Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 09.02.1999

OVG NRW (kläger, identität, bundesrepublik deutschland, ausländer, vorschrift, 1995, libanon, antrag, aufenthalt, staatenlosigkeit)

Oberverwaltungsgericht NRW, 18 A 4822/96
Datum:
09.02.1999
Gericht:
Oberverwaltungsgericht NRW
Spruchkörper:
18. Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
18 A 4822/96
Vorinstanz:
Verwaltungsgericht Münster, 8 K 3451/95
Tenor:
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Die Kläger tragen die Kosten des Berufungsverfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
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Die Kläger zu 1. und 2. reisten im Februar 1990 zusammen mit ihren Kindern A. , S. , B. ,
N. und B. , den Klägern zu 3. bis 7. mit einem gefälschten libanesischen Laissez Passer
in die Bundesrepublik Deutschland ein. Sie bezeichneten sich als, staatenlose Kurden
aus dem Libanon und gaben als Geburtsort C. an. Die Klägerin zu 8. wurde am 25.
Oktober 1990 im Bundesgebiet geboren. Nach erfolglosem Asylverfahren der Kläger zu
1. bis 7. wurden alle Kläger wegen fehlender Paßpapiere geduldet. Seit ihrer Einreise
haben die Kläger zur Bestreitung ihres Lebensunterhalts ununterbrochen zunächst
Sozialhilfe nach dem Bundessozialhilfegesetz und zuletzt Leistungen nach dem
Asylbewerberleistungsgesetz erhalten.
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Die Kläger beantragten mehrmals, zuletzt unter dem 24. Juni 1994, die Erteilung von
Aufenthaltsbefugnissen. Sie begründeten ihren Antrag mit ihrer Staatenlosigkeit und
ihrer Paßlosigkeit. Sie wiesen darauf hin, daß der Libanon nicht bereit sei, ihnen
Reisedokumente auszustellen. Der Beklagte beantragte bei der libanesischen Botschaft
vergeblich Paßersatzpapiere für die Kläger. Die Botschaft teilte sinngemäß mit, dem
Antrag ohne ein Permis de Sejour und einen Paß nicht entsprechen zu können.
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Der Beklagte lehnte den Antrag durch Bescheid vom 2. Dezember 1994 ab. Den
hiergegen eingelegten Widerspruch wies der Oberkreisdirektor des Kreises T. durch
Widerspruchsbescheid vom 7. November 1995 zurück.
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Die Kläger haben am 21. November 1995 Klage erhoben. Sie sind der Ansicht, daß ihr
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Aufenthalt in Deutschland nicht über Kettenduldungen zu regeln sei. Sie hätten sowohl
nach der Härtefallregelung der Innenministerkonferenz vom 29. März 1996 als auch
wegen ihrer Staatenlosigkeit einen Anspruch auf Erteilung von Aufenthaltsbefugnissen.
Die Kläger haben beantragt,
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den Bescheid des Beklagten vom 2. Dezember 1994 in der Fassung des
Widerspruchsbescheides des Oberkreisdirektors des Kreises T. vom 7. November 1995
aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, ihnen Aufenthaltsbefugnisse zu erteilen.
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Der Beklagte hat beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Das Verwaltungsgericht hat durch den angefochtenen Gerichtsbescheid, auf den Bezug
genommen wird, die Klage abgewiesen.
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Die Kläger haben fristgerecht Berufung eingelegt. Sie wiederholen und vertiefen ihr
bisheriges Vorbringen und beantragen,
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den angefochtenen Gerichtsbescheid zu ändern und ihrem erstinstanzlich gestellten
Antrag zu entsprechen, hilfsweise den Beklagten zu verpflichten, ihren Antrag auf
Erteilung von Aufenthaltsbefugnissen unter Beachtung der Rechtsauffassung des
Gerichts neu zu bescheiden.
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Der Beklagte beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Die Beteiligten haben sich übereinstimmend mit einer Entscheidung über die Berufung
durch den Berichterstatter des Senats einverstanden erklärt.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der
Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.
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Entscheidungsgründe:
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Die Berufung ist nicht begründet. Die Klage bleibt sowohl mit dem Hauptantrag als auch
mit dem Hilfsantrag erfolglos.
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Die Kläger haben keinen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltsbefugnis.
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Der Erteilung von Aufenthaltsbefugnissen an die Kläger steht bereits entgegen, daß ihre
Identität nicht geklärt ist.
