Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 24.06.2010

OVG NRW (verordnung, schutz der gesundheit, europäische kommission, bundesrepublik deutschland, bse, kommission, gesundheit, eugh, aeuv, cassis de dijon)

Oberverwaltungsgericht NRW, 13 A 2775/07
Datum:
24.06.2010
Gericht:
Oberverwaltungsgericht NRW
Spruchkörper:
13. Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
13 A 2775/07
Tenor:
Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts
Münster vom 8. August 2007 geändert.
Die Anschlussberufung der Klägerin wird zurückgewiesen.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Instanzen.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig voll-streckbar. Die Klägerin
darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des
auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht
der Beklagte vor der Voll-streckung Sicherheit in Höhe von 110 % des
je¬weils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
1
Die Klägerin importiert Mischfuttermittel, die tierische Fette enthalten und in Frankreich
sowie in den Niederlanden hergestellt werden. Sie beabsichtigt, diese Mischfuttermittel
an Kälber im Kreis X. zu verfüttern.
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Mit Schreiben vom 8. Februar 2005 bat die Klägerin den Beklagten, dessen
eingenommenen Standpunkt zu überprüfen, wonach eine Verfütterung von tierische
Fette enthaltenden Mischfuttermitteln an Kälber und Ferkel verboten sei. Sie begründete
ihr Anliegen mit der mangelnden Vereinbarkeit des Verbots mit dem
Gemeinschaftsrecht. Der Beklagte erwiderte, das Ministerium für Umwelt und
Naturschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz des Landes Nordrhein-Westfalen
habe ihm mitgeteilt, dass eine Verfütterung von Mischfuttermitteln, die tierische Fette
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enthielten, an Nutztiere nach wie vor in der Bundesrepublik Deutschland nicht gestattet
sei.
Am 10. Oktober 2005 hat die Klägerin Klage erhoben und geltend gemacht: Das
nationale Verfütterungsverbot bewirke in rechtswidriger Weise, dass die von ihren
niederländischen und französischen Schwesterfirmen hergestellten Mischfuttermittel,
soweit diese die üblichen tierischen Fette wie Rindertalg, Schweineschmalz und
Fischöl enthielten, nicht frei gehandelt, verwendet oder verfüttert werden dürften. Die
gemeinschaftsrechtlichen BSE/TSE - Bekämpfungsmaßnahmen im Futtermittelbereich
beschränkten sich nach der maßgeblichen Verordnung (EG) Nr. 999/2001 auf ein
Verbot der Verfütterung von tierischen Proteinen und Mischfuttermitteln, die tierische
Proteine enthielten. Mit den gemeinschaftsrechtlichen Verfütterungsverbotsvorschriften
sei, wie bereits die Entstehungsgeschichte der Verordnung zeige, eine vollständige und
abschließende Harmonisierung des in Rede stehenden Rechtsgebiets erreicht worden.
Auf Grund des abschließenden Charakters seien abweichende mitgliedstaatliche
Regelungen unzulässig. Einseitige Verbote seien auch nicht unter Berufung auf
Schutzklauseln zu rechtfertigen. Zudem sei die Anwendung des Verfütterungsverbots
auf aus anderen Mitgliedstaaten eingeführte, dort rechtmäßig hergestellte
Mischfuttermittel mit tierischen Fetten mit gemeinschaftsrechtlichen
Verfassungsvorschriften nicht vereinbar. Der nationale Alleingang der Bundesrepublik
Deutschland sei auch sinnwidrig, weil einerseits für Futtermittel ein gespaltener
innergemeinschaftlicher Markt geschaffen werde, während andererseits die mit
Futtermitteln erzeugten tierischen Produkte (Vieh, Fleisch usw.) frei in der gesamten
Gemeinschaft gehandelt werden dürften.
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Im Termin zur mündlichen Verhandlung am 8. August 2007 hat die Klägerin die Klage
zurückgenommen, soweit ihr Feststellungsbegehren über das Gebiet des Kreises
X. hinaus auf das gesamte Bundesgebiet bezogen gewesen war. Der Beklagte hat
in diesem Termin erklärt, er werde nicht einschreiten, solange das Verbot der
Verfütterung von Futtermitteln mit tierischen Fetten – ausgenommen Wiederkäuerfette –
nicht vollzogen werde; dies gelte auch, wenn der Vollzug des Gesetzes wieder
eingeführt werde, für Tiere, die bis dahin entsprechende Futtermittel erhalten hätten. Im
Anschluss an diese Erklärung haben die Beteiligten den Rechtsstreit in der Hauptsache
für erledigt erklärt, soweit die Klage die im Kreis X. beabsichtigte Verfütterung von
Mischfuttermitteln betroffen hatte, die andere Fette als Wiederkäuerfette enthielten
und/oder an Nichtwiederkäuer verfüttert werden sollten.
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Sodann hat die Klägerin beantragt,
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festzustellen, dass sie berechtigt ist, die in den Niederlanden oder in
Frankreich hergestellten, Wiederkäuerfette enthaltenden Mischfuttermittel für
Kälber
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1. Unistart (Rohfettgehalt 15 - 16 %)
2. Denkamilk Topstart (Rohfettgehalt 15 - 16 %)
3. Denkamilk Excellent (Rohfettgehalt 17 - 18 %)
4. Denkamilk Royal (Rohfettgehalt 14 - 15 %)
5. Denkamilk Fresserstart (Rohfettgehalt 17 - 18 %)
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6. Denkamilk Stierstart (Rohfettgehalt 17 - 18 %)
7. Denkaveal Start (Rohfettgehalt 19 - 20 %)
8. Denkaveal Mast (Rohfettgehalt 11 - 12 %)
9. Denkaveal Gold (Rohfettgehalt 17 - 18 %)
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für die Verfütterung an Kälber im Kreis X. zu verwenden.
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Der Beklagte hat beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Zur Begründung hat der Beklagte im Wesentlichen ausgeführt: Es sei von der Geltung
des nationalen Verfütterungsverbots auszugehen. Wegen des durchgeführten
Schutzklauselverfahrens und auf Grund der aktuellen Risikobewertung durch das
Bundesinstitut für Risikobewertung sowie das Friedrich-Löffler-Institut halte der Bund an
der nationalen Vorschrift über das Verbot der Verfütterung von tierischen Fetten an
Wiederkäuer fest.
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Das Verwaltungsgericht hat das Verfahren eingestellt, soweit die Klägerin die Klage
zurückgenommen und die Beteiligten den Rechtsstreit in der Hauptsache
übereinstimmend für erledigt erklärt haben, und der fortgeführten Klage unter Zulassung
der Berufung stattgegeben. Zur Begründung hat es ausgeführt: Das in § 18 Abs. 1 Satz
1 Nr. 2 LFGB in der Fassung der Bekanntmachung vom 26. April 2006 (BGBl. I. 945)
geregelte Verfütterungsverbot sei mit unmittelbar geltendem Gemeinschaftsrecht nicht
vereinbar. Die Verordnung (EG) Nr. 999/2001 enthalte zwar kein Verfütterungsverbot für
Wiederkäuerfette. Die Auslegung der Verordnung ergebe indes, dass die aus Gründen
des Gesundheitsschutzes in der Verordnung enthaltenen futtermittelrechtlichen
Vorschriften in Bezug auf die TSE/BSE-Bekämpfung abschließend seien und der
Einführung bzw. Beibehaltung eines über die gemeinschaftsrechtlichen Regelungen
hinausgehenden nationalen Verfütterungsverbots grundsätzlich entgegenstünden. Aus
der Entstehungsgeschichte folge, dass der europäische Gesetzgeber eine
abschließende Harmonisierung der BSE/TSE-Regelungen bezweckt und in diesem
Zusammenhang bewusst auf ein Verfütterungsverbot für tierische Fette verzichtet habe.
Mit der Verordnung (EG) Nr. 999/2001 seien die Vorschriften zur Verhütung, Kontrolle
und Tilgung von TSE vereinheitlich worden. Ein Verbot der Verfütterung von tierischen
Fetten an Wiederkäuer sei bis heute nicht aufgenommen worden, obwohl ein solches
Gegenstand von Erörterungen gewesen sei und einige Mitgliedstaaten bereits vor
Erlass der Verordnung (EG) Nr. 999/2001 entsprechende Verfütterungsvorschriften
erlassen hätten. Mit der Vereinheitlichung der zum Schutz der Gesundheit von Mensch
und Tier erforderlichen Vorschriften zur TSE/BSE-Bekämpfung habe der europäische
Gesetzgeber die Schaffung klarer Regelungen für die gesamte Lebensmittelkette
beabsichtigt. Die Bildung eines einheitlichen Rechtsrahmens habe einheitliche
"Garantieforderungen" sichern, gemeinschaftsweit die Einhaltung eines hohen
Schutzniveaus gewährleisten und für eine einheitliche Durchführung der Vorschriften
sorgen sollen. Hierdurch habe der Verordnungsgeber zugleich abweichenden
einzelstaatlichen Regelungen ihre Grundlage entzogen, zumal diese nicht mit
spezifischen geographischen, geologischen, wirtschaftlichen oder sonstigen
Besonderheiten hätten gerechtfertigt werden können. Zudem habe sich der
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Verordnungsgeber nicht auf die Schaffung allgemeiner Rahmenregelungen beschränkt,
sondern habe – wie insbesondere die detaillierten Regelungen zum Verfütterungsverbot
für tierische Proteine zeigten – auf wissenschaftlicher Grundlage einheitliche,
spezifische Vorschriften zur Verhütung, Kontrolle und Tilgung von TSE eingeführt. Dass
die Verordnung abschließend sei, werde auch durch andere Vorschriften wie die
Verordnung (EG) Nr. 1774/2002 bestätigt, wonach ausgeschmolzene Fette und Fischöle
unter bestimmten Voraussetzungen als Ausgangserzeugnisse für Futtermittel
zugelassen seien. Das Vorliegen einer abschließenden Harmonisierung werde zudem
zumindest formal durch die Entscheidung der Kommission vom 29. Juni 2007 zur
Festlegung des BSE-Status von Mitgliedstaaten, Drittländern oder Gebieten nach ihrem
BSE-Risiko und im Übrigen durch die Entscheidung des EuGH vom 22. Oktober 2002 –
C - 241/01 -, National Farmers‘ Union, bestätigt, in der es heiße, mit dem Erlass der
Verordnung (EG) Nr. 999/2001 sei "wohl" eine vollständige Harmonisierung der
Vorschriften zur Verhütung, Kontrolle und Tilgung bestimmter transmissibler
spongiformer Enzephalopathien bewirkt worden. Die dem europäischen Recht
entgegenstehende Regelung in § 18 LFGB sei auch nicht durch Berufung auf
Schutzklauseln zu rechtfertigen. Art. 152 Abs. 4 Satz 1 b) EG erlaube es den
Mitgliedstaaten grundsätzlich nicht, von einer unmittelbar dem Gesundheitsschutz
dienenden Gemeinschaftsmaßnahme in Richtung eines stärkeren Gesundheitsschutzes
abzuweichen. Auf Art. 4 der Verordnung (EG) Nr. 999/2001 könne sich die
Bundesrepublik nicht berufen, weil die Regelung nur für Schutzmaßnahmen nach
Inkrafttreten dieser Verordnung gelte und nicht für zum Zeitpunkt des Erlasses der
Verordnung bereits – wie im Fall des Verfütterungsverbots von Fett – existierende
Schutzmaßnahmen. Zur Rechtfertigung der Beibehaltung des Verfütterungsverbots
könne auch nicht auf Art. 95 Abs. 4 EG zurückgegriffen werden, weil es sich bei der
Verordnung (EG) Nr. 999/2001 nicht um eine auf Art. 95 EG gestützte Maßnahme
handele. Nichts anderes gelte auch unter Berücksichtigung von Art. 15 Abs. 5 der
Verordnung (EG) Nr. 178/2002. Mindestvoraussetzung für eine behördliche Maßnahme
i. S. d. Vorschrift sei eine Risikobewertung nach Art. 6 und 7 der Verordnung (EG) Nr.
178/2002. Die Beweislast für die gesundheitliche Schädlichkeit liege beim Mitgliedstaat.
Auf europäischer Ebene lägen wissenschaftliche Erkenntnisse, die zum Schutz der
Gesundheit von Mensch und Tier eine Verschärfung der Verbotsvorschriften
rechtfertigen könnten, bislang nicht vor. Soweit Wissenschaftler des Bundesinstituts für
Risikobewertung und des Friedrich-Löffler-Instituts die Auffassung der Europäischen
Behörde für Lebensmittelrecht, wonach das für Talg berechnete Expositionsniveau unter
Berücksichtigung der Verfütterungspraxis so gering sei, dass es als minimal betrachtet
werden könne, nicht teilten, gälten die tierische Fette enthaltenden Mischfuttermittel bis
zum Ausgang des deswegen nach Art. 30 Abs. 4 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002
eingeleiteten Verfahrens als sicher und dürften nach Art. 15 Abs. 1 dieser Verordnung
verfüttert werden. Die Vorgaben des unmittelbar geltenden Gemeinschaftsrechts
entfalteten eine Sperrwirkung gegenüber entgegenstehendem nationalen Recht; dieser
Vorrang habe zur Folge, dass jedes Organ eines Mitgliedstaats verpflichtet sei, die mit
dem EG-Recht unvereinbare nationale Norm nicht anzuwenden.
Hiergegen richtet sich die Berufung des Beklagten. Zur Begründung führt er aus:
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Es fehle bereits an einem konkreten Rechtsverhältnis i. S. d. § 43 Abs. 1 VwGO. Denn
es sei nicht ersichtlich, dass die Klägerin Mischfuttermittel, die Wiederkäuerfette
enthielten, selbst an Kälber verfüttern wolle. Ihre Tierhaltereigenschaft sei zweifelhaft.
Schließlich stelle sie Landwirten lediglich Jungtiere und die in Rede stehenden
Mischfuttermittel zur Verfügung. Die Verfütterung erfolge jedoch durch die Landwirte,
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sodass ordnungsrechtliche Maßnahmen gegen diese und nicht gegen die Klägerin
gerichtet würden und zwar selbst dann, wenn diese Landwirte auf Grund der Verträge
mit der Klägerin dazu verpflichtet sein sollten, das von der Klägerin gelieferte
Mischfuttermittel an Kälber zu verfüttern.
Eine Anwendungsvorrang des Gemeinschaftsrechts vor der mit Wirkung zum 24. Juli
2009 in Kraft getretenen Vorschrift des § 18 Abs. 1 Satz 1 LFGB scheide mangels
vollständiger Harmonisierung der Vorschriften zur Bekämpfung der TSE auf
europäischer Ebene aus. Denn die Verordnung enthalte keine Regelung über die
Verfütterung von tierischen Fetten an Wiederkäuer. Eine Auslegung des Wortlauts und
des Inhalts der Verordnung sprächen nicht für eine solche Harmonisierung. Nichts
anderes ergebe sich auch aus der Regelungssystematik sowie Sinn und Zweck der
Verordnung. Die Verordnung diene dem Gesundheitsschutz. Im Gesundheitsbereich
komme den Mitgliedstaaten neben der Gemeinschaft ein eigenständiger
Verantwortungsbereich zu, dies insbesondere auch im Hinblick auf die Bestimmung des
Gesundheitsschutzniveaus. Sofern von der Gemeinschaft nicht ausdrücklich – wie in
Bezug auf das Verfütterungsverbot von Fett – eine abschließende Harmonisierung
gewollt sei, sei sogar zwingend von einer Beibehaltung der Zuständigkeit der
Mitgliedstaaten im Gesundheitsbereich auszugehen. Zudem sei aus der
Entstehungsgeschichte der Verordnung (EG) Nr. 999/2001 zu entnehmen, dass sich der
Gemeinschaftsgesetzgeber vor ihrer Verabschiedung noch nicht abschließend mit den
Gesundheitsproblemen, die mit der Verfütterung von tierischen Körperfetten
einhergingen, befasst habe. Bis heute sei auf Gemeinschaftsebene ein Wille zur
vollständigen Vereinheitlichung der Regelungen über die Verfütterung tierischer
Körperfette nicht gebildet worden. Wenn der Gemeinschaftsverordnungsgeber bei der
Einführung der Verordnung (EG) Nr. 999/2001 eine Totalharmonisierung beabsichtigt
hätte, hätte er sich zwingend mit den Regelungen aus den Mitgliedstaaten, die neben
Deutschland Verfütterungsverbote für tierische Körperfette geregelt hätten,
auseinandergesetzt. Das Schweigen des Gemeinschaftsverordnungsgebers darüber
könne nur dahingehend gedeutet werden, dass insoweit eine vollständige Regelung der
TSE-Maßnahmen auf europäischer Ebene nicht beabsichtigt gewesen sei. Außerdem
habe zum Zeitpunkt des Erlasses auf Gemeinschaftsebene eine große Unsicherheit
geherrscht, wie die Risiken zu bewerten seien, die aus der Verfütterung von tierischen
Körperfetten an Nutztiere für die Gesundheit von Mensch und Tier folgten. Auch durch
die späteren Rechtsänderungen der Verordnung (EG) Nr. 999/2001 sei keine
Harmonisierung im Hinblick auf die Behandlung von tierischen Fetten für die
Verfütterung an Wiederkäuer eingetreten.
