Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 11.09.2000

OVG NRW: aufschiebende wirkung, juristische person, bach, einvernehmliche regelung, öffentliche aufgabe, umweltverträglichkeitsprüfung, anschluss, hessen, neubau, vorrang

Oberverwaltungsgericht NRW, 11 D 120/98.AK
Datum:
11.09.2000
Gericht:
Oberverwaltungsgericht NRW
Spruchkörper:
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
11 D 120/98.AK
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die bis zur Trennung des Verfahrens entstandenen
Kosten des Rechtsstreits entsprechend seinem Streitwertanteil am
Gesamtstreitwert sowie die danach entstandenen Kosten jeweils
einschließlich der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen zu 1.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
1
Der Kläger wendet sich gegen zwei Planfeststellungsbeschlüsse, mit denen der
Beklagte den Plan für zwei Straßenbauvorhaben im Raum W. /O. /K. festgestellt hat.
2
Der Planfeststellungsbeschluss vom 13. August 1997 - 713-32- 03/647 - (künftig
Planfeststellungsbeschluss A 4) betrifft den Neubau der Bundesautobahn 4 (A 4)
zwischen der Anschlussstelle W. und der H. straße (B 54/62n, künftig HTS), der HTS
zwischen der A 4 und dem südlich anschließenden Neubauabschnitt der HTS (Bau-km
5+632 bis Bau-km 5+950), des Abzweigs zur B 54 und der Anschlussstelle für den
Abzweig zur B 54. Durch den Neubau soll die von K. zum Autobahnkreuz O. -Süd
führende A 4, die zurzeit an der Anschlussstelle W. endet, nach Osten verlängert und in
K. -K. bach mit der B 54 verbunden werden. Südlich des Abzweigs zur B 54 geht die A
4/HTS in den gesondert geplanten Abschnitt der HTS über. Mit dem Bau der nicht für die
Abwicklung des Verkehrs von der Anschlussstelle W. der A 4 bis zur K. bach Höhe
erforderlichen Streckenabschnitte darf erst begonnen werden, wenn für den
anschließenden Abschnitt der HTS ein bestandskräftiger Planfeststellungsbeschluss
vorliegt (S. 20 des Planfeststellungsbeschlusses A 4).
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Der weitere Planfeststellungsbeschluss vom 13. August 1997 - 713-32-03/740 - (künftig
Planfeststellungsbeschluss HTS) betrifft den Neubau der vierstreifigen HTS im
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südlichen Anschluss an die A 4 und den damit im Verbund planfestgestellten Teil der
HTS (Bau-km 5+838,315 bis Bau-km 11+820). Dieser Abschnitt der HTS verläuft
westlich von K. -E. und mündet nördlich der L 908 (bei Bau-km 11+820) in einen
Abschnitt der HTS, der aufgrund des bestandskräftigen Planfeststellungsbeschlusses
vom 25. März 1988 weitgehend fertig gestellt worden ist. Die Kreuzung mit der L 908
darf dem Planfeststellungsbeschluss vom 25. März 1988 zufolge erst ausgebaut
werden, wenn der Planfeststellungsbeschluss HTS vom 13. August 1997
bestandskräftig oder vollziehbar geworden ist. Mit dem Bau des Abschnitts, der von dem
Planfeststellungsbeschluss HTS erfasst ist, darf erst begonnen werden, wenn der
Planfeststellungsbeschluss für den nördlich angrenzenden Abschnitt der HTS von Bau-
km 5+632 bis Bau-km 5+950 einschließlich der Weiterführung als A 4 bis zur
Anschlussstelle W. oder des Abzweigs B 54 bestandskräftig ist, ein Antrag auf
aufschiebende Wirkung einer eventuellen Klage nicht gestellt oder die aufschiebende
Wirkung nicht wiederhergestellt worden ist (S. 15 des Planfeststellungsbeschlusses
HTS).
Der Beigeladene zu 1. legte mit Schreiben vom 30. März 1983 dem
Regierungspräsidenten A. (jetzt: Bezirksregierung A. ) die Planunterlagen für den
Neubau der A 4 von W. nach K. bach zur Durchführung des Anhörungsverfahrens vor.
Es handelte sich um einen Abschnitt der A 4, die nach dem damaligen Stand der
Planungen durch das Rothaargebirge zum Autobahnkreuz H. bach führen sollte. Der an
der Anschlussstelle W. beginnende Abschnitt endete in K. bach mit einem Anschluss an
die B 54. Einen Abzweig zur HTS sahen die Unterlagen nicht vor. Im Bestimmungsplan
der Linienführung nach § 16 FStrG vom 3. Mai 1977/3. Juli 1978 war allerdings ein
Verlauf der HTS westlich von K. -E. mit Anschluss an die A 4 vorgesehen. Die
Planunterlagen lagen in der Zeit vom 6. Juni 1983 bis 5. Juli 1983 in K. , O. und W.
öffentlich aus.
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Im Mai 1984 beschloss die Landesregierung, den Ausbau der A 4 bis nach Hessen nicht
weiterzuverfolgen. Sie verband mit dieser Entscheidung die Erwartung, dass ein
geeignetes alternatives Planungskonzept zur Verbesserung der Erschließung der
betroffenen Region und ihrer Anbindung an das großräumige Straßennetz entwickelt
werde. Alsdann legte der Beigeladene zu 1. mit Schreiben vom 28. April 1986 das
Deckblatt I zur Planfeststellung für den Neubau der A 4 (W. -K. bach) vor. Die
Unterlagen sehen einen Übergang der A 4 in die HTS sowie eine zweistreifige
Verbindung mit der B 54 vor. Die geänderten Planunterlagen lagen in der Zeit vom 30.
Juni 1986 bis 29. Juli 1986 in K. , O. und W. öffentlich aus.
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Mit Erläuterungsbericht vom 5. Mai 1988 legte der Beigeladene zu 1. das Deckblatt II
vor. Wegen eines um 10.000 Kfz/24 h verminderten Verkehrsaufkommens (geschätzte
Verkehrsprognose zwischen W. und K. bach: 24.017 Kfz/24 h) nahm der Beigeladene
zu 1. von dem ursprünglich geplanten dritten Fahrstreifen in Richtung K. bach (Bau-km
61+909 bis Bau-km 65+550) sowie den Rastanlagen "Am K. " und "E. " Abstand. Von
einer Auslegung des Deckblatts II wurde abgesehen.