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Nach § 41 Abs. 1 AuslG sind bei bestehenden Zweifeln über die Person des Ausländers
die zur Feststellung seiner Identität erforderlichen Maßnahmen zu treffen, wenn der
Ausländer u. a. eine Aufenthaltsgenehmigung - also etwa auch eine
Aufenthaltsbefugnis, § 5 Nr. 4 AuslG - erteilt werden soll. Diese Vorschrift stellt klar, daß
auf die Identitätsfeststellung vor Erteilung eines Aufenthaltstitels nicht verzichtet werden
kann.
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Vgl. Hailbronner, Ausländerrecht, § 41 Rn. 7.
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Die Aufklärung der Identität des Ausländers ist zwingend.
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Vgl. GK-AuslR, § 41 Rn. 12.
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Führen die Maßnahmen zur Feststellung der Identität nicht zum Erfolg, so kommt die
Erteilung einer Aufenthaltsgenehmigung in der Regel nicht in Betracht, wenn der
Ausländer die Gründe hierfür zu vertreten hat.
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Vgl. Senatsbeschluß vom 5. Februar 1999 - 18 A 1765/94 -; BayVGH, Beschluß vom 9.
Juni 1998 - 10 CE 98.797 -; Kloesel/Christ/Häußer, Deutsches Ausländerrecht, § 41 Rn.
12.
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Dies ergibt sich bereits aus § 8 Abs. 1 Nr. 4 AuslG. Danach wird eine
Aufenthaltsgenehmigung versagt, wenn die Identität des Ausländers ungeklärt ist und er
- wie auch hier wegen fehlenden Passes - keine Berechtigung zur Rückkehr in einen
anderen Staat besitzt. Hiervon sieht § 9 Abs. 1 Nr. 3 AuslG eine Ausnahme nur in einem
begründeten Einzelfall vor, der grundsätzlich nicht vorliegt, wenn ein Ausländer seine
ungeklärte Identität - wie vorliegend - in vorwerfbarer Weise selbst verursacht hat.
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Die vorgenommene Bewertung steht nicht im Widerspruch zu § 30 Abs. 3 und 4 AuslG,
wonach eine Aufenthaltsbefugnis abweichend von § 8 Abs. 1 Nr. 4 AuslG, also auch bei
ungeklärter Identität des Ausländers, erteilt werden kann. Mit § 30 AuslG hat der
Gesetzgeber eine Auffangreglung für atypische Geschehensabläufe geschaffen, die es
rechtfertigen, abweichend von im allgemeinen zu erfüllenden
Anspruchsvoraussetzungen eine Aufenthaltsgenehmigung zu erteilen. Indessen liegt
die dort vorausgesetzte Ausnahmesituation bei den Klägern nicht vor. Die sich vom
Normalfall der ungeklärten Identität wesentlich abhebenden besonderen Umstände des
hier zu beurteilenden Falles rechtfertigen es nicht, hinsichtlich der Kläger
ausnahmsweise auf eine Identitätsfeststellung zu verzichten.
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Die Kläger sind ihrer Mitwirkungspflicht bei der Aufklärung ihrer Identität nicht
hinreichend nachgekommen. Wenn auch insoweit die Ausländerbehörde durch § 41
AuslG gehalten ist, die erforderlichen Maßnahmen zu treffen, so ist sie doch auf die
Mithilfe des Ausländers angewiesen, den letztlich - wie für die übrigen
anspruchsbegründenden Umstände - auch insoweit die Darlegungs- und Beweislast
trifft. Zwar ist es für einen Ausländer schwer zu beweisen, seine Identität nicht belegen
zu können. Gerade deshalb kommt aber seinem Vortrag besondere Bedeutung zu. Dem
Ausländer obliegt - wie § 70 Abs. 1 AuslG für das Verwaltungsverfahren und § 86 Abs. 1
Hs. 2 VwGO für das Gerichtsverfahren verdeutlichen - eine Pflicht zur Mitwirkung bei der
Aufklärung des Sachverhalts. Er hat alle Umstände, die einen Rückschluß auf seine
Identität zulassen, schlüssig vorzutragen und ggf. zu belegen. Dazu hat er unter Angabe
genauer Einzelheiten einen in sich stimmigen Sachverhalt zu schildern. Läßt er es an
konkreten Angaben fehlen, ist das Gericht nicht verpflichtet, von sich aus Ermittlungen
anzustellen.
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Vgl. hierzu Senatsurteil vom 30. September 1997 - 18 A 1198/95 -.