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Die Vorschrift in § 18 Abs. 1 LFGB verletze kein primäres Unionsrecht, weil das darin
geregelte Verfütterungsverbot aus Gründen des Schutzes von Leben und Gesundheit
von Menschen und Tieren sowie zum Schutz bedeutender Sachwerte und zum Schutz
vor Lebensmittelverknappung gerechtfertigt sei. Vorsorglich sei darauf hinzuweisen,
dass, selbst wenn durch die Einführung der Verordnung (EG) Nr. 999/2001 von einer
Totalharmonisierung auch im Hinblick auf die Verfütterung von tierischen Körperfetten
auszugehen sei, die Anwendbarkeit des § 18 Abs. 1 LFGB durch Schutzklauseln
gerechtfertigt sei.
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Das Verbot, Körperfette anderer Tiere als Wiederkäuer an Wiederkäuer zu verfüttern, sei
dadurch begründet, dass derzeit keine hinreichend verlässlichen Analysemethoden zur
Verfügung stünden, um zu ermitteln, von welcher Tierart Körperfette in tierischen
Futtermitteln stammten. Dies betreffe den Nachweis von Wiederkäuerfett in Tierfett als
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Einzelfuttermittel wie auch den Nachweis von Wiederkäuerfett als Bestandteil eines
Mischfuttermittels. Solange nicht ausgeschlossen werden könne, dass Futtermittel für
Wiederkäuer keine Wiederkäuerfette enthielten, bestehe keine Möglichkeit, den vom
deutschen Gesetzgeber geregelten Schutzstandard in der Vorsorge vor TSE und der
Bekämpfung von TSE anders als durch das Verbot in § 18 Abs. 1 Satz 1 LFGB zu
gewährleisten.
Die Klägerin hat im Termin zur mündlichen Verhandlung Anschlussberufung eingelegt.
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Der Beklagte beantragt,
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das Urteil des Verwaltungsgerichts Münster vom 8. August 2007 zu ändern,
die Anschlussberufung zurückzuweisen und die Klage abzuweisen.
22
Die Klägerin beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen und
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festzustellen, dass sie berechtigt ist, die in den Niederlanden oder in
Frankreich hergestellten und nachfolgend aufgeführten Mischfuttermittel für
Kälber, die andere tierische Fette als Wiederkäuerfette enthalten, für die
Verfütterung an Kälber im Kreis X. verwenden zu dürfen:
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1. Unistart (Rohfettgehalt 15 - 16 %)
2. Denkamilk Topstart (Rohfettgehalt 15 - 16 %)
3. Denkamilk Excellent (Rohfettgehalt 17 - 18 %)
4. Denkamilk Royal (Rohfettgehalt 14 - 15 %)
5. Denkamilk Fresserstart (Rohfettgehalt 17 - 18 %)
6. Denkamilk Stierstart (Rohfettgehalt 17 - 18 %)
7. Denkaveal Start (Rohfettgehalt 19 - 20 %)
8. Denkaveal Mast (Rohfettgehalt 11 - 12 %)
9. Denkaveal Gold (Rohfettgehalt 17 - 18 %).
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Die Klägerin verteidigt das angefochtene Urteil, wiederholt und vertieft ihr bisheriges
Vorbringen und führt ergänzend aus:
28
Sie betreibe neben dem Handel mit Futtermitteln auch selbst Jungtiermast. Zu diesem
Zwecke schließe sie Lohnmastverträge mit als Pensionstierhalter auftretenden
Landwirten ab, die die ihr gehörenden Jungtiere während der Mastperiode unterstellten
und mit den von ihr importierten Mischfuttermitteln fütterten.
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Die in der Verordnung (EG) Nr. 999/2001 auf tierische Proteine beschränkten
Verfütterungsvorschriften seien abschließend. Aus dem Schweigen des
Gemeinschaftsgesetzgebers zur Problematik der Verfütterung von tierischen Fetten an
Wiederkäuer könne nicht abgeleitet werden, dass eine vollständige abschließende
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Harmonisierung nicht gegeben sei. Art. 7 Abs. 2 i. V. m. Anhang IV, I. c) der Verordnung
(EG) Nr. 999/2001 in ihrer ursprünglichen Fassung, wonach ausdrücklich die
Möglichkeit vorgesehen gewesen sei, das für tierische Proteine geltende
Verfütterungsverbot in Mitgliedstaaten oder in ihren Gebieten der BSE-Statusklasse 5
(d. h. gemäß Kapitel C des Anhangs II zur Verordnung: Länder oder Gebiete mit der
höchsten BSE-Inzidenz) auf die Verfütterung von ausgelassenem Wiederkäuerfett an
Wiederkäuer auszudehnen, zeige vielmehr, dass sich der Gemeinschaftsgesetzgeber
mit dieser Problematik befasst habe. Mit Blick darauf, dass von dieser aufgezeigten, in
der ursprünglichen Fassung vorgesehenen Möglichkeit bis zur endgültigen Ausdehnung
des Geltungsbereichs der Verordnung (EG) Nr. 999/2001 auf Futtermittel ab dem 1.
September 2003 mittels der Änderungsverordnung (EG) Nr. 1234/2004 kein Gebrauch
gemacht und die Regelung insbesondere in den neu gefassten Anhang IV der
Verordnung nicht übernommen worden sei, sei davon auszugehen, dass der
Gemeinschaftsgesetzgeber ein Fettverfütterungsverbot nicht für erforderlich gehalten
habe. Darüber hinaus habe der Gemeinschaftsgesetzgeber in der Verordnung (EG) Nr.
1774/2002 sogar spezifische Herstellungs- und Qualitätsmerkmale für als
Futtermittelausgangserzeugnisse zu verwendende tierische Fette festgestellt. Die
allgemeinen Vorschriften über die Zusammensetzung und Beschaffenheit von
Mischfuttermitteln und Futtermittelausgangserzeugnissen seien in der Mischfuttermittel-
und Einzelfuttermittelrichtlinie niedergelegt. Danach sei die Verwendung von tierischen
Fetten als Futtermittelausgangserzeugnisse weder beschränkt noch verboten. Die
Mitgliedstaaten dürften nach diesen Richtlinien das Inverkehrbringen von Futtermitteln
im Rahmen der in diesen Richtlinien enthaltenden Bestimmungen keinen anderen als
den durch die jeweilige Richtlinie vorgeschriebenen Beschränkungen unterwerfen.
Die Verfütterungsverbotsvorschrift des inzwischen geltenden § 18 Abs. 1 Satz 1 LFGB
verstoße auch gegen primäres Unionsrecht. Nach der "Cassis de Dijon" –
Rechtsprechung des EuGH seien bei der Prüfung, ob eine Ausnahme von der
Grundregel des Art. 28 EG (nunmehr Art. 34 AEUV), der insbesondere alle Hemmnisse
für den freien Warenverkehr verbiete, strenge Anforderungen an die Erforderlichkeit und
die Verhältnismäßigkeit einer handelsbehindernden Maßnahme zu stellen, wobei es
stets Sache der nationalen Behörde sei, in jedem Einzelfall nachzuweisen, dass ihre
Regelung oder Maßnahme die für eine solche Ausnahme erforderlichen
Voraussetzungen und Kriterien tatsächlich erfülle. Hinsichtlich der von der
Bundesrepublik Deutschland in § 18 Abs. 1 Satz 1 LFGB getroffenen Regelung könnten
die deutschen Behörden weder den Beweis erbringen noch hätten sie diesen erbracht,
dass mit der Verwendung von tierischen Fetten in Futtermitteln konkrete
Gesundheitsrisiken für Menschen und Tiere verbunden seien. Eine Rechtfertigung des
Verfütterungsverbots ergebe sich auch nicht aus der Ausnahmebestimmung des Art. 30
EG (jetzt Art. 36 AEUV). Das Verbot des Inverkehrbringens eines Erzeugnisses dürfe
nach ständiger Rechtsprechung des EuGH nur erlassen werden, wenn es im Rahmen
einer umfassenden Risikobewertung auf die zuverlässigsten wissenschaftlichen Daten,
die zur Verfügung stünden, insbesondere auf die neuesten Ergebnisse der
internationalen Forschung gestützt werden könne, wobei die Risikobewertung nicht auf
rein hypothetische Erwägungen gestützt werden dürfe. Letzteres sei hier der Fall. Denn
in Bezug auf das streitgegenständliche Fettverfütterungsverbot sei die Risikobewertung
durch die EFSA, die Europäische Behörde für Lebensmittelrecht, maßgebend, die
davon ausgehe, mit der Verfütterung von Wiederkäuerfetten an Wiederkäuer seien
konkrete BSE-Risiken nicht verbunden.
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Zudem sei auf die Rechtsprechung des EuGH hinzuweisen. Dieser habe nicht nur in
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dem vom Verwaltungsgericht zitierten Urteil vom 22. Oktober 2002 C 241/01
entschieden, durch die Verordnung (EG) Nr. 999/2001 sei eine vollständige
Harmonisierung eingetreten; der Gerichtshof habe seiner Rechtsauffassung in der
französischen Originalfassung auch keine Einschränkung – wie sie in der deutschen
Übersetzung durch das Wort "wohl" zum Ausdruck komme – beigefügt. Des Weiteren
sei auf das Urteil vom 3. Oktober 1985 28/84 -, Kommission/Deutschland und das sie
betreffende Urteil vom 3. Oktober 1985 195/85 -, Denkavit Futtermittel GmbH/Land
Nordrhein-Westfalen hinzuweisen. Dort habe der Gerichtshof die auch jetzt vom
Beklagten vorgebrachten Argumente zum Gesundheitsschutz, zur
Zuständigkeitsverteilung und zum Schweigen einer Gemeinschaftsmaßnahme
insbesondere im erschöpfend harmonisierten Futtermittelbereich verworfen.
Soweit der Beklagte das Verbot der Verfütterung von anderen tierischen Fetten als
Wiederkäuerfette an Wiederkäuer mit dem angeblichen Risiko begründe, dass solche
Fette durch Wiederkäuerfette verunreinigt seien oder seien könnten, ohne dass
ausreichende Analysemöglichkeiten zur Verfügung stünden, um solche
Verunreinigungen aufzudecken, sei diese Argumentation nicht geeignet, das Verbot zu
rechtfertigen. Das weitaus wichtigste andere tierische Fett als Wiederkäuerfett für die
Zusammensetzung von Kälberfutter sei Schweineschmalz. Die Beschaffenheit dieses
Fetts könne hinsichtlich der Abwesenheit von Verunreinigungen mit Wiederkäuerfett
durch die amtliche Überwachung der Fettverarbeitungsbetriebe sichergestellt werden.
Ein Kontrollsystem zur Vermeidung von Verunreinigungen und Kreuzkontaminationen in
tierischen Produkten werde auch im Rahmen der Verordnung (EG) Nr. 999/2001
angewandt. Wenn aber ein solches Kontrollsystem für die Zulassung von bestimmten
Nichtwiederkäuer-proteinen ausreiche, müsse dies erst recht für die Zulassung von
Nichtwieder-käuerfetten gelten.
33
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakte,
die beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten und die von den Beteiligten im
Übrigen eingereichten Unterlagen Bezug genommen.
34
Entscheidungsgründe:
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Die Berufung hat Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat der Klage zu Unrecht stattgegeben.
Die Anschlussberufung der Klägerin bleibt hingegen erfolglos.
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Die Berufung des Beklagten ist zulässig. Das gilt auch für die zum Zweck der
Klageänderung im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat durch die
Klägerin eingelegte Anschlussberufung.
37
Die Anschlussberufung ist fristgemäß erfolgt. Die in § 127 Abs. 2 Satz 2 VwGO für die
Einlegung dieses Rechtmittels geregelte Frist von einem Monat nach Zustellung der
Berufungsbegründung steht dem nicht entgegen. Diese (neue) Monatsfrist ist durch den
am 4. März 2010 bei der Klägerin erfolgten Zugang der weiteren
Berufungsbegründungsschrift des Beklagten vom 25. Februar 2010 nicht in Lauf gesetzt
worden.
38
Dieser Schriftsatz – und nicht der Berufungsbegründungsschriftsatz des Beklagten vom
27. November 2007 – ist hinsichtlich der eingelegten Anschlussberufung für die
Berechnung der Frist nach § 127 Abs. 2 Satz 2 VwGO maßgeblich. Denn mit diesem hat
der Beklagte neuen begründungserheblichen Vortrag abgeben, als er erklärte, mit
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Inkrafttreten der Neuregelung des § 18 Abs. 1 Satz 1 LFGB ordnungsrechtlich auch
dann einschreiten zu müssen, wenn andere tierische Fette als Wiederkäuerfette
enthaltende Mischfuttermittel an Kälber verfüttert würden.
Vgl. zur Frage, an welchen Begründungsschriftsatz für die Berechnung der
Frist nach § 127 Abs. 2 Satz 2 VwGO anzuknüpfen ist: Meyer-
Ladewig/Rudisile in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner,
Verwaltungsgerichtsordnung, Loseblattsammlung, 19. Ergänzungslieferung,
§ 127 Rdnr. 7d; Bader in: Bader/Funke-Kaiser/Kuntze/von Albedyll, VwGO,
Kommentar, 4. Aufl., § 127 Rdnr. 22 u. 23 sowie i. d. S. auch Kopp/Schenke,
VwGO, 16. Aufl., § 127 Rdnr. 14.
40
Mit diesem neuen Vorbringen war der Beklagte trotz Ablaufs der
Berufungsbegründungsfrist auch nicht präkludiert. Denn neue Tatsachen und
Beweismittel i. S. d. § 128 Satz 2 VwGO können, wenn – wie hier - dem
Begründungserfordernis im Übrigen schon vor Ablauf der Begründungsfrist genügt
wurde, auch nach Ablauf dieser Frist vorgetragen werden.
41
Vgl. Kopp/Schenke, VwGO, a. a. O., § 124a Rdnr. 36 m. w. N.
42
Die durch diesen weiteren Berufungsbegründungsschriftsatz ausgelöste neue
Anschließungsfrist gemäß § 127 Abs. 2 Satz 2 VwGO begann aber nicht zu laufen.
Nach § 57 Abs. 1 VwGO beginnt der Lauf einer Frist wie der der Anschließungsfrist des
§ 127 Abs. 2 Satz 2 VwGO mit der Zustellung. Daran fehlt es, denn dieser Schriftsatz ist
dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin lediglich formlos übermittelt worden. Eine
Heilung dieses Zustellungsmangels gemäß § 56 Abs. 2 VwGO i. V. m. § 189 ZPO
kommt nicht in Betracht. Danach gilt ein Dokument, wenn sich seine formgerechte
Zustellung nicht nachweisen lässt oder es unter Verletzung zwingender
Zustellungsvorschriften zugegangen ist, in dem Zeitpunkt als zugestellt, in dem es der
Person, an die die Zustellung dem Gesetz gemäß gerichtet war oder gerichtet werden
konnte, tatsächlich zugegangen ist. Die Heilung einer unwirksamen Zustellung nach
§ 189 ZPO setzt jedoch voraus, dass das Gericht mit Zustellungswillen gehandelt hat.