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Im Erörterungstermin vom 26./28. März 1990 sagte der Beigeladene zu 1. einen
ökologischen Fachbeitrag für die A 4 zu und legte ihn mit Schreiben vom 20. November
1992 der Anhörungsbehörde vor. Dieser Fachbeitrag (Deckblatt III) lag in der Zeit vom
11. Januar 1993 bis 10. Februar 1993 mit einem Hinweis auf § 17 Abs. 4 FStrG in O.
und W. öffentlich aus. Es handelt sich um eine Untersuchung des Büros F. & S. vom Mai
1991, die nach den Kriterien einer Umweltverträglichkeitsstudie erstellt werden und -
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ausgehend von vier vom Beigeladenen zu 1. geprüften Varianten -
Lösungsmöglichkeiten für eine umweltschonende Trassenführung prüfen sollte. Die
Teilung in einen ökologischen Fachbeitrag für die A 4 und eine
Umweltverträglichkeitsstudie für die HTS begründeten die Gutachter mit dem
unterschiedlichen Verfahrensstand der Projekte. Sie erstellten außerdem eine Synopse
Ökologischer Fachbeitrag A 4/UVS H. straße vom Mai 1992. Die Ingenieurgemeinschaft
S. -W. -F. GmbH fertigte als Teil des ökologischen Fachbeitrags im Mai 1992 eine
Synopse zur Verkehrsuntersuchung A 4/HTS.
Der Beigeladene zu 1. legte mit Schreiben vom 19. November 1992 der
Anhörungsbehörde die Planunterlagen für den Neubau der Bundesstraße 54/62n - H.
straße - von Bau-km 5+838,315 bis Bau-km 11+820 vor. Das Vorhaben setzt den im
Zusammenhang mit der A 4 planfestgestellten Teil der HTS nach Süden fort und mündet
etwa 300 m nördlich der L 908 in den bereits bestandskräftig festgestellten und
weitgehend ausgebauten Teil der HTS. Die Unterlagen lagen mit einem Hinweis auf §
17 Abs. 4 FStrG in der Zeit vom 11. Januar 1993 bis 10. Fe-bruar 1993 in K. , O. und W.
öffentlich aus.
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Der Kläger ist eine aus 32 Mitgliedern bestehende juristische Person des öffentlichen
Rechts. Drei Mitglieder sind nebenberuflich Landwirte und nutzen dem Kläger
gehörende Grundstücke in Form extensiver Weidewirtschaft (Mastviehauftrieb). Die
etwa 15 ha große Fläche besteht aus zwei Teilen und liegt zwischen der Trasse der A 4
und dem Ortsteil E. . Vom nördlichen Rand der Flächen sind 1,0228 ha zu erwerben und
0,182 ha dauerhaft zu beschränken (für Fernmeldekabel und Entwässerung).
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Der Kläger hielt der Planung der A 4 zur Niederschrift bei der Gemeinde W. am 28. Juni
1983 entgegen, der Verband sei für eine vernünftige Bewirtschaftung auf die in
Anspruch genommenen Grundstücksteile angewiesen. Die Flächen dienten teilweise
dem Unterhalt der Verbandsmitglieder. Wegen des geringen Abstandes zum Ortsteil E.
sei dort mit erheblichen Lärmimmissionen zu rechnen. Weil die Trasse am Rande eines
engen Tales geführt werde, werde das Landschaftsbild zerstört. Die Trasse könne ohne
weiteres nach Norden verschoben werden, was ohnehin kostengünstiger sei, weil
Brücken entfielen, und die Lärmproblematik entschärfe. Mit Schreiben vom 10. August
1986 widersprach der Kläger dem Deckblatt I, weil die Notwendigkeit der A 4 nicht
nachgewiesen worden sei. Er vertiefte die frühere Einwendung dahin, dass die in der
Nachbarschaft vorhandenen Weideflächen bei trockener Witterung schon jetzt nicht
ausreichten. Durch den Flächenentzug werde der Unterhalt der Mitglieder gefährdet. Die
Planung sei rechtswidrig, weil das Planungsziel nicht mit einem geringstmöglichen
Aufwand an Mitteln erreicht und hinsichtlich der Umwelt das Vermeidungsverbot verletzt
werde. Zur Entlastung des Raumes um K. böten sich weniger aufwendige
Neubaustrecken an, so dass auch das E. mit dem S. Gebiet geschont werden könne.
11
Im Erörterungstermin vom 28. März 1990 machte der Kläger geltend, die Angabe zum
Flächenverlust (2,2 ha) sei unvollständig, weil weitere Flächen durch Bepflanzung
verloren gingen. Weil ihm nur Splitterparzellen verblieben, werde Ersatzland gefordert.
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Der Beklagte stellte durch die beiden Beschlüsse vom 13. Au- gust 1997 den Plan für
den Ausbau der A 4 und der HTS fest.
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In dem die A 4 betreffenden Planfeststellungsbeschluss wies er die Einwendungen des
Klägers mit folgender Begründung zurück: Soweit der Fortbestand des Klägers
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gefährdet sei, sei dies kein in der Abwägung unüberwindlicher Belang, weil er keinen
Bestandsschutz genieße. Auf den Schutz des Art. 14 GG könne sich der Kläger als
juristische Person des öffentlichen Rechts nicht berufen. Die
Flächeninanspruchnahmen und die sonstigen durch die Vorhaben entstehenden
Nachteile seien im Entschädigungsverfahren finanziell abzugelten. Soweit eine
Existenzgefährdung von Mitgliedern geltend gemacht werde, hätten diese Mitglieder
namentlich benannt werden müssen.
Der Kläger hat am 2. Januar 1998 mit weiteren Klägern Klage erhoben (23 D 1/98.AK).
Der (vormals 23.) Senat hat durch Beschluss vom 11. August 1998 das Verfahren des
Klägers abgetrennt. Der Kläger trägt zur Begründung der Klage vor, der
Planfeststellungsbeschluss zur A 4 leide daran, dass er unübersichtlich geworden sei
und bei den Betroffenen keine Anstoßwirkung mehr entfaltet habe. Eine
ordnungsgemäße Umweltverträglichkeitsprüfung fehle. Diese Prüfung sei allein deshalb
erforderlich gewesen, weil das Planfeststellungsverfahren nicht bei Ablauf der
gemeinschaftsrechtlichen Übergangsfrist - 3. Juli 1988 - beendet gewesen sei. Im
Übrigen sei das Projekt noch nach dem 3. Juli 1988 wesentlich geändert worden. Wenn
die Umweltverträglichkeitsprüfung durchgeführt worden wäre, hätte die konkrete
Möglichkeit bestanden, dass die Planung anders ausgefallen wäre. Die
Planrechtfertigung fehle. Nach Aufgabe der ursprünglichen Planung seien keine
Alternativen erwogen worden. Das Straßenbauvorhaben stelle einen unzulässigen
Eingriff in Natur und Landschaft dar. Der fehlerhafte landschaftspflegerische Begleitplan
erschöpfe sich in gestalterischen Maßnahmen. Die Problematik der Lärm-, Abgas- und
Staubimmissionen sei unzureichend bewältigt worden. Das gelte insbesondere für
Reflexionswirkungen im Elbebachtal. Die Abschnittsbildung sei fehlerhaft, weil der
weitere Verlauf der A 4 Richtung Hessen nicht geklärt sei.
