6 Abs. 2 Satz 1 BVFG ebenso wie das gleich lautende
Tatbestandsmerkmal der Vorgängervorschrift, d.h. § 6 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BVFG a.F.,
erfordert, dass mindestens ein Elternteil deutscher Staatsangehöriger oder deutscher
Volkszugehöriger im Rechtssinne ist.
Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils liegen damit auch unter
Berücksichtigung des von den Klägern genannten Urteils des VGH Baden- Württemberg,
das zunächst von der untreffenden Annahme eines eindeutigen Wortlauts ausgeht und sich
demzufolge nicht ansatzweise mit der Begründung zum genannten Entwurf des
Spätaussiedlerstatusgesetzes auseinander setzt, nicht vor.
Mit ihrem weiteren Antragsvorbringen, der am 23. Juni 1953 geborene Vater der Klägerin
zu 1) sei unzweifelhaft "deutscher Abstammung" vermögen die Kläger ebenfalls keine
ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils zu begründen. Denn sie
räumen selbst ein, dass der Vater der Klägerin zu 1) "die Voraussetzungen des § 6 BVFG
nicht sämtlich erfüllt". Damit ist der Vater der Klägerin zu 1) dem eigenen Vortrag der Kläger
zufolge kein deutscher Volkszugehöriger. Hiervon ist das Verwaltungsgericht in der
angefochtenen Entscheidung jedoch ausgegangen.
Schließlich haben die Kläger auch den von Ihnen geltend gemachten Verfahrensfehler in
Form der Verletzung des rechtlichen Gehörs (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO) nicht dargetan. Ihre
Beanstandung, der Klägerin zu 1) sei die Möglichkeit verwehrt worden, dem Gericht selbst
die fehlerhafte Feststellung der deutschen Sprachkenntnisse darzulegen, lässt bereits nicht
erkennen, dass das angefochtene Urteil, in dem entscheidungstragend allein darauf
abgestellt worden ist, die Klägerin zu 1) stamme nicht von einem deutschen
Volkszugehörigen ab, auf einem solchen Verfahrensfehler beruhen könnte.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 154 Abs. 2, 159 Satz 1 und 162 Abs. 3 VwGO,
100 Abs. 1 ZPO.
Die Streitwertfestsetzung erfolgt gemäß den §§ 47 Abs. 1 und 3, 52 Abs. 1 und 2 GKG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, §§ 68 Abs. 1 Satz 4, 66 Abs. 3
Satz 3 GKG). Das Urteil des Verwaltungsgerichts ist rechtskräftig (§ 124 a Abs. 5 Satz 4
VwGO).