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So ist es hier. Es wirkt zu Lasten aller Kläger, daß die Kläger zu 1. bis 7. mit gefälschten
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Personalpapieren (hier: gefälschter libanesischer Laissez Passer) nach Deutschland
eingereist sind und bisher ernsthafte, nur ihnen mögliche Bemühungen zum Nachweis
ihrer Identität, namentlich zur Beschaffung eines Passes bzw. eines Paßersatzpapieres,
unterlassen haben. In derartigen Fällen hat ein Ausländer die sich aus seinem
Verhalten ergebenden Nachteile grundsätzlich hinzunehmen und kann nicht darauf
vertrauen, eine Aufenthaltsgenehmigung zu erhalten. Vgl. BVerwG, Beschluß vom 30.
April 1997 - 1 B 74/97 -, Juris Dokn. 524806.
Zugunsten der Kläger kann nicht berücksichtigt werden, daß der Beklagte vergeblich
versucht hat, bei der libanesischen Botschaft für sie Paßersatzpapiere zu bekommen.
Die Botschaft versagte die Ausstellung der Papiere nicht prinzipiell, sondern weil
bezüglich der Kläger kein Permis des Sejour und kein Paß vorgelegt werden konnte,
letztlich also, weil deren Identität unklar ist. Allein damit ist nicht der von den Klägern zu
erbringende Nachweis zu führen, daß es ihnen unter Aufbietung aller zur Verfügung
stehenden Möglichkeiten nicht möglich ist, ihre Identität nachzuweisen.
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Weitere Bemühungen zur Klärung ihrer Identität haben die Kläger nicht aufzubieten. So
gibt es nicht einen einzigen Hinweis dafür, daß sich die Kläger ggf. unter Einschaltung
einer Mittelsperson direkt im Libanon um Dokumente und Auskünfte bemüht haben, die
Aufschluß über ihre Identität geben könnten, wobei anzumerken ist, daß regelmäßig nur
amtliche Dokumente und Auskünfte zur Beweisführung geeignet sein dürften. Zu deren
Beschaffung ist es grundsätzlich auch zumutbar, einen Rechtsanwalt im Herkunftsland
zu beauftragen. Möglicherweise können auch andere Familienmitglieder bei der
Aufklärung der Identität behilflich sein. Es ist nicht auszuschließen, daß diese über
schriftliche Unterlagen zu den Abstammungsverhältnissen bezüglich der Kläger
verfügen.
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Des weiteren erfüllen die Kläger für die Erteilung einer Aufenthaltsbefugnis weder die
Voraussetzungen der Härtefallregelung für ausländische Familien mit langjährigem
Aufenthalt, Az.: SIK 09/25-1 - IMK-Beschluß vom 29. März 1996 - (MBl NW 1996 S.
1411, 1412), noch - sofern neben der Härtefallregelung überhaupt anwendbar - die
Anforderungen des § 30 AuslG.
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Auf die vorgenannte Härtefallregelung, die eine bundeseinheitliche Regelung im Sinne
von § 32 AuslG darstellt, können sich die Kläger nicht berufen, weil sie die dort ge
forderten Integrationsleistungen nicht erbringen. Ihrem Begehren steht bereits entgegen,
daß sie die Paßpflicht nicht erfüllen (vgl. III. 2. a.a.O.). Denn die Kläger zu 1. bis 7., die
den Libanon nach ihrem Vorbringen mit gefälschten Papieren, die sie anschließend
vernichteten, verlassen haben, sind ohne Reisedokument in die Bundesrepublik
Deutschland eingereist und alle Kläger besitzen keine gültigen Ausweispapiere. Ob die
in der Härtefallregelung uneingeschränkt aufgestellte Paßpflicht als erfüllt gilt, wenn der
Ausländer seinen Mitwirkungspflichten nachgekommen ist, gleichwohl aber ein Paß
noch nicht erlangt werden konnte (vgl. Innenministerium des Landes Nordrhein-
Westfalen, Runderlaß vom 10. Juni 1996 - I B 3/44.40 -, Nr. 5.), kann offenbleiben. Es ist
nämlich aus den vorstehend dargestellten Gründen weder von den Klägern substantiiert
vorgetragen worden noch sonst ersichtlich, daß sie ihren Mitwirkungspflichten
nachgekommen sind und dennoch einen Paß nicht erlangen konnten. Ihr Vorbringen
erschöpft sich darin, daß der Libanon nicht bereit sei, ihnen Reisedokumente
auszustellen. Das ist völlig unzureichend. Die Kläger haben vielmehr nachzuweisen,
daß ihnen die Beschaffung eines Passes unmöglich oder unzumutbar ist. Sie
verkennen, daß der Besitz eines gültigen Passes zu den Obliegenheiten eines
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Ausländers gehört (vgl. § 4 Abs. 1 AuslG) und zudem ein ausreisepflichtiger Ausländer -
wie die Kläger - alle zur Erfüllung seiner Ausreisepflicht erforderlichen Maßnahmen, und
damit auch die Beschaffung eines gültigen Passes oder zumindest eines
Paßersatzpapieres, grundsätzlich ohne besondere Aufforderung durch die
Ausländerbehörde unverzüglich einzuleiten hat.