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Die von der Trasse beanspruchten Verbandsflächen stellten 75 % seines Grundbesitzes
dar. Dadurch werde seine Existenzfähigkeit beeinträchtigt.
16
Mit Schriftsatz vom 9. März 2000 macht der Kläger ergänzend geltend, die
Planänderung im Deckblattverfahren dürfe nicht über einfache und überschaubare
Abweichungen hinausgehen. Schon mit dem ersten Deckblatt sei eine völlig veränderte
verkehrspolitische Konzeption verfolgt worden. Die Auswirkungen auf die Betroffenen
hätten sich verändert. Die Frage nach dem Bedarf stelle sich neu. Den Betroffenen habe
somit Gelegenheit gegeben werden müssen, in einem neuen Verfahren Einwendungen
zu erheben. Das Gebot der Planklarheit sei verletzt, und zwar auch unter dem
Gesichtspunkt der Öffentlichkeitsbeteiligung. Die von der Trasse berührten
Wasserschutzgebiete und Biotope seien unzulänglich erfasst worden. Dies zeige eine
Darstellung des Herrn S. , der dem Rat der Gemeinde W. angehöre. Die
Abschnittsbildung sei abwägungsfehlerhaft, weil die beiden Vorhaben jeweils für sich
gesehen keine Verkehrsbedeutung hätten. Der Beklagte habe zu Unrecht unter Hinweis
auf den Bedarfsplan von einer Prüfung der Null-Variante Abstand genommen und sich
gehindert gesehen, rechtlich geschützten Interessen oder beeinträchtigten öffentlichen
Belangen den Vorrang zu geben. Beim Vergleich der Varianten seien die betroffenen
Belange nicht richtig gewürdigt und neue Erkenntnisse zum Tunnelbau übergangen
worden.
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Weil er enteignend betroffen sei, seien die angefochtenen Beschlüsse umfassend zu
überprüfen. Er sei als Körperschaft des öffentlichen Rechts grundrechtsfähig, weil er
seinen Mitgliedern die Verwirklichung von Grundrechten ermögliche. Die Mitglieder
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nähmen durch ihn eine öffentliche Aufgabe der Daseinsvorsorge wahr und übten zum
Teil durch ihn eine Erwerbstätigkeit aus. Das Ausmaß der Eigentumsbetroffenheit lasse
sich nicht allein anhand der Größe der beanspruchten Fläche ermessen. Entscheidend
sei, dass in der Nähe der Autobahntrasse gehaltenes Vieh schlechter zu vermarkten sei.
Wenn seine Mitglieder kein Vieh in ökologischer Tierhaltung aufziehen könnten, werde
die Existenz seiner Mitglieder und seine eigene Existenz vernichtet. Eine Präklusion sei
nicht eingetreten, weil die früher erhobenen Einwendungen fortwirkten.
Nachdem der Beklagte die Planfeststellungsbeschlüsse in der mündlichen Verhandlung
vom 3. April 2000 geändert hat, beantragt der Kläger,
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die beiden Planfeststellungsbeschlüsse des Beklagten vom 13. August 1997 - 713-32-
03/647 - und - 713-32-03/740 - in der Fassung der in der mündlichen Verhandlung vom
3. April 2000 vorgenommenen Änderung aufzuheben.
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Er verweist auf die Begründung der Planfeststellungsbeschlüsse und führt ergänzend
aus, die Planänderungen seien bis auf das Deckblatt II, durch das die Betroffenheit
benachbarter Flächen vermindert worden sei, offen gelegt worden. Die Überarbeitung
der lärmtechnischen Berechnungen und die Abschätzung der Luftschadstoffbelastungen
hätten nicht offen gelegt werden müssen. Das Deckblatt III habe keine wesentliche
Änderung gebracht, so dass eine Umweltverträglichkeitsprüfung entbehrlich gewesen
sei. Ein neues Linienbestimmungsverfahren habe sich erübrigt, weil die Trassen von der
früheren Linienbestimmung gedeckt seien. Verstöße gegen Natur- und
Landschaftsschutzgebote lägen nicht vor. Der ökologische Fachbeitrag habe bei der
Erörterung verschiedener Trassen die prägenden Eigenarten des Naturraumes
zutreffend ermittelt. Die Umwelteinwirkungen seien fehlerfrei bewertet worden. Die
Abschnittsbildung sei sachlich berechtigt. Die A 4 besitze mit dem Abzweig B 54 eine
selbständige Verkehrsbedeutung. Dies gelte in der Verknüpfung mit der A 4 oder dem
Abzweig B 54 auch für die HTS. Durch entsprechende Auflagen werde dieser
Zusammenhang gewahrt. Für Neubauvorhaben in der planfestgestellten Form setze der
Bedarfsplan einen vordringlichen Bedarf fest. Selbst wenn für einen östlich der K. bach
Höhe verlaufenden Teil der A 4 die Linienbestimmung widerrufen worden sei, müsse
eine Fortsetzung der A 4 am Abzweig B 54/Anschluss B 54 auf der K. bach Höhe
angebunden werden. Der Kläger sei präkludiert, soweit es das Deckblatt III zur A 4 und
die HTS betreffe, weil er keine Einwendungen erhoben habe. Die für die A 4 zu
erwerbende Fläche betrage nur 6,8 % des gesamten Grundbesitzes.
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Im Hinblick auf die für die HTS in Betracht kommende Varianten sei ergänzend zu
bemerken, dass die Netzvarianten im verkehrs-technischen Teil der Synopse A 4/HTS
dargestellt seien. Die Verkehrsuntersuchungen schlössen die Ermittlungen des
Bestandes und die Prognose im vorhandenen Netz (Null- Variante) ein, weil nur so
vergleichende verkehrliche Beurteilungen über Entwicklungen getroffen werden
könnten, die von Veränderungen im Netz ausgingen. Die Ausbauvariante 3 könne
allenfalls in begrenztem Maße die örtlichen Verkehrsverhältnisse verbessern. Positive
Veränderungen im großräumigen Verkehrsnetz - Entlastung des Hüttentales und
angrenzender Räume - blieben dagegen aus, weil sie nur mit einer anbau- und
kreuzungsfreien Kraftfahrtstraße möglich seien, die einen direkten Anschluss an das
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Autobahnnetz aufweise. Eine Verknüpfung der Ausbauvariante mit einer zweistreifigen
A 4 auf der K. bach Höhe sei untersucht und verworfen worden, weil sei den
angestrebten verkehrlichen Zielen nicht gerecht werde. Einer Verschwenkung des
Abzweigs B 54 nach Südosten stünden die Topographie und Wasserschutzgebiete
entgegen. Die B 54 könne auch nicht westlich von K. bach zur A 4 geführt werden.