43
Vgl. BVerwG, Urteil vom 29. September 1998 9 C 14.98 –, juris; BGH,
Beschluss vom 26. November 2002 – VI ZB 41/02 –, MDR 2003, 407 = NJW
2003, 1192; BAG, Beschluss vom 25. November 2008 – 3 AZB 55/08 –,
NZA-RR 2009, 158 = FamRZ 2009, 687; BFH, Beschluss vom 18. August
2009 – X B 14/09 –, juris; BSG, Urteil vom 23. Juni 1971 – 4 RJ 485/70 –;
OVG NRW, Urteil vom 25. November 2009 – 13 A 1536/09 -, juris;
Czybulka, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 3. Aufl. 2010, § 56 Rdnr. 82; Stöber, in:
Zöller/Stöber, ZPO, 28. Aufl. 2010, § 189 Rdnr. 2; Wolst, in: Musielak, ZPO,
7. Aufl. 2009, § 189 Rdnr. 2; Häublein, in: Münchener Kommentar zur ZPO,
3. Aufl. 2008, § 189 Rdnr. 3.
44
An einem Zustellungswillen fehlte es hier. Ausweislich der fraglichen Verfügung der
Berichterstatterin vom 2. März 2010 und des Abvermerks der Senatsgeschäftsstelle vom
3. März 2010 sollte dieser Schriftsatz lediglich mit einfachem Schreiben und nicht mittels
Zustellung an die Beklagte zur Kenntnisnahme und Stellungnahme übersandt werden.
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Dass die Klägerin durch das der Klage stattgebende verwaltungsgerichtliche Urteil nicht
beschwert ist, steht der Zulässigkeit der von ihr eingelegten Anschlussberufung
46
ebenfalls nicht entgegen. Die Anschlussberufung setzt keine Beschwer des
Anschlussberufungsführers voraus. Entscheidend ist vielmehr, dass mit der
Anschlussberufung mehr erstrebt wird als die bloße Zurückweisung der Berufung.
Vgl. OVG NRW, Urteil vom 28. August 1997 15 A 3432/94 -, NWVBl. 1998,
110 m. w. N.; Bader, in: Bader/Funke-Kaiser/Kuntze/von Albedyll, a. a. O.,
§ 127 Rdnr. 19; Kopp/Schenke, a. a. O., § 127 Rdnr. 13.
47
Das ist hier der Fall. Die Klägerin strebt neben der Zurückweisung der Berufung des
Beklagten eine Klageänderung an. Eine Klageänderung kann nach einem
stattgebenden Urteil erster Instanz nur im Wege der Anschlussberufung des
obsiegenden Klägers erfolgen, weil das im Berufungsverfahren verfolgte
Klagebegehren von dem abweicht, was Gegenstand des erstinstanzlichen Verfahrens
war.
48
Vgl. OVG NRW, Urteil vom 28. August 1997 15 A 3432/94 -, a. a. O. und
auch Bader/Funke-Kaiser/Kuntze/von Albedyll, a. a. O., § 127 Rdnr. 20;
Kopp/Schenke, a. a. O., § 127 Rdnr. 11.
49
Die durch den im Wege der Anschlussberufung gestellten Feststellungsantrag
vorgenommene Klageänderung ist auch zulässig.
50
Eine Klageänderung liegt vor. Die Klägerin hat zusätzliches Klagebegehren in die
Klage einbezogen und dadurch den sachlichen Streitstoff erweitert. Sie begehrt
nunmehr auch (wieder) die Feststellung, dass sie berechtigt ist, andere tierische Fette
als Wiederkäuerfette enthaltende Mischfuttermittel für die Verfütterung an Kälber zu
verwenden.
51
Gegen diese Klageänderung ist nichts zu bedenken, weil der Beklagte der
Klageänderung zugestimmt hat (§ 91 Abs. 1 VwGO). Darüber hinaus stellt sich die
Klageänderung als sachdienlich dar. Sie trägt insbesondere dazu bei, einen weiteren
Prozess zu vermeiden, denn die Klägerin könnte den nunmehr (wieder) gestellten
weiteren Feststellungsantrag jederzeit rechtshängig machen, da sie nicht durch
besondere – wie im Falle der Anfechtungs- oder Verpflichtungsklage -
Sachurteilsvoraussetzungen gebunden ist und die teilweise Erledigung des
Rechtsstreits wegen der danach erfolgten Änderung der Vorschrift über das
Verfütterungsverbot der Zulässigkeit des Feststellungsantrags nicht entgegensteht. Die
Klageänderung beeinträchtigt die Entscheidungsreife zudem nicht.
52
Die geänderte Klage ist als Feststellungsklage gemäß § 43 Abs. 1 VwGO zulässig.
Danach kann durch Klage die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines
Rechtsverhältnisses begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der
baldigen Feststellung hat.
53
Zwischen der Klägerin und dem Beklagten besteht ein feststellungsfähiges
Rechtsverhältnis i. S. d. Vorschrift. Als feststellungsfähiges Rechtsverhältnis werden
rechtliche Beziehungen angesehen, die sich aus einem konkreten Sachverhalt aufgrund
einer diesen Sachverhalt betreffenden öffentlich-rechtlichen Norm für das Verhältnis
mehrerer Personen untereinander oder einer Person zu einer Sache ergeben.
54
Vgl. etwa BVerwG, Urteile vom 23. Januar 1992 – 3 C 50.89 -, BVerwGE 89,
55
327 und vom 13. Januar 1969 - 1 C 86.64 -, Buchholz 310 § 43 Nr. 31 m. w.
N.; OVG NRW, Beschluss vom 11. April 2004 – 13 B 1959/04 -, LRE 50, 297
ff = juris; Pietzcker, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, a. a. O.,
§ 43 Rdnr. 5; Kopp/Schenke, a. a. O., § 43 Rdnr. 11.
Zwischen den Beteiligten des Rechtsverhältnisses muss ein Meinungsstreit bestehen,
aus dem heraus sich eine Seite berühmt, ein bestimmtes Tun oder Unterlassen der
anderen Seite verlangen zu können.
56
Vgl. BVerwG, Urteil vom 23. Januar 1992 3 C 50.89 -, a. a. O.
57
Die streitige Beziehung muss sich zudem durch ein dem öffentlichen Recht
zuzurechnenden Verhalten zu einer konkreten Rechtsbeziehung verdichtet haben. Dies
setzt voraus, dass die Anwendung einer bestimmten Norm des öffentlichen Rechts auf
einen bereits übersehbaren Sachverhalt streitig ist. Das Erfordernis einer Verdichtung
der Rechtsbeziehung zu einem konkreten Rechtsverhältnis rechtfertigt sich aus dem
Anliegen, den Verwaltungsgerichten nicht die Beantwortung abstrakter Rechtsfragen
aufzubürden.
58
Vgl. BVerwG, Urteile vom 13. Januar 1969 - 1 C 86.64 -, a. a. O., vom 7. Mai
1987 – 3 C 53.85 -, BVerwGE 77, 207 und 30. September 1999 – 3 C 39.98
– DVBl. 2000, 636 m. w. N.; OVG NRW, Beschluss vom 11. April 2004 – 13
B 1959/04 -, a. a. O.
59
Die Beziehung zwischen den Beteiligten hat sich zu einem konkreten Rechtsverhältnis
verdichtet. Zwischen den Beteiligten besteht ein Streit über die Vereinbarkeit des in § 18
Abs. 1 Satz 1 des Lebensmittel-, Bedarfsgegenstände und Futtermittelgesetzbuchs
(Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch – LFGB) in der Fassung der
Bekanntmachung vom 24. Juli 2009 (BGBl. I S. 2630) geregelten Verfütterungsverbots
mit gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften, insbesondere der Verordnung (EG) Nr.
999/2001 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Mai 2001, zuletzt
geändert durch Verordnung (EG) Nr. 220/2009 des Europäischen Parlaments und des
Rates vom 11. März 2009. Der Beklagte hat als nach § 1 Abs. 1 ZustVOVS NRW
zuständige Kreisordnungsbehörde darüber zu wachen, ob dieses Verbot eingehalten
wird. Das Verbot richtet sich an die Klägerin; sie ist Tierhalterin; sie betreibt im Kreis
X. eine Lohnmasthaltung, stellt Vertragsmästern Kälber, Futter und die
tiermedizinische und fachliche Betreuung zur Verfügung und übernimmt das Mast- und
Marktrisiko.
60
Vgl. hierzu ihren Internetauftritt unter
www.denkavit.nl./deutsch/kalbermast.asp.
61
Der Tierhaltereigenschaft der Klägerin steht nicht entgegen, dass sich die Tiere nicht in
ihrer, sondern in der Obhut der Vertragsmäster befinden. Denn entscheidend für die
Eigenschaft als Tierhalter ist, wem die Bestimmungsmacht über das Tier zusteht, wer
aus eigenem Interesse für die Kosten des Tieres aufkommt und wer das wirtschaftliche
Verlustrisiko trägt. Sind diese Kriterien – wie im Fall der Klägerin - erfüllt, bleibt die
Tierhaltereigenschaft auch hinsichtlich solcher Tiere bestehen, die längerfristig einem
Dritten überlassen werden und zwar selbst dann, wenn dieser die Tiere – wie die
Vertragsmäster - zu eigenen Zwecken nutzt.
62
Vgl. hierzu BGH, Urteil vom 19. Januar 1988 VI ZR 188/87 -, MDR 1988,
571 ff. = juris m. w. N.
63
Die Klägerin hat auch ein berechtigtes Interesse an der erstrebten Feststellung. Das
berechtigte Interesse i. S. d. § 43 Abs. 1 VwGO schließt jedes als schutzwürdig
anzuerkennende Interesse rechtlicher, wirtschaftlicher oder auch ideeller Art ein.
64
Vgl. Kopp/Schenke, a. a. O., § 43 Rdnr. 23.
65
Die Klägerin hat ein schutzwürdiges wirtschaftliches und rechtliches Interesse an der
gerichtlichen Feststellung. Denn im Falle antragsgemäßer Feststellung könnte die
Klägerin das von ihr importierte Mischfuttermittel zur Kälbermast einsetzen, ohne
ordnungs- oder strafrechtlich belangt zu werden.
66
Das berechtigte Interesse der Klägerin entfällt nicht mit Blick auf das - wegen
divergierender wissenschaftlicher Gutachten der Europäischen Behörde für
Lebensmittelrecht (EFSA) auf der einen Seite und dem Friedrich-Löffler-Institut (FLI)
sowie dem Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) auf der anderen Seite - durch die
Europäische Kommission veranlasste und noch laufende Verfahren nach Art. 30 Abs. 4
der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates vom
28. Januar 2002, geändert durch Verordnung (EG) Nr. 575/2006 der Kommission vom 7.
April 2006.
67
S. zur Veranlassung durch die Europäische Kommission, Schreiben der
Kommission an Staatssekretär Lindemann vom 15. Mai 2005 mit dem
Betreff "Verbot der Verfütterung tierischer Fette an Nutztiere –
SANCO/E2/KVD/eg D (2006) 520355 – und zum Verfahren, Niederschrift
über das Treffen am 27. Februar 2007 von Vertretern der EFSA und des BfR
sowie des FLI.
68
Denn es ist nicht absehbar, wann das der Klärung dienende Verfahren, ob die
Verwendung von tierischen Fetten in Futtermitteln für Wiederkäuer risikobehaftet ist oder
nicht, zum Abschluss kommt; frühestens danach könnte aber das berechtigte Interesse
der Klägerin entfallen, weil dann, je nach Ausgang, entweder der Bundesgesetzgeber
oder der Gemeinschaftsverordnungsgeber möglicherweise eine Änderung der
Verfütterungsvorschriften herbeiführt.
69
Die Zulässigkeit der Klage scheitert nicht an der Subsidiaritätsklausel des § 43 Abs. 2
VwGO, wonach die Feststellung nicht begehrt werden kann, wenn der Kläger seine
Rechte durch Gestaltungs- oder Leistungsklage verfolgen kann. Der Klägerin ist nicht
zuzumuten, ihr Begehren im Wege einer Gestaltungsklage zu verfolgen; denn dies
setzte voraus, dass sie dem Verfütterungsverbot zuwiderhandelt, um eine im Wege einer
Gestaltungsklage anfechtbare Ordnungsverfügung des Beklagten zu erhalten. Das ist
aber schon deshalb unzumutbar, weil ein Verstoß gegen § 18 Abs. 1 Satz 1 LFGB nicht
nur ein ordnungsrechtliches Einschreiten des Beklagten nach sich zöge, sondern auf
der Grundlage des § 58 Abs. 1 Nr. 9 LFGB zudem zu strafrechtlichen Sanktionen führte.
70
Vgl. hierzu auch Pietzcker in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, a. a. O., §
43 Rdnr. 49 ff.
71
Die Klage ist nicht begründet.
72
Die Klägerin ist weder berechtigt, die in den Niederlanden oder in Frankreich
hergestellten, Wiederkäuerfette enthaltenden Mischfuttermittel für Kälber
73
1. Unistart (Rohfettgehalt 15 - 16 %)
2. Denkamilk Topstart (Rohfettgehalt 15 - 16 %)
3. Denkamilk Excellent (Rohfettgehalt 17 - 18 %)
4. Denkamilk Royal (Rohfettgehalt 14 - 15 %)
5. Denkamilk Fresserstart (Rohfettgehalt 17 - 18 %)
6. Denkamilk Stierstart (Rohfettgehalt 17 - 18 %)
7. Denkaveal Start (Rohfettgehalt 19 - 20 %)
8. Denkaveal Mast (Rohfettgehalt 11 - 12 %)
9. Denkaveal Gold (Rohfettgehalt 17 - 18 %)
74
75
noch berechtigt, die in den Niederlanden oder in Frankreich hergestellten, andere
tierische Fette als Wiederkäuerfette enthaltenden Mischfuttermittel für Kälber
76
1. Unistart (Rohfettgehalt 15 - 16 %)
77
78
2. Denkamilk Topstart (Rohfettgehalt 15 - 16 %)
3. Denkamilk Excellent (Rohfettgehalt 17 - 18 %)
4. Denkamilk Royal (Rohfettgehalt 14 - 15 %)
5. Denkamilk Fresserstart (Rohfettgehalt 17 - 18 %)
6. Denkamilk Stierstart (Rohfettgehalt 17 - 18 %)
7. Denkaveal Start (Rohfettgehalt 19 - 20 %)
8. Denkaveal Mast (Rohfettgehalt 11 - 12 %)
9. Denkaveal Gold (Rohfettgehalt 17 - 18 %)
79
80
für die Verfütterung an Kälber im Kreis X. zu verwenden.
81
Dem steht das in § 18 Abs. 1 Satz 1 LFGB normierte Verfütterungsverbot entgegen.
Dieses – im entscheidungserheblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung geltende
- Verfütterungsverbot verstößt nicht gegen Gemeinschaftsrecht.
82
Nach § 18 Abs. 1 Satz 1 LFGB ist das Verfüttern von Fetten aus Gewebe warmblütiger
Landtiere und von Fischen sowie von Mischfuttermitteln, die diese Einzelfuttermittel
83
enthalten, an Nutztiere, soweit es sich um Wiederkäuer handelt, verboten. Das
Mischfuttermittel, welches die Klägerin zu verwenden beabsichtigt, enthält tierische
Fette aus Gewebe warmblütiger Landtiere. Es soll an Kälber zu Mastzwecken verfüttert
werden und damit an Wiederkäuer, die als Nutztiere der Lebensmittelgewinnung
dienen.
Die Anwendung des § 18 Abs. 1 Satz 1 LFGB ist nicht durch unmittelbar geltendes
Gemeinschaftsrecht gesperrt. § 18 Abs. 1 Satz 1 LFGB steht nicht im Widerspruch zur
Verordnung (EG) Nr. 999/2001 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22.
Mai 2001 mit Vorschriften zur Verhütung, Kontrolle und Tilgung bestimmter
transmissibler spongiformer Enzephalopathien (TSE), zuletzt geändert durch
Verordnung (EG) Nr. 220/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11.
