Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 10.12.2004
OVG NRW: flughafen, vergleich, auflage, zahl, luftverkehr, start, vereinigtes königreich, angemessener ersatz, schallschutz, beschränkung
Datum:
Gericht:
Spruchkörper:
Entscheidungsart:
Tenor:
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Aktenzeichen:
Oberverwaltungsgericht NRW, 20 D 155/00.AK
10.12.2004
Oberverwaltungsgericht NRW
20. Senat
Urteil
20 D 155/00.AK
Die Klagen werden abgewiesen.
Die Klägerinnen und Kläger tragen die Kosten ihrer jeweiligen Verfahren,
die bis zur Verbindung entstanden sind. Von den Kosten nach der
Verbindung tragen die Klägerinnen der Verfahren zu 1. und 2. sowie der
Kläger des Verfahrens zu 3. je 5/29 und die Klägerinnen und Kläger in
den Verfahren zu 4. und 5. je 1/29 der Kosten. Die außergerichtlichen
Kosten der Beigeladenen sind erstattungsfähig.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige
Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung
in Höhe des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht der
jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in
entsprechender Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerinnen und Kläger (im Weiteren: Kläger) sind Gemeinden und Private aus der
Umgebung des von der Beigeladenen betriebenen Verkehrsflughafens Düsseldorf. Sie
wenden sich gegen die mit der angefochtenen Genehmigung zugelassene Erhöhung der
Flugbewegungen an diesem Flughafen.
Die beiden Gemeinden (Klägerinnen der Verfahren zu 1. und 2.) liegen mit dicht
besiedelten Ortsteilen (C. und U. ) in der nordöstlichen bzw. südwestlichen Verlängerung
der Hauptstart- und -landebahn des Flughafens. Sie besitzen öffentliche Einrichtungen
(Schulen, Kindertagesstätten, Kindergärten, Altentagesstätten, Wohnheime und Friedhöfe)
sowie Wohngrundstücke im Flughafennahbereich. Der Kläger des Verfahrens zu 3. betreibt
Krankenanstalten auf Flächen nordwestlich der Parallelbahn des Flughafens. Die übrigen
Klägerinnen und Kläger sind Eigentümer selbstgenutzter Grundstücke in E. , N. und S. ,
seitlich oder unterhalb der An- und Abflugstrecken.
Der Verkehrsflughafen Düsseldorf verfügt über ein abhängiges Parallelbahnsystem. Im
Zusammenhang mit Auseinandersetzungen um die Verlängerung der Hauptbahn und den
Bau der zweiten Bahn schlossen u.a. die Beigeladene und Gemeinden des damaligen
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Amtes Angerland am 13. Mai 1965 einen Vergleich, den so genannten Angerland-
Vergleich, in dem einem Generalausbauplan, der die Parallelbahn umfasst, als
Endausbauzustand zugestimmt und die Nutzung der zweiten Bahn beschränkt wurde.
Vergleich a) 1. Teil A II lautet:
"Die beigeladene DFG erklärt: Die im Generalausbauplan ... vorgesehene Parallelbahn ist
eine Ausweichbahn, d.h. diese Bahn wird ... nur in den Zeiten der Betriebsunterbrechung
der Hauptstartbahn und sonst in den Zeiten des Spitzenverkehrs über Tage betrieben. ..."
In der Genehmigung zur Erweiterung der Anlage um die Parallelbahn (im Folgenden:
Erweiterungsgenehmigung) vom 3. Oktober 1976 ist unter Auflage Nr. 6 verfügt:
"Die Anzahl der Flugbewegungen auf den Start- und Landebahnen 06 R/24 L und 06 L/24
R darf die mögliche Endkapazität der vorhandenen Start- und Landebahn 06/24 nicht
übersteigen. Deshalb dürfen 91.000 Flugbewegungen in den sechs verkehrsreichsten
Monaten des Jahres nicht überschritten werden."
Der Plan für die Parallelstart- und -landebahn wurde dann mit Beschluss vom 16.
Dezember 1983 und Planänderungsbeschluss vom 18. November 1985 festgestellt. In
Anpassung an das Ergebnis dieses Planfeststellungsverfahrens wurden die
flugbewegungsbegrenzenden Betriebsregelungen der Auflagen Nrn. 5 und 6 der
Erweiterungsgenehmigung durch Bescheid vom 25. November 1992 neu gefasst:
Auflage Nr. 5:
"Die Start- und Landebahn 06 L/24 R - jetzt 05 L/23 R - darf nur in den Zeiten der
Betriebsunterbrechung der Start- und Landebahn 06 R/24 L und sonst in den Zeiten des
Spitzenverkehrs über Tage (06.00 - 22.00 Uhr Ortszeit) benutzt werden.
Zeiten des Spitzenverkehrs sind dann gegeben, wenn für Luftfahrzeuge im Luftraum oder
am Boden Wartezeiten bestehen."
Auflage Nr. 6:
"Die Anzahl der Flugzeugbewegungen auf den Start- und Landebahnen 06 R/24 L und 06
L/24 R - jetzt 05 R/23 L und 05 L/23 R - darf die mögliche Endkapazität der vorhandenen
Start- und Landebahn 06/24 - jetzt 05/24 - nicht übersteigen. Deshalb darf die Zahl von
91.000 Flugzeugbewegungen, davon 71.000 Bewegungen im gewerblichen Luftverkehr mit
Flugzeugen über 5,7 t höchstzulässiger Startmasse, in den sechs verkehrsreichsten
Monaten eines Jahres auf dem Parallelbahnsystem nicht überschritten werden.
Darüber hinaus dürfen die vom Flugplankoordinator der Bundesrepublik Deutschland ...
koordinierten Flüge im gewerblichen Luftverkehr mit Flugzeugen über 5,7 t
höchstzulässiger Startmasse die Zahl von 34 Flugzeugbewegungen pro Stunde (Eckwert)
nicht übersteigen.
Der vorgenannte Eckwert von 34 Flugzeugbewegungen darf nur in bis zu sechs Stunden
zwischen 06.00 Uhr und 22.00 Uhr ausgeschöpft werden. In den übrigen Stunden
zwischen 06.00 Uhr und 22.00 Uhr dürfen nicht mehr als 30 Flugzeugbewegungen pro
Stunde koordiniert werden."
Bevor die Auflage Nr. 6 Beachtung verlangt hätte - was infolge der aufschiebenden
Wirkung anhängiger Klagen bis zum Juni 2000 nicht der Fall war -, ersetzte der Beklagte
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sie zunächst durch eine "Genehmigung zur Änderung der Betriebsregelung für das
Parallelbahnsystem des Verkehrsflughafens Düsseldorf" vom 10. Dezember 1997 (MBl.
NRW 1998, 912 - so genannte "Lärmkontingent- Genehmigung"), hob diese aber mit
Bescheid vom 28. März 2001 ersatzlos auf, nachdem sie durch den erkennenden Senat in
mehreren Verfahren mit Wirkung vom 1. November 1999 außer Vollzug gesetzt worden war
(Beschlüsse vom 28. Mai 1999 - 20 B 675/98.AK u.a.).
Die Beigeladene beantragte daraufhin unter dem 26. August 1999 die Erteilung einer
neuen Genehmigung, mit der u.a. die Auflage Nr. 6 auf ihren bisherigen Satz 1 beschränkt
werden sollte ("Hauptantrag"). Ergänzend beantragte sie unter dem 1. September 1999, für
die Zeit bis zur Erteilung der neuen Genehmigung die in den sechs verkehrsreichsten
Monaten des Jahres 1999 koordinierten Flugzeugbewegungen zuzulassen
("Interimsantrag").
Der Beklagte setzte zunächst durch eine von ihm so bezeichnete "Interimsgenehmigung"
vom 2. November 1999 die Anzahl der Flugzeugbewegungen in den sechs
verkehrsreichsten Monaten eines Jahres im Linien- und Charterflugverkehr
übergangsweise auf höchstens 95.600 fest; ferner legte er neue Stundeneckwerte als
Vorgaben für die Flughafenkoordinierung fest. Die Interimsgenehmigung sollte bis zur
Entscheidung über den Hauptantrag, längstens bis zum 24. März 2001 gelten. Sowohl die
vorläufigen Rechtsschutzverfahren wie die Klageverfahren hierzu sind abgeschlossen
(OVG NRW, Beschlüsse vom 5. Mai 2000 - 20 B 2119/99.AK u.a. - und Urteile vom 10.
Oktober 2002 - 20 D 131/99.AK u.a. -).
Im Genehmigungsverfahren zur Erteilung der vorliegend streitigen Änderungsgenehmigung
- auf den oben bezeichneten "Hauptantrag" der Beigeladenen hin - beauftragte der
Beklagte die Bezirksregierung E. mit der Durchführung eines Beteiligungsverfahrens. Der
Öffentlichkeit und den betroffenen Gemeinden, unter anderem den Klägerinnen der
Verfahren zu 1. und 2., wurde unter Auslegung der Antragsunterlagen, die durch das
Kapazitätsgutachten des Prof. Dr. N. vom Januar 1995 ergänzt wurden, Gelegenheit zur
Stellungnahme gegeben. Hiervon haben die Kläger Gebrauch gemacht.
Unter dem 21. September 2000 erteilte der Beklagte sodann die angefochtene
"Genehmigung zur Änderung der Betriebsregelung für das Parallelbahnsystem" (so
genannte "Einbahnkapazitäts-Genehmigung", MBl. NRW 2000, 1523 - im Folgenden:
Änderungsgenehmigung). Mit ihr wurden - unter Ablehnung des Antrags im Übrigen - die
Auflagen Nrn. 6 und 9 der Betriebsgenehmigung neu gefasst. Unter Nr. 6.1 heißt es, die
Anzahl der Flugzeugbewegungen auf den Start- und Landebahnen dürfe die mögliche
Endkapazität der Hauptstart- und -landebahn nicht übersteigen. Unter Nr. 6.2 werden für
den Linien- und Charterflugverkehr Koordinierungseckwerte für einzelne Zeiträume
festgelegt, nämlich zwischen 6.00 und 21.00 Uhr 36 Slots pro Stunde, zwischen 21.00 und
22.00 Uhr 35 Slots und zwischen 22.00 und 23.00 Uhr in der Winterflugplanperiode 15, in
der Sommerflugplanperiode 25 Slots. Maßgebend für die Einhaltung der Eckwerte ist der
jeweils letzte Stand der Koordination vor dem Flugereignis. Unter Nr. 6.3 ist eine
Erweiterungsstufe festgelegt, in der unter näher bezeichneten Voraussetzungen ab der
Sommerflugplanperiode 2001 eine Erhöhung des Eckwertes für die Zeit von 6.00 bis 21.00
Uhr um bis zu 2 Slots pro Stunde, insgesamt also 38 Slots, im Linien- und
Charterflugverkehr zulässig ist. Für "sonstige Flüge nach Instrumentenflugregeln" gestattet
Nr. 6.4 eine Koordinierung von zusätzlich 2 Flugzeugbewegungen pro Stunde. Auflage Nr.
9.1 definiert ein Tagschutzgebiet durch die Grenzlinie eines äquivalenten
Dauerschallpegels nach Fluglärmgesetz von 62 dB(A) (Karte 1 zur Genehmigung), Auflage
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Nr. 9.2 ein Nachtschutzgebiet durch eine Grenzlinie von 6 Maximalpegeln mit (mindestens)
75 dB(A) (Karte 6 zur Genehmigung). Innerhalb dieser Gebiete hat die Beigeladene nach
näher bestimmten Maßgaben Eigentümern Aufwendungen für bauliche
Schallschutzmaßnahmen zu erstatten. Unter Nr. 10 ist ein Auflagenvorbehalt angefügt. Die
Änderungsgenehmigung ist der Beigeladenen zugestellt und öffentlich bekanntgemacht
worden.
Die Kläger haben gegen die Änderungsgenehmigung jeweils rechtzeitig Klage erhoben,
die der Senat zur gemeinsamen Entscheidung verbunden hat, und wegen der Anordnung
der sofortigen Vollziehung um vorläufigen Rechtsschutz nachgesucht, der vom
erkennenden Senat abgelehnt worden ist (Beschlüsse vom 24. Mai 2002 - 20 B
1600/00.AK, 1632/00.AK, 1802/00.AK, 1861/00.AK und 730/01.AK -, im Weiteren:
Beschlüsse 2002).
Da in den Beschlüssen Bedenken gegen die Ordnungsmäßigkeit der Abwägung der
berührten Belange erhoben worden waren, hat der Beklagte während des Klageverfahrens
ein so genanntes ergänzendes Verfahren durchgeführt und dieses mit einer Entscheidung
vom 5. Juni 2003 (im Folgenden: ergänzende Entscheidung) abgeschlossen. Darin sind
die Auflagen Nrn. 9.1 und 9.3 der Änderungsgenehmigung neu gefasst worden. Das
Tagschutzgebiet wird nunmehr durch die Grenzlinie eines äquivalenten Dauerschallpegels
(Leq3) von 60 dB(A) bestimmt (Karte 1 der ergänzende Entscheidung).
Erstattungsansprüche bestehen auch, soweit sie auf der Grundlage der bisherigen
Regelungen noch nicht geltend gemacht worden waren; die Begrenzung auf einen
prozentualen Höchstbetrag ist fallengelassen und schließlich wird insofern ein
Nacherstattungsanspruch in Höhe des Differenzbetrages zwischen den tatsächlich
aufgewendeten Kosten und dem bisherigen Erstattungsbetrag begründet. In Nr. 9.3 wird die
Zahlung einer Entschädigung für die Nutzungsbeeinträchtigung bestimmter
Außenwohnbereiche angeordnet. Das Entschädigungsgebiet wird durch die Grenzlinie
eines äquivalenten Dauerschallpegels von 65 dB(A) gebildet (Karte 2 zur ergänzenden
Entscheidung), der Entschädigungsbetrag beträgt 2 % des nach näherer Maßgabe zu
ermittelnden Verkehrswertes des Grundstücks. Die ergänzende Entscheidung ist der
Beigeladenen am 6. Juni 2003 mit Empfangsbekenntnis zugeleitet worden. Die Kläger
haben sie über das Gericht erhalten.