Vgl. Senatsbeschluß vom 15. April 1997 - 18 B 811/97 -.
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Die Anwendung der Altfallregelung scheitert weiter daran, daß die Kläger ihren
Lebensunterhalt seit Jahren ununterbrochen zunächst durch laufende Hilfe zum
Lebensunterhalt nach dem Bundessozialhilfegesetz und anschließend durch - der
Sozialhilfe gleichzustellende - Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz
bestritten haben (vgl. III. 2. a) a.a.O.) und keine der in der vorbezeichneten Regelung
aufgeführten Ausnahmetatbestände vorliegt.
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Es kann dahinstehen, ob angesichts der vorstehend genannten Härtefallregelung für
eine Einzelfallprüfung nach § 30 AuslG noch Raum ist.
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Vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 19. März 1996 - 1 C 34.93 -, InfAuslR 1996, 392, 394.
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Die Kläger erfüllen bereits nicht die gesetzlichen Voraussetzungen für die Erteilung
einer Aufenthaltsbefugnis nach dieser Norm.
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Auf § 30 Abs. 1 AuslG können sie ihr Begehren schon deshalb nicht stützen, weil diese
Vorschrift nicht für Ausländer gilt, die sich bereits im Bundesgebiet aufhalten. Dies ergibt
sich daraus, daß die Vorschrift von "Einreise und Aufenthalt" spricht, die erst noch
erlaubt werden "soll".
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Vgl. BVerwG, Urteil vom 3. Juni 1997 - 1 C 7.96 -, InfAuslR 1997, 391, 393.
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Des weiteren ist § 30 Abs. 2 AuslG gemäß Abs. 5 dieser Vorschrift auf die Kläger zu 1.
bis 7. schon deshalb nicht anwendbar, weil deren Asylantrag unanfechtbar abgelehnt
worden ist. Die Vorschrift hilft aber auch der Klägerin zu 8. nicht weiter; denn es fehlt für
diese jedenfalls an dem vorausgesetzten rechtmäßigen Aufenthalt im Bundesgebiet.
Der Aufenthalt dieser Klägerin ist - wie auch derjenige die übrigen Familienangehörigen
- lediglich geduldet.
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Auch die Voraussetzungen des § 30 Abs. 3 und 4 AuslG liegen nicht vor. Es fehlt bereits
an einem - in beiden Absätzen vorausgesetzten - Abschiebungshindernis. Ein solches
ergibt sich nicht aus der hier nur in Betracht kommenden Paßlosigkeit der Kläger. § 30
Abs. 3 und 4 AuslG setzten jeweils voraus, daß der Ausländer das
Abschiebungshindernis nicht zu vertreten hat bzw. er sich nicht weigert, zumutbare
Anforderungen zu dessen Beseitigung zu erfüllen. Damit wird eine Mitwirkungspflicht
der Kläger bei der Paßbeschaffung vorausgesetzt, die diese - wie bereits oben
dargestellt - nicht erfüllen. In derartigen Fällen hat ein Ausländer die sich aus seinem
Verhalten ergebenden Nachteile grundsätzlich hinzunehmen und kann nicht darauf
vertrauen, eine Aufenthaltsgenehmigung zu erhalten.
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Vgl. hierzu BVerwG, Beschluß vom 30. April 1997 - 1 B 74/97 -, Juris Doknr. 524806.
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Schließlich kommt die Erteilung von Aufenthaltsbefugnissen nach § 30 Abs. 3 und 4
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AuslG auch deshalb nicht in Betracht, weil es sich hierbei um eine Ermessensnorm
handelt und die auf sie anwendbaren Regelversagungsgründe im Sinne von § 7 Abs. 2
AuslG vorliegen. Diese Vorschrift ist mangels einer einschränkenden Regelung, wie sie
§ 30 Abs. 1 Alt. 2 AuslG aufweist, in den Fällen des § 30 Abs. 3 und 4 AuslG
anwendbar.