März 2009.
84
Die nach ihrem Art. 26 ab dem 1. Juli 2001 in allen ihren Teilen verbindlich und mit
unmittelbarer Geltung in jedem Mitgliedstaat in Kraft getretene Verordnung (EG) Nr.
999/2001 enthält kein Verbot der Verfütterung von tierischen Fetten an Wiederkäuer.
Gemäß Art. 7 Abs. 1 Verordnung (EG) Nr. 999/2001 ist die Verfütterung von tierischen
Proteinen an Wiederkäuer verboten. Nach dem Anhang IV, I. der Verordnung wird das in
Art. 7 Abs. 1 vorgesehene Verbot ausgeweitet
85
a. auf die Verfütterung folgender Stoffe an Nutztiere mit Ausnahme von zur
Gewinnung von Pelzen gehaltenen Fleischfressern:
b. verarbeitetes tierisches Protein
c. aus Wiederkäuern gewonnene Gelatine
d. Blutprodukte,
e. hydrolysiertes Protein
f. Dicalciumphosphat und Tricalciumphaosphat tierischen Ursprungs
(Dicalciumphosphat und Tricalsiumphosphat),
g. Futtermittel, die die unter den Ziffern i) bis v) aufgeführten Proteine enthalten;
h. tierischer Proteine und Futtermittel, die solche Proteine enthalten, an Wiederkäuer.
86
87
Eine Auslegung der Verordnung führt nicht dazu, dass die gemeinschaftsrechtlichen
Regelungen über Verfütterungsverbote für Wiederkäuer abschließend sind und das
nationale Verfütterungsverbot von tierischen Fetten an Wiederkäuer diesen deshalb
entgegensteht. Insoweit ist nicht von einer vollständigen und erschöpfenden
Harmonisierung der Verordnung (EG) Nr. 999/2001 auszugehen.
88
Ob auf Gemeinschaftsebene eine harmonisierte Regelung für einen bestimmten
Anwendungsbereich geschaffen worden ist, ergibt sich nach der Rechtsprechung des
EuGH aus dem Wortlaut einer Verordnung sowie dem Kontext, in dem diese erlassen
wurde, und aus den Zielen, die mit der Regelung, zu der sie gehört, verfolgt werden,
89
vgl. EuGH, Urteile vom 13. Dezember 2001 C 324/99 -, DaimlerChrysler
AG, Slg. 2001, I09897, www.curia.europa.eu und juris Rdnr. 42, vom 12.
90
November 1998 – C - 102/96 -, Kommission/Deutschland (Pflicht zur
besonderen Kennzeichnung und zur Hitzebehandlung von Eberfleisch), Slg.
1998, I-06871, www.curia.europa.eu und juris Rdnr. 24, vom 19. Oktober
1995 – C - 128/94 -, Hönig, NJW 1996, 113,
sowie – wenn mit Hilfe der obengenannten Grundsätze eine klare Auslegung nicht
möglich ist - aus der Entstehungsgeschichte,
91
vgl. hierzu i. d. S.: EuGH, Urteil vom 9. März 2010 – C - 518/07 -,
Kommission/Deutschland (Schutz natürlicher Personen bei der
Verarbeitung personenbezogener Daten und freier Datenverkehr)
www.curia.europa.eu und juris Rdnr. 29 und auch Wegener in:
Callies/Ruffert, EUV/EGV, Kommentar, 3. Aufl., § 220 EGV Rdnr. 13 unter
Hinweis auf die Rechtsprechung des EuGH, wonach die
Entstehungsgeschichte als Auslegungshilfe regelmäßig mehr Züge einer
Hilfsbegründung trage.
92
Die Auslegung orientiert am Wortlaut der Verordnung (EG) Nr. 999/2001 spricht nicht für
ihren abschließenden Charakter in Bezug auf darin geregelte Verfütterungsverbote.
93
Die Verordnung schweigt über ein Verbot der Verfütterung tierischer Fette an
Wiederkäuer. Aus dem Schweigen einer Regelung über einen bestimmten Tatbestand
des die Regelung betreffenden Sektors kann aber nicht geschlossen werden, die
Gemeinschaft habe notwendigerweise bewusst beschlossen, die Mitgliedstaaten
könnten in einem solchen Sektor keine Maßnahmen mehr treffen.
94
Vgl. EuGH, Urteile vom 25. November 1986 C 148/85 -, Forest, Slg. 1986,
3449, www.curia.europa.eu und juris Rdnr. 14 und vom 7. Februar 1984 –
C - 237/82 -, Jongeneel Kaas/Niederlande, Slg. 1984, 483,
www.curia.europa.eu und juris Rdnr. 13.
95
Der Wortlaut lässt auch sonst keine Deutung in die Richtung zu, der Verordnungsgeber
habe sich mit der Problematik der Verfütterung von tierischen Fetten an Wiederkäuer
befasst, sei zu einem Ergebnis gekommen und habe dies, wenn auch nicht
ausdrücklich, so aber doch in anderem Zusammenhang hinreichend deutlich zum
Ausdruck gebracht. Dagegen sprechen der bereits zitierte Art. 7 nebst Anhang IV, I. und
der der Verordnung vorangestellte Erwägungsgrund 11a. Diese durch die Verordnung
(EG) Nr. 1923/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. Dezember
2006 geänderten Bestimmungen werden durch den ebenfalls mit dieser Verordnung
eingefügten Erwägungsgrund 11a wie folgt begründet:
96
"In der Entschließung vom 28. Oktober 2004 hat das Europäische Parlament seine
Besorgnis im Hinblick auf die Verfütterung tierischer Proteine an Wiederkäuer geäußert,
da diese nicht Bestandteil der natürlichen Nahrung von adulten Rindern sind. Im Zuge
der BSE-Krise und der Krise aufgrund der Maul- und Klauenseuche ist man zunehmend
zu der Überzeugung gekommen, dass die menschliche und tierische Gesundheit am
besten sichergestellt werden kann, wenn die Tiere so gehalten und gefüttert werden,
wie es den besonderen Merkmalen der verschiedenen Arten entspricht. Gemäß dem
Vorsorgeprinzip und unter Beachtung der natürlichen Ernährung von Wiederkäuern ist
es daher notwendig, das Verbot der Verfütterung tierischer Proteine an Wiederkäuer in
Formen, die normalerweise nicht Bestandteil ihrer natürlichen Nahrung sind,
97
aufrechtzuerhalten."
Mit Blick darauf dürfte (nur) in Bezug auf das Verbot der Verfütterung von tierischen
Proteinen von einer (vollständig) harmonisierten Regelung auszugehen sein. Daraus
lässt sich jedoch nicht ableiten, der Verordnungsgeber habe gleichzeitig (konkludent)
ein Verbot der Verfütterung tierischer Fette an Wiederkäuer ausschließen wollen. Es ist
schon nicht ersichtlich, dass sich der Verordnungsgeber in diesem Zusammenhang
überhaupt mit dem mit der Verfütterung tierischer Fette an Wiederkäuer einhergehenden
Risiko befasst hat; zudem spricht die Äußerung, die beste und in Bezug auf die
menschliche Gesundheit sicherstes Tiernahrung sei die natürliche Ernährung, für die
gegenteilige Annahme. Bei Wiederkäuern, die Pflanzenfresser sind, zählen aus
tierischem Gewebe gewonnene Fette nicht zur natürlichen Nahrung. Insofern kann nicht
angenommen werden, der Gemeinschaftsverordnungsgeber habe mit dem Erlass der
Regelungen über das Verbot der Verfütterung von tierischen Proteinen gleichzeitig den
Ausschluss von Verboten der Verfütterung anderer artfremder (und deshalb für die
menschliche Gesundheit nicht sicherer) Futtermittel geregelt.
98
Der Kontext, in dem die Verordnung (EG) Nr. 999/2001 erlassen wurde, spricht ebenfalls
nicht für eine Harmonisierung, die auch die Verfütterung von tierischen Fetten an
Wiederkäuer umfasst. Die Verordnung ist nach deren Erwägungsgrund 1 Satz 1 im
Zusammenhang mit dem Auftreten der Bovinen spongiformen Enzephalopathie (BSE)
beim Menschen und Tier erlassen worden. Laut Erwägungsgrund 2 Satz 3 der
Verordnung sollten angesichts des Ausmaßes der gesundheitlichen Gefährdung von
Mensch und Tier durch TSE spezifische Vorschriften zu deren Verhütung, Kontrolle und
Tilgung erlassen werden. Die Vorschriften sollten nach Erwägungsgrund 5 Satz 1 der
Verordnung für die Produktion und das Inverkehrbringen von lebenden Tieren und
tierischen Erzeugnissen gelten. Aus Erwägungsgrund 5 der Verordnung ergibt sich im
Übrigen, dass durch die Vorschriften sichergestellt werden sollte, dass tierische
Erzeugnisse, die die Gesundheit von Mensch und Tier gefährden, nicht in Nahrungs-,
Futter- oder Düngemitteln verwendet werden. Dieser kurze Abriss aus der Begründung
der Verordnung und insbesondere auch der Umstand, dass nicht bekannt ist, welche
Mengen des BSE-Erregers die tödliche Erkrankung beim Menschen auslösen kann,
99
vgl. hierzu BfR, Wiederzulassung der Verfütterung tierischer Fette von
Wiederkäuern an Wiederkäuer birgt BSE-Risiko für den Verbraucher,
Gemeinsame Stellungnahme Nr. 010/2006 des BfR und des FLI vom 9.
Februar 2006,
100
machen die Komplexität des Sachverhalts deutlich, der durch die Verordnung erfasst
und geregelt werden sollte. Es liegt auf der Hand, dass angesichts der Vielfalt der
Faktoren, die im Zusammenhang mit der Übertragung von BSE eine Rolle spielen, und
insbesondere deren nicht im Einzelnen einschätzbaren Risiken, die Schaffung einer
Regelung, die sämtliche, sich in diesem Zusammenhang ergebenden Gefahren
umfasst, kaum möglich ist. Insofern kann nicht davon ausgegangen werden, dass der
Verordnungsgeber mit dem Erlass der Vorschrift eine bis ins Detail abschließende
Harmonisierungsmaßnahme der Regelungen zur Verhütung, Kontrolle und Tilgung von
BSE angestrebt hat, dies insbesondere nicht hinsichtlich solcher
Regelungsgegenstände, zu denen er sich nicht verhalten hat.
101
Auch aus den mit der Verordnung (EG) Nr. 999/2001 verfolgten Zielen lässt sich nicht
auf eine in deren Art. 7 nebst Anhang IV abschließend getroffene Regelung über
102
Verfütterungsverbote schließen.
Ausweislich ihrer Erwägungsgründe ist die Verordnung hauptsächlich dem
Gesundheitsschutz zu dienen bestimmt. So lautet es in Erwägungsgrund 2 Satz 1 der
Verordnung, die Gemeinschaft habe eine Reihe von Maßnahmen erlassen, um die
Gesundheit von Mensch und Tier zu schützen. Zudem ist in dem bereits zitierten Satz 2
dieses Erwägungsgrundes davon die Rede, spezifische Vorschriften sollten angesichts
des Ausmaßes der gesundheitlichen Gefahren von Mensch und Tier durch BSE
geschaffen werden. In Erwägungsgrund 3 Satz 1 der Verordnung heißt es, die
Verordnung sei von unmittelbarem Belang für die Gesundheit der Bevölkerung.
103
Laut ihrer Präambel ist die Verordnung auf Art.152 Abs. 4 Satz 1 b) des außer Kraft
getretenen Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft - EG - (nunmehr Art.
168 des am 1. Dezember 2009 in Kraft getretenen Vertrags über die Arbeitsweise der
Europäischen Union – AEUV -) gestützt, wonach der Rat zur Verwirklichung der Ziele
des Art. 152 EG mit Maßnahmen u. a. in dem Bereich Veterinärwesen, die unmittelbar
den Schutz der Gesundheit der Bevölkerung zum Ziel haben, beiträgt. Als auf diese
Ermächtigungsgrundlage gestützte Verordnung beansprucht sie die Sicherstellung
eines hohen Gesundheitsschutzniveaus (vgl. Art. 152 Abs. 1 Satz EG).
104
Vor diesem Hintergrund kann nicht davon ausgegangen werden, dass durch die
Verordnung die Verfütterungsverbote vollständig geregelt und damit gleichzeitig (durch
Schweigen) das Verbot der Verfütterung von tierischen Fetten an Wiederkäuer
ausgeschlossen werden sollte. Denn eine solche Auslegung ist nicht mit dem mit der
Verordnung verfolgten Anspruch eines hohen Gesundheitsschutzniveaus zu vereinen.
Insofern ist nämlich zu berücksichtigen, dass zum Zeitpunkt des Erlasses der
Verordnung noch kein Gutachten vorlag, aus dem sich ergab, dass die Verwendung von
tierischen Fetten in Futtermitteln für Wiederkäuer ein BSE-Risiko nicht in sich birgt. Das
durch die EFSA erarbeitete Gutachten über die "Bewertung des von Talg ausgehenden
BSE-Risikos für Menschen und Tiere im Hinblick auf das BSE-Restrisiko", das auf der
Sitzung der EFSA am 27. und 28. April 2005 veröffentlicht worden ist, geht zwar davon
aus, das für Talg berechnete Expositionsniveau sei unter Berücksichtigung der
Verfütterungspraxis so gering, dass es als minimal betrachtet werden könne. Dem
widersprechen aber das BfR und FLI mit der Begründung, eine für die
Routineüberwachung geeignete Analysemethode für den Nachweis der Herkunft der
tierischen Fette in Futtermitteln sei nicht verfügbar; deswegen könne die Freiheit einer
BSE-Restinfektiosität der in der Wiederkäuerfütterung eingesetzten tierischen Fette
nicht gewährleistet werden. Wiederkäuerfette könnten nicht ohne Kontaminationsrisiko
gewonnen werden und deren BSE-Infektiosität sei auch nach Hitzebehandlung nicht
vollständig auszuschließen; zudem könnten Kreuzkontaminationen bei der
Mischfutterherstellung nicht ausgeschlossen werden. Daher beinhalte die Verfütterung
von tierischen Fetten, insbesondere an Kälber und Lämmer, bei denen eine erhöhte
Empfänglichkeit für eine TSE-Infektion anzunehmen sei, ein grundsätzliches Risiko für
das Auslösen einer BSE-Infektion.
105
Vgl. hierzu Stellungnahme des BfR vom 9. Februar 2006 a. a. O. und BfR,
Überprüfung der Rahmenbedingungen zur Einführung eines Verbots der
Verfütterung von Wiederkäuerfett an Wiederkäuer, Stellungnahme vom 16.
August 2007 sowie BfR, FLI und BfR lehnen Intra-Spezies-Recycling von
Futterfetten bei Wiederkäuern ab, Gemeinsame Stellungnahme 030/2008
des BfR und des FLI vom 17. März 2008.
106
Danach wäre gerade auch mit Blick auf das bereits erwähnte, wegen substanzieller
Divergenz in dieser wissenschaftlichen Frage eingeleitete Verfahren nach Art. 30 Abs. 4
Verordnung (EG) Nr. 178/2002, jedenfalls solange das Verfahren nicht abgeschlossen
ist und sämtliche Unsicherheiten beseitigt sind, durch einen (bewussten) Ausschluss
eines Verbots der Verfütterung von tierischen Fetten an Wiederkäuer das von der
Verordnung (EG) Nr. 999/2001 beanspruchte hohe Gesundheitsschutzniveau nicht zu
gewährleisten.
107
Des Weiteren spricht der Umstand, dass es sich bei der Verordnung (EG) Nr. 999/2001
um eine gesundheitspolitische Ziele verfolgende Regelung auf der Grundlage des Art.
152 EG handelt, gegen die Annahme, die Verordnung habe durch die
Verfütterungsverbotsregelungen gleichzeitig (konkludent) ein Verbot der Verfütterung
tierischer Fette an Wiederkäuer ausgeschlossen.