Neben der Topographie seien insoweit ökologische Gesichtspunkte (Biotope und
Wasserschutzgebiete) hinderlich. Beide Lösungen hätten sich nicht aufgedrängt.
Der Beigeladene zu 1. beantragt ebenfalls,
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die Klage abzuweisen.
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Er macht geltend, die Kritik des Herrn S. verfange nicht. Es handele sich um Bedenken,
die dieser bereits als Einwender vorgetragen habe und zu denen Stellung genommen
worden sei. Dies gelte insbesondere für die Kosten der Trassenvarianten, bei deren
Ermittlung die Brückenbauwerke berücksichtigt worden seien. Der beanstandete
ökologische Fachbeitrag beruhe auf Unterlagen, die von Fachbehörden geprüft worden
seien. Er habe eine sachgerechte Bewertung der Trassenvarianten ermöglicht. Gegen
die Ausbauvarianten 3 und 4 der B 54 spreche, dass im Umfang von etwa 1000 m eine
zweistreifige Strecke in bebauter Ortslage verbleibe, die zahlreiche Verknüpfungen mit
anderen Straßen habe. Nördlich einer denkbaren Ortsumgehung K. bach weise eine
Ausbauvariante eine kurvenreiche, bewegte und durch Steigungen stark behinderte
einbahnige freie Strecke bis zur K. bach Höhe auf.
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Die übrigen Beigeladenen stellen keinen Antrag.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte
des vorliegenden Verfahrens sowie auf die zu diesem Verfahren, zum Verfahren 11 D
216/97.AK und zum Verfahren 11 D 1/98.AK beigezogenen Verwaltungsvorgänge des
Beklagten und die planfestgestellten Unterlagen Bezug genommen, die dem Gericht bei
der Entscheidung vorgelegen haben.
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Entscheidungsgründe:
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Die Klage ist unzulässig, soweit sie den Planfeststellungsbeschluss HTS betrifft; denn
insoweit fehlt die Klagebefugnis (§ 42 Abs. 2 VwGO).
31
Der von der Trasse der A 4 mit enteignungsrechtlicher Vorwirkung betroffene
Grundbesitz des Klägers in W. -E. ist vom planfestgestellten Abschnitt der HTS etwa 3,2
km entfernt. Der Eigentümer eines Grundstücks, das erst in einem nachfolgenden
Planfeststellungsabschnitt enteignend in Anspruch genommen werden kann, ist
anfechtungsbefugt, wenn er geltend machen kann, dass durch den vorhergehenden
Planfeststellungsbeschluss ein Zwangspunkt für eine Inanspruchnahme seines
Grundbesitzes gesetzt wird.
32
BVerwG, Urteil vom 21. März 1996 - 4 C 1.95 -, NVwZ 1997, 493; vgl. auch OVG NRW,
Urteil vom 20. September 1999 - 23 D 98/95.AK -, S. 8 des Urteilsabdrucks.
33
Daran fehlt es im vorliegenden Fall. Die Trasse der A 4 nimmt einen den Kläger
enteignenden Verlauf nicht deshalb, weil sich der Beklagte für die Variante 2.1 der HTS
entschieden hat. Die planerischen Absichten des Beklagten zeigen, dass die Planung
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der A 4 unabhängig von der HTS Bestand haben soll. In dem hier zur Diskussion
stehenden Bereich ist die Trasse der A 4 im Verlauf der Planung nicht verschoben
worden. Falls der Planfeststellungsbeschluss HTS aufgehoben werden sollte und es
hinsichtlich der B 54 in K. bei der Null-Variante verbliebe, stellte dies den Verkehrswert
der A 4 nicht in Frage, weil sie über den Abzweig B 54 mit der B 54 (alt) verbunden
bleibt und K. sowie H. bach besser mit dem Autobahnnetz verbindet. Der Vorbehalt im
Planfeststellungsbeschluss A 4 (S. 20: A.5.8.1) unterstreicht, dass der Beklagte den Bau
der A 4 unabhängig vom Bestand der Planung zur HTS für gerechtfertigt hält und
Anpassungsbedarf im Falle eines Scheiterns der HTS nur insoweit sieht, als die vom
Planfeststellungsbeschluss A 4 erfassten Straßenteile den Verkehr auf die HTS lenken.
Dies betrifft die vom Planfeststellungsbeschluss A 4 umfasste Anschlussstelle Abzweig
B 54 sowie die HTS zwischen der A 4 und dem südlich anschließenden
Neubauabschnitt der HTS (Baukilometer 5 + 632 bis 5 + 950). An der
Eigentumsbetroffenheit des Klägers ändert die planerische Ungewissheit nichts.
Soweit es den Planfeststellungsbeschluss A 4 betrifft, ist die Klage zulässig, aber
unbegründet.
35
Im vorliegenden Verfahren ist zu beachten, dass der angefochtene
Planfeststellungsbeschluss das Grundeigentum des Klägers mit enteignungsrechtlicher
Vorwirkung betrifft. Dies hat grundsätzlich zur Folge, dass eine umfassende Prüfung der
Gesetzmäßigkeit des Planfeststellungsbeschlusses stattfindet.
36
Vgl. zum Prüfungsrahmen bei einem Planfeststellungsbeschluss mit
enteignungsrechtlicher Vorwirkung: BVerwG, Urteil vom 18. März 1983 - 4 C 80.79 -,
BVerwGE 67, 74 (75 f.).
37
Ob dies auch für den Kläger gilt, ist indes zweifelhaft. Es handelt sich bei ihm um eine
Körperschaft des öffentlichen Rechts (vgl. § 1 Abs. 1 des Gesetzes über Wasser- und
Bodenverbände - Wasserverbandsgesetz - WVG - vom 12. Februar 1991, BGBl. I S.
405). Körperschaften des öffentlichen Rechts können sich im Regelfall nicht auf
Grundrechte berufen. Die Grundrechte dienen vorrangig dem Schutz der
Freiheitssphäre des einzelnen Menschen als natürlicher Person gegen Eingriffe der
staatlichen Gewalt. Darüber hinaus sichern sie Voraussetzungen und Möglichkeiten für
eine freie Mitwirkung und Mitgestaltung des Einzelnen im Gemeinwesen. Auf juristische
Personen des öffentlichen Rechts sind die materiellen Grundrechte grundsätzlich nicht
anwendbar. Jedenfalls gilt dies, soweit sie öffentliche Aufgaben erfüllen, weil sich die
Erfüllung öffentlicher Aufgaben durch juristische Personen des öffentlichen Rechts
aufgrund von Kompetenzen vollzieht, die das positive Recht zuordnet, inhaltlich bemisst
und begrenzt. Maßgebend ist, ob und inwieweit in der Rechtsstellung als juristische
Person des öffentlichen Rechts eine Sach- und Rechtslage Ausdruck findet, die der
Anwendung von Grundrechten entgegen steht.