Zur Begründung ihrer Klage greifen die Kläger die Änderungsgenehmigung in der Fassung
des ergänzenden Bescheides umfassend an und machen im Wesentlichen geltend:
Die Genehmigung bleibe auch in der nachgebesserten Form rechtswidrig und verletze sie
in ihren Rechten. Sie sei zahlenmäßig unbestimmt und widersprüchlich. Das Kriterium der
Einbahnkapazität, das als begrenzendes Betriebselement aus dem Angerland-Vergleich
herzuleiten sei, sei unbestimmt und damit ungeeignet, eine Begrenzung des Betriebs zu
bewirken. Die festgelegten Koordinierungseckwerte definierten die Einbahnkapazität nicht
hinreichend und seien zur Festlegung der maximalen Flugbewegungszahl ungeeignet, wie
die unterschiedlichen Zahlenangaben in der Änderungsgenehmigung belegten. Die
Einbahnkapazität werde vom Beklagten wegen fehlerhafter Gutachten zu hoch angesetzt.
Dies weise insbesondere die von der Klägerin des Verfahrens zu 2. in der mündlichen
Verhandlung vorgelegte Gutachterliche Stellungnahme der g. B. D. & Partners vom 16.
November 2004 nach. Es dürften nur so viele Slots vergeben werden, wie vollständig auf
der Hauptbahn abgewickelt werden könnten. Eine darüber hinausgehende Mitbenutzung
der Parallelbahn verstoße gegen den Angerland- Vergleich. Zur Festsetzung von
Koordinierungseckwerten sei der Beklagte auch nicht zuständig.
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Auch die übrigen vom Beklagten ausgewerteten Gutachten seien falsch. Das gelte
insbesondere für das lärmphysikalische und das lärmmedizinische Gutachten, das
Gutachten über die Luftverunreinigungen und das Flugsicherheitsgutachten. Das
lärmphysikalische Gutachten beruhe mit der "AzB99" auf einer unbekannten und ihnen,
den Klägern, lange Zeit nicht zugänglichen Grundlage. Das Betriebsrichtungsverhältnis sei
mit 80:20 falsch ermittelt. Eine solche idealtypische Verteilung sei in der Praxis nicht
erreichbar; tatsächlich schwanke es in Kurzzeiträumen zwischen 20 und 60 %, im längeren
Mittel zwischen 20 und 30 %. Die gebotene worst-case-Betrachtung der Lärmbelastung in
Kurzzeiträumen mit jeweils 100 % Starts oder Landungen (100:100-Betrachtung) sei nicht
angestellt worden. Die angenommenen Flugrouten seien überholt; insofern hätte, jedenfalls
im Zeitpunkt der ergänzenden Entscheidung, eine vorsorgliche Alternativbetrachtung
erfolgen müssen. Da dies nicht geschehen sei, sei denkbarer Flugverkehr nicht
abgewogen worden. Die Berücksichtigung der Flugroutenänderungen vom 13. Juli und 25.
Oktober 2000 im Datenerfassungssystem (DES) des Flughafens hätte dessen Ergebnisse
verändert und das Abwägungsergebnis beeinflusst; insofern beantragen die Kläger der
Verfahren zu 3. und 4. hilfsweise, Beweis durch Einholung eines
Sachverständigengutachtens zu erheben. Das Nachtschutzgebiet sei anhand von
Maximalpegeln nach der AzB ermittelt worden, was unzulässig sei. Die Pegel seien zudem
in "slow" angegeben worden, müssten also für die Wirkungsbetrachtung noch um 2,4 bis 4
dB(A) erhöht werden. Aufgrund der Fehler sei davon auszugehen, dass tatsächlich eine
deutlich höhere Lärmbelastung auftrete als im lärmphysikalischen Gutachten ausgewiesen.
Das lärmmedizinische Gutachten K./T. sei widersprüchlich und grob fehlerhaft, die
angelegten Kriterien wissenschaftlich nicht haltbar. Der Schalldämmwert eines gekippten
Fensters werde zu hoch angesetzt. Die von der Genehmigung ermöglichte Häufung der
Einzelschallereignisse sei vom Beklagten völlig ausgeblendet worden. Gerade dies sei
aber besonders belastend. Die Lärmpausen in stark beanspruchten Zeiten hätten deutlich
abgenommen. Die in der ergänzenden medizinischen Stellungnahme K./T. vom April 2003
gezogene Schlussfolgerung, die Steigerung der Einzelschallereignisse von 30 bis 34 auf
40 pro Stunde sei irrelevant bzw. sogar noch günstig, sei paradox und unschlüssig; für sie
fehle, wie die Gutachter selbst einräumten, jede wissenschaftliche Basis. Die Aussagen zur
Bewertung der Maximalpegel seien unzureichend. Zu Unrecht hätten die Gutachter den
Vorschlag des Umweltrates verworfen, als zusätzliches Beurteilungskriterium die täglich 10
höchsten Maximalpegel einzubeziehen. Insofern dränge sich die Einholung eines weiteren
Gutachtens auf. Der teilweise besonders belastende Bodenlärm und der Umkehrschub
seien nicht hinreichend berücksichtigt. Eine lärmpsychologische Begutachtung sei gar
nicht erst erfolgt. Auch die gebotene Summation und Gesamtbeurteilung der Lärmbelastung
aus Flugverkehr und anderen Verkehrsvorgängen sei nicht vorgenommen worden, obwohl
alle Quellen zusammen zu einer gesundheitsgefährdenden Gesamtbelastung führten. Eine
Summationsbetrachtung des einwirkenden Gesamtlärms sei aber, insbesondere auf der
Grundlage der Umgebungslärmrichtlinie der EG, möglich und wäre zu einem Ergebnis
gekommen, welches das Abwägungsergebnis beeinflusst hätte; insofern beantragen die
Kläger der Verfahren zu 2. bis 4. hilfsweise, Beweis durch Einholung eines
Sachverständigengutachtens zu erheben.
Auch das Emissionsgutachten hinsichtlich der Luftverunreinigungen sei unter jedem
denkbaren Gesichtspunkt fehlerhaft. Es werde keine vergleichende Betrachtung von Vor-
und Zusatzbelastung angestellt, austauscharme Wetterlagen würden übersehen,
Belastungsspitzen weggemittelt und spekulative Annahmen zugrunde gelegt. Das
Gutachten leide auch an fehlender Betrachtung von Emissionsorten, fehlender Summation,
unrichtigen Annahmen zur Rollgeschwindigkeit und Startrichtungsverteilung, an
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unzureichender Auffächerung der Komponenten, unterbliebener Begutachtung der Boden-
und Grundwasserverunreinigung, Vernachlässigung der Motorentestläufe und fehlendem
Heranziehen des Gutachtens zur Lärmkontingen-Genehmigung. Der Lärmminderungsplan
der Klägerin des Verfahrens zu 2., der mit öffentlicher Bekanntmachung vom 21. März 2002
verbindlich geworden sei, sei in keiner Weise gewürdigt worden, obwohl er belege, dass im
Untersuchungsgebiet Lärmminderungen erforderlich seien. Das Flugsicherheitsgutachten
sei wegen ungeklärter Methodik und unzutreffender Berücksichtigung der
Betriebsrichtungen nicht ausreichend.
Infolge dieser insgesamt fehlerhaften Grundannahmen seien sie, die Kläger, in ihrem Recht
auf gerechte Abwägung verletzt. Der Abwägungsvorgang erwecke insgesamt den
Eindruck, der Beklagte habe sich nur lückenhaft und oberflächlich mit den Einwänden
befasst.
Ausgangsbasis für die Beurteilung sei nach wie vor der Planfeststellungsbeschluss
1983/1985. Der Beklagte habe die Grundstruktur des dort getroffenen Interessenausgleichs
beseitigt und Begrenzungen entfallen lassen, denen wesentlich lärmbegrenzende Funktion
zugunsten der Flughafenumgebung zugekommen sei. Eine Rechtfertigung hierfür sei nicht
gegeben, weil das Vorhaben nicht die ihm vom Beklagten zugesprochene überragende
Bedeutung habe. Das Wegfallen flugbetrieblicher Beschränkungen führe zu einer
gleichmäßigen Maximalauslastung des Flughafens, die nur unter permanenter und
unzulässiger Mitbenutzung der Parallelbahn zu bewältigen sei und eine gänzlich andere
Lärmbelastung mit sich bringe. Diese Konsequenzen habe der Beklagte gar nicht in den
Blick genommen. Dem Wegfall der Beschränkungen stehe kein genügender Ausgleich
gegenüber. Es sei unzureichend, den Interessenausgleich nur über baulichen Schallschutz
und Zahlungsauflagen herbeiführen zu wollen. Die Problematik der Verlärmung der
Außenwohnbereiche sei ungelöst geblieben. Der Verlust der Nutzbarkeit von
Außenanlagen werde durch Schallschutzmaßnahmen naturgemäß nicht ausgeglichen. Die
Entschädigungszahlungen könnten die Beeinträchtigung der Gesundheit nicht
ausgleichen; die Höhe der Entschädigung sei reine Kosmetik. Die erhebliche Zunahme der
Maximalpegel könne nicht allein dadurch kompensiert werden, dass die Fenster
geschlossen gehalten werden müssten; das Lüften sei notwendig.
Die Situation besonders schutzwürdiger Bevölkerungsgruppen wie Kinder oder Anwohner
mit Vorerkrankungen sowie der Kranken in den Anstalten des Klägers des Verfahrens zu 3.
sei nicht gesehen worden. Auch lärmempfindliche Einrichtungen seien unberücksichtigt
geblieben. Darin liege eine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung gegenüber den
Eigentümern von Wohngebäuden. Denn lärmbetroffene Gebäude und Grundstücke mit
öffentlichen Einrichtungen, die in hohem Maße von besonders lärmempfindlichen
Menschen benutzt würden, seien ganz überwiegend keine Wohngebäude und würden von
den baulichen Schallschutzansprüchen auch der ergänzenden Entscheidung nicht
begünstigt. Kindergartenhöfe, Schulhöfe, Friedhöfe und der Bauhof seien in ihrer
Funktionsfähigkeit auf die Nutzung von Außenbereichen über längere Zeit angewiesen.
Auch hinsichtlich der Nachtzeit sei ein weitgehender Ausfall der Abwägung festzustellen. In
der Sommerperiode, in der die Außenbereiche bis in die Nacht hinein genutzt würden,
seien nunmehr 25 Flüge zulässig. Das Nachtschutzziel nach K. sei unzureichend. Die
kürzlich veröffentlichte Studie des DLR zu den Wirkungen von Nachtfluglärm belege, dass
gesundheitsgefährdende Aufwachreaktionen bereits ab 33 dB(A) zu verzeichnen seien.
Den Gemeinden im Umland, wie den Klägerinnen der Verfahren zu 1. und 2., werde die
Erfüllung ihrer Aufgaben als örtliche Trägerinnen der öffentlichen Verwaltung unmöglich
gemacht. Eine Eigenentwicklung sei praktisch ausgeschlossen. Bei der nunmehr
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zugelassenen Betriebsausweitung werde der Kernbereich der Selbstverwaltungsgarantie
verletzt.
Naheliegende Alternativen zur genehmigten Betriebsausweitung, wie die Kooperation mit
anderen Flughäfen oder die Verlagerung auf andere Verkehrsmittel, seien ausgeblendet
worden. Auch eine Reduzierung der Slots sei, zumindest zu bestimmten Zeiten, problemlos
möglich. Der Flugbetrieb an Wochenenden, die der Erholung und Freizeit dienten, sei nicht
zutreffend gewichtet worden; da diese Zeiten weniger nachgefragt würden und keine
operationellen Beeinträchtigungen der Fluggesellschaften zu befürchten seien, reichten
Pauschalargumente zur Ablehnung von Einschränkungen nicht aus.
Eine Rechtfertigung für die Mehrbelastung der Umgebung bestehe nicht. Die wirtschaftliche
Lage und Bedeutung des Flughafens sei ein irrelevantes Scheinargument und werde vom
Beklagten überschätzt. Ein konkreter Bedarf für zusätzlichen Flugverkehr sei nicht
nachgewiesen und bestehe auch nicht. Der Beklagte habe es unterlassen, den Bedarf
wissenschaftlich zu untersuchen. Die Langfristprognose des DLR und der DFS habe den
vorliegenden Fall nicht betrachtet, gehe von einem unzutreffenden Prognosehorizont aus
und beziehe nachfragerelevante Umstände nicht ein. Tatsächlich nähmen der
Luftfrachtumschlag und die gewerblichen Flugbewegungen auf dem Flughafen der
Beigeladenen seit Jahren kontinuierlich ab. Die zur Zeit mögliche Einbahnkapazität werde
nicht einmal ausgeschöpft. Es gelinge nicht, Flugzeiten und Flugzeuge hinreichend
auszulasten, die Überkapazität könne selbst durch Dumping-Ausverkauf von Slots nicht
abgebaut werden. Warum eine Erhöhung der Slotzahl in besonders schutzwürdigen Zeiten
notwendig sei, werde weder begründet noch ergebe es sich aus der Natur der Sache. Die
überproportionale Scheinnachfrage nach Slots mit anschließender Rückgabe begründe
keinen abwägungsrelevanten Bedarf. Das Interesse von privaten Fluggesellschaften, den
Flughafen vor allem zu bestimmten Morgen- und Abendzeiten nutzen zu können, sei von
untergeordneter Bedeutung. Es sei offensichtlich nicht näher untersucht worden, warum es
wirtschaftlich nicht vertretbar sei, den Flughafen auch mit engeren Stundenkontingenten
weiterzubetreiben. Das Gewicht des Interesses der Beigeladenen an einer Ausweitung des
Flugbetriebs sei zu hoch angesetzt worden. Die Beigeladene habe sich auf die
Bewegungsbeschränkung im gewerblichen Luftverkehr entsprechend dem
Planfeststellungsbeschluss einstellen können. Die Nachbarn des Flughafens hätten auf
den Fortbestand der Betriebsbeschränkungen vertrauen dürfen, jedenfalls darauf, dass für
ihren Fortfall ein angemessener Ersatz geleistet werde.