108
Als auf Art. 152 Abs. 4 Satz 1 b) EG (nunmehr Art. 168 Abs. 4 Satz 1 b) AEUV) gestützte
Verordnung versteht sie sich als Ergänzung der Gesundheitspolitik der Mitgliedstaaten
und überlässt den Mitgliedstaaten einen eigenen Verantwortungsbereich. Dies folgt aus
Art. 152 Abs. 1 Satz 2 EG (nunmehr Art. 168 Abs. 1 Satz 2 AEUV), wonach die – auf die
Verbesserung der Gesundheit der Bevölkerung, die Verhütung von Humankrankheiten
und die Beseitigung von Ursachen für die Gefährdung der menschlichen Gesundheit
gerichtete - Tätigkeit der Gemeinschaft die Politik der Mitgliedstaaten ergänzt sowie aus
§ 152 Abs. 5 Satz 1 EG (nunmehr Art. 168 Abs. 7 Satz 1 AEUV), wonach bei der
Tätigkeit der Gemeinschaft im Bereich der Gesundheit der Bevölkerung die
Verantwortung der Mitgliedstaaten für die Organisation des Gesundheitswesens in
vollem Umfang gewahrt bleibt.
109
Mit Blick auf dieses Verständnis ist davon auszugehen, dass die Gemeinschaft und die
Mitgliedstaaten gemeinsam für den Gesundheitsbereich zuständig sind, wobei
insbesondere durch die Worte "ergänzt" in Art. 152 Abs. 1 Satz 2 EG und "die
Verantwortung" werde "in vollem Umfang gewahrt" in Art. 152 Abs. 5 Satz 1 EG eine
nationale Dominanz
110
- vgl. i. d. S.: Schlussanträge des Generalanwalts Yves Bot vom 16.
Dezember 2008, Verbundene Rechtssachen – C - 171/07 und C – 172/07 -,
www.curia.europa.eu und juris Rdnr. 25 -
111
und zum Ausdruck kommt, dass die Mitgliedstaaten "Herren der Gesundheitspolitik"
bleiben.
112
Vgl. hierzu Wichard in: Callies/Ruffert, a. a. O., § 152 EGV Rdnr. 10 m. w. N.
113
Daraus lässt sich folgern, dass es vor allem Sache der Mitgliedstaaten ist, den Schutz
der Gesundheit der Bevölkerung sicherzustellen sowie zu bestimmen, auf welchem
Niveau sie diesen Schutz gewährleisten wollen und wie dieses Niveau erreicht wird
114
- vgl. hierzu EuGH, Urteile vom 19. Mai 2009 C 171/07 und C – 172/07 -,
Apothekerkammer des Saarlandes u. a., ABl. 2009 C 153, S. 5 und vom 11.
Dezember 2003 – C - 322/01 , Deutscher Apothekerverband, Slg. 2003, I-
14887, www.curia.europa.eu und juris Rdnr. 103 -
115
und ferner, dass ihr Verantwortungsbereich sowie ihr Bestimmungsrecht in Bezug auf
das Schutzniveau solange unangetastet bleibt, wie die Gemeinschaft nicht (ergänzend)
tätig geworden ist.
116
Zum Schutz vor Gefahren, die von der Verfütterung mit durch tierische Fette mit TSE-
Prionen kontaminierten Futtermitteln an der Lebensmittelgewinnung dienende
Wiederkäuer ausgehen, ist die Gemeinschaft bisher nicht regelnd tätig geworden.
117
Die Verordnung Nr. 999/2001 verhält sich nicht (ausdrücklich) darüber und aus dem
bloßen Schweigen kann – wie oben bereits ausgeführt – nicht geschlossen werden, die
Gemeinschaft habe bewusst beschlossen, die Mitgliedstaaten würden bezüglich dieses
Regelungsgegenstands aus ihrem Verantwortungsbereich verdrängt und hätten sich
jeglicher diesbezüglicher Schutzregelungen zu enthalten.
118
Die Gemeinschaft ist in Bezug auf diesen Regelungsgegenstand auch nicht
anderweitig, etwa im Rahmen der Verordnung (EG) Nr. 1774/2002 des Europäischen
Parlaments und des Rates vom 3. Oktober 2002 mit Hygienevorschriften für nicht für den
menschlichen Verkehr bestimmte tierische Nebenprodukte, tätig geworden. Diese
Feststellung wird nicht dadurch in Frage gestellt, dass aus deren Anhang VII, Kapitel IV,
A. 1. zu entnehmen ist, ausgeschmolzene und gereinigte Wiederkäuerfette könnten als
Futtermittelausgangserzeugnisse verwendet werden. Denn diese Vorschriften in
Anhang VII können nicht als der abschließenden Harmonisierung der der Verhütung
und Tilgung von BSE dienenden Verfütterungsverbote angesehen werden, weil die
Verordnung (EG) Nr. 1774/2002, wie sich dies bereits aus der amtlichen Bezeichnung
ergibt, einen anderen Regelungsbereich betrifft und im Übrigen in Art. 1 Abs. 3
Verordnung (EG) Nr. 1774/2002 vorgesehen ist, dass Veterinärvorschriften zur Tilgung
und Überwachung bestimmter Tierseuchen wie BSE - von dieser Verordnung unberührt
bleiben.
119
Nichts anderes gilt auch unter Berücksichtigung der Richtlinie 96/25/EG des Rates vom
29. April 1996 über den Verkehr mit Futtermittelausgangserzeugnissen
(Einzelfuttermittelrichtlinie) und der Richtlinie 79/373/EWG des Rates vom 2. April 1979
über den Verkehr mit Mischfuttermitteln (Mischfuttermittelrichtlinie); diese bleiben in
Bezug auf die Auslegung der Verordnung (EG) Nr. 999/2001 außer Betracht und es
lassen sich aus diesen auch im Übrigen keine Anhaltspunkte dafür entnehmen, die
Gemeinschaft habe mit diesen eine abschließende sowie erschöpfende – und damit die
Mitgliedstaaten aus ihrem gesundheitspolitischen Verantwortungsbereich verdrängende
- Harmonisierung der Verfütterungsverbotsvorschriften bewirken wollen.
120
Die ursprünglich - auf Art. 43 AEUV (vormals Art. 37 EG = Ex-Art. 43 EG) gestützten und
damit agrarpolitische - und nicht gesundheitspolitische - Ziele verfolgenden Richtlinien
wurden zwar durch Richtlinie 2000/16/EG des Europäischen Parlaments und des Rates
vom 10. April 2000 zur Änderung der Richtlinie 79/373/EWG und der Richtlinie
96/25/EG sowie der Richtlinie 2002/2/EG des Europäischen Parlaments und des Rates
vom 28. Januar 2002 zur Änderung der Richtlinie 79/373/EWG und zur Aufhebung der
Richtlinie 91/357/EWG rechtswirksam auf Art. 152 Abs. 4 Satz 1 b) EG gestützt,
121
vgl. hierzu bezogen auf die Richtlinie 2002/2/EG: EuGH, Urteil vom 6.
Dezember 2005 Verbundene Rechtssachen C 453/03, C 11/04, C 12/04
und C 194/04 -, ABNA Ltd. u. a., ABl. 2006 C 36, S. 6,
122
berührten aber gleichwohl nicht den Regelungsbereich der Verordnung (EG) Nr.
999/2001 und lassen diesen im Übrigen bis heute unberührt. Dies lässt sich u. a. aus
der Entscheidung 2004/217/EG der Kommission vom 1. März 2004 zur Annahme eines
Verzeichnisses von Ausgangserzeugnissen, deren Verkehr oder Verwendung in der
Tierernährung verboten ist, sowie aus der Verordnung (EG) Nr. 767/2009 des
Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Juli 2009 über das Inverkehrbringen
und die Verwendung von Futtermitteln, u. a. zur Aufhebung der Richtlinien 79/373/EWG
und 96/25/EG und der Entscheidung 2004/217/EG (mit Wirkung zum 1. September
2010, vgl. Art. 30 der Verordnung) herleiten. Die das Verzeichnis der
Futtermittelausgangserzeugnisse der Einzelfuttermittelrichtlinie und der
Mischfuttermittelrichtlinie (vgl. Art. 11 b) der Richtlinie 69/25/EG und Art. 10a Abs. 3 der
Richtlinie 79/373/EWG i. d. F. der Richtlinie 2000/16/EG) neu fassende Entscheidung
2004/217/EG gilt nach deren Art. 1 ausdrücklich "unbeschadet" der Verordnung (EG) Nr.
999/2001; genau so verhält es sich auch im Fall der Verordnung (EG) Nr. 767/2009,
nach deren Art. 2 Abs. 2 c) beansprucht auch diese Geltung (nur) "unbeschadet" der
Verordnung (EG) Nr. 999/2001. Aus Sinn und Zweck der Verordnung (EG) Nr. 767/2009
und deren vorangestellten Erwägungsgründen, aus Erwägungsgrund 4 der
Entscheidung 2004/217 EG sowie aus den jeweiligen englischen und französischen
Fassungen, in denen es jeweils "without prejudice" bzw. "sans préjudice", also "ohne
Schaden", lautet, ergibt sich, dass die durch diese Vorschriften getroffenen Regelungen
ohne Einfluss auf die in der Verordnung (EG) Nr. 999/2001 geregelten bleiben, diese
also unberührt lassen sollten.
123
Die Annahme, dass die Regelungen der Mischfuttermittelrichtlinie und der
Einzelfuttermittelrichtlinie (oder auch andere futtermittelrechtliche
Gemeinschaftsvorschriften), insbesondere deren sich aus dem Verzeichnis über
Futtermittelausgangserzeugnisse ergebenden Verkehrs- und Verwendungsverbote oder
beschränkungen, keine im Hinblick auf die Verfütterungsverbotsvorschriften
abschließende und erschöpfende Harmonisierung bewirkt haben, wird zudem durch
den Erwägungsgrund 10 der Verordnung (EG) Nr. 767/2009 bestätigt. Danach heißt es:
124
"Zum Management von Futtermittelsicherheitsrisiken sollte das Verzeichnis der
Materialien, deren Inverkehrbringen zum Zweck der Tierernährung derzeit gemäß der
Entscheidung 2004/217/EG der Kommission verboten ist, zusammen mit einem
Verzeichnis der Materialien, deren Inverkehrbringen zum Zweck der Tierernährung
eingeschränkt ist, in einen Anhang zu der vorliegenden Verordnung aufgenommen
werden. Die Tatsache, dass dieser Anhang vorhanden ist, sollte jedoch nicht
dahingehend ausgelegt werden, dass alle dort nicht aufgeführten Erzeugnisse
automatisch als sicher gelten können."
125
Mit Blick darauf, dass der Gemeinschaftsverordnungsgeber selbst davon ausgeht, dass
im Verzeichnis über Futtermittelausgangserzeugnisse nicht aufgeführte Erzeugnisse –
wie tierische Fette – nicht notwendigerweise sicher sind, kann nicht davon
ausgegangen werden, dass die von ihm getroffenen Regelungen über
Verfütterungsverbote gleichzeitig (konkludent) ein Verbot der Verfütterung tierischer
Fette an Wiederkäuer ausschließen sollten.
126
Auch aus der Entstehungsgeschichte der Verordnung (EG) Nr. 999/2001 folgt nicht,
dass der gemeinschaftsrechtliche Verordnungsgeber eine Harmonisierung in Bezug auf
die Verfütterungsverbote bezweckt und bewusst auf die Regelung eines Verbots der
Verfütterung tierischer Fette an Wiederkäuer verzichtet hat.
127
Der Umstand, dass mit der Verordnung (EG) Nr. 999/2001 die zuvor zur BSE-
Bekämpfung ergangenen Vorschriften vereinheitlich werden sollten und diese einen
"einzigen Rechtsrahmen" für TSE in der Gemeinschaft bieten sollte (vgl.
Erwägungsgrund 1 der Verordnung (EG) Nr. 1923/2006), spricht gleichwohl nicht für
eine vollständige Harmonisierung auch in Bezug auf die Verfütterungsverbote.
128
In einer von der Klägerin zu den Akten gereichten Mitteilung der Europäischen
Kommission über den Sachstand von BSE (letztere Änderung: 20.1.2005) heißt es, die
Verordnung (EG) Nr. 999/2001 bilde fortan die Rechtsgrundlage für alle Rechtsakte in
Bezug auf BSE. Gemäß den allgemeinen Grundsätzen der Lebensmittelsicherheit
würden damit Rechtsvorschriften konsolidiert, die bis dahin in eine Vielzahl von
Einzelvorschriften für verschiedene Sektoren gefasst gewesen seien. Außerdem stütze
sich die Verordnung auf die jüngsten wissenschaftlichen Erkenntnisse und
Empfehlungen der internationalen zuständigen Organisationen. Sie lege Maßnahmen
zur Verhütung, Kontrolle und Tilgung von TSE bei Rindern, Schafen und Ziegen und
insbesondere u. a. Verbote im Bereich der Tiernahrung fest.
129
Danach waren in dem hier interessierenden Zusammenhang die
Gemeinschaftsvorschriften von der Konsolidierung betroffen, die es untersagten,
bestimmte tierische Proteine in der Produktion von Futtermitteln für Wiederkäuer zu
verwenden,
130
vgl. hierzu Erwägungsgrund 1 der Entscheidung des Rates 2000/766/EG
vom 4. Dezember 2000 über Schutzmaßnahmen in Bezug auf TSE und die
Verfütterung von tierischem Protein,
131
nicht jedoch solche (insoweit nicht vorhandene) Gemeinschaftsvorschriften, die die
Verwendung von tierischen Fetten in Futtermitteln für Wiederkäuer verbaten.
132
Bei den in der Mitteilung benannten Gutachten, auf die sich die Verordnung (EG) Nr.
999/2001 stützte, sind wissenschaftliche Gutachten gemeint, die sich mit der Infektiosität
von aus verarbeitetem Säugetierprotein gewonnenen Futtermitteln befassten,
133
vgl. hierzu Erwägungsgrund 3 der Entscheidung des Rates 2000/766/EG,
134
nicht aber solche, deren Gegenstand die Bewertung der tierischen Fette unter dem
Aspekt des von ihnen ausgehenden BSE-Risikos gewesen ist; denn ein solches
wissenschaftliches Gutachten lag erst mit der Wiederkäuerfette betreffenden
Stellungnahme des Wissenschaftlichen Lenkungsausschusses (WLA) am 28./29. Juni
2001 und in aktualisierter Fassung am 6./7. September 2001 vor,
135
vgl. hierzu Antwort von Kommissionsmitglied Byrne im Namen der
Kommission vom 12. November 2001, ABl. 2002 C 115E/142, S. 138,
136
und damit erst nach Erlass der Verordnung (EG) Nr. 999/2001 vom 22. Mai 2001.
Insofern konnten die durch die Verordnung festgelegten Verbote im Bereich der
Tiernahrung zum Zeitpunkt ihres Erlasses noch nicht auf dieses Gutachten gestützt
gewesen sein.
137
Eine abschließende und erschöpfende Harmonisierung in Bezug auf die
138
Verfütterungsverbote hat auch nicht stattgefunden, als die Verfütterungsvorschriften in
Anhang IV der Verordnung (EG) Nr. 999/2001 durch die Verordnung (EG) Nr. 1234/2003
der Kommission vom 10. Juli 2003 mit Wirkung vom 1. September 2003 in Kraft traten
und der Anhang IV die im Wesentlichen noch heute geltende Fassung erhielt. Denn als
diese Verfütterungsvorschriften Eingang in die Verordnung (EG) Nr. 999/2001 fanden,
lag noch kein abschließendes Gutachten zur Risikobewertung bezüglich der Sicherheit
von Wiederkäuerfetten in Futtermitteln für Wiederkäuer vor. Dies ergibt sich aus der am
10. Juli 2003 im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlichten Antwort der
Kommission, wonach der WLA in seiner – bereits zitierten - im Juni 2001 abgegebenen
und im September 2001 aktualisierten Stellungnahme zu dem Schluss gekommen war,
dass nichts darauf hindeute, dass Talg von Wiederkäuern eine Gefährdung durch BSE
darstellte, aber der Auffassung war, das potenzielle BSE-Risiken in Verbindung mit Talg
auf Proteinverunreinigungen zurückzuführen seien und deshalb zusätzliche
Bestimmungen für die Verwendung von Wiederkäuerfett in Futter empfahl,
vgl. hierzu Antwort von Kommissionsmitglied Byrne im Namen der
Kommission vom 18. November 2002, ABl. 2003 C 151E, S. 46,
139
und dem Umstand, dass das durch die EFSA erarbeitete Gutachten über die
"Bewertung des von Talg ausgehenden BSE-Risikos für Menschen und Tiere im
Hinblick auf das BSE-Restrisiko" erst knapp zwei Jahre nach der Neuregelung, nämlich
auf der Sitzung der EFSA am 27. und 28. April 2005, veröffentlicht worden ist. Vor
diesem Hintergrund kann nicht angenommen werden, der Verordnungsgeber habe, als
er die Verfütterungsvorschriften mit der Verordnung (EG) Nr. 1234/2003 eingefügte, die
Vorschriften über die Verfütterung von tierischen Fetten an Wiederkäuer – ohne zu
diesem Zeitpunkt über hinreichende wissenschaftliche Erkenntnisse zu verfügen -
mitregeln und ein Verbot der Verfütterung von tierischen Fetten an Wiederkäuer
ausschließen wollen.