38
BVerfG, Beschluss vom 23. Januar 1997 - 1 BvR 1317/86 -, NJW 1997, 1634. Im
Einzelnen zur Situation der Wasser- und Bodenverbände: Rapsch,
Wasserverbandsrecht, 1993, S. 25 f.
39
Eine weitere Vertiefung erübrigt sich. Den Wasser- und Bodenverbänden kommt nach
dem Wasserverbandsgesetz kraft ihres Selbstverwaltungsrechts einfachgesetzlich eine
wehrfähige Rechtsposition zu. Ob die Abwehrrechte gegenüber hoheitlichen Eingriffen
grundrechtlich "verstärkt" sind, ist im vorliegenden Fall letztlich unerheblich, weil auch
40
eine umfassende Überprüfung des Planfeststellungsbeschlusses A 4 nicht zu dessen
Aufhebung führt.
Verfahrensmängel, die mit Blick auf subjektiv-öffentliche Rechte des Klägers die
Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses A 4 rechtfertigen könnten, liegen nicht vor.
Ein solcher Verfahrensfehler besteht insbesondere nicht darin, dass der Beklagte keine
förmliche Umweltverträglichkeitsprüfung nach den Bestimmungen des Gesetzes über
die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVPG) vom 12. Februar 1990 (Art. 1 des Gesetzes
zur Umsetzung der Richtlinie des Rates vom 27. Juni 1985 über die
Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten -
85/337/EWG -, BGBl. I S. 205) durchgeführt hat. Einer Umweltverträglichkeitsprüfung
bedurfte es nicht, weil das Planfeststellungsverfahren für die A 4 vor dem 3. Juli 1988,
dem Tag des Ablaufs der Frist für die Umsetzung der UVP-Richtlinie 85/337/EWG in
nationales Recht, öffentlich bekannt gemacht worden ist.
41
BVerwG, Urteil vom 21. März 1996 - 4 C 19.94 -, BVerwGE 100, 370 (374).
42
Eine förmliche Umweltverträglichkeitsprüfung wurde auch nicht dadurch notwendig,
dass Deckblattunterlagen in das Verfahren eingeführt worden sind. Das Deckblatt I lag
bereits vor dem maßgebenden Stichtag öffentlich aus, so dass sich Ausführungen dazu
erübrigen, ob das Vorhaben durch dieses Deckblatt wesentlich geändert worden ist. Für
die nach dem 3. Juli 1988 in das Verfahren eingeführten Deckblätter II und III gilt: Wenn
das Vorhaben selbst nicht UVP-pflichtig ist, weil das Verfahren vor dem genannten
Stichtag eingeleitet wurde, bleibt es dabei, solange dieses Vorhaben und nicht statt
seiner ein anderes im Verfahren verfolgt wird.
43
BVerwG, Urteil vom 21. März 1996 - 4 C 19.94 -, a.a.O.; OVG NRW, Urteil vom 29. Mai
1998 - 23 D 32/96.AK -, S. 11 des Urteilsabdrucks.
44
Durch die Planungen für die Deckblätter II und III wurde weder im Einzelnen noch in der
Summe ein neues Vorhaben entwickelt. Das mit dem Erläuterungsbericht vom 5. Mai
1988 vorgelegte Deckblatt II lässt die Trasse unberührt und erschöpft sich darin, dass
ein dritter Fahrstreifen sowie zwei Rastanlagen entfallen. Mit dem 1993 offen gelegten
Deckblatt III ist ein ökologischer Fachbeitrag vorgelegt worden, dessen Aufgabe darin
liegt, Lösungsmöglichkeiten für eine umweltschonende Trassenführung zu prüfen. Eine
substantielle Änderung ist damit nicht verbunden.
45
Dem Planfeststellungsbeschluss haften keine Mängel an, die zur Unbestimmtheit und
damit zur (Teil-)Nichtigkeit führen könnten.
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Dies gilt zunächst für die im Abschnitt A.5.10 (S. 21) im Zusammenhang mit der
Änderung des Regelquerschnitts verfügten Vorbehalte. Die Anordnung der Berichtigung
der Planunterlagen kann anhand der im Planfeststellungsbeschluss enthaltenen
Angaben umgesetzt werden. Der Regelquerschnitt des Abzweigs B 54 soll von
ursprünglich 12 m auf 11 m verringert werden, ohne dass die Achse verändert wird.
Damit ist der Rahmen für die Anpassung der Bauwerke und
Entwässerungseinrichtungen hinreichend vorgegeben, zumal sich der Beklagte eine
ergänzende Regelung für den Fall vorbehalten hat, dass eine einvernehmliche
Regelung mit den Trägern öffentlicher Belange bzw. mit den privaten Betroffenen nicht
zustande komme.
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Der Planfeststellungsbeschluss A 4 ist nicht deshalb unbestimmt, weil wegen der
Reduzierung des Regelquerschnitts die befestigte Fläche vermindert ist und dies
Folgen für Ausgleichsmaßnahmen hat (S. 23, 91, 107 des
Planfeststellungsbeschlusses, Unterlage 12 in Beiakte X). Die von
Ausgleichsmaßnahmen betroffenen Adressaten des Planfeststellungsbeschlusses A 4
können nicht im Unklaren darüber sein, dass die bisher mit Ausgleichsmaßnahmen
belasteten Flächen in Anspruch genommen werden sollen, sofern nicht im Wege einer
Nachtragsplanfeststellung, die sich der Beklagte vorbehalten hat, eine abweichende
Regelung getroffen wird.
48
Die Bestimmtheit des Planfeststellungsbeschlusses A 4 leidet auch nicht daran, dass
sich die planerischen Festsetzungen erst in einer Gesamtschau der ursprünglich
ausgelegten Unterlagen und der Deckblätter I - III erschließen. Dass bei dieser
Gesamtschau Unklarheiten verbleiben, ist nicht ersichtlich und wird auch vom Kläger
nicht konkret geltend gemacht.
49
Verstöße des Planfeststellungsbeschlusses A 4 gegen zwingende Rechtssätze des
materiellen Planfeststellungsrechts, die zu seiner Aufhebung führen könnten, liegen
nicht vor.
50
Dabei greift zunächst die Rüge des Klägers, es habe an einem ordnungsgemäß
durchgeführten Linienbestimmungsverfahren gefehlt, nicht durch. Dieses Verfahren
gehört nicht zu den Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen eines
Planfeststellungsbeschlusses; der Planfeststellungsbeschluss muss vielmehr aus sich
heraus den rechtlichen Anforderungen genügen.
51
BVerwG, Beschluss vom 15. Mai 1996 - 11 VR 3.96 -, DVBl. 1996, 925 (926); OVG
NRW, Urteil vom 18. November 1996 - 23 A 3703/94 -, S. 14 des Urteilsabdrucks.