Die Entscheidung im ergänzenden Verfahren beseitige die Fehler der
Änderungsgenehmigung nicht. Sie sei bislang ein unbeachtliches rechtliches "Nullum",
weil sie nicht entsprechend den gesetzlichen Vorschriften allen innerhalb der
Schutzgebiete liegenden Grundeigentümern entsprechend den Vorschriften für das
Genehmigungsverfahren zugestellt worden sei. Es bestehe keine Ermächtigungsgrundlage
für ein ergänzendes Verfahren. Auch sei ein intransparentes Verfahren ohne Beteiligung
der Betroffenen durchgeführt worden. Die erneute Abwägung sei fehlerhaft. Ein
angemessener Interessenausgleich sei wiederum nicht gefunden worden. Der Kern der
Abwägung sei berührt. Die angebliche Nachfrage stelle auch nach der Konzeption der
ergänzenden Entscheidung einen tragenden Grund zur Rechtfertigung der Belastung der
Umgebung dar. Ein entsprechender Bedarf bestehe aber gar nicht, sei zumindest nicht
gegen das im Tages- und Wochengang unterschiedliche Ruhebedürfnis der Umgebung
abgewogen worden. Das selbstgesetzte Schutzziel, einen Abstand von der erheblichen
Belästigung zu wahren, sei verfehlt worden. Der vom Beklagten angenommene Wert eines
Dauerschallpegels von 62 dB(A) markiere nicht die Grenze zur erheblichen Belästigung,
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jedenfalls nicht unter den konkreten Verhältnissen am Flughafen der Beigeladenen. Es sei
nicht nachvollziehbar, warum der Beklagte annehme, sich mit einem äquivalenten
Dauerschallpegel von 60 dB(A) auf der sicheren Seite zu bewegen. Namhafte Stimmen in
der Wissenschaft, so etwa das Umweltbundesamt, gingen davon aus, dass die erhebliche
Belästigung bei 55 dB(A) beginne. Das konkrete Schutzziel und der gewährte
Schutzumfang seien in der ergänzenden Entscheidung nicht festgelegt. Die Genehmigung
sei daher auch in der nachgebesserten Fassung aufzuheben, zumindest teilweise, etwa
bezüglich der zusätzlichen Slots in den Tagesrandzeiten und am Wochenende.
Die Kläger beantragen,
die Genehmigung zur Änderung der Betriebsregelung für das Parallelbahnsystem des
Verkehrsflughafens Düsseldorf vom 21. September 2000 in der Fassung der Entscheidung
im ergänzenden Verfahren zur vorgenannten Genehmigung vom 5. Juni 2003 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Klagen abzuweisen.
Er erwidert: Die Genehmigung sei jedenfalls in der Fassung, die sie im ergänzenden
Verfahren erhalten habe, nicht zu beanstanden. Das ergänzende Verfahren sei zur
Behebung möglicher Fehler, auch etwa von Abwägungsmängeln der Genehmigung,
zulässig. Die Fehlerbehebung in einem ergänzenden Verfahren sei nach der
Rechtsprechung eine Selbstverständlichkeit, die keiner besonderen Regelung bedürfe,
jedenfalls aber in entsprechender Anwendung von § 10 Abs. 8 Satz 2 LuftVG möglich sei.
Die ergänzende Entscheidung verschmelze mit der ursprünglichen Genehmigung zu einer
Entscheidung, die nunmehr in dieser Gestalt der gerichtlichen Überprüfung unterliege. Dem
hätten die Kläger mit ihren Klageanträgen Rechnung getragen. Einer Veröffentlichung der
ergänzenden Entscheidung habe es nicht bedurft; vielmehr habe sie nur denjenigen
Betroffenen gegenüber ergehen müssen, die die Genehmigung aus dem Jahre 2000
angefochten hätten. Den Klägern selbst sei die Entscheidung nachweislich zugegangen.
Unabhängig davon werde die Entscheidung noch öffentlich bekannt gemacht werden.
Die Genehmigung in dieser Fassung leide nicht an materiellen Mängeln, die Rechte der
Kläger verletzten. Die Kläger verdeutlichten nicht, welche Konsequenzen die von ihnen
behaupteten Fehler hätten. Solche Konsequenzen seien auch nicht ersichtlich. Im Übrigen
lägen die behaupteten Fehler nicht vor.
Die AzB99 sei lediglich eine neue Datengrundlage für die Berechnung, die vom
Umweltbundesamt im Internet veröffentlicht worden sei. Er, der Beklagte, sei von zutreffend
prognostizierten Flugrouten ausgegangen. Bei der Ermittlung der voraussichtlichen
Lärmbelastung habe er die bestehenden bzw. wahrscheinlichen künftigen Flugrouten
zugrunde legen müssen. Dies sei geschehen. Die Änderungen von 13. Juli 2000 hätten
wegen des sich dagegen regenden Widerstandes nicht als gesichert zugrunde gelegt
werden können; es habe in 11 Monaten fünf Veränderungen gegeben. Die weitere
Entwicklung habe ihm aber Recht gegeben, denn seit dem 14. Juni 2001 würden im
Wesentlichen wieder die alten Abflugstrecken beflogen. Die ergänzende Entscheidung
habe insofern nichts verändern müssen; sie sei auch nicht zur fortlaufenden Überprüfung
der ursprünglichen Änderungsgenehmigung gedacht.
Entgegen der Auffassung der Kläger berühre die Entscheidung im ergänzenden Verfahren
nicht den Kern der Abwägung. Deren Grundstruktur sei nicht verändert worden. Die
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Betroffenheiten seien gesehen worden; sie seien aus den Einwendungen hinlänglich
bekannt gewesen. Die Lärmbelastung übersteige insgesamt nicht das Maß, das nach
heutigen Verhältnissen in dicht besiedelten Gebieten auch ohne Nachbarschaft zu einem
Flugplatz alltäglich auftrete. Eine Verletzung der Klägerinnen der Verfahren zu 1. und 2. in
eigenen Rechten sei nicht dargetan. Durch die angefochtene Genehmigung würden keine
neuen rechtlichen Beschränkungen der Planungshoheit bewirkt. Im Übrigen seien diese
schon lange gehalten, sich bei ihren Planungen auf ein weit höheres Lärmniveau
einzurichten, als es ihnen jetzt zugemutet werde. Die Nutzung städtischer Einrichtungen
werde nicht behindert. Das treffe auch zu auf Gebäude mit Einfachverglasung. Mit der
Dämmwirkung einfachverglaster Fenster werde der kritische Innenpegel von 55 dB(A)
durch einzelne Schallereignisse nicht überschritten. Für die Erstattung von Kosten für
Schallschutzmaßnahmen an verschiedenen Schulen, u. a. für die N. - Schule und die C.-H.
-Schule seien in der Vergangenheit an die Klägerin des Verfahrens zu 2. erhebliche
Beträge gezahlt worden. Bei Friedhöfen, Sportplätzen oder Schulhöfen seien Maßnahmen
des passiven Schallschutzes zwar nicht möglich, wegen der höheren Lärmerwartung sei
hier aber ein Anspruch auf eine von jeder Störung freie Benutzung einer solchen
Außenanlage von vornherein nicht gegeben. Die Klägerinnen seien auch nicht als
Eigentümer von bebauten und unbebauten Grundstücken in ihren Rechten verletzt.
Insoweit sei einzustellen, dass für die Wohngebäude im Tagschutzgebiet die Kosten der
Maßnahmen für passiven Schallschutz nach Maßgabe der Entscheidung im ergänzenden
Verfahren ersetzt würden. Soweit die Klägerinnen der Verfahren zu 1. und 2. das Interesse
der Bevölkerung und besonders sensibler Gruppen in der Umgebung des Flughafens
anführten, handele es sich nicht um eigene Rechte. Die Belastung sei insgesamt geringer
als noch nach dem Planfeststellungsbeschluss angenommen. Die Schutzmaßnahmen
seien in zwei großen Schritten auf ein in der Bundesrepublik einmaliges Niveau
ausgedehnt worden. Der Kläger des Verfahrens zu 3. liege mit der Belastung weit
unterhalb der Grenzen, über die ansonsten diskutiert werde.
Die Rechte der Kläger seien nicht deshalb verletzt, weil das Tagschutzgebiet nicht noch
erheblich weiter, nämlich auf eine Lärmkontur von 55 dB(A) ausgedehnt worden sei. Dieser
Wert drücke ein anzustrebendes Ziel, nicht aber eine fachplanerische
Zumutbarkeitsschwelle oder einen abwägungserheblichen Belang aus. Bei dem
genehmigten Vorhaben seien lediglich nachteilige Wirkungen auf Dritte auszuschließen
oder auszugleichen, nicht aber dem Vorsorgegrundsatz Rechnung zu tragen gewesen. Der
Grad der erheblichen Belästigung werde deutlich unterschritten. Bei einem
Dauerschallpegel von 62 dB(A) handele es sich bereits um einen Präventivwert, der von
der Genehmigung noch einmal um respektable 2 dB(A) unterschritten werde. Für die
Beigeladene bedeute dies Ausgaben in Höhe von rund 25 Mio. Euro. Der von ihm, dem
Beklagten, angestrebte deutliche Abstand von der Grenze zur erheblichen Belästigung sei
damit erreicht. Im Übrigen habe er selbst bestimmen können, was unter einem "deutlichen"
Abstand zu verstehen sei.
Der von ihm anerkannte Bedarf an zusätzlichen Flugbewegungen sei nicht zu
beanstanden. Der Flughafen der Beigeladenen sei die wichtigste luftverkehrliche
Infrastruktureinrichtung des Landes. Abgewogen sei das insofern mögliche Maximum an
Flugbewegungen. Weitere Betriebsbeschränkungen seien angesichts der gewollten
Ausdehnung des Flugbetriebs kontraproduktiv. Die hilfsweise beantragten Beweise seien
nicht zu erheben; sie bezögen sich auf nicht entscheidungserhebliche Tatsachen bzw. auf
Rechtsfragen.
Die Beigeladene beantragt,
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die Klagen abzuweisen.
Sie tritt den Ausführungen des Beklagten bei und macht ergänzend geltend: Die
Änderungsgenehmigung sei jedenfalls in der jetzigen Fassung rechtmäßig. Mit ihr sei eine
Anpassung des Interessenausgleichs vorgenommen worden, der dem
Planfeststellungsbeschluss von 1983 zugrunde liege. Dies sei geboten, denn die
Grundstruktur dieses Interessenausgleichs habe sich teilweise als irrig erwiesen und sei im
Übrigen überholt. Das gelte zum einen für die seinerzeitigen Annahmen über die Kapazität
der Hauptstart- und -landebahn. Auch die Lärmbelastung sei infolge der technischen
Entwicklung des Fluggeräts deutlich geringer als ursprünglich angenommen. Würde an der
Regelung des Planfeststellungsbeschlusses festgehalten, so käme diese günstige
Entwicklung ausschließlich der Flughafenumgebung zugute; es würde ein Schutzniveau
erreicht, das erheblich über demjenigen des Planfeststellungsbeschlusses liege. Auf der
anderen Seite bestehe ein gegenüber dem Jahr 1983 erheblich gesteigertes
Nutzungsinteresse, das sich in der tatsächlichen Steigerung der Zahl der Flugbewegungen
widerspiegele.
Es sei auch nicht zu beanstanden, dass der Interessenausgleich allein durch eine
Verbesserung des baulichen Schallschutzes und Entschädigungszahlungen hergestellt
werde. Die Lärmbelastung der Kläger stelle zwar ohne Zweifel einen
abwägungserheblichen Belang dar, wie die ermittelten Steigerungen der Dauerschallpegel
an den Klägergrundstücken ausweise; der hinzunehmende Fluglärm liege aber deutlich
unterhalb der fachgesetzlichen Zumutbarkeitsgrenze und unter allen medizinischen,
psychologischen und sozialwissenschaftlichen Gesichtspunkten "auf der sicheren Seite".
Den Klägern seien zum Teil bereits früher erhebliche Aufwendungen für baulichen
Schallschutz gezahlt worden oder ihre Grundstücke lägen in der Ankaufzone; teilweise
hätten sie sich in Kenntnis der vom Flughafen ausgehenden Immissionen angesiedelt, was
ihre Schutzwürdigkeit erheblich mindere. Nunmehr sei zudem weitergehender
Aufwendungsersatz zu leisten. Die Zunahme der Einzelschallereignisse sei in der
ergänzenden Stellungnahme K. /T. ausreichend beleuchtet worden. Dass es sich um ein
nur unvollständig geklärtes wissenschaftliches Gebiet handele, gestünden die Kläger zu.
Weitergehende betriebliche Beschränkungen seien vom Beklagten geprüft, aber zu Recht
abgelehnt worden, weil die damit verbundenen Behinderungen für Betriebsabläufe nicht in
einem angemessenen Verhältnis zum Vorteil für die Nachbarschaft stünden. Damit sei
insgesamt ein angemessener Interessenausgleich gefunden und der Konflikt zwischen
dem Flughafen und der Nachbarschaft bewältigt.
Die Belastung der Flughafenumgebung sei durch den erheblichen Bedarf an
Flugbewegungen und die besondere Bedeutung des Flughafens für das Land und die
gewerbliche Wirtschaft gerechtfertigt. Nach wie vor bestehe ein erheblicher und nach der
bisherigen Genehmigungslage nicht zu befriedigender Bedarf an zusätzlichen Slots. Die
Nachfrage übersteige seit Jahren das genehmigungsrechtlich verfügbare Volumen um 5
bis 20 %. Fluggesellschaften sähen sich daran gehindert, ihr Engagement am Flughafen
Düsseldorf auszuweiten. Viele Wünsche nach Neuanmeldungen seien durch die an
angestammte Fluggesellschaften zwingend zu erteilenden "Großvaterrechte" blockiert.
Zahlreiche Fluggesellschaften beantragten in Kenntnis der Restriktionen erst gar nicht die
gewünschten Slots. Insgesamt bestehe dadurch eine erhebliche Diskrepanz zwischen den
abgewickelten Flugbewegungen und dem tatsächlich erheblich höheren Bedarf.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der
Gerichtsakten der Klageverfahren und der vorläufigen Rechtsschutzverfahren 20 B
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1600/00.AK, 1632/00.AK, 1802/00.AK, 1861/00.AK und 730/01.AK sowie der
beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klagen sind zulässig. Sie richten sich statthafterweise gegen die
Änderungsgenehmigung des Beklagten in der Fassung der ergänzenden Entscheidung.