140
Nichts anderes ergibt sich daraus, dass der Verordnungsgeber mit der Änderung der
Verordnung (EG) Nr. 999/2001 durch die Verordnung (EG) Nr. 1234/2003 gleichzeitig
die in deren ursprünglicher Fassung in Anhang IV, 1. c) enthaltene Regelung, in
Mitgliedstaaten oder ihren Gebieten der Statusklasse 5 werde das Verbot nach Art. 7
Abs. 1 der Verordnung auf die Verfütterung von ausgelassenem Wiederkäuerfett an
Wiederkäuer ausgedehnt, nicht mehr aufgegriffen hat. Daraus kann nämlich nicht der
Schluss gezogen werden, der Verordnungsgeber habe das ursprünglich geregelte (für
Staaten mit der höchsten BSE-Inzidenz geltende) Verbot gezielt aus der Verordnung
genommen, weil er die Aufrechterhaltung eines solchen Verbots mangels von der
Fettverfütterung ausgehenden BSE-Risikos für nicht mehr erforderlich gehalten habe.
Denn es lagen ihm – wie ausgeführt – zu diesem Zeitpunkt keine diesbezüglichen
Gutachten vor, die ihn hätten veranlassen können, von der Regelung aus diesem
Grunde bewusst und gewollt Abstand zu nehmen. Auch die der Verordnung (EG) Nr.
1234/2003 vorangestellten Erwägungsgründe verhalten sich nicht zu einer (bewusst
und gewollten) Herausnahme dieser ursprünglichen Regelung. Dass es sich nicht um
ein gezieltes Weglassen der Regelung gehandelt hat, wird ferner durch den Umstand
bestätigt, dass die ursprüngliche gesamte Regelung in Anhang IV, 1., die das Verbot der
Verfütterung auch auf von aus Säugetieren gewonnenen Proteinen an Nutztiere
ausdehnte, bereits einen Monat nach dem Erlass der Verordnung und vor ihrem
Inkrafttreten ab dem 1. Juli 2001 durch die Verordnung (EG) Nr. 1326/2001 der
Kommission vom 29. Juni 2001 laut deren Erwägungsgrund 1 suspendiert worden war
und zwar allein deswegen, weil keine Entscheidungen über die Klassifizierung zur
141
Festlegung des BSE-Status der jeweils betroffenen Mitgliedstaaten vorlagen und nicht
etwa deshalb, weil davon ausgegangen wurde, ein BSE-Risiko gehe von der
Verfütterung tierischer Proteine an Nutztiere oder tierischer Fette an Wiederkäuer nicht
aus.
Darüber hinaus spricht gegen eine bewusste Herausnahme oder ein gezieltes
Unterlassen der Regelung dieses (für bestimmte Staaten geltenden) Verbots der
Verfütterung von Wiederkäuerfetten an Wiederkäuer durch die Verordnung (EG) Nr.
1234/2003, dass es sich bei dieser (wie im Übrigen bei 39 der insgesamt 44
Änderungsverordnungen) um eine durch die Kommission erlassene
Durchführungsverordnung i. S. d. Art. 202 Spiegelstrich 3 Satz 1 EG (Art. 202 EG ist im
Wesentlichen durch die Art. 290, 291 AEUV ersetzt worden, vgl. Fußnote 28, Anhang
Übereinstimmungstabellen nach Artikel 5 des Vertrags von Lissabon,
142
ABl. 2007 C 306, 202 ff.) handelte. Nach dieser Vorschrift überträgt der Rat der
Kommission in den von ihm vorgenommenen Rechtsakten die Befugnisse zur
Durchführung der Vorschriften, die er erlässt. Durch den Rat und das Parlament müssen
aber im Basisrechtsakt die wesentlichen Grundzüge der zu regelnden Materie festgelegt
werden.
143
Vgl. hierzu EuGH, Urteil vom 14. Oktober 1999 C - 104/97 -, Atlanta AG,
Slg. 1999, I6983,www.curia.europa.eu Rdnr. 76; s. auch Wichard in:
Callies/Ruffert, a. a. O., § 202 Rdnr. 6 m. w. N.
144
Innerhalb dieser vom Rat und Parlament festgelegten Grenzen setzt die Kommission die
Basisrechtsakte um und zwar gemäß dem sog. Komitologiebeschluss 1999/468/EG des
Rates vom 28. Juni 1999 (vgl. hierzu die Bezugnahme in Erwägungsgrund 22 der
Verordnung (EG) Nr. 999/2001). Aus Art. 2 b) des Beschlusses 1999/468/EG ergibt sich,
dass Maßnahmen von allgemeiner Tragweite, mit denen wesentliche Bestimmungen
von Basisrechtsakten angewandt werden sollen, wie Maßnahmen u. a. zum Schutz der
Gesundheit der Menschen nach dem in Art. 5 des Beschlusses 1999/468/EG
vorgesehenen Regelungsverfahren erlassen werden (vgl. hierzu die Bezugnahme in
Erwägungsgrund 24 der Verordnung (EG) Nr. 999/2001).
145
Danach hatte die Kommission entsprechend der ihr übertragenen Befugnisse
Durchführungsvorschriften im Rahmen des Anwendungsbereichs der Verordnung zu
erlassen (so wie sie dies im Hinblick auf das in der ursprünglichen Fassung geregelte
Verfütterungsverbot von Proteinen an Wiederkäuer und andere Nutztiere in Art. 7 nebst
Anhang IV durch die Verordnung (EG) Nr. 1234/2003 und die damit aufgenommenen
detaillierten Vorschriften hierzu getan hat). Die ihr übertragenen Befugnisse
ermächtigten sie aber nicht dazu, den Anwendungsbereich zu ändern und etwa über die
(gezielte) Herausnahme oder das (bewusste) Unterlassen des dort ursprünglich durch
den Rat und das Parlament aufgenommenen Verbots der Verfütterung tierischer Fette
an Wiederkäuer zu entscheiden. Denn diese Entscheidung dürfte der Zuständigkeit des
Rates vorbehalten sein, da dieses Verfütterungsverbot – wie das Verbot der
Verfütterung von tierischen Proteinen - als auch wesentlicher Bestandteil für die durch
die Verordnung (EG) Nr. 999/2001 zu regelnde Materie zu qualifizieren sein dürfte.
146
Dafür dass eine Harmonisierung im Hinblick auf die Behandlung tierischer Fette als
Futtermittel für Wiederkäuer auf EU-Ebene nicht, auch nicht etwa infolge von auf das
Gutachten der EFSA gestützte Änderungen der Verordnung (EG) Nr. 999/2001,
147
eingetreten ist, sprechen insbesondere auch die Stellungnahmen der Europäischen
Kommission vom 25. November 2005 – SANCO KDS/eg D (2005) 421046 - und vom
15. Mai 2006 – SANCO/E2/KVD/eg D (2006) 520355 -.
In der Stellungnahme vom 25. November 2005 wies die Europäische Kommission auf
das Gutachten der EFSA hin, in dem die EFSA zu dem Schluss gekommen war, die von
der Verfütterung von Talg ausgehenden Gefahren seien minimal. Ferner teilte die
Europäische Kommission mit, das in Deutschland (damals noch) geltende generelle
Verbot der Verwendung tierischer Fette zur Verfütterung an Nutztiere stimme nicht mit
dem Gemeinschaftsrecht überein. Nach der Verordnung (EG) Nr. 1774/2002 sei die
Verwendung aller tierischen Fette erlaubt, die von für den menschlichen Verzehr
geeigneten Tieren stammten und so gereinigt würden, dass der Rest an unlöslichen
Unreinheiten 0,15 % nicht überschreite. Die deutsche Regierung werde in Anbetracht
der Ergebnisse des EFSA-Gutachtens gebeten, das in Deutschland verhängte Verbot
der Verfütterung tierischer Fette an Nutztiere aufzuheben und die einschlägigen
Vorschriften dem Gemeinschaftsrecht anzugleichen.
148
Der Hinweis der Europäischen Kommission auf die Regelungen in der Verordnung (EG)
Nr. 1774/2002 über die Fettverwendung in Futtermitteln bekräftigt die Annahme, die
Gemeinschaft habe nicht abschließend durch die in der Verordnung (EG) Nr. 999/2001
geregelten Verfütterungsvorschriften auch die Verfütterung von tierischen Fetten (an
Wiederkäuer) mitgeregelt. Denn hätte die Gemeinschaft Entsprechendes in der
Verordnung Nr. 999/2001 geregelt, hätte die Kommission wohl auf diesen Umstand
hingewiesen und den Verstoß gegen Gemeinschaftsrecht durch das nationale generelle
Fettverfütterungsverbot damit begründet, jedenfalls aber nicht mit einer fehlenden
Übereinstimmung mit den Regelungen in der Verordnung (EG) Nr. 1774/2002, die wie
ausgeführt – einen anderen Regelungsbereich betrifft und insbesondere nach ihrem Art.
1 Abs. 3 die in der Verordnung (EG) Nr. 999/2001 geregelten BSE-Schutzmaßnahmen –
wie die Verfütterungsvorschriften in Art. 7 nebst Anhang IV – unberührt lässt.
149
Dass die Gemeinschaft die Verfütterungsvorschriften nicht abschließend auch in Bezug
auf die Verfütterung von tierischen Fetten an Wiederkäuer geregelt hat, wird durch den
Inhalt der weiteren Stellungnahme der Europäischen Kommission vom 15. Mai 2006
zudem (nochmals) bestätigt.
150
Mit dieser Stellungnahme reagierte die Europäische Kommission auf das Schreiben des
Staatssekretärs Lindemann vom 22. Februar 2006, der die nationale Entscheidung, das
Verbot der Verwendung tierischer Fette in der Futtermittelproduktion aufrechtzuerhalten,
mit der Bewertung des BfR und des FLI in der – bereits zitierten – Stellungnahme vom 6.
Februar 2006 begründet hatte. Die Europäische Kommission wies abermals auf das
Gutachten der EFSA hin sowie darauf, dass es in der BioHaz-Panel-Sitzung vom 15.
März 2006 zu einer Erörterung der Stellungnahme des BfR sowie erneut des Themas
gekommen sei und sich das BioHaz-Panel auf einen Entwurf einer detaillierten Antwort
auf die Stellungnahme des BfR geeinigt habe. Ferner teilte die Europäische
Kommission mit, dass das Verfahren nach Art. 30 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 zur
Anwendung kommen solle und sie die EFSA auf Art. 30 Abs. 4 dieser Verordnung
hingewiesen habe. Abschließend erklärte die Kommission, erst nach Abschluss dieses
Verfahrens werde die Kommission entscheiden, ob in dieser Angelegenheit weitere
Schritte einzuleiten seien.
151
Ausgehend hiervon spricht alles dafür, dass die in der Verordnung (EG) Nr. 999/2001
152
geregelten Verfütterungsvorschriften sich nicht auf die Verwendung von tierischen
Fetten in Futtermitteln (für Wiederkäuer) beziehen. Denn sonst hätte die Europäische
Kommission nicht nur auf die Erforderlichkeit der Durchführung eines Verfahrens nach
Art. 30 Abs. 4 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 wegen divergierender
wissenschaftlicher Gutachten hingewiesen, sondern insbesondere auf die bereits durch
die Gemeinschaft durch die Verordnung (EG) Nr. 999/2001 getroffene abschließende
Entscheidung über die Verwendung von tierischen Fetten in Futtermitteln (für
Wiederkäuer) und die deswegen bestehende Notwendigkeit der Einhaltung der
abschließend geregelten gemeinschaftsrechtlichen BSE-Schutzmaßnahmen durch die
Bundesrepublik Deutschland. Vor allem wäre die Kommission aber – angesichts eines
dann aus den nationalen Verbotsvorschriften der Fettverfütterung resultierenden
Verstoßes gegen die gemeinschaftsrechtlichen Verfütterungsvorschriften – entweder
unmittelbar eingeschritten oder hätte ihr Einschreiten angedroht, jedenfalls aber nicht
erklärt, sie werde erst nach Abschluss des Verfahrens nach Art. 30 Abs. 4 der
Verordnung (EG) Nr. 178/2002 entscheiden, ob weitere Schritte einzuleiten seien.
Nichts anders gilt unter Berücksichtigung der vom Verwaltungsgericht als Bestätigung
für sein Auslegungsergebnis herangezogenen Entscheidung der Kommission
2007/453/EG vom 29. Juni 2007 zur Festlegung des BSE-Status von Mitgliedstaaten,
Drittländern oder Gebieten davon nach ihrem BSE-Risiko. Soweit dort im
Erwägungsgrund 5 von "harmonisierten strengen BSE-Schutzmaßnahmen, die in der
Gemeinschaft angewendet werden" die Rede ist, ist daraus nur der Schluss zu ziehen,
dass die Schutzmaßnahmen, soweit sie geregelt und angewandt werden, abschließend
sind, nicht aber, dass eine Harmonisierung auch in Bezug auf nicht geregelte
Schutzmaßnahmen – wie das Verbot der Verfütterung tierischer Fette an Wiederkäuer -
eingetreten ist.
153
Auch aus der vom Verwaltungsgericht angeführten Entscheidung des EUGH,
154
s. Urteil vom 22. Oktober 2002 – C - 241/01 -, NationaI Farmers‘ Union, Slg.
2002, I-09079, www.curia.europa.eu und juris Rdnr. 52,
155
kann nicht auf eine Harmonisierung der Verfütterungsvorschriften in Bezug auf die
Verfütterung von tierischen Fetten an Wiederkäuer geschlossen werden. Der
Entscheidung lag die Frage zugrunde, ob Frankreich berechtigt war, sein Embargo für
Rindfleisch aus Nordirland aufrechtzuerhalten, nachdem das zuvor auf EG-Ebene
verhängte Embargo durch die - von Frankreich nicht angefochtenen und darum für
Frankreich bestandskräftigen - Entscheidungen 98/692 zur Änderung der Entscheidung
98/256 und 1999/514 aufgehoben und der Verkehr innerhalb der EU unter bestimmten
Sicherheitsvorkehrungen wieder zugelassen worden war. Der Gerichtshof entschied
darin u. a., dass sich ein Mitgliedstaat nicht auf Art. 30 EG berufen könne, um sich der
Wiederaufnahme der gemäß der geänderten Entscheidung 98/256 und der
Entscheidung 1999/514 zur Festsetzung des Datums, an dem die Versendung von
Rindfleischerzeugnissen im Rahmen der datumsgestützten Ausfuhrregelung (Data-
Based Export Scheme = DBES) gemäß Art. 6 Abs. 5 der Entscheidung 98/256
aufgenommen werden darf, durchgeführten Einfuhr von Rindfleisch aus dem
Vereinigten Königreich zu widersetzen. Die französische Regierung hatte vorgetragen,
dass sie zum Zeitpunkt der dem Ausgangsverfahren zugrunde liegenden
stillschweigenden Entscheidungen über die Aufrechterhaltung des Embargos zur
Anwendung von Artikel 30 EG befugt gewesen sei, da noch keine vollständige
Harmonisierung bestanden habe. Denn diese sei erst später, nämlich mit dem Erlass
156
der Verordnung (EG) Nr. 999/2001 verwirklicht worden. In diesem Zusammenhang hat
der EuGH ausgeführt:
"Auch wenn die Verordnung Nr. 999/2001 wohl eine vollständige Harmonisierung der
Vorschriften zur Verhütung, Kontrolle und Tilgung bestimmter transmissibler
spongiformer Enzephalopathien bewirkt hat, so haben doch die Entscheidungen 98/256
und 98/692 mit der Aufstellung der DBES-Regelung, wie der Generalanwalt in den
Nummern 91 bis 94 seiner Schlussanträge festgestellt hat, die zum Schutz der
öffentlichen Gesundheit bei der Wiederaufnahme der Rindfleischausfuhr aus dem
Vereinigten Königreich in andere Mitgliedstaaten erforderlichen Vorschriften erlassen."