52
Abwägungsmängel auf der Ebene der Linienbestimmung können zwar auf das
nachfolgende Planfeststellungsverfahren durchschlagen und, sofern sie nicht behoben
werden, von Planbetroffenen geltend gemacht werden. Dies kann etwa gelten, wenn ein
Planfeststellungsbeschluss pauschal auf die vorausgegangene Linienbestimmung
Bezug nimmt, ohne erkennen zu lassen, ob eine Bewältigung der Umweltproblematik
einschließlich einer "Null- Varianten"-Prüfung erfolgt ist.
53
Vgl. BVerwG, Urteil vom 10. April 1997 - 4 C 5.96 -, BVerwGE 104, 236 (250 ff.); OVG
NRW, Urteil vom 10. September 1998 - 23 D 101/96.AK -, S. 21 f. des Urteilsabdrucks.
54
So liegt der Fall hier indessen nicht. Der Beklagte hat weder pauschal auf die
Linienbestimmung Bezug genommen noch hat er sich gar an die entsprechende
ministerielle Entscheidung gebunden gefühlt. Er hat vielmehr erkennbar eigenständig
insbesondere Umweltbelange und in Betracht kommende Varianten geprüft.
55
Die für jede Planfeststellung erforderliche Planrechtfertigung ist gegeben.
56
Der Bundesgesetzgeber konkretisiert mit bindender Wirkung für die
Verwaltungsgerichte die sogenannte Planrechtfertigung von fernstraßenrechtlichen
Bau- und Ausbauvorhaben mit deren Aufnahme in den Bedarfsplan für die
Bundesfernstraßen (Anlage zu § 1 Abs. 1 des Fernstraßenausbaugesetzes - FStrAbG -
in der Fassung der Bekanntmachung vom 15. November 1993, BGBl. I S. 1878,
57
berichtigt 1995 S. 13).
Vgl. BVerwG, Urteile vom 8. Juni 1995 - 4 C 4.94 -, BVerwGE 98, 339 (347), und vom
21. März 1996 - 4 C 26.94 -, BVerwGE 100, 388 (390).
58
So liegt der Fall hier. Der Ausbau der A 4 im Abschnitt zwischen W. und dem Anschluss
an die B 54 (HTS) ist im Bedarfsplan für die Bundesfernstraßen als Neubaustrecke mit
vordringlichem Bedarf dargestellt. Seit der im Zeitpunkt der Planfeststellung bereits
geltenden Fassung stellt der Bedarfs- plan für die Bundesfernstraßen neben der A 4 von
der Anschlussstelle W. bis nach Hessen in Höhe ihrer Verknüpfung mit der B 54 (HTS)
einen zweistreifigen Abzweig zur B 54 (alt) dar.
59
Gesichtspunkte, die gravierende Zweifel daran aufkommen lassen könnten, dass mit der
Aufnahme des Vorhabens in den Bedarfs-plan die Grenzen des gesetzgeberischen
Ermessens überschritten wurden, sind auch unter Würdigung der vom Kläger
vorgetragenen Argumente nicht zu erkennen. Eine Vorlage an das
Bundesverfassungsgericht im Hinblick auf eine Verfassungswidrigkeit des
(gesetzlichen) Bedarfsplans ist daher nicht geboten.
60
Ein Verstoß gegen Bestimmungen des Natur- und Landschaftsschutzrechts liegt nicht
vor.
61
Das Vorhaben ist mit Eingriffen in Natur und Landschaft verbunden (§ 8 Abs. 1 des
Bundesnaturschutzgesetzes - BNatSchG -, § 4 Abs. 1 des Landschaftsgesetzes - LG),
die im Einzelnen auf Seite 82 ff des Planfeststellungsbeschlusses A 4 beschrieben sind.
Die vom Beklagten auf der Grundlage von § 8 Abs. 3 BNatSchG in Verbindung mit § 4
Abs. 5 LG getroffene Abwägungsentscheidung begegnet keinen Bedenken. Der
Beklagte hat sich dafür entschieden, den Eingriff vorzunehmen, weil er durch
Vermeidungs- und Minderungsmaßnahmen beschränkt werde und unvermeidbare
Eingriffe zum Teil ausgeglichen werden könnten. Der Planfeststellungsbeschluss A 4
leidet nicht daran, dass der Beklagte im Umfang von 2,55 ha ein Kompensationsdefizit
ermittelt und deshalb einen Vorbehalt (A.7.1 PFB A 4) gemacht hat. Der Beklagte durfte
diese Problematik zunächst unbewältigt lassen, weil er den mit dem
Straßenbauvorhaben verfolgten Belang als eindeutig vorrangig angesehen hat und für
den Fall, dass der Eingriff - wider Erwarten - nicht in dem erforderlichen Umfang
ausgeglichen werden kann, Ersatzmaßnahmen möglich sind (§ 5 Abs. 1 Satz 1 LG).
Dass in dem dünn besiedelten Raum keine Flächen vorhanden sind, die ökologisch
aufgewertet werden können, kann im Hinblick auf die im ökologischen Fachbeitrag
getroffenen Feststellungen ausgeschlossen werden. Es kommt hinzu, dass das
Ausgleichsdefizit wegen der Reduzierung des Regelquerschnitts beim Abzweig B 54
ohnehin geringer ausfällt, als dies der Beklagte errechnet hat.
62
Fehler bei der fernstraßenrechtlichen Abwägung, die offensichtlich wären und auf das
Abwägungsergebnis von Einfluss gewesen sind (§ 17 Abs. 6 c Satz 1 FStrG), können
nicht festgestellt werden.
63
Gemäß § 17 Abs. 1 FStrG sind die von dem Vorhaben berührten öffentlichen und
privaten Belange einschließlich der Umweltverträglichkeit im Rahmen der Abwägung zu
berücksichtigen. Die Überprüfung der von der Planfeststellungsbehörde getroffenen
Entscheidung führt in Bezug auf den Abwägungsvorgang und das Abwägungsergebnis
nach den von der höchstrichterlichen Rechtsprechung hierzu entwickelten Maßstäben
64
- vgl. etwa BVerwG, Urteil vom 29. Januar 1991 - 4 C 51.89 -, BVerwGE 87, 332 (341),
und vom 14. Februar 1975 - IV C 21.74 -, BVerwGE 48, 56 (63 ff.) -
65
zu keinen Beanstandungen, die eine Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses
rechtfertigen könnten (vgl. § 17 Abs. 6 c FStrG).