Vgl. Senatsbeschluß vom 29. Dezember 1998 - 18 A 4822/96 -.
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Bei den Klägern greift der Regelversagungsgrund des § 7 Abs. 2 Nr. 2 AuslG ein, da sie
ihren Lebensunterhalt nicht eigenständig, das heißt ohne Inanspruchnahme öffentlicher
Mittel, sondern nur mittels Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz
bestreiten können.
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Eine Ausnahme von der Regel des § 7 Abs. 2 AuslG greift nicht ein. Ob ein Regelfall
gegeben ist, unterliegt voller gerichtlicher Nachprüfung. Die Worte "in der Regel" in § 7
Abs. 2 AuslG beziehen sich auf Regelfälle, die sich nicht durch besondere Umstände
von der Menge gleichliegender Fälle unterscheiden. Ausnahmefälle sind durch einen
atypischen Geschehensablauf gekennzeichnet, der so bedeutsam ist, daß er jedenfalls
das sonst ausschlaggebende Gewicht des gesetzlichen Regelversagungsgrundes
beseitigt. Ist danach ein Regelfall gegeben, ist der Ausländerbehörde bei Vorliegen
eines der in Abs. 2 genannten Regelversagungsgründe kein Ermessen bei der
Entscheidung über die Aufenthaltsgenehmigung eingeräumt; diese muß vielmehr
versagt werden.
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Vgl. BVerwG, Urteil vom 15. Dezember 1995 - 1 C 31.93 -, InfAuslR 1996, 168.
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Anhaltspunkte, die das Vorliegen eines Ausnahmefalles begründen können, sind nicht
erkennbar und von den Klägern auch nicht dargelegt. Dies gilt insbesondere auch mit
Blick darauf, daß die gesamte Familie während ihres langjährigen Aufenthalts im
Bundesgebiet offensichtlich durchgehend Sozialhilfe in der Form der Hilfe zum
Lebensunterhalt bzw. Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz bezogen hat.
Es sind weder Gründe vorgetragen worden noch ersichtlich, nach denen eine
Arbeitsaufnahme für alle Familienangehörigen unmöglich oder unzumutbar war. Zwar
dürfte die Klägerin zu 2., die Mutter der Kläger zu 3. bis 8., infolge der Versorgung der
großen Familie kaum in der Lage gewesen sein, einer entgeltlichen Erwerbstätigkeit
nachzugehen. Auch kann von schulpflichtigen Kindern jedenfalls während der Zeit des
Schulbesuchs keine Erwerbstätigkeit erwartet werden. Dagegen war es dem Kläger zu
1. zumutbar, durch eine Arbeitsaufnahme zur Sicherung des Lebensunterhaltes seiner
Familie beizutragen. Sein diesbezüglich passives Verhalten haben sich die übrigen
Familienmitglieder ebenso zurechnen zu lassen wie die minderjährigen Kläger zu 3. bis
8. das übrige zum Anspruchsausschluß führende Verhalten ihrer Eltern, den Klägern zu
1. und 2.
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Vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 24. Oktober 1995 - 1 C 29.94 -, BVerwGE 99, 341, 349,
und Beschluß vom 30. April 1997 - 1 B 74.97 -, a.a.O.
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Schließlich führt entgegen der Auffassung der Kläger die von ihnen behauptete
Staatenlosigkeit auf kein Aufenthaltsrecht. In der Rechtsprechung des Senats ist es
geklärt, daß Staatenlosigkeit einem Ausländer kein vom Ausländergesetz
unabhängiges Bleiberecht vermittelt.
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Vgl. Senatsbeschluß vom 25. Mai 1993 - 18 A 3287/91 - unter Hinweis auf Urteil des
Senats vom 26. Mai 1987 - 18 A 2811/84 -, InfAuslR 1988, 70, und vom 14. Februar
1989 - 18 A 858/87 -, InfAuslR 1989, 271.
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Der auf eine Verpflichtung des Beklagten zur Neubescheidung gerichtete Hilfsantrag
bleibt erfolglos, weil - wie dargelegt - die Erteilung einer Aufenthaltsbefugnis bereits aus
Rechtsgründen versagt werden muß.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Entscheidung über die
vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 167 VwGO iVm §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.
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Ein Grund für die Zulassung der Revision (§ 132 Abs. 2, § 137 Abs. 1 VwGO) liegt nicht
vor.
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