157
Danach wird deutlich, dass es auf die Auslegung der Verordnung (EG) Nr. 999/2001
nicht entscheidungserheblich ankam, der EuGH diese Rechtsansicht vielmehr lediglich
als "obiter dictum" beigefügt und keinen in jeder Beziehung verbindlichen Rechtssatz
hat aufstellen wollen. Durch die Verwendung des Wortes "wohl" hat der EuGH kenntlich
gemacht, dass er diese Rechtsansicht zudem lediglich unter dem Vorbehalt einer
weitergehenden Prüfung im Einzelfall abgegeben hat. Soweit die Klägerin in diesem
Zusammenhang meint, der Ausdruck "sans doute" in der französischen Originalfassung
sei mit dem schwächeren Wort "wohl" übersetzt worden, hätte aber tatsächlich wie in
der Übersetzung ins Englische ("no doubt") und ins Niederländische ("ongetwijfeld") mit
"zweifellos" übersetzt werden müssen, ist dem entgegenzuhalten, dass im
Französischen mit "sans aucun doute" zweifellos gemeint ist, nicht aber
notwendigerweise bereits mit "sans doute", was nämlich eher "wahrscheinlich" oder
eben "wohl" bedeutet. Entsprechend verhält es sich auch im Englischen; "no doubt"
bedeutet in einem solchen Zusammenhang wie hier zumeist "wohl". Insofern ist allein
die niederländische Übersetzung, nicht aber die deutsche ungenau.
158
Abgesehen davon ergibt die – vorstehend im Einzelnen dargestellte - Auslegung, dass
die durch Verordnung (EG) Nr. 999/2001 bewirkte "wohl" vollständige Harmonisierung
der Vorschriften zur Verhütung, Kontrolle und Tilgung von TSE das durch § 18 Abs. 1
Satz 1 LFGB geregelte Verbot der Verfütterung von Fett nicht erfasst hat. Davon, dass
durch andere Vorschriften geregelte andere oder weitere Sachverhalte nicht
notwendigerweise durch die Verordnung (EG) Nr. 999/2001 erfasst werden, ist der
EuGH im Übrigen in der zitierten Entscheidung auch ausgegangen; sonst hätte er wohl
nicht zu der Feststellung gelangen können, dass den Entscheidungen 98/256 und
98/692 trotz der durch die Verordnung (EG) Nr. 999/2001 bewirkten vollständigen
Harmonisierung weiterhin eine eigenständige Geltung zukommt.
159
Nichts anderes ergibt sich unter Berücksichtigung der von der Klägerin herangezogenen
Entscheidungen des EuGH.
160
Vgl. Urteile vom 3. Oktober 1985 – 28/84 -, Kommission/Deutschland, Slg.
1985, 3115 und vom 3. Oktober 1985 – 195/84 -, Denkavit Futtermittel
GmbH gegen Land Nordrhein-Westfalen, Slg. 1985, 3188.
161
Diese befassten sie sich mit der Auslegung der bereits zitierten – "unbeschadet" der
Regelungen der Verordnung (EG) Nr. 999/2001 geänderten - Mischfuttermittelrichtlinie
79/373/EWG und der Richtlinie 70/524/EWG des Rates vom 23. November 1970
(Zusatzstoffrichtlinie), die seit ihrer Aufhebung durch die Verordnung (EG) Nr. 1831/2003
nur noch mit ihrem Art. 16 fortgilt, sowie der Richtlinie 74/63/EWG des Rates vom 17.
Dezember 1973 (Schadstoffrichtlinie), die auf Art. 43 AEUV (vormals Art. 37 EG = Ex-
162
Art. 43 EG) gestützt, also agrarpolitischen Zielen zu dienen bestimmt war, und durch
Richtlinie 1999/29 EG aufgehoben worden ist. Vor diesem Hintergrund konnten sich die
Entscheidungen des Gerichtshofs mithin zur Frage der Harmonisierung der zudem erst
später erlassenen Verordnung (EG) Nr. 999/2001 durch diese drei – entweder den
Regelungsbereich dieser Verordnung unberührt lassenden oder inzwischen im
Wesentlichen bzw. zuvor vollständig aufgehobenen - Richtlinien (noch) nicht verhalten.
Aus den Entscheidungen des Gerichthofs lässt sich aber auch sonst kein
verallgemeinerungsfähiger Rechtssatz entnehmen, der die Auffassung der Klägerin
einer vollständigen Harmonisierung der Verordnung (EG) Nr. 999/2001 im Hinblick auf
die Verfütterungsvorschriften stützte. Dort hatte der EuGH ausgeführt,
163
vgl. Urteil vom 3. Oktober 1985 – 28/84 -, Kommission/Deutschland, a. a. O.,
Rdnr. 24,
164
soweit sich die Beklagte auf Art. 36 AEUV (vormals Art. 30 EG = Ex-Art. 36 EG) berufe,
wonach die Mitgliedstaaten Einfuhrbeschränkungen aufrechterhalten dürften, die aus
Gründen der Gesundheit und des Lebens von Menschen und Tieren gerechtfertigt
seien, hätten die Zusatzstoff- und Schadstoffrichtlinie, wie sich aus ihrem System
ergebe, die Fragen der Gesundheit im Zusammenhang mit der Verwendung von Stoffen,
die von ihnen erfasst würden, erschöpfend geregelt. Hier stellt sich das System der
Regelungen zur BSE-Bekämpfung aber – wie die vorstehende Auslegung ergibt – nicht
als erschöpfend in Bezug auf die Fragen der Gesundheit im Zusammenhang mit der
Verfütterung dar. Denn das gemeinschaftsrechtliche System enthält keine Regelung
über eine BSE-Infektion auslösende Gefahren durch die Verfütterung tierischer Fette an
Wiederkäuer.
165
Anders verhält es sich hingegen mit dem vom Beklagten zitierten, ebenfalls die Klägerin
betreffenden Urteil des EuGH.
166
Vgl. Urteil vom 8. November 1979 – 251/78 -, Denkavit Futtermittel GmbH
gegen Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten des Landes
Nordrhein-Westfalen, Slg. 1979, 3369, s. insbesondere Rdnr. 15.
167
Dort heißt es nämlich, die Untersuchung der von der Klägerin angeführten Richtlinien
(Zusatzstoff- und Schadstoffrichtlinie sowie die Richtlinie 70/373 des Rates vom 20. Juli
1970 über die Einführung von gemeinschaftlichen Probenahme-verfahren und
Analysemethoden für die amtliche Untersuchung von Futtermitteln) zeige, dass diese
die Harmonisierung der gesundheitspolizeilichen Vorbeugung gegen Salmonellen und
die gesundheitsbehördliche Überwachung von deren Auftreten in Futtermitteln tierischer
Herkunft, insbesondere in Mischfuttermitteln, die Milcherzeugnisse und tierische Fette
enthielten, nicht zum Gegenstand hätten oder jedenfalls zum Zeitpunkt der dem
Ausgangsverfahren zugrunde liegenden Vorgänge nicht gehabt hätten; deshalb könne
sich der Beklagte auf die durch Art. 36 AEUV (vormals Art. 30 EG = Ex-Art. 36 EG)
zugelassene Ausnahme berufen. Aus dieser Entscheidung lässt sich entnehmen, dass
die Mitgliedstaaten gerade nicht gehindert sind, eine einzelstaatliche Regelung zum
Schutz der Gesundheit zu treffen, soweit die gemeinschaftsrechtliche Harmonisierung
den von der einzelstaatlichen Regelung betroffenen Gegenstand nicht beinhaltet.
168
Das Verbot der Verfütterung in § 18 Abs. 1 Satz 1 LFGB verstößt auch nicht gegen
primäres Unionsrecht. Der durch das Verfütterungsverbot gegebene Eingriff in den
169
Schutzbereich des Art. 34 AEUV (vormals Art. 28 EG) ist aus Gründen des
Gesundheitsschutzes nach Art. 36 AEUV (vormals Art. 30 EG) gerechtfertigt.
Durch das Verfütterungsverbot liegt ein Eingriff in den Schutzbereich des Art. 34 AEUV
(vormals Art. 28 EG) vor. Danach sind mengenmäßige Einfuhrbeschränkungen sowie
alle Maßnahmen gleicher Wirkung zwischen den Mitgliedstaaten verboten. Als
Maßnahme gleicher Wirkung wie eine mengenmäßige Beschränkung ist nach der
Rechtsprechung des EuGH
170
- vgl. hierzu Urteil vom 11. Juli 1974 – 8/74 -Dassonville, Slg. 1974, 837 (die
durch das Urteil vom 24. November 1993 – C - 267/91 -, Keck, Slg. 1993, I
6097, eine hier nicht interessierende Einschränkung erfahren hat) -
171
jede Handelsregelung der Mitgliedstaaten anzusehen, die geeignet ist, den
innergemeinschaftlichen Handel unmittelbar oder mittelbar, tatsächlich oder potenziell
zu behindern. Gemessen hieran stellt das Verfütterungsverbot eine mengenmäßige
Einfuhrbeschränkung dar. Die Einfuhr von Tierfett enthaltenden Mischfuttermitteln ist
zwar erlaubt; durch das in § 18 Abs. 1 Abs. 1 LFGB normierte Verfütterungsverbot
können aber in anderen Mitgliedstaaten rechtmäßig hergestellte und in den Verkehr
gebrachte Futtermittel in der Bundesrepublik Deutschland nicht an Wiederkäuer
verfüttert werden, was eine mittelbare tatsächliche Behinderung des Handels zwischen
den Mitgliedstaaten darstellt und daher als Maßnahme gleicher Wirkung im vom EuGH
definierten Sinne zu qualifizieren ist.
172
Die Regelung über das Verfütterungsverbot findet ihre Rechtfertigung auf der Grundlage
des Art. 36 AEUV (vormals Art. 30 EG). Danach stehen die Bestimmungen des Art. 34
AEUV u. a. Einfuhrbeschränkungen nicht entgegen, die zum Schutze der Gesundheit
und des Lebens von Menschen und Tieren gerechtfertigt sind. Diese Verbote oder
Beschränkungen dürfen jedoch nach Satz 2 dieses Artikels weder ein Mittel zur
willkürlichen Diskriminierung noch eine verschleierte Beschränkung des Handels
zwischen den Mitgliedstaaten darstellen.
173
Gemessen hieran ist das dem Gesundheitsschutz der Bevölkerung und der Tiere vor
einer BSE-Infektion dienende Verfütterungsverbot gerechtfertigt.
174
Der Gesundheitsschutz gehört zu den nach Art. 36 AEUV geschützten Belangen. Nach
ständiger Rechtsprechung des EuGH ist es Sache der Mitgliedstaaten, in den vom
Gemeinschaftsrecht gezogenen Grenzen zu bestimmen, in welchem Umfang sie den
Schutz dieser Belange gewährleisten wollen; eine einzelstaatliche Regelung, die sich
einfuhrhemmend auswirkt, ist aber nur insoweit mit dem Vertrag vereinbar, als sie für
einen wirksamen Schutz dieser Belange notwendig ist.
175
Vgl. hierzu EuGH, Urteile vom 2. Februar 1989 274/87 -,
Kommission/Deutschland (Einfuhr von Fleischerzeugnissen), Slg. 1989,
250 Rdnr. 6 und vom 12. März 1987 – 178/84 , Kommission/Deutschland
(Reinheitsgebot für Bier), Slg. 1987, 1262 Rdnr. 41, in denen der EuGH –
wie auch in anderen jüngeren Entscheidungen zum Gesundheitsschutz -
nicht (mehr) die in dem (von der Klägerin als "Cassis de Dijon"-
Rechtsprechung zitierten) Urteil vom 20. Februar 1979 120/78 , Rewe-
Zentral-AG gegen Bundesmonopolverwaltung für Branntwein, Slg. 179, 649
Rdnr. 8 als möglichen Rechtfertigungsgrund für einen Eingriff in Art. 34
176
AEUV in Betracht kommenden "zwingenden Erfordernisse" des
Allgemeinwohls herangezogen, sondern eine etwaige Rechtfertigung nur
aus den sich insoweit unmittelbar aus Art. 36 AEUV ergebenden
Rechtfertigungsgründen geprüft hat.
Eine solche einzelstaatliche Regelung muss sich folglich am Grundsatz der
Verhältnismäßigkeit messen lassen, der Art. 36 AEUV zugrunde liegt und zu den
allgemeinen Grundsätzen des Unionsrechts gehört. Danach sind solche
einzelstaatlichen Regelungen nur rechtmäßig, wenn sie zur Erreichung der
legitimerweise verfolgten Ziele geeignet und erforderlich sind. Dabei ist, wenn mehrere
geeignete Maßnahmen zur Auswahl stehen, die am wenigsten belastende zu wählen;
ferner müssen die damit verbundenen Nachteile in angemessenem Verhältnis zu den
angestrebten Zielen stehen.
177
Vgl. EuGH; Urteile vom 25. Februar 2010 C 562/08 -, Müller Fleisch, Slg.
2010, www.curia.europa.eu und juris Rdnr. 43, vom 3. Juli 2003 – C 220/01
-, Lennox, Slg. 2003, I7091, www.curia.europa.eu und juris Rdnr. 76.
178
Das Verbot der Verfütterung von Mischfuttermitteln, die Fette aus Gewebe warmblütiger
Landtiere enthalten, an der Fleischgewinnung dienende Wiederkäuer, stellt eine
Maßnahme dar, die geeignet ist, BSEFälle bei Wiederkäuern zu verhindern und
dadurch das angestrebte Ziel zu erreichen, nämlich das Übertragungsrisiko von BSE
durch den Verzehr von Wiederkäuerfleisch weiter einzuschränken.
179
Die Geeignetheit fehlt der Regelung auch nicht deshalb – wie die Klägerin dies meint –,
weil in anderen Mitgliedstaaten die Fettverwendung in der Wiederkäuerfütterung erlaubt
ist und ein Großteil des in der Bundesrepublik Deutschland verzehrten
Wiederkäuerfleisches aus anderen Mitgliedstaaten stammt. Der sich daraus ergebende
(vermeintliche) Widerspruch der nationalen Regelung mit den tatsächlichen
gemeinschaftlichen Gegebenheiten ist Ausfluss von nationalen Regelungskompetenzen
im Bereich des Gesundheitsschutzes und der den einzelnen Mitgliedstaaten
zugestandenen Befugnis zu bestimmen, auf welchem Niveau der einzelne Mitgliedstaat
den Schutz der Gesundheit seiner Bevölkerung gewährleisten will und wie dieses
Niveau, das sich von einem Mitgliedstaat zum anderen unterscheiden kann, erreicht
werden soll,
180
vgl. hierzu, EuGH, Urteile vom 19. Mai 2009 C 171/07 und C 172/07 -,
Apothekerkammer des Saarlandes u. a., a. a. O., vom 2. Dezember 2004 –
C - 41/02 -, Kommission/Niederlande, Slg. 2004, I-11375,
www.curia.europa.eu Rdnr. 46 u. 51 und vom 11. Dezember 2003
C 322/01 - (Deutscher Apothekerverband), a. a. O.,
181
und kann aus diesem Grunde nicht zur Ungeeignetheit einer zum Zwecke des
Gesundheitsschutzes abweichend von den übrigen Mitgliedstaaten getroffenen
nationalen Regelungen führen.