66
Die für die A 4 getroffene Trassenwahl, die im Planfeststel- lungsbeschluss (S. 41 ff.)
eingehend begründet wurde, begegnet keinen Bedenken. Entscheidend ist in diesem
Zusammenhang, dass die Planfeststellungsbehörde mögliche Trassenvarianten als Teil
des Abwägungsmaterials mit der ihnen objektiv zukommenden Bedeutung in die
vergleichende Prüfung der von den möglichen Varianten jeweils berührten öffentlichen
und privaten Belange unter Einschluss des Gesichtspunktes der Umweltverträglichkeit
einbezogen hat. Die Behörde ist nicht verpflichtet, die Variantenprüfung bis zuletzt offen
zu halten und alle von ihr zu einem bestimmten Zeitpunkt erwogenen Alternativen
gleichermaßen detailliert und umfassend zu untersuchen. Sie ist insbesondere befugt,
eine Alternative, die ihr auf der Grundlage einer Grobanalyse als weniger geeignet
erscheint, schon in einem frühen Verfahrensstadium auszuscheiden. Verfährt eine
Planfeststellungsbehörde in dieser Weise, handelt sie nicht schon dann
abwägungsfehlerhaft, wenn sich herausstellt, dass die von ihr verworfene Lösung
ebenfalls mit guten Gründen vertretbar gewesen wäre, sondern erst, wenn sich ihr diese
Lösung als die vorzugswürdigere hätte aufdrängen müssen.
67
BVerwG, Urteil vom 25. Januar 1996 - 4 C 5.95 -, BVerwGE 100, 238 (249 f.).
68
Eine vom Kläger bevorzugte nördliche Trasse ist nicht in diesem Sinne vorzugswürdig.
Der Beklagte hat Alternativlösungen in den Blick genommen, sie in rechtlich nicht zu
beanstandender Weise gewürdigt und sich schließlich mit nachvollziehbarer
Begründung für die planfestgestellte Trasse entschieden. Ein Zwang, stets derjenigen
Trasse den Vorrang zu geben, die im Hinblick auf Umweltbelange das günstigste
Ergebnis zeitigt, besteht nicht.
69
BVerwG, Urteil vom 7. März 1997 - 4 C 10.96 -, BVerwGE 104, 144 (146 f.).
70
Der Beklagte hat im Anschluss an den ökologischen Fachbeitrag (Deckblatt III) zwei
Hauptvarianten (A und B) sowie Untervarianten (A 1 und B 1) miteinander verglichen.
Die vom Beklagten herangezogenen Vergleichskriterien sind sachgerecht und
berücksichtigen Belange des Natur- und Landschaftsschutzes sowie des
Wasserhaushalts. Danach sind die B-Varianten hinsichtlich der Mehrzahl der
Vergleichskriterien deutlich schlechter bewertet als die A-Varianten. Im Vorteil sind die
B-Varianten nur bei der Wasserdargebotsfunktion. Dass der ökologische Fachbeitrag
mit offensichtlichen Mängeln behaftet ist, die auf die Abwägung durchschlagen und auf
das Abwägungsergebnis von Einfluss gewesen sind (§ 17 Abs. 6 c Satz 1 FStrG), ist
nicht ersichtlich. Das Vorgehen des Gutachters, der lediglich eine
Umweltverträglichkeitsstudie durchgeführt und sich mit den prägenden Eigenarten des
Naturraumes auseinandergesetzt hat, ist dem Untersuchungszweck angemessen. Dies
gilt auch für die Beschränkung auf vier Trassenvarianten, die der Beigeladene zu 1. zum
Gegenstand der Planunterlagen gemacht hatte. Die Kritik des Herrn S. , die sich der
Kläger zu Eigen gemacht hat, bezeichnet keine Mängel, die in dem genannten Sinn
rechtlich erheblich werden könnten. Für die Behauptung, bei der Flächenermittlung für
Autobahnplanungen gehe man "allgemein" von zwei Streifen mit einer Ausdehnung von
71
je 100 m entlang der Autobahn aus, findet sich kein Beleg. Der Vorwurf, der Verfasser
des Planfeststellungsbeschlusses habe sich die großen Grundwasservorkommen unter
der B-Trasse vermutlich "aus den Fingern gesogen", ist nicht fundiert. Die Ausführungen
zur Wasserdargebotsfunktion auf S. 50 des Planfeststellungsbeschlusses A 4 beruhen
auf S. 111 der Unterlage 2 des ökologischen Fachbeitrags. Dort sind die von der
Variante B betroffenen Gebiete mit ihrer Bedeutung für das Grundwasser im Einzelnen
bezeichnet. Es handelt sich um Wasserschutzzonen I - III verschiedener
Wasserschutzgebiete. Der Planfeststellungsbeschluss favorisiert die planfestgestellte
Trasse nicht mit falschen Angaben zu den Längen der Varianten. Die Zahlen zum
Längenvergleich auf S. 50 des Planfeststellungsbeschlusses A 4 folgen den Angaben in
der zitierten Unterlage 2 (S. 64). Danach sind die vier untersuchten Varianten etwa
gleich lang. Mit den Kosten eines Tunnels setzt sich der Planfeststellungsbeschluss A 4
auf S. 52 auseinander. Dass bei dem Kostenvergleich Brückenbauwerke außer Betracht
geblieben wären, die im Verlauf der planfestgestellten Trasse vorgesehen sind, ist nicht
substantiiert geltend gemacht und auch nicht ersichtlich. Der von Herrn S. angestellte
Vergleich der Baukosten (planfestgestellte Trasse [Variante A] und Variante B) leidet
daran, dass die Kostenansätze nicht belegt sind. Die Wertung, die Variante A sei mit
den größten Umweltschäden und der Zerstörung von Wassergewinnungsgebieten
hoher und höchster Empfindlichkeit verbunden, während die Variante B nur geringe
Umweltschäden zeitige, lässt die notwendige fachliche Auseinandersetzung mit dem
ökologischen Fachbeitrag vermissen. Sie steht auch im Widerspruch zu der Einleitung
der Stellungnahme, von der Variante B seien 84,57 ha Biotope der Klassen I und II
betroffen, während es sich bei der Variante A um 131,07 ha Biotope der Klassen I und II
handele. Die Erwägungen des Herrn S. deuten insgesamt darauf hin, dass er die
Variante B (von ihm geschätzte Baukosten: 24 Millionen DM) im Vergleich mit der
Variante A (von ihm geschätzte Baukosten: wegen Brücken zwischen 70 und 90
Millionen DM) "schönrechnet". Die Kritik an der lärmtechnischen Untersuchung des
Beigeladenen zu 1. offenbart keinen offensichtlichen Abwägungsmangel.