Ein Genehmigungsbescheid und ein auf ihn bezogener ändernder Bescheid bilden eine
Einheit, weil sie in ihrer Gesamtheit umreißen, was erlaubt ist und gegebenenfalls von der
Umgebung hingenommen werden muss.
Vgl. Senatsurteil vom 2. September 2004 - 20 D 13/98.AK -, Urteilsabdruck S. 19 unter
Bezug auf OVG NRW, Urteil vom 30. Oktober 1996 - 21 D 2/89.AK -.
Gerade die vorliegend im ändernden Bescheid vom 5. Juni 2003 erneut aufgegriffene
Abwägung, die der Bewältigung der durch die vorausgegangene Änderung der
Betriebsregelung des Flughafens hervorgerufenen Probleme dient, steht in einem
untrennbaren planungsrechtlichen Zusammenhang mit dem Vorhaben. Es kann
dahinstehen, ob und in welchen Fällen von dieser Zusammenfassung, die grundsätzlich
auch prozessuale Wirkung entfaltet, eine Ausnahme gemacht werden kann; denn die
Anfechtungsbegehren sind hier ausdrücklich auf die Entscheidung vom 5. Juni 2003
erstreckt worden.
Der weiteren Beurteilung ist daher die Genehmigung in der Fassung des Bescheides vom
5. Juni 2003 zugrunde zu legen. Bedenken dagegen, dass der letztgenannte Bescheid
wirksam geworden ist, bestehen nicht.
Dem Beklagten stand es frei, das "ergänzende Verfahren" durchzuführen und mit einer
erneuten, auf die Änderungsgenehmigung in ihrer Ursprungsfassung einwirkenden
Entscheidung abzuschließen. Nach einem anerkannten Grundsatz des Verfahrensrechts,
der unabhängig von den Vorschriften der Planfeststellung gilt, darf die Behörde bis zur
Bestandskraft ihrer Entscheidung jederzeit - gegebenenfalls unter Wiederholung früherer
Verfahrensabschnitte - einen von ihr erkannten oder auch nur als möglich unterstellten
formellen wie auch materiellen Mangel beseitigen. Sie ist insbesondere befugt, das
Verfahren wieder aufzunehmen und es (erneut) zu Ende zu führen, wie es hier geschehen
ist.
Vgl. BVerwG, Urteil vom 14. November 2002 - 4 A 15.02 -, NVwZ 2003, 485, 486; Urteil
vom 12. Dezember 1996 - 4 C 19.95 -, BVerwGE 102, 358, 360 f.; Urteil vom 31. März 1995
- 4 A 1.93 -, BVerwGE 98, 126, Ls. 3 und S. 129 f.
Das "ergänzende Verfahren" ist bei richtiger Betrachtung lediglich ein (weiterer)
unselbständiger Abschnitt desselben Änderungsgenehmigungsverfahrens, das der
Beklagte auf der Grundlage von § 6 Abs. 4 Satz 2 i.V.m. Abs. 1 und 2 LuftVG durchgeführt
hat. Als Rechtsgrundlage erschließen sich von daher ohne weiteres diejenigen
Vorschriften, die für die geänderte Entscheidung selbst gelten. Für eine entsprechende
Anwendung des § 10 Abs. 8 Satz 2 LuftVG besteht weder Raum noch Notwendigkeit,
zumal diese Vorschrift eine Modifizierung des prozessualen Aufhebungsanspruchs aus §
113 Abs. 1 Satz 1 VwGO im Rahmen der gerichtlichen Entscheidung beinhaltet und dabei
die Möglichkeit eines ergänzenden behördlichen Verfahrens voraussetzt ("wenn"), also
eine entsprechende Befugnis der Behörde als anderweitig begründet betrachtet. Die vom
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Beklagten gewählte Bezeichnung als "ergänzendes Verfahren" hat demgegenüber keine
eigene materiell-rechtliche Bedeutung etwa im Sinne des § 10 Abs. 8 LuftVG.
Die ergänzende Entscheidung ist wirksam geworden. Äußere Wirksamkeit erlangt ein
solcher Verwaltungsakt mit der Bekanntgabe, § 43 Abs. 1 Satz 1 VwVfG, die bei
luftverkehrsrechtlichen Änderungsgenehmigungen gemäß § 6 Abs. 5 LuftVG i.V.m. § 74
Abs. 4 Satz 1 VwVfG in der Form der Zustellung (vgl. § 41 Abs. 5 VwVfG, § 1 Abs. 2
Landeszustellungsgesetz - LZG) zu erfolgen hat. Es ist nicht fraglich, dass die Beigeladene
und die Kläger die ergänzende Entscheidung mit Wissen und Wollen des Beklagten
erhalten haben. Damit gilt ihnen gegenüber gemäß § 9 VwZG, der von § 1 Abs. 1 LZG für
Zustellungen einer Landesbehörde in Bezug genommen wird, zugleich die Zustellung als
ordnungsgemäß bewirkt.
Die Änderungsgenehmigung vom 21. September 2000 in der danach maßgeblichen
Fassung des Bescheids vom 5. Juni 2003 ist nicht aus Gründen rechtswidrig, die eine zur
Aufhebung führende Verletzung von Rechten der Kläger einschließen, § 113 Abs. 1 Satz 1
VwGO.
Formelle Mängel sind nicht gegeben. Die Kläger mussten weder am Ausgangsverfahren
noch am ergänzenden Verfahren weitergehend als geschehen beteiligt werden. Eine
Verpflichtung des Beklagten, im ursprünglichen Änderungsgenehmigungsverfahren, in dem
die Kläger Gelegenheit zur Stellungnahme hatten, die erhobenen Einwendungen in
entsprechender Anwendung des § 73 Abs. 6 VwVfG, § 10 Abs. 2 Nr. 4 LuftVG zu erörtern,
bestand nicht. Hierzu hat der Senat in den Beschlüssen 2002 bereits das Entscheidende
gesagt. An diesen Erwägungen hält er nach erneuter Prüfung auch auf die Einwände der
Kläger hin fest, zumal diese ihren bisherigen Standpunkt lediglich wiederholen und
bekräftigen. Selbst in der Literatur wird eine Erörterungspflicht allein für den hier nicht
gegebenen Fall so genannter isolierter Genehmigungen für neu anzulegende Flugplätze,
nicht aber für die Änderung bestehender Flugplätze befürwortet.
Vgl. Hofmann/Grabherr, LuftVG, Loseblatt-Kommentar (Stand: 1. März 2004), § 6 Rdnr. 92.
Im ergänzenden Verfahren bedurfte es keiner erneuten Beteiligung der Nachbarschaft des
Flughafens, unter anderem der Kläger, weil es nur um die Weiterführung der Abwägung auf
der Basis der bereits erfolgten Öffentlichkeitsbeteiligung ging.
Die Änderungsgenehmigung ist hinreichend bestimmt, § 37 Abs. 1 VwVfG. Zur
Bestimmtheit der neu gefassten Auflage Nr. 6 hat der Senat in den Beschlüssen zur
sofortigen Vollziehbarkeit das Erforderliche ausgeführt und hält hieran nach erneuter
Prüfung ebenfalls fest. Ergänzend ist anzumerken, dass das hinsichtlich der Anzahl der
erlaubten Flugbewegungen Genehmigte nicht von der Bestimmtheit bzw. Bestimmbarkeit
des Begriffs der Einbahnkapazität, die in Nr. 6.1 gemäß der Änderungsgenehmigung als
"mögliche Endkapazität der Hauptstart- und -landebahn" bezeichnet ist, abhängt. Diese
Regelung beschreibt vielmehr den übergeordneten theoretischen Ausgangspunkt des
planerischen Gesamtkonzepts des Beklagten. Die maximal genehmigte Zahl der
Flugbewegungen ergibt sich allein aus den präzisierenden Vorgaben für die
Koordinierungseckwerte in den Auflagen Nrn. 6.2 bis 6.4 und lässt sich daraus für jeden
beliebigen Zeitraum präzise berechnen. Diese Berechnung hat der Beklagte bezogen auf
die zugelassene Maximalkapazität der sechs verkehrsreichsten Monate vorgenommen und
durch Überlegungen zu der auf dieser Basis praktisch erreichbaren Ausnutzung der
Kapazität, die er als hinter dem Maximum zurückbleibend ansieht, ergänzt
(Änderungsgenehmigung S. 48, 92 ff.). Unsicherheiten über das Erlaubte verbinden sich
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damit schlechterdings nicht. Soweit sich Fragen im Zusammenhang mit der
Belastungsprognose ergeben, auf die unten einzugehen ist, handelt es sich auch mit Blick
auf den Begriff der Einbahnkapazität nicht um solche der Bestimmtheit des
Regelungsgehalts, weil die Auflage Nr. 6.1 keinen über die Koordinierungseckwerte
hinausgehenden lärmrelevanten Verkehr ermöglicht.
Was das Verhältnis der Änderungsgenehmigung zu den vorangegangenen Bescheiden
betrifft, so ist klar und lässt sich aus der Zusammenschau ihrer Regelungen ohne weiteres
erschließen, dass die jetzt streitige Änderungsgenehmigung unmittelbar an die
Erweiterungsgenehmigung von 1976 (in der Fassung der Anpassungsbescheide von 1992
und 1997) anknüpft. Weiter erteilte ändernde Genehmigungen sind unwirksam, nämlich
aufgehoben (so die Lärmkontingent-Genehmigung) oder erloschen (die
Interimsgenehmigung). Demgemäß nimmt die hier streitige Änderungsgenehmigung unter
A. ausdrücklich die Genehmigung vom 3. Oktober 1976 in der Fassung der
Anpassungsbescheide in Bezug und benennt im Einzelnen die ersetzten Auflagen (Nrn. 6
und 9) bzw. die ergänzte Bestimmung (Nr. 10). Weitergehender Aussagen hierzu bedurfte
es nicht. Entsprechendes gilt für die Entscheidung im ergänzenden Verfahren, die
ausschließlich die Regelungen zu den Auflagen Nrn. 9.1 und 9.3 der Genehmigung vom
21. September 2000 neu fasst und es im Übrigen - klarstellend - bei der Fortgeltung dieser
Genehmigung belässt (vgl. A. III der ergänzenden Entscheidung). Von einer
undurchsichtigen Genehmigungslage kann mithin keine Rede sein.
Ebenso wenig wird die Bestimmtheit dadurch beeinträchtigt, dass die Schutzauflage Nr. 9.1
in der Fassung des Bescheides vom 5. Juni 2003 infolge einer sprachlichen Verkürzung
ihrer Ursprungsformulierung in der Änderungsgenehmigung zum Tagschutzziel und zur
Höhe der erstattungsfähigen Aufwendungen keine ausdrückliche Aussage mehr enthält.
Was angeordnet ist, bleibt gleichwohl auch insofern klar. Das Schutzziel wird dadurch
hinreichend verdeutlicht, dass in der Begründung des ergänzenden Bescheides (S. 53) die
einschlägigen Ausführungen der Änderungsgenehmigung in Bezug genommen werden.
Sicherzustellen ist danach weiterhin das dort (S. 125) verlautbarte Schutzziel (regelmäßig
keine Überschreitung eines Maximalpegels von 55 dB in Aufenthaltsräumen bei
geschlossenen Fenstern). Da die Begrenzung auf einen Höchstbetrag ersatzlos
fallengelassen worden ist, wird die Höhe des Erstattungsbetrages durch den Grundsatz der
Verhältnismäßigkeit bestimmt: Die Beigeladene hat die zur Erreichung dieses Schutzziels
nach den baulichen Verhältnissen im Einzelfall erforderlichen Aufwendungen zu erstatten.
Dass die baulichen Maßnahmen das Schutzziel "im Regelfall" zu gewährleisten haben,
wie es bereits im Planfeststellungsbeschluss von 1983 bestimmt war (S. 206), ist aus
Praktikabilitätserwägungen gerechtfertigt und unter Bestimmtheitsanforderungen frei von
durchgreifenden Bedenken. Solche sind von den Klägern auch nicht erhoben worden.
Der zugelassenen Erweiterung des Betriebs des Flughafens der Beigeladenen stehen
keine zwingenden Hinderungsgründe entgegen:
Ein mit den Zielen des Luftverkehrsgesetzes im Sinne einer Planrechtfertigung, die nach
der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts auch für luftrechtliche
Änderungsgenehmigungen erforderlich ist, übereinstimmender Bedarf für die Anhebung
der Flugbewegungszahl ist gegeben. Der Flughafen der Beigeladenen ist durch die
Erweiterungsgenehmigung von 1976 auf 91.000 Flugbewegungen festgelegt, wovon nur
71.000 in dem für die luftverkehrliche Infrastruktur vor allem bedeutsamen gewerblichen
Luftverkehr zulässig sind. Diese Genehmigung und die in ihr festgeschriebenen
Flugbetriebsbeschränkungen bilden den ohne die streitige Änderungsgenehmigung
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beachtlichen Maßstab. Es besteht kein Zweifel und wird klägerseitig nicht in Frage gestellt,
dass sich diese Größenordnung von dem tatsächlich abgewickelten Verkehr und dem
deutlich gewordenen Nutzungsinteresse nachhaltig unterscheidet und den Plan einer
Ausweitung des Bewegungskontingents trägt. Am Flughafen der Beigeladenen werden
schon seit langem weitaus mehr als 71.000 Slots für den gewerblichen Verkehr vergeben
und Bewegungen tatsächlich durchgeführt. Bereits jetzt kommt die Zahl der
Flugbewegungen deutlich einem Umfang nahe, den der Beklagte in Vollziehung der
vorliegenden Genehmigung im Linien- und Charterflugverkehr für realistischerweise
erreichbar hält.
Eine punktuelle und randscharfe Betrachtung der tageszeitlichen Verteilung der
Flugbewegungen und der Auslastung der verkehrenden Flugzeuge, ist jedenfalls bei der
Planrechtfertigung nicht anzustellen; es ist allenfalls ein Posten im Rahmen der Abwägung,
ob für Flugbewegungen im zugelassenen Umfang schon jetzt ein Bedarf besteht. Ferner ist
einzustellen, dass mit einer Neuregelung des Betriebs Entwicklungschancen eingeräumt
werden können, die dem Angebotscharakter der von der Beigeladenen betriebenen
öffentlichen Verkehrsanlage unter veränderten Rahmenbedingungen Raum geben sollen.
Schon von daher kommt der derzeitigen Bedarfssituation, die die Kläger analysieren, keine
allein entscheidende Bedeutung zu.
Das genannte Planungsziel hat der Beklagte auf prinzipiell tauglichem Weg verfolgt. Mit
der "möglichen Endkapazität der Hauptstart- und -landebahn" - der so genannten
Einbahnkapazität - in Auflage Nr. 6.1 hat er ein zulässiges Kriterium gewählt; insbesondere
war der Beklagte nicht aus kompetenzrechtlichen Gründen gehindert, in Nrn. 6.2 bis 6.4 der
Änderungsgenehmigung in Konkretisierung der Einbahnkapazität Stundeneckwerte
festzulegen. Dem Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen ist gemäß §
27a Abs. 2 LuftVG lediglich die "Ermittlung" der Flughafenkapazität durch Bestimmung
eines Koordinierungseckwertes als Grundlage der eigentlichen Flughafenkoordinierung
vorbehalten. Dass auf der genehmigungsrechtlichen Ebene keine Festlegungen mit
kapazitätsbeschränkender Wirkung, die bei der eigentlichen Flughafenkoordinierung als
zwingende Vorgaben zu beachten sind, getroffen werden dürften, ergibt sich weder aus
dieser Kompetenz noch aus § 27a LuftVG im Übrigen. Die Möglichkeit solcher Vorgaben ist
vielmehr in Art. 6 Abs. 1 Satz 1 Verordnung (EWG) Nr. 95/93 des Rates vom 18. Januar
1993 über gemeinsame Regeln für die Zuweisung von Zeitnischen auf Flughäfen der
Gemeinschaft (ABl. Nr. L 14 vom 22. Januar 1993, S. 1)
- seit der Verordnung (EG) Nr. 793/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom
21. April 2004 zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 95/93, ABl. Nr. L 138 vom 30. April
2004, S. 50 -
nunmehr ausdrücklich (klarstellend) anerkannt. Nach dieser Verordnung, die im deutschen
Recht unmittelbar maßgeblich ist (vgl. auch § 27a Abs. 1 LuftVG), sind bei der Ermittlung
der "Parameter für die Zuweisung von Zeitnischen" neben allen relevanten technischen
und betrieblichen auch die umweltschutzbedingten Einschränkungen zu berücksichtigen,
zu denen insbesondere die in der planungsrechtlichen Zulassungsgrundlage des
jeweiligen Flughafens aus Lärmschutzgründen verfügten betrieblichen Einschränkungen
gehören.
Die über Stundeneckwerte konkretisierte Endkapazität der Hauptstart- und -landebahn ist
auch geeignet, um ins Gleichgewicht zu bringen, was der Beigeladenen - nicht zuletzt auch
zur Erfüllung öffentlicher Verkehrsinteressen - an Nutzbarkeit ihrer Verkehrsanlage
zugestanden werden soll und der Flughafenumgebung an Belastungen zugemutet werden
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kann. Auf dieser Grundlage ist der Beklagte mit der genehmigungsrechtlichen Präzisierung
der Einbahnkapazität durch stundenbezogene Eckwertvorgaben für die
Flughafenkoordinierung in den Auflagen Nr. 6.2 bis 6.4 den konkurrierenden Belangen,
also den öffentlichen Verkehrsinteressen, den wirtschaftlichen Interessen der
Beigeladenen und den Interessen der Kläger, hinreichend gerecht geworden.
In dieser Abwägung bildet die Orientierung an der Einbahnkapazität eine (fortdauernde)
Beschränkung zugunsten der Flughafenumgebung, die nicht eine bloße Fortschreibung
von etwas ohnehin Geltendem darstellt, das in der Abwägung sowieso nicht zu überwinden
gewesen wäre. Weder der Angerland-Vergleich noch die Erweiterungsgenehmigung in
ihrer ursprünglichen Fassung noch der Planfeststellungsbeschluss oder sonstige
Umstände geben die Einbahnkapazität und/oder ein zwingendes Verständnis dieses
Begriffs vor:
Im Angerland-Vergleich ist keine Betriebsbeschränkung mittels der Einbahnkapazität
festgeschrieben. Zwar ist dieser Vergleich wirksam, wie nunmehr zwischen den
Vergleichsbeteiligten, der Klägerin des Verfahrens zu 2. als Rechtsnachfolgerin, dem
Beklagten und der Beigeladenen rechtskräftig feststeht.
Urteil des Senats vom 5. September 2002 - 20 D 53/99.AK -; dazu BVerwG, Beschluss vom
19. Februar 2003 - 9 B 86.02 -, DVBl. 2003, 751.
Er berechtigt ausschließlich die Klägerin des Verfahrens zu 2. Die übrigen Kläger können
sich als Dritte nicht auf ihn zu berufen. Sein Wortlaut und die sonstigen
auslegungserheblichen Umstände bieten nicht den geringsten Anhaltspunkt dafür, dass die
Einhaltung des Vergleichs von jedem Flughafenanwohner bzw. jedem einzelnen von
Fluglärm betroffenen Bürger sollte eingefordert werden können, er von den
Vertragspartnern also als Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter ausgestaltet worden
ist.
Vgl. Senatsbeschluss vom 14. Dezember 1999 - 20 A 1138/97 -, Beschlussabdruck S. 30 f.;
nachfolgend BVerwG, Beschluss vom 30. Mai 2000 - 11 B 18.00 -.
Dies bedarf indes keiner Vertiefung, denn der Angerland-Vergleich beinhaltet weder eine
Fixierung des Flugbetriebs auf eine Einbahnkapazität als objektives Kriterium noch ist aus
ihm ein bestimmtes Verständnis von Einbahnkapazität abzuleiten, von dem der Beklagte
bei seinen Festlegungen nicht ohne Rechtsfehler abweichen dürfte. Die Hauptstart- und -
landebahn und ihre Kapazität sind kein Gegenstand des Vergleichs wie überhaupt die
Nutzung der Hauptstart- und -landebahn in ihm weder angesprochen noch geregelt wird.
Die Beschränkung der Benutzung des Parallelbahnsystems auf eine in bestimmtem Sinne
verstandene Kapazität der Hauptstart- und -landebahn lässt sich auch nicht, was ernstlich
allein in Betracht gezogen werden kann, gewissermaßen in einem Umkehrschluss
denjenigen Funktionen entnehmen, die der Parallelbahn im Vergleich zugewiesen sind.
Der Begriff "Ausweichbahn" (Vergleich a, 1. Teil A. II), der die zulässige betriebliche
Nutzung der Parallelbahn umschreibt, beinhaltet keine quantitativen Aussagen zu beiden
Bahnen, keine Bindung an die Leistungsfähigkeit der Hauptstart- und -landebahn sowie
keine Elemente für deren Bestimmung. Eine Ausweichfunktion bedeutet nicht mehr als die
Nachrangigkeit der Nutzung. Auch setzt ein Ausweichen keine zwingende Notwendigkeit
voraus, es reicht die Erwägung, sonst gegebene Erschwernisse vermeiden zu können.
Dementsprechend hat der Senat schon im Urteil vom 28. April 1989
- 20 A 1853/87 -, ZLW 1991, 61,
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die dem Planfeststellungsbeschluss 1983 zugrunde liegende Vorstellung, die Hälfte der
Flugbewegungen in Zeiten des Spitzenverkehrs auf der Parallelbahn abzuwickeln, als mit
einer Ausweichfunktion vereinbar erachtet. Nichts anderes gilt für die Konkretisierung der
Ausweichfunktion durch Bezugnahme auf "Zeiten des Spitzenverkehrs über Tage". Eine
Festlegung der zulässigen Benutzung auf bestimmte Uhrzeiten, Stunden oder sonstige
Zeiträume enthält der Vergleich nicht; sie ist ihm auch nicht im Wege der Auslegung zu
entnehmen. Nach allgemeinem Sprachgebrauch ist für einen Spitzenverkehr
kennzeichnend die besonders starke Inanspruchnahme einer Verkehrsanlage in
Abweichung vom Grad der üblichen Nutzung. Mit der Ergänzung "über Tage" ist nicht mehr
als die Ausgrenzung jener Zeiten gemeint, in denen schon bei Vergleichsabschluss
Nachtflugbeschränkungen galten und die im Planfeststellungsbeschluss - den
Gepflogenheiten im Immissionsschutz folgend - mit 6.00 bis 22.00 Uhr umschrieben
wurden. Auch eine Fixierung auf einen quantifizierbaren Umfang, etwa im Sinne bloß
"marginaler" Mitbenutzung, ist den Begriffen des Ausweichens und des Spitzenverkehrs
nicht immanent, allenfalls ist vorgegeben, dass sich das Geschehen gegen identifizierbare
"Normal"zeiten abheben muss. Spitzenzeiten und Ausweichen zur Stauvermeidung sind
abhängig vom jeweiligen Verkehrsgeschehen, das an den Flughafen herangetragen wird
und Schwankungen aufweist, die aus den Präferenzen der Anbieter und Nachfrager von
Luftverkehrsverbindungen und aus eventuellen Störungen des Flugbetriebs mit der Folge
von Verspätungen resultieren. Es wäre daher geradezu sinnwidrig, eine zeitliche oder
quantitative Vorab-Festlegung der Spitzenzeiten vorzunehmen, was auch erklärt, warum
die beteiligten Gebietskörperschaften nicht auf einer solchen Festlegung im Vergleichstext
bestanden haben, wo sie auf eine Fixierung anzuerkennender Zeiten noch hätten Einfluss
nehmen können. Der Senat hat schon im vorgenannten Urteil vom 28. April 1989 (a.a.O. S.
80 f.) zum Ausdruck gebracht, dass die Zulassung der Mitbenutzung der Parallelbahn in
Zeiten des Spitzenverkehrs eine deutliche - und gewollte - Kapazitätserweiterung des
Bahnsystems über die Einbahnkapazität hinaus mit sich bringt. Wie bereits im
Planfeststellungsbeschluss anerkannt, hat die Nutzung zweier Bahnen gerade den Sinn,
Verkehrsvorgänge zu entzerren und zu beschleunigen und dadurch Raum zu schaffen für
ein Mehr gegenüber dem auf einer Bahn Möglichen. Dass die Ausnutzung dieses
Kapazitätsgewinns bisher auf die Abwicklung unplanmäßig anfallender Flüge in
Kurzzeiträumen beschränkt und mit dem entsprechenden Entfallen derselben, zeitlich
außer Plan liegenden Flugbewegungen in anderen Kurzzeiträumen desselben Tages
verbunden war (Planfeststellungsbeschluss S. 123, 126), ist alleinige Folge des vom
Beklagten im Planfeststellungsbeschluss entwickelten Verständnisses der
Einbahnkapazität (vgl. dort S. 126) und deren Konkretisierung durch stundenbezogene
Koordinierungseckwerte, mit der einer nach den Abmachungen im Angerland- Vergleich
möglichen weitergehenden Kapazitätssteigerung gezielt entgegengewirkt werden sollte.
Bei dieser Beschränkung handelt es sich also nicht um eine Umsetzung des Vergleichs,
sondern um ein von der Verwaltung selbständig aufgegriffenes Schutzelement in der
Betriebsregelung, das im Zusammenhang mit der Zulassung der Parallelbahn Bedenken in
der Bevölkerung und der Lage des Flughafens in einem dicht besiedelten Gebiet
Rechnung tragen sollte (vgl. Planänderungsbeschluss 1985, S. 2, 4 und
Planfeststellungsbeschluss 1983, S. 257 ff.).
Dass die beteiligten Kommunen seinerzeit annahmen, wegen des Ausweichcharakters der
Parallelbahn werde es zu deren Inanspruchnahme nur in einem so untergeordneten
Umfang kommen, dass dies für die Lärmauswirkungen und darauf bezogenen
Festsetzungen von unwesentlicher Bedeutung sei, mag zwar in der von der Klägerin des
Verfahrens zu 2. angeführten Passage unter C. des 1. Teils des Vergleichs zum Ausdruck
kommen, wonach die Parallelbahn "bei der Festlegung der Lärmzone II ... ohne
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Berücksichtigung bleiben kann"; eine Absicherung hat diese Vorstellung allerdings
nirgends gefunden. Für eine maßgebliche Prägung des Inhalts des Angerland-Vergleichs
durch jahrzehntelange Einschätzung und Handhabung spricht - ungeachtet der Bedenken
bereits gegen den theoretischen Ansatz - nichts. Es mag sein, dass sich die
Flughafenumgebung durch das Wissen um einen Vergleich mit (auch)
betriebsbeschränkendem Inhalt und das Kriterium der Einbahnkapazität, das aus dem
Bereich der Exekutive eingebracht und von dieser lange Zeit nicht in Frage gestellt worden
war, einigermaßen abgesichert gesehen hat. Eine den Erklärungsgehalt der schriftlichen
Abmachung modifizierende Bedeutung - auch im Sinne einer Erwirkung - hat eine solche
Vorstellung aber schon deshalb nicht, weil kein Anlass bestand, nach Herkunft und
Beständigkeit des Kriteriums der Einbahnkapazität zu fragen, solange der Beklagte und die
Beigeladene es zugrunde legten.
Allerdings hat der Beklagte die Einbahnkapazität nunmehr in nicht nur marginaler Hinsicht
abweichend vom Planfeststellungsbeschluss 1983 bestimmt, wie schon die für die
mögliche Endkapazität angenommene Steigerung der Gesamtflugbewegungen in den
sechs verkehrsreichsten Monaten von 91.000 (im Planfeststellungsbeschluss 1983) auf
122.176, also um gut 34 % verdeutlicht. An dieser Neubestimmung war der Beklagte durch
keine zwingende Vorgabe gehindert. Die Kapazität einer Start- und Landebahn ist keine
statische Größe; sie ergibt sich erst auf der Grundlage (auch) prognostischer und
planerischer Annahmen über den abzuwickelnden Betrieb. Die dafür maßgebenden
Kriterien enthalten sowohl tatsächliche - und damit sachverständiger Ermittlung
zugängliche - Feststellungen als auch bewertende Elemente. Dies unterstreichend wird im
Gutachten N. vom Januar 1995 (S. 5) betont, dass die dort ermittelten Kapazitäten "relativ
und nur auf der Basis der jeweiligen betrieblichen/technischen Parameter gültig" sind.
Gerade auch die von der Klägerin des Verfahrens zu 2. vorgelegte Gutachterliche
Stellungnahme der g. ..B... D.... & Partners vom 16. November 2004 bestätigt in ihrer Kritik
am N. -Gutachten die Relativität der Kapazitätsbestimmung, wenn dort immer wieder
hervorgehoben wird, dass die praktische Kapazität mit den jeweils eingestellten
betrieblichen Randbedingungen variiere.
Unter diesen Gesichtspunkten ergibt sich die Anhebung der Koordinierungseckwerte in
den Auflagen Nrn. 6.2 bis 6.4 gemäß der Änderungsgenehmigung nicht nur aus einer
Anpassung an einen - unabhängig von der Genehmigungslage eingetretenen -
technischen Fortschritt der Flugsicherungstechnik (dazu Änderungsgenehmigung S. 45 zu
2.1.1), sondern auch als Folge einer Modifizierung bisher maßgeblicher planerischer und
wertender Rahmenbedingungen durch den Beklagten, mit denen eine Annäherung an das
unter günstigen Bedingungen auf der Hauptstart- und -landebahn Abzuwickelnde im Sinne
der technischen Kapazität (N. -Gutachten S. 5) einhergeht. Dazu legt der Beklagte - im
Unterschied zur Kapazitätsbestimmung im Planfeststellungsverfahren - mit dem Kriterium
der maximalen Praktischen Stündlichen Kapazität Betriebsbedingungen zugrunde, die
bestimmte den konkreten Flugbetrieb in einzelnen Zeiträumen möglicherweise limitierende
Faktoren ausklammern, wie ungünstige Wetterbedingungen oder
Verkehrszusammensetzungen. Auch mit dem Verzögerungsmaß (der durchschnittlichen
Verzögerung von Starts oder Landungen innerhalb der Stunde) von nunmehr acht, statt
bisher vier Minuten geht der Beklagte von einem bislang maßgeblichen Element der
Kapazitätsbetrachtung im Planfeststellungsbeschluss 1983 ab (vgl. dort S. 121). Gerade
damit aber wird ein Anstieg der pro Stunde auf einer Bahn zu bewältigenden
Flugbewegungen möglich, wie auch die von der DFS Deutsche Flugsicherung GmbH
(DFS) in ihrer Gutachterlichen Stellungnahme vom 16. Oktober 2000 zur Erweiterungsstufe
ermittelten Zusammenhänge zwischen durchschnittlicher Verzögerung und der Zahl der
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stündlichen Bewegungen (a.a.O. S. 5 f.) zeigen. Insofern ist es ohne weiteres plausibel,
wenn in der vorgenannten g. Stellungnahme vom 16. November 2004 (S. 7) der
Kapazitätsgewinn durch Heraufsetzung des Verzögerungsmaßes mit 10 bis 15 % beziffert
wird. Zudem hebt der Beklagte nunmehr vorrangig auf die Betrachtung von Kurzzeiträumen
ab und verzichtet auf die Festlegung einer Gesamtzahl für den Sechs-Monats-Zeitraum.
Insofern legt er für die als dauerhaft betrachtete Erweiterungsstufe nicht nur - weiterhin -
einen hohen Auslastungsgrad der Bahn zugrunde, sondern geht über die planerischen
Annahmen hinaus, die als kapazitätsbestimmende Faktoren bisher in die
Berechnungsgrundlagen eingestellt worden waren. Damit hat er die Einbahnkapazität als
begrenzenden Bezugspunkt der Genehmigungslage nach der Erweiterungsgenehmigung
zwar nominell beibehalten, sie aber der Sache nach deutlich weiter gefasst.
Das jetzt zugrunde gelegte Verständnis der Einbahnkapazität ist noch mit dem Wortsinn
vereinbar und überschreitet keine strikt zu beachtenden, also durch Abwägung nicht zu
überwindenden Grenzen, insbesondere nicht solche aus dem Angerland-Vergleich. Die
Umschreibung der Kapazität eines Flughafens ist ein zentrales Mittel zur planerischen
Festlegung seiner potenziellen Nutzbarkeit. Dementsprechend liegt es grundsätzlich in der
planerischen Gestaltungsmacht der zuständigen Luftfahrtbehörde, die
kapazitätsregulierenden Faktoren letztverbindlich vorzugeben. Solche Vorentscheidungen
trifft die Behörde vor allem mit der Wahl der einzustellenden wertenden Parameter
hinsichtlich der Beschaffenheit der Anlagen oder - wie hier - der betrieblichen
Randbedingungen, die den konkretisierungsbedürftigen Begriff der Kapazität erst
handhabbar und die Tragweite der Zulassungsentscheidung einschätzbar machen.
Vgl. BVerwG, Urteil vom 5. Dezember 1986 - 4 C 13.85 -, Urteilsabdruck S. 72, 63 f.
Die Bedenken der Kläger hiergegen, insbesondere unter Berufung auf die oben genannte
Stellungnahme der fdc vom 16. November 2004, sind unbegründet. Soweit sie wertende
Festlegungen kritisieren, vernachlässigen sie die Gestaltungsbefugnis des Beklagten und
verkennen im Übrigen die Funktion der Einbahnkapazität im planerischen Konzept der
Änderungsgenehmigung. Denn der Beklagte zielt mit dem Kriterium der Einbahnkapazität
von vornherein nicht auf eine möglichst realistische Beschreibung der Leistungsfähigkeit
der Hauptstart- und -landebahn ab, sondern benutzt diesen Begriff als eine planerische
Chiffre zur Kennzeichnung des äußersten Rahmens, der der Beigeladenen an Nutzbarkeit
des Parallelbahnsystems zugestanden werden soll. Zu diesem Zweck soll das Kriterium so
ausgefüllt werden, dass die Einbahnkapazität (im Sinne möglicher Stundenkapazität) nicht
"schon von der Planung her überschritten und die Zweibahnkapazität in Anspruch
genommen" wird (Änderungsgenehmigung S. 63). Mit dieser Vorgabe behält der Beklagte
die Betrachtung des Planfeststellungsbeschlusses in wesentlicher Hinsicht bei, nach der
ebenfalls "von der Flugplanung her" ein Anstieg der Lärmbelastung in den Spitzenstunden
verhindert werden sollte (Planfeststellungsbeschluss S. 125). Festlegungen zu treffen, die
schon im Rahmen der Flughafenkoordinierung die volle Nutzung des Parallelbahnsystems
erfordern, bleibt der Beigeladenen daher weiterhin verwehrt.
Der Beklagte hat dieses Ziel nicht etwa schon deshalb verfehlt, weil sein auf
Einbahnkapazität abstellendes Konzept ein tatsächlich unwirksames Mittel und bloß
vorgeschobenes Argument darstellt. Nach der gemäß § 31 Abs. 3 LuftVG eingeholten
gutachtlichen Stellungnahme der DFS vom 16. Oktober 2000 (S. 6) wird die
flugsicherungstechnische Kapazität der Hauptstart- und -landebahn mit einem
Koordinierungseckwert von 38 Bewegungen/Stunde - entsprechend der Erweiterungsstufe
nach Auflage Nr. 6.3 - nicht erreicht. Diese Aussage ist aus dem Gutachtenzusammenhang
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gut nachvollziehbar und jedenfalls nicht überzogen. Sie beruht auf einem praxisnahen
Nachvollzug der Modellrechnungen des Gutachters N. unter simulierter Betrachtung der
konkreten Verhältnisse am Flughafen der Beigeladenen. Soweit gestützt auf die g. -
Stellungnahme unrealistisch überhöhte Annahmen des N. -Gutachtens, die nicht auf
wertenden Vorentscheidungen beruhen, beanstandet werden, überzeugt das nicht, weil der
Beklagte sich von einigen auch aus seiner Sicht fachlich unhaltbaren Annahmen in diesem
Gutachten ausdrücklich distanziert hat. So hat er etwa die von den Klägern kritisierten
Staffelungsbedingungen bei Sichtflugwetterbedingungen, weil mit den Vorschriften der
DFS nicht in Einklang zu bringen, außer Betracht gelassen und eine Festlegung von
Halbjahres- oder Jahreskapazitäten unter der Annahme einer 100-prozentigen Auslastung
in allen Betriebsstunden ohne Einbeziehung tageszeitlicher, wochentäglicher und
saisonaler Schwankungen als unrealistisch abgelehnt. Hiervon abgesehen ist darauf
hinzuweisen, dass die Kritik in der g. - Stellungnahme (insbesondere dort S. 14)
grundlegend auf einer Vermischung der flugsicherungsbetrieblichen Leistungsfähigkeit
einer Start- und Landebahn mit deren Ausnutzung im Sinne faktischer Inanspruchnahme
beruht. Beide Größen, die Elemente der Ermittlung des Auslastungsgrades einer Anlage
sind, hängen indes von unterschiedlichen Faktoren ab, die keinen direkten
Zusammenhang miteinander aufweisen und nicht gleichermaßen objektiv vorgegeben
sind.
War der Beklagte somit bei der Aufnahme und Handhabung des Kapazitätskriteriums
weder an gesetzliche noch vertragliche Vorgaben gebunden, so war die Änderung auch
ohne Bindung an die Regelungen im Planfeststellungsbeschluss möglich. Das Gesetz
setzt die rechtliche Möglichkeit einer nachträglichen Änderung der betriebsbezogenen
Planung ausdrücklich voraus (vgl. § 6 Abs. 4 Satz 2, § 8 Abs. 4 Satz 2 LuftVG). Eine
Beschränkung der planerischen Gestaltungsfreiheit auf bestimmte Fallkonstellationen, wie
sie etwa in den §§ 48 ff. VwVfG für Rücknahme und Widerruf bestandskräftiger
Verwaltungsakte oder ein Wiederaufgreifen des Verfahrens vorgesehen sind und deren
Vorliegen der Behörde erst die Ermessensentscheidung eröffnet, besteht dabei nicht. Denn
die besonderen Anforderungen, welchen die Planung als Verwirklichung eines Vorhabens
unter möglichst optimalem Ausgleich verschiedener, teilweise miteinander konkurrierender
öffentlicher und privater Belange gerecht zu werden hat, können von den §§ 48 ff. VwVfG
nicht geleistet werden.
Vgl. BVerwG, Urteil vom 14. September 1992 - 4 C 34-38.89 -, BVerwGE 91, 17, 22.
Ebenso wenig verbieten Erwägungen des Vertrauensschutzes eine Abweichung von der
bisherigen Definition der Einbahnkapazität. Zwar können Gesichtspunkte des
Vertrauensschutzes bei den von einem Vorhaben Betroffenen im Einzelfall durchaus
Bedeutung erlangen; vorliegend ist ein schutzwürdiges Vertrauen auf Ausbleiben jeglicher
Änderung aber nicht anzuerkennen. Zum einen ist eine Hinnahme des
Planfeststellungsbeschlusses als notwendige Betätigung des Vertrauens der oder
einzelner Kläger dahin, es werde auf Dauer bei den Regelungen und Erwägungen des
Planfeststellungsbeschlusses bleiben, weder fundiert vorgetragen noch erkennbar - einige
der Kläger haben sich klageweise gegen den Planfeststellungsbeschluss gewehrt. Zum
anderen kann Vertrauen hier allenfalls als Posten im Rahmen der planerischen Abwägung
eine Rolle spielen, der Planung nicht aber als unüberwindbare Grenze entgegengehalten
werden. Das ergibt sich schon daraus, dass Betriebsgenehmigungen, auch soweit ihre
Regelungen aus einem Planfeststellungsbeschluss folgen, - wie oben gesagt - einer neuen
Abwägung nicht entgegenstehen.
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Ein zur Aufhebung der Änderungsgenehmigung führender Abwägungsmangel ist nicht
festzustellen. Die Genehmigung gemäß § 6 Abs. 4 Satz 2 LuftVG ist, unbeschadet ihrer
betrieblichen Ausrichtung, eine planerische Entscheidung, die in Abwägung der Vor- und
Nachteile des beantragten Betriebs zu ergehen und dabei die berührten öffentlichen und
privaten Belange in einen angemessenen Ausgleich zu bringen hat. Dies ist dem
Beklagten jedenfalls im Hinblick auf das, was die Kläger an Belangen einbringen können,
gelungen. Die rechtliche Betrachtung kann und muss sich darauf beschränken, hat also bei
den klägerseitig erhobenen Einwänden im Blick zu behalten, ob etwas und was dafür
spricht, dass gerügte Mängel zu einem rechtswidrigen Ergebnis der Abwägung auch und
gerade zulasten eines Klägers geführt haben. Ein beträchtlicher Teil vorgebrachter Rügen
bleibt unter Berücksichtigung dieses Aspektes ohne Bedeutung. Im Weiteren verfängt es
auch nicht, wenn etwa durch bloßes Infragestellen praktisch aller wesentlichen Grundlagen
einer vom Beklagten berücksichtigten gutachterlichen Aussage, durch undifferenzierte,
insbesondere die Behandlung in den Bescheiden ignorierende Aussagen zu Gutachten -
wie im Flugsicherheitsgutachten oder dem Erfordernis eines lärmpsychologischen
Gutachtens -, durch Mutmaßungen - beispielsweise zur Befangenheit von Gutachtern -,
durch Aufzeigen gegenläufiger Thesen, ohne auf deren Berücksichtigung in angegriffenen
Aussagen einzugehen, oder - wie bei der Luftverunreinigung und der Gefährdung von
Boden und Wasser - durch Hochspielen der mangelnden Betrachtung eines Umstandes,
für dessen Relevanz allgemein oder gerade bei den Klägern nichts spricht, ersichtlich der
Schluss auf eine völlig verfehlte - wohl auch einseitige - Vorgehensweise des Beklagten
nahegelegt werden soll, die schon im Ansatz jede einer rechtlichen Anerkennung
zugängliche Abwägung ausschließt. Dass der Beklagte das Antragsbegehren der
Beigeladenen nicht sachgerecht angegangen wäre und kritisch geprüft hätte, erschließt
sich aber insgesamt nicht. Was im Vorbringen der Kläger Gewicht und Substanz hat, läuft
auf die Darstellung unterschiedlicher Standpunkte hinaus, nicht aber auf Unwilligkeit oder
Unfähigkeit des Beklagten im Hinblick auf den anzustrebenden Interessenausgleich. Dabei
ist sicherlich einzustellen, dass die Kläger - wie exemplarisch schon die vorstehenden
Ausführungen zur Einbahnkapazität zeigen - von einer rechtlich stärkeren Absicherung von
Schutzansprüchen gegenüber der Entwicklung des Flughafens ausgehen, als sie nach
Ansicht des Gerichts gegeben sind, und nicht einstellen, dass und inwieweit der Beklagte
dem Begehren der Beigeladenen - wie bei der gewünschten Beschränkung auf eine
Aussage nur zur Einbahnkapazität ohne deren Konkretisierung über Stundeneckwerte -
nicht gefolgt ist. Soweit im Nachfolgenden einzelne klägerseitig vorgebrachte Aspekte nicht
ausdrücklich aufgegriffen werden, gilt für sie, dass sie entweder der erforderlichen
Substanziierung entbehren oder für das Vorliegen eines Mangels mit Ergebnisrelevanz
nichts Tragfähiges spricht.
Die durch den genehmigten verstärkten Flugbetrieb zusätzlich verursachten
Luftverunreinigungen, die mit dem Vorhaben zwangsläufig verbunden sind und denen nicht
durch Schutzvorkehrungen zu begegnen ist, lassen keine nachteiligen Wirkungen auf
Rechte der Kläger besorgen. Dies kann anhand des Gutachtens des TÜV S. /C. - C1 zu
den flugverkehrsbedingten gasförmigen Immissionen in der Umgebung des Flughafens
Düsseldorf International vom 12. August 1999 festgestellt werden. Aus den die maßgeblich
zu betrachtenden Luftverunreinigungen berücksichtigenden Ermittlungen ergibt sich, dass
die durch die angefochtene Änderungsgenehmigung verursachten Beiträge vor dem
Hintergrund von als einschlägig erörterten Immissionsgrenzwerten oder Anhaltswerten
geringfügig sind und weithin in einer Größenordnung verbleiben, für die auch bei zur
Gefahrenabwehr zwingend vorgegebenen Ermittlungsgrundsätzen, insbesondere gemäß
der TA Luft, auf detaillierte Feststellungen verzichtet werden kann (vgl. 4.6.2.1 TA Luft). Alle
Komponenten, mit Ausnahme von Stickstoffdioxid und Benzol, liegen unter 1 % der
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Beurteilungswerte. Auch die mittleren flugverkehrsbedingten Immissionen für
Stickstoffdioxid machen lediglich bis zu 9,0 %, diejenigen für Benzol bis zu 6,8 % der
Beurteilungswerte aus. Konkrete Erkenntnisse, dass bereits diese Beiträge wegen der
Belastungssituation in Bereichen, auf die sich die dem Flugbetrieb auf der Anlage der
Beigeladenen zuzuordnenden Immissionen auswirken können, bedenklich sein könnten,
liegen nicht vor; insbesondere den allgemein zugänglichen Umweltberichten des
Landesumweltamtes NRW ist zu entnehmen, dass sich der Flughafen der Beigeladenen
zwar in einem Bereich mit der für urbane Räume typischen Luftbelastung befindet, aber
eben nicht in einem Umfeld, das bereits als kritisch anzusehen ist. Insgesamt kann daher -
auch was die Einwände der Kläger angeht - auf die Ausführungen des Beklagten in der
Änderungsgenehmigung (S. 130 bis 141) verwiesen werden, zumal auch weder
klägerseitig aufgezeigt worden noch dem Senat aus seiner Praxis im Luftverkehrsrecht
sonst bekannt ist, dass in der Umgebung von Flughäfen auf den Flugverkehr
zurückzuführende bedenkliche Luftbelastungen hervorgerufen werden.
Was die Lärmbelastung der Umgebung, insbesondere auch der Kläger, angeht, hat der
Beklagte das auf der Grundlage der Änderungsgenehmigung zu Erwartende zutreffend
erfasst und fehlerfrei bewertet. Das lärmphysikalische Gutachten J. /T. vom 15. September
1999 und die ergänzenden Berechnungen (vgl. dazu den Bescheid vom 5. Juni 2003, S.
60), deren Ergebnisse sich der Beklagte zueigen gemacht hat, bewegen sich insgesamt auf
gut abgesicherten und lange anerkannten Grundlagen, insbesondere was die
Heranziehung der Berechnungsvorschrift in der Anleitung zur Berechnung von
Lärmschutzbereichen - AzB - (Erlass des Bundesministers des Innern vom 27. Februar
1975, GMBl. 1975, 162, mit Ergänzung vom 20. Februar 1984 - U II 4 - 560 120/43) angeht.
Diese Grundlagen sind auch angesichts in der Fachliteratur und im Klägervorbringen
aufgezeigter abweichender methodischer Ansätze und Möglichkeiten der Lärmermittlung
tragfähig. Einzelne kritisierte Elemente der AzB (wie z.B. die Zeitbewertung "slow") haben
eine normative Absicherung im Fluglärmgesetz (Anlage zu § 3). Die AzB-Methodik ist
allgemein bekannt und gewohnt im Umgang; sie liegt den meisten Erkenntnissen zur
Wirkung von Fluglärm zugrunde und ist - auch international - am weitesten verbreitet, was
die Vergleichbarkeit von Aussagen ermöglicht. Vor allem ist die Korrelation von Pegeln und
wichtigen Lärmwirkungen, um die es auch hier geht, wissenschaftlich auf der Grundlage so
berechneter Pegel aufgearbeitet worden. Demgegenüber würden Veränderungen der
Rechenvorschrift, auch hinsichtlich nur einzelner Berechnungselemente, nicht allein zu
Anpassungen gängiger Bewertungsskalen nötigen, wie im lärmphysikalischen Gutachten
J. /T. (S. 6) hervorgehoben ist; mit ihnen gingen auch bis zur Herausbildung einer neuen
anerkannten Methodik erhebliche Unsicherheiten der Bewertung auf der Wirkungsseite
einher.
Vgl. auch Griefahn/Jansen/Scheuch/Spreng, Fluglärmkriterien für ein Schutzkonzept bei
wesentlichen Änderungen oder Neuanlagen von Flughäfen/Flugplätzen, Zeitschrift für
Lärmbekämpfung ZfL 49 (2002), 171, 172.
Im Übrigen ist im ergänzenden Verfahren mit der Umstellung der Berechnung sämtlicher
Lärmzonen und Schutzgebiete, soweit sie auf Dauerschallpegeln beruhen, auf den
Halbierungsparameter q = 3 einer Forderung der Kläger Rechnung getragen worden, was
deshalb mit dem Vorstehenden vereinbar ist, weil diese Weiterentwicklung
wissenschaftlich - gerade auch international - bereits Anerkennung gefunden hat.
Die Berechnungen sind auf eine fehlerfreie Datengrundlage gestützt worden. Dabei ist
nicht zu beanstanden, dass die Gutachter die so genannte "AzB99" herangezogen haben.
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Mit dieser, freilich missverständlichen, Bezeichnung ist keineswegs eine neue Fassung der
Anleitung zur Berechnung gemeint, sondern eine Aktualisierung der
Flugzeuggruppeneinteilung und der auf ihr aufbauenden akustischen und flugbetrieblichen
Eingangsdaten für die Berechnung. Diese Zusammenhänge und Datengrundlagen sind im
Gutachten vom 15. September 1999 (S. 4 und 9 f.) ohne weiteres nachvollziehbar dargelegt
und erläutert worden, sodass von einer unzugänglichen und geheimen
Gutachtengrundlage nicht gesprochen werden kann. Die Verwendung einer aktualisierten
Datengrundlage zur AzB, an der unter Beteiligung des Umweltbundesamtes seit vielen
Jahren gearbeitet wird, war sachlich geboten und angesichts des Charakters des
Regelwerks als Verwaltungsvorschrift auch gerechtfertigt. Die letzten amtlich verlautbarten
Datenblätter aus dem Jahre 1984 ("AzB84") sind anerkanntermaßen überholt. Die
Zusammensetzung des im zivilen Luftverkehr eingesetzten Fluggeräts hat sich so drastisch
geändert, dass auf ihrer Grundlage keine für eine sachgerechte Abwägung unerlässliche
realitätsnahe Darstellung der künftigen Lärmbelastung möglich ist. Daher hatte der Senat
schon in seinen Beschlüssen vom 28. Mai 1999 eine Lärmberechnung "unter den
Modalitäten einer genehmigungsnahen Flottenzusammensetzung" angemahnt, was
realistische Emissionsdaten der betrachteten Luftfahrzeuge einschließt. Dem ist mit der
Heranziehung der "AzB99" Rechnung getragen, die bei der Planungsentscheidung den
letzten Erkenntnisstand verkörperte. Die Kläger treten dem in der Sache nicht mehr
entgegen.
Der Umkehrschub, den Luftfahrzeuge nach dem Aufsetzen auf der Landebahn zur
Erhöhung der Bremswirkung zum Teil einsetzen, ist nicht ausgeblendet worden. Er ist im
lärmphysikalischen Gutachten bei den Emissionen der Luftfahrzeuge in der Landephase
berücksichtigt. Der Senat ist den von den Klägern in der mündlichen Verhandlung
aufgeworfenen Fragen zum Umkehrschub bereits in früheren Verfahren unter
gutachterlicher Beteiligung nachgegangen. Dabei hat sich ergeben, dass bei
Lärmberechnungen nach der AzB die Emissionen anfliegender Luftfahrzeuge nach dem
Aufsetzen bis zum Abbiegen von der Landebahn einbezogen sind (vgl. insbesondere AzB
Nrn. 4.1.1 bis 4.2.3). Die in Nrn. 4.1.1 a, b, 4.1.3 und 4.2.2.1 AzB definierte Dichtefunktion
Di schließt pauschalierend auch den Umkehrschub ein.
Vgl. Senatsurteil vom 17. September 1998 - 20 A 3482/91 -, Urteilsabdruck S. 39.
Es fehlt jeder Anhaltspunkt, dass die damit erfassten Anteile nach den
Betriebsverhältnissen am Flughafen der Beigeladenen nicht ausreichend wären. Im
Bodenlärmgutachten des TÜV S. vom 29. Oktober 1999 (S. 7, Nr. 2.3) wird daher
überzeugend zugrunde gelegt, dass der Umkehrschub im lärmphysikalischen Gutachten
berücksichtigt und bei der Ermittlung des Bodenlärms außer Ansatz zu lassen ist.
Ferner sind zur tatsächlichen Entwicklung prognostische Annahmen zugrunde gelegt
worden, die nicht zu beanstanden sind. Dass die aus dem Datenerfassungssystem der
Beigeladenen stammenden Annahmen über die Verkehrszusammensetzung (dazu das
Gutachten Bl. 12 f.) fehlerbehaftet und den rechtlich zu beachtenden Vorgaben,
vgl. dazu die im Tatbestand bezeichneten Beschlüsse des Senats vom 28. Mai 1999,
nicht genügend angepasst wären, behaupten die Kläger nicht, ist auch nicht erkennbar. Die
angesetzte Gesamtzahl der Flugbewegungen ist jedenfalls nicht zulasten der Kläger
unrichtig. Die Zahl von 120.650 Flugbewegungen in den sechs verkehrsreichsten Monaten,
die den Berechnungen im lärmphysikalischen Gutachten (S. 3, 13) wie den Erwägungen
des Beklagten zugrunde liegen, entspricht nahezu dem, was in der Erweiterungsstufe unter
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stetiger Nutzung der vollen Stundeneckwerte genehmigungsrechtlich maximal zulässig ist
(122.176 Flugbewegungen, vgl. Änderungsgenehmigung S. 92 f.), obwohl ein solches
Ausschöpfen der Eckwerte - gerade auch nach Einschätzung der Kläger - unrealistisch ist.
Auch gegen die angenommene Verteilung der Flugbetriebsrichtungen (80 % aller
Flugbewegungen in Richtung 23, 20 % in Richtung 05) ist nichts zu erinnern. Es entspricht
den Erfordernissen der AzB, dass für jeden Immissionspunkt die Summe der im gesamten
Beurteilungszeitraum (den sechs verkehrsreichsten Monaten) tatsächlich einwirkenden
Flugereignisse einzustellen ist, was im Ergebnis, da die Berechnung bestimmte
Flughöhenprofile und Flugleistungsdaten als Eingangsdaten erfordert, zu einer
Unterscheidung nach der Zahl der Starts und Landungen im Verhältnis der tatsächlichen
Betriebsrichtungsverteilung nötigt. Bei schwankenden tatsächlichen Verhältnissen wie der
von der Windrichtung abhängigen Flugbetriebsrichtung sind Mittelungen unumgänglich,
weil kein Beurteilungszeitraum für sich genommen ohne weiteres hinreichend
repräsentative Werte aufweist. Das zeigen die Berechnungen der Kläger, die zu stark
variierenden Verteilungen kommen, je nachdem, welche Jahre oder Kombinationen von
Jahren zugrunde gelegt werden. Die vom Beklagten gebilligte gutachtliche Verteilung von
80:20 ist sachgerecht, weil sie den Durchschnittswert der letzten 20 Jahre vor der
Genehmigungsentscheidung zugrunde legt und sich damit den langfristig auch weiterhin zu
erwartenden Verhältnissen annähert, auf die auch die Abschätzung der Lärmwirkungen im
Wesentlichen abhebt. Ein demgegenüber eindeutig vorzugswürdiges Richtungsverhältnis
haben die Kläger nicht aufgezeigt, wie ihre Kritik überhaupt auch in diesem Punkt nicht
verdeutlicht, worin die Relevanz einer anderen Wahl für ihre eigene Rechte liegen könnte.
Eine solche Relevanz ist auch nicht ersichtlich. Denn mit der Wahl eines
Betriebsrichtungsverhältnisses ist kein Ausblenden von Lärmereignissen verbunden,
sondern eine bloße Veränderung der Flugzustände (startendes/landendes Flugzeug) bei
den Eingangsdaten der AzB- Berechnung, die sich bei der 6-Monats-Mittelung weitgehend
nivellieren.
Die Forderung, den Fluglärm für die Bahnrichtungen 23 und 05 jeweils getrennt unter der
Annahme einer 100-prozentigen Auslastung durch Starts oder Landungen zu berechnen
(so genannte 100/100-Betrachtung), betrifft nicht die Frage der Wahl einer angemessenen
Richtungsverteilung der Flugbewegungen als Teil der akustischen Eingangsgrößen für
eine realistische Ermittlung der Lärmbelastung in den sechs verkehrsreichsten Monaten
eines Jahres; vielmehr wird damit eine gegenüber diesem zeitlichen Ansatz abweichende
Kennzeichnung des Flugbetriebs zur Bewertung der Zumutbarkeit für geboten erachtet.
Dem ist nicht zu folgen, wie unten dargelegt werden wird.
Auch sonst sind dem Beklagten in der Betrachtung des Lärmgeschehens keine Fehler
unterlaufen, die zum Nachteil der Kläger gehen.
Bei den im Gutachten angenommenen und vom Beklagten gebilligten Abflugstrecken
(Flugverfahren im Sinne des § 27a LuftVO) - die Anflugstrecken haben sich nicht verändert
- sind Fehler nicht zu erkennen. Da sich Flugverfahren einer bindenden Festlegung durch
den Beklagten als Genehmigungsbehörde entziehen (zuständig ist das Luftfahrt-
Bundesamt, § 27a Abs. 2 Satz 1 LuftVO), bilden sie prognostische Elemente in der
Einschätzung der Bereiche und Intensitäten der Lärmbetroffenheit. Soweit sie Niederschlag
finden in der zeichnerischen Darstellung der Tagschutz- und Entschädigungsgebiete,
kommt ihnen nicht etwa eine Ansprüche auf Schallschutzmaßnahmen bzw. Entschädigung
ausschließende Wirkung zu. Denn anspruchsbegründend ist nicht nur der Umstand, dass
ein Grundstück innerhalb eines dargestellten Schutzgebiets liegt; entscheidend ist
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vielmehr, dass die Lärmbelastung auf einem Grundstück das zumutbare Maß überschreitet,
das durch die verbale Festlegung von Kriterien bezeichnet ist.
Vgl. BVerwG, Urteil vom 27. Oktober 1998 - 11 A 1.97 -, BVerwGE 107, 313; Urteil vom 29.
Januar 1991 - 4 C 51.89 -, BVerwGE 87, 332, 358 ff.
Möglicherweise relevante Fehler bei der prognostischen Flugroutenbestimmung - zumal
solche, die gerade die Kläger in ihren Rechten verletzten - sind nicht zu erkennen. Wegen
des auf der nordöstlichen Seite bis kurz vor Essener Stadtgebiet seit je deckungsgleich
verlaufenden An- und Abflugstrecken können sich nennenswerte Verschiebungen
allenfalls auf der südwestlichen Seite (Startrichtung 23) ergeben. Dem Beklagten war
aufgrund der Stellungnahme der DFS vom 29. Februar 2000 bekannt, dass sich wegen der
bevorstehenden Neuordnung der europäischen Luftraumstruktur Änderungen bei den
Abflugstrecken ergeben würden (Änderungsgenehmigung S. 60). Gesicherte Verläufe
waren aber im Zeitpunkt der Genehmigungsentscheidung schlechthin nicht auszumachen,
wie die schon damals intensiv geführten Diskussionen um die Streckenführungen in der
Fluglärmkommission und der Öffentlichkeit und die späteren mehrfachen Korrekturen und
Verlegungen der Strecken bestätigen. Daher war es nicht fehlerhaft, mit der DFS
anzunehmen, dass die neuen Routen "im lärmsensiblen Nahbereich mit den alten
Streckenführungen identisch" bleiben würden, und diese zugrunde zu legen, zumal die von
der Beigeladenen unter dem 25. Juli 2000 vorgelegten Nachberechnungen der Lärmkurven
unter Ansatz der von der DFS gesehenen Veränderungen in den Streckenbelegungen
keine nennenswerten Verschiebungen erwarten ließen. Dass es sich um plausible
Annahmen handelte, belegt eindrücklich die Schilderung eines im südwestlichen
Nahbereich ansässigen Klägers in der mündlichen Verhandlung, nach der sich der
Flugverkehr heute im Wesentlichen wieder so abspielt wie früher. Auch bei Erlass der
ergänzenden Entscheidung Mitte 2003 bestand - damit übereinstimmend - keinerlei
Veranlassung zu Ergänzungen, auf andere Abflugstrecken als bisher abzustellen. Denn die
zum 14. Juni 2001 in Kraft gesetzten Abflugverfahren sind in den hier interessierenden
Bereichen südwestlich des Flughafens mit den ursprünglichen Verfahren identisch.
Vom Beklagten zu fordern, Unsicherheiten durch die Berücksichtigung mehrerer Varianten
der Abflugstrecken Rechnung zu tragen, stellt das Arbeiten mit Prognosen in Frage, wozu
vorliegend deshalb kein Anlass besteht, weil die dem Beklagten obliegende allgemeine
Abwägung das Lärmgeschehen in generalisierender räumlicher Betrachtung betrifft und die
spezielle Abwägung für Schutzgebietsausweisungen wegen der Möglichkeit, beim
nachträglichen Auftreten einer unzumutbaren Lärmbelastung infolge neuer
Streckenführungen Schallschutz gemäß § 75 Abs. 2 Satz 2 VwVfG nach Maßgabe der in
der Änderungsgenehmigung festgelegten materiellen Zumutbarkeitskriterien zu verlangen,
zu keinen unabwendbaren negativen Folgen führt.
Die zugelassene Betriebsausweitung führt nicht zu Belastungen, die der Umgebung nach
dem Maßstab des § 9 Abs. 2 LuftVG unter Berücksichtigung der in den Auflagen unter Nr. 9
verfügten Schutz- und Ausgleichsmaßnahmen nicht zugemutet werden dürften.
Was das Lärmgeschehen in der Nachtzeit angeht (hier sind allein Landungen zwischen
22.00 bis 23.00 Uhr zu betrachten), so ist für die rechtliche Beurteilung ausschlaggebend,
dass der Beklagte mit der Festlegung von Koordinierungseckwerten für die erste
Nachtstunde nunmehr erstmals eine Einschränkung des Zulässigen verfügt hat. Denn
weder die Genehmigung von 1976 noch der Planfeststellungsbeschluss 1983 noch die
geltenden Nachtflugbestimmungen beinhalteten einschränkende Vorgaben zur Zahl der in
dieser Stunde zu koordinierenden oder flugbetrieblich zulässigen Landebewegungen.
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Zusätzliche belastende Auswirkungen gerade der Änderungsgenehmigung sind in dieser
Hinsicht also nicht einzustellen. Das gilt auch im Hinblick auf den klägerseitig
hervorgehobenen Umstand, dass die Anwohner unter der Anfluggrundlinie insbesondere
östlich des Flughafens in der ersten Nachtstunde von allen zulässigen Flugbewegungen
betroffen sind, und nicht nur, wie bei einer Mischung von Starts und Landungen, von dem
auf ihrer Seite abgewickelten Teil der Flugbewegungen. Auch insofern hat sich keine
Veränderung zum Nachteil der Kläger ergeben. Denn diese Form der Betriebsabwicklung -
lediglich Landungen in der ersten Nachtstunde - findet von jeher statt; die Zahl der
koordinierbaren Landungen ist aber nunmehr begrenzt. Die Frage der Zumutbarkeit von
Beeinträchtigungen der Flughafenanlieger wird durch eine solche Änderung nicht neu
aufgeworfen. Denn der Einbeziehung der von der alten Genehmigungslage fortdauernd
gedeckten Beeinträchtigungen in ein späteres Zulassungsverfahren bedarf es erst und nur,
wenn die Grenzen einer Grundrechtsverletzung erreicht sind; denn es ist staatlichen
Organen aufgrund ihrer grundrechtlichen Schutzpflicht verboten, an der Fortsetzung
grundrechtsverletzender Eingriffe mitzuwirken.
BVerwG, Urteil vom 15. September 1999 - 11 A 22.98 -, Buchholz 442.40 § 8 LuftVG Nr. 17
m.w.N.; Urteil vom 21. Mai 1997 - 11 C 1.97 -, Buchholz 442.40 § 6 LuftVG Nr. 27.
Dass vorliegend gesundheitsgefährdende Einwirkungen selbst dann in Rede stehen, wenn
die vom Beklagten - erneut - verfügten baulichen Schallschutzmaßnahmen (vgl. schon
Planfeststellungsbeschluss A. II. 2.2, S. 15) in Anspruch genommen werden, ist nicht
ersichtlich und behaupten die Kläger auch nicht.
Was die Zumutbarkeitsbewertung der Wirkungen von Tagfluglärm angeht, hat der Beklagte
seine Einschätzungen auf ein taugliches Fluglärmbewertungsmaß gestützt. Der nach der
AzB, hier allerdings nunmehr unter Anwendung des Halbierungsparameters q = 3,
berechnete energieäquivalente Dauerschallpegel ist ein in der Lärmwirkungsforschung wie
in der Rechtsprechung allgemein anerkanntes Maß zur Beurteilung wichtiger
Lärmwirkungen am Tage. Alternative Methoden werden in der Lärmwirkungsforschung
zwar seit langem diskutiert und sind, je nachdem, welche Wirkungen betrachtet werden
sollen, diskussionswürdig oder sogar anzuwenden; die von den Gutachtern K. /T. gewählte
Vorgehensweise anhand des äquivalenten Dauerschallpegels über die sechs
verkehrsreichsten Monate gewährleisten aber nach derzeitigem Erkenntnisstand aus den
oben allgemein zur AzB dargestellten Erwägungen im Grundsatz die beste Absicherung.
Der Senat teilt ferner die im ergänzenden Bescheid auf sachverständiger Basis getroffene
Einschätzung des Beklagten, dass äquivalente Dauerschallpegel auch zur Bewertung des
konkreten Lärmgeschehens geeignet sind, das sich durch eine gegenüber der
Vorbelastung (Referenzszenario V1) deutliche Zunahme von Einzelschallereignissen bei
im Wesentlichen gleicher räumlicher Pegelverteilung und gleichen Pegelmaxima
auszeichnet (Gutachten J. /T. , S. 2, 17). Dass auch eine solche Änderung über den
äquivalenten Dauerschallpegel darstellbar ist, kommt in den Konturen sämtlicher
Lärmgebiete zum Ausdruck. So vergrößern sich etwa die Flächen der Lärmkonturen der 62,
65 und 67 dB(A)-Zonen beim Übergang von der Vorbelastung (Referenzszenario V1) zum
Prognose-Szenario V2 um 55 bis 61 % (Gutachten J. /T. S. 15 f.), was sich - bei im Übrigen
wesentlich gleichen Eingangsdaten der Berechnung - entscheidend aus dem Anstieg der
Häufigkeit der Lärmereignisse erklärt. Es ist danach nachvollziehbar, dass die
lärmmedizinischen Gutachter K. /T. in ihrer ergänzenden Stellungnahme vom April 2003 (S.
8) die grundsätzliche Eignung des äquivalenten Dauerschallpegels zur Beurteilung auch
der vorliegend zu betrachtenden Situation bejahen. Mit den ermittelten Werten soll eine
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Aussage über die Wirkung eines Lärmgeschehens auf die Betroffenen ermöglicht werden.
Das Lärmgeschehen ist durch die Stärke der Einzelereignisse und deren Häufigkeit
maßgeblich geprägt. Beide Faktoren gehen auch in den äquivalenten Dauerschallpegel
ein. Verschiebungen bei einem Faktor - insbesondere Pegelhöhen oder Häufigkeit - führen
zu unterschiedlichen Wahrnehmungen bei den Betroffenen, aber auch zu veränderten
Werten des äquivalenten Dauerschallpegels und so zu einem anderen Aussagegehalt über
den Grad der Beeinträchtigung. Andererseits aber ist auch nicht ausgeschlossen, dass
unterschiedliches Lärmgeschehen, das von der Umgebung eben auch als unterschiedlich
wahrgenommen wird, sich bei objektivierender Betrachtung als in gleichem Maße
belästigend darstellt und demgemäß über denselben äquivalenten Dauerschallpegel
ausgedrückt werden kann. Das mag - wie klägerseitig auch aufgegriffen - zu Ergebnissen
führen, die auf den ersten Blick unglaubhaft erscheinen; mit dem bloßen Hinweis auf die
Unterschiede des Lärmgeschehens ist dem aber nicht entgegenzutreten. Auch der Rat von
Sachverständigen für Umweltfragen hält, trotz kritischer Würdigung, grundsätzlich am
äquivalenten Dauerschallpegel fest.
Vgl. Umweltgutachten 2002, Rdnrn. 584 ff.; ebenso etwa Ortscheid/Wende,
Fluglärmwirkungen, Berlin 2000, S. 20, 23; ferner BayVGH, Urteil vom 4. November 1997 -
20 A 92.40134 bis 92.40158 -, ZLW 1999, 536, 544 ff., 548, wo unter Bezugnahme auf
Guski die Eignung des Dauerschallpegels bei Flugbewegungen bis zu 1.000 pro Tag
bejaht wird.
Eindeutig Vorzugswürdiges, etwa in Gestalt von Schwellenwertkriterien, anhand von
Pegelhäufigkeit und -maxima steht demgegenüber nicht zur Verfügung. Der Beklagte ist
auch dem ausreichend nachgegangen; auf die Diskussion dieser Frage im ergänzenden
Bescheid (S. 47-49) wird Bezug genommen.
Aus den vorgenannten Ausführungen ergibt sich zugleich, dass die von den Klägern
verlangte 100/100-Betrachtung nicht gefordert werden kann. Sie stellt, wie die
Entscheidung des BayVGH (a.a.O. S. 544 f.) deutlich aufzeigt, auf einen abweichenden
Bezugszeitraum ab, nämlich einen Durchschnittstag der sechs verkehrsreichsten Monate,
bei dem durchaus eine 100%-ige Nutzung jeder Richtung für jeweils alle Starts oder alle
Landungen unterstellt werden kann. Der Aussagegehalt zielt dann auf die maximal
denkbare Belastung in einem solchen Zeitrahmen. Die Aussagekraft eines solchen,
selbstgewählten