182
Das Verfütterungsverbot ist auch zum wirksamen Schutz der von dieser Bestimmung
erfassten Interessen erforderlich.
183
Vor dem Hintergrund, dass Art. 36 AEUV eine - eng auszulegende - Ausnahme vom
Grundsatz des freien Warenverkehrs innerhalb der Gemeinschaft darstellt, ist eine
184
einzelstaatliche Regelung zum Gesundheitsschutz nur erforderlich, wenn die
Vermarktung der in Frage stehenden Erzeugnisse eine tatsächliche Gefahr für die
öffentliche Gesundheit darstellte. Eine durch ein einzelstaatliches Verbot bewirkte
Handelsbeschränkung muss daher auf eine eingehende Prüfung des Risikos gestützt
werden, das der Mitgliedstaat geltend macht, der sich auf Art. 36 AEUV beruft und kann
nur dann erlassen werden, wenn die geltend gemachte Gefahr für die öffentliche
Gesundheit auf der Grundlage der letzten wissenschaftlichen Informationen, die bei
Erlass eines solchen Verbots zur Verfügung stehen, als hinreichend nachgewiesen
anzusehen ist. Gegenstand der Risikobewertung, die der Mitgliedstaat vorzunehmen
hat, ist die Beurteilung des Wahrscheinlichkeitsgrads der negativen Auswirkungen auf
die Gesundheit von Mensch und Tier sowie der Schwere dieser potenziellen
Auswirkungen. Bestehen wissenschaftliche Unsicherheiten hinsichtlich des Vorliegens
und des Umfangs tatsächlicher Gefahren für die öffentliche Gesundheit ist einem
Mitgliedstaat zuzugestehen, dass er nach dem Vorsorgeprinzip Schutzmaßnahmen trifft,
ohne abwarten zu müssen, dass das Vorliegen und die Größe dieser Gefahren klar
dargelegt sind. Allerdings darf die Risikobewertung nicht auf rein hypothetische
Erwägungen gestützt werden.
Vgl. i. d. S. EuGH, Urteil vom 23. September 2003 – C - 192/01 ,
Kommission/Dänemark (Verbot des Inverkehrbringens von mit Vitaminen
und Mineralstoffen angereicherten Lebensmitteln), Slg. 2003, I-9693,
www.curia.europa.eu und juris Rdnr. 46 ff. m. w. N. wie u. a. Urteile vom 22.
Oktober 2002 – C - 241/01 –, National Farmers‘ Union, a. a. O. und 12. März
1987 178/84, Kommission/Deutschland (Reinheitsgebot für Bier), a. a. O.
185
Ausgehend hiervon ist die Erforderlichkeit des Verfütterungsverbot nachvollziehbar
belegt. Die Bundesrepublik Deutschland stützt sich bei ihrer Risikobewertung auf die
bereits zitierten wissenschaftlichen Gutachten des BfR und des FLI. In der
gemeinsamen Stellungnahme des BfR und des FLI vom 17. März 2008 heißt es hierzu:
186
" ...
187
1. Gegenstand der Bewertung:
188
... Die Verwertung von Futterfetten innerhalb derselben Tierart (Intra-Spezies-Recycling)
ist grundsätzlich abzulehnen. Mit Blick auf die Wiederkäuer bedürfen insbesondere
Kälber und Lämmer eines besonderen Schutzes.
189
Auch ein Expertengespräch zum "Verbot der Verfütterung tierischer Fette an Nutztiere",
welches am 27. März 2007 im Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und
Verbraucherschutz (BMELV) stattfand, führte u. a. zum Ergebnis, dass die Verfütterung
tierischer Fette an Nutztiere nur unter der Prämisse wieder zugelassen werden kann,
dass Mischfuttermittel für Wiederkäuer keine Fette aus Geweben von Wiederkäuern
enthalten und Kreuzkontaminationen bei der Mischfuttermittelherstellung
ausgeschlossen werden können. Dies setzt bisher nicht verfügbare analytische
Möglichkeiten voraus. Insbesondere die eindeutige Identifizierung der
Einzelkomponenten in gemischten Fetten aus Geweben verschiedener Spezies ist
bisher nicht zuverlässig möglich. ...
190
2. Ergebnis:
191
Aus Sicht des BfR und des FLI kann derzeit das Vorhandensein infektiöser
proteinhaltiger Materialien in be- und verarbeiteten Fetten aus Geweben von
Wiederkäuern nicht ausgeschlossen werden. Eine Verwertung von Futterfetten im
Rahmen eines Intra-Spezies-Recyclings muss demnach weiterhin abgelehnt werden,
um das Risiko einer Re-Zirkulation des BSE-Erregers in den Tierbeständen so weit wie
möglich auszuschließen. Auch aus der Sicht des gesundheitlichen
Verbraucherschutzes ist eine konsequente Verhinderung des Intra-Spezies-Recyclings
von Futterfetten zu fordern. Dabei gelten für tierische Fette die gleichen Vorbehalte wie
für tierische Proteine. Eine unterschiedliche Risikobewertung dieser Produkte ist
wissenschaftlich nicht begründbar.
192
3. Begründung
193
3.1. Risikobewertung
194
3.1.1 Hintergrund
195
Durch epidemiologische Studien wurde zweifelsfrei ein Zusammenhang zwischen der
Verfütterung von BSE-Erreger-haltigem Material in Futtermitteln an Wiederkäuer und der
Übertragung dieser Krankheit belegt. ...
196
Ergebnisse mehrerer epidemiologischer Studien in Deutschland, die in ihrer Gesamtheit
bestätigt haben, dass tierische Fette enthaltende Milchaustauscher zum BSE-
Infektionsgeschehen beitragen können, rechtfertigen diesen deutschen Sonderweg.
Zudem können Wiederkäuerfette bei den derzeit üblichen Schlachttechniken nicht
nervengewebsfrei gewonnen werden und Teile des autonomen Nervensystems können
bei BSE-infizierten Rindern den Erreger enthalten, ohne dass dies durch den BSE-
Schnelltest erkannt wird, da der Erreger das zu testende zentrale Nervengewebe noch
nicht erreicht hat.
197
Alle Forderungen nach einem grundsätzlichen Verbot der Intra-Spezies-Verfütterung
finden ihre Basis in der sog. Intra-Species Recycling-Opinion des Scientific Steering
Committee (SSC) vom 17. September 1999. In der dort vorgenommenen
Risikobewertung wird die Forderung nach einem Verbot der Intra-Spezies-Verfütterung
nicht auf das Verbot der Verfütterung verarbeiteter Proteine beschränkt, sondern umfasst
alle Materialien tierischen Ursprungs. Eine Opinion des SSC aufbauende
Argumentation bzw. dessen konsequente Weiterführung findet sich in der EFSA-
Opinion des BioHazard-Panels vom 17. Oktober 2007 in der jedoch, entsprechend dem
wissenschaftlichen Auftrag, nur auf die verarbeiteten Proteine Bezug genommen wird.
198
Die bisherigen, gemeinsam von BfR und FLI erarbeiteten Risikobewertungen und
Stellungnahmen zur Thematik haben eine inhaltliche Verbindung zwischen diesen
beiden Opinions des SSC (1999) und EFSA (2007) hergestellt, da die Möglichkeit des
Auftretens potenziell infektiöser (proteinhaltiger) Agenzien im Fettgewebe von
Wiederkäuern derzeit nicht ausgeschlossen werden kann. Die Forderungen nach einem
Verfütterungsverbot von Fetten aus Geweben von Wiederkäuern an Wiederkäuer ist
demnach in der Tatsache begründet, dass mögliche infektiöse Beimengungen in den
be- bzw. verarbeiteten Fetten, die aus Körpern oder Teilen von Körpern von
Wiederkäuern stammen, enthalten sein können. ..."
199
Mit Blick darauf wird deutlich, dass das Verfütterungsverbot auf eine eingehende
200
Prüfung und wissenschaftliche Risikobewertung gestützt ist, die auf den bisher zur
Verfügung stehenden Daten und den Ergebnissen der europäischen sowie der
deutschen Forschung beruht. Diese wissenschaftliche Risikobewertung lässt den
Schluss zu, dass die Wahrscheinlichkeit eines tatsächlichen Schadens für die Tier- und
damit die menschliche Gesundheit durch die Verfütterung von tierischen Fetten an
Wiederkäuer besteht, solange nicht ausgeschlossen werden kann, dass es durch die
Fettverwendung bei der Herstellung und Verarbeitung von Mischfuttermitteln zu deren
Kontamination mit TSE-Erregern kommt und eine Analyse der Einzelbestandteile dieser
Futtermittel nicht möglich ist.
Dem steht das bereits zitierte Gutachten der EFSA aus dem Jahr 2005, in dem diese zu
dem Schluss gekommen war, die von der Verfütterung von Talg ausgehenden Gefahren
seien gering, nicht entgegen. Die EFSA beurteilt ihr Gutachten selbst als ein
dynamisches Gutachten, das angepasst werde, wenn und soweit neue verlässliche
Informationen verfügbar seien,
201
vgl. hierzu Niederschrift über das Treffen am 27. Februar 2007 von
Vertretern der EFSA und des BfR sowie des FLI im Rahmen des Verfahrens
nach Art. 30 Abs. 4 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002,
202
und hat zudem erklärt, sie erkenne die wissenschaftlichen Positionen des BfR und des
FLI an und werde auf der Grundlage neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse und neuer
Informationen eine Überarbeitung des Gutachtens veranlassen.
203
Vgl. hierzu Stellungnahme des BfR vom 16. August 2007.
204
Eine weniger einschneidende Regelung – etwa eine Einschränkung des Verbots
dahingehend, dass eine Verfütterung von Mischfuttermitteln an Wiederkäuer verboten
ist, sofern diese (offensichtlich) Wiederkäuerfette enthalten und die Verfütterung von
Mischfuttermitteln mit anderen Tierfetten im Übrigen zugelassen wird - ist vor dem
Hintergrund der wissenschaftlichen Gutachten des BfR und des FLI nicht in gleichem
Maße zur Erreichung des angestrebten Ziels geeignet. Denn diese gehen – wie oben
wiedergegeben – davon aus, dass es keine verfügbaren analytischen Möglichkeiten
gebe, die Einzelkomponenten in Mischfuttermitteln zuverlässig zu bestimmen, dies aber
erforderlich wäre, um ein Risiko der Kontaminierung des Futters mit TSE-Erregern
auszuschließen, weil eine Rückverfolgbarkeit der einzelnen in der Mischung
eingesetzten Fettkomponenten in der Praxis bisher nicht möglich sei. Zudem wird in den
Gutachten auf das nicht auszuschließende Risiko von Kreuzkontaminationen
hingewiesen, zu denen es jederzeit auf dem Transport der Rohmaterialien,
Zwischenerzeugnisse und Futtermittel kommen könne und darauf, dass sich ein
erhöhtes Kreuzkontaminationsrisiko für Wiederkäuerfuttermittel insbesondere auch in
landwirtschaftlichen Betrieben ergebe, die neben Wiederkäuern auch Schweine und
Geflügel hielten.
205
Vgl. hierzu Gemeinsame Stellungnahme des BfR und FLI vom 6. Februar
2006.
206
Ein milderes, gleich geeignetes Mittel als das Verbot der Verfütterung tierischer Fette
wäre auch nicht – so wie die Klägerin dies meint – die Einführung eines wie in Anhang
IV, II. D. der Verordnung (EG) Nr. 999/2001 zur Vermeidung von Verunreinigungen und
Kreuzkontaminationen mit TSE-Erregern bei der Herstellung, Verarbeitung und
207
Verwendung von Futtermitteln vorgesehenen Kontrollsystems. Diese Regelungen
gelten für aus Nichtwiederkäuern gewonnene Blutprodukte und Blutmehl, deren
Verfütterung an Nichtwiederkäuer und Fische erlaubt und deren Herstellung und
Verarbeitung an strenge Voraussetzungen gebunden sind; das Blut muss bspw. aus
Schlachthöfen mit EU-Zulassung stammen, die keine Wiederkäuer schlachten und als
solche registriert sind, und die mit Fahrzeugen ausgestattet sind, die ausschließlich für
den Transport von Nichtwiederkäuerblut vorgesehen sind. Ein vergleichbares
Kontrollsystem zur Überwachung der Herstellung und Verarbeitung von tierischen
Fetten wäre auf der Grundlage eines nationalen Gesetzes nicht durchführbar, dies
schon allein deshalb, weil die Fettverwendung in anderen Mitgliedstaaten erlaubt ist
und die Herstellung und Verarbeitung von Futtermitteln mit tierischen Fetten aus diesem
Grunde nicht derart strengen Bedingungen unterworfen ist und insbesondere nicht durch
ein nationales Gesetz unterworfen werden könnte.
Die Feststellung des BfR und des FLI, dass eine Analyse der einzelnen Bestandteile in
Mischfuttermitteln notwendig wäre, um ein BSE-Risiko tatsächlich auszuschließen,
findet ihre Bestätigung gerade auch mit Blick auf den vorliegenden Fall. Denn die
Klägerin benennt exakt dieselben Namen für Wiederkäuerfette enthaltende
Mischfuttermittel und für solche, die andere Tierfette als Wiederkäuerfette enthalten
sollen. Insofern liegt es auf der Hand, dass erst eine – bisher nicht verfügbare – Analyse
Aufschluss über die tatsächliche Zusammensetzung geben kann; schließlich ist es
kaum vorstellbar, dass Futtermittel mit identischen Namen unterschiedlich
zusammengesetzt sein könnten, dies insbesondere nicht vor dem Hintergrund, dass
diese in den Niederlanden und Frankreich hergestellt werden, wo die Verwendung von
Wiederkäuerfetten in Mischfuttermitteln für die Verfütterung an Wiederkäuer nicht
untersagt ist.
208
Das Verfütterungsverbot ist auch angemessen. Es führt insbesondere nicht zu einem
Nachteil, der zu dem erstrebten Erfolg, nämlich der weiteren Verminderung des
Übertragungsrisikos von BSE, außer Verhältnis stünde. Der darin bestehende Nachteil,
dass das in den Niederlanden und Frankreich rechtmäßig hergestellte und in den
Verkehr gebrachte tierische Fette enthaltende Mischfutter in der Bundesrepublik nicht an
der Lebensmittelgewinnung dienende Wiederkäuer verfüttert werden darf, ist im
Vergleich zu dem mit dem Verfütterungsverbot verfolgten Schutz der Gesundheit von
Tier und damit dem Menschen nicht unangemessen, dies schon deshalb nicht (mehr),
weil die Verfütterung dieser Futtermittel an andere Nutztiere als Wiederkäuer (seit
Inkrafttreten des LFGB in der Fassung der Bekanntmachung vom 24. Juli 2009)
uneingeschränkt erlaubt ist.
209
Von einer Vorlage an den EuGH im Wege des Vorabentscheidungsverfahrens nach Art.
267 AEUV (vormals Art. 234 EG) sieht der Senat ab. Eine Verpflichtung des Senats zur
Vorlage besteht nicht. Denn eine solche ergibt sich nach Art. 267 Abs. 3 AEUV (vormals
Art. 234 Abs. 3 EG) nur für das letztinstanzliche Gericht, also das
Bundesverwaltungsgericht, nicht jedoch für den Senat. Aber auch auf der Grundlage
des Art. 267 Abs. 2 AEUV (vormals Art. 234 Abs. 2 EG) sieht sich der Senat nicht zur
Vorlage veranlasst. Danach kann ein Gericht, wenn die Auslegung von
Gemeinschaftsrecht in Frage steht und das Gericht eine Entscheidung darüber für den
Erlass seines Urteils für erforderlich hält, diese Frage dem Gerichtshof vorlegen. Der
Senat hegt keine Zweifel hinsichtlich der richtigen Auslegung der Verordnung (EG) Nr.
999/2001, denn aus seiner Sicht enthält diese Verordnung keine abschließenden
Regelungen in Bezug auf die der Bekämpfung von TSE dienenden
210
Verfütterungsverbotsvorschriften.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 und Abs. 2 VwGO. Die
Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 1 und 2 VwGO i.
V. m. den §§ 708 Nr. 10, 711 Satz 1, 709 Satz 2 ZPO.
211