Der Beklagte hat von der Null-Variante nicht mit fehlerhaften Erwägungen Abstand
genommen. Er hielt wegen des gesetzlichen Bedarfsplans eine Bewertung des
Vorhabens aufgrund einer sogenannten "Null-Variante" oder "Ausbau-Variante" für
entbehrlich (S. 33 PFB A 4), hat jedoch hervorgehoben, dass das Vorhaben ungeachtet
des vom Gesetzgeber gesehenen Bedarfs scheitern könne, wenn ihm Gründe
entgegenstünden, die ein entsprechendes Gewicht besäßen. Der Beklagte hat sich in
der Sache eingehend mit den gegenwärtigen Verkehrsverhältnissen befasst, die
dringend verbesserungsbedürftig seien (S. 41 PFB HTS und S. 36 PFB A 4). Die Null-
Variante - Prognoseverkehrsmenge - ist in der Synopse zur Verkehrsuntersuchung A
4/HTS vom Mai 1992 (Anlage 7) untersucht worden. Der Beklagte hat bei der
Formulierung und Begründung der Planungsziele eine Fülle von Gesichtspunkten
benannt, die dagegen sprechen, von der Planung Abstand zu nehmen.
72
Die Abschnittsbildung ist nicht abwägungsfehlerhaft.
73
Dies gilt zunächst für den im Bedarfsplan vorgesehenen Weiterbau der A 4 in Richtung
Hessen. Der Beklagte hat diesen Umstand berücksichtigt, gleichwohl aber an seiner
(feststel- lungsreifen) Planung für den Raum S. /K. festgehalten (S. 23, 41, 64, 67 PFB A
4), weil der Zeitpunkt des Weiterbaus nicht absehbar sei. Dieses Vorgehen ist
unbedenklich, weil der Weiterbau der A 4 nach Hessen noch ungewiss ist, keine
vollendeten Tatsachen zu Lasten des Weiterbaus geschaffen werden und den beiden
planfestgestellten Straßenbauvorhaben ein vom Weiterbau der A 4 unabhängiger
74
Verkehrswert zukommt. Dass z.B. der "Abzweig B 54" zur Autobahn ausgebaut werden
könnte, wenn die A 4 im Bereich der K. bach Höhe nach Hessen geführt werden sollte,
hat der Beklagte im Schriftsatz vom 8. Mai 2000 dargelegt. Dem ist die Klägerseite nicht
entgegengetreten. Davon unabhängig präjudiziert die planfestgestellte Trasse keine der
Varianten zur Fortsetzung der A 4, die in der Machbarkeitsstudie für eine Autobahn A 4
zwischen K. bach und H. bach (Studie im Auftrag des Bundesministeriums für Verkehr,
Bau- und Wohnungswesen, April 1999) beschrieben worden sind.
Der Beklagte hat gesehen, dass zwischen dem Ausbau der A 4 (in Richtung auf die
HTS) und der HTS ein Zusammenhang besteht. Beide Straßenbauvorhaben erreichen
die erstrebte verkehrliche Wirkung erst, nachdem auch die jeweils andere Maßnahme
umgesetzt ist. Soweit es die HTS betrifft, bliebe ein in der freien Landschaft endender
Planungstorso zurück, wenn der Ausbau der A 4 unterbleiben müsste. Dem hat der
Beklagte dadurch ausreichend Rechnung getragen, dass mit dem Ausbau des
planfestgestellten Abschnitts der HTS erst begonnen werden darf, wenn der
Planfeststellungsbeschluss für den nördlich angrenzenden Abschnitt der HTS
einschließlich der Weiterführung als A 4 bis zur Anschlussstelle W. oder des Abzweigs
B 54 bestandskräftig ist, ein Antrag auf aufschiebende Wirkung einer eventuellen Klage
nicht gestellt oder die aufschiebende Wirkung nicht wiederhergestellt worden ist (S. 15
PFB HTS). Dieser Vorbehalt schließt zwar nicht die Möglichkeit aus, dass der Übergang
der HTS in die A 4 gefährdet werden kann, wenn der die A 4 betreffende
Planfeststellungsbeschluss aufgrund der sofortigen Vollziehbarkeit ausgenutzt, im
Hauptsacheverfahren aber aufgehoben wird. Dieses Restrisiko durfte der Beklagte
jedoch eingehen, ohne gegen das Abwägungsgebot zu verstoßen. Der A 4 mit dem
Abzweig B 54 kommt ansonsten eine selbständige Verkehrsbedeutung zu, so dass sich
insoweit der Beklagte damit begnügen durfte, einen Vorbehalt für die Streckenteile zu
machen, die der Abwicklung des Verkehrs in Richtung der HTS dienen.
75
Der Beklagte hat erkannt, dass gewichtige Belange betroffen sind, soweit für das
Vorhaben Grundbesitz - auch landwirtschaftlich genutzte Flächen - in Anspruch
genommen wird. Er hat sich im Rahmen der Abwägung dafür entscheiden, dem
öffentlichen Interesse an der Verwirklichung des Vorhabens den Vorrang einzuräumen
(S. 101 PFB A 4).
76
Der Planfeststellungsbeschluss A 4 leidet im Hinblick auf die von der A 4 ausgehenden
Immissionen nicht an Mängeln, die offensichtlich und auf das Abwägungsergebnis von
Einfluss gewesen sind und zu mehr als einem Anspruch auf Planergänzung führen
könnten (§ 17 Abs. 6 c FStrG).
77
In dem angefochtenen Planfeststellungsbeschluss ist das gesetzliche Eigentumsrecht
des Klägers mit dem ihm zukommenden Gewicht rechtsfehlerfrei berücksichtigt worden.
Die Inanspruchnahme des Grundeigentums ist wegen der mit dem Vorhaben verfolgten
öffentlichen Interessen gerechtfertigt und zu seiner Verwirklichung erforderlich. Der
Kläger hat seine Sorge, durch die Eigentumsinanspruchnahme werde seine Existenz
oder die Existenz einzelner Mitglieder gefährdet, im Rahmen der Anhörung nicht
substantiiert. Das seinerzeit erhobene Bedenken, die in der Nachbarschaft vorhandenen
Weideflächen reichten bei trockener Witterung schon jetzt nicht aus, ist im
Klageverfahren nicht wieder aufgegriffen worden. Die Befürchtung, das in der Nähe
einer Autobahntrasse gehaltene Vieh werde sich schlechter vermarkten lassen, ist
erstmals in das Klageverfahren eingeführt worden und konnte deshalb den Beklagten
nicht dazu veranlassen, diesem Aspekt abwägend nachzugehen. Es kommt hinzu, dass
78
dieses Bedenken nicht näher konkretisiert worden ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO. Es entspricht der
Billigkeit, nur die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen zu 1. für erstattungsfähig
zu erklären, weil nur er einen Sachantrag gestellt hat und damit ein Kostenrisiko
eingegangen ist. Die Entscheidungen über die Vollstreckbarkeit und die Nichtzulassung
der Revision beruhen auf §§ 167 VwGO, 708 Nr. 10, 711 Satz 1, 713 ZPO, 132 Abs. 2
VwGO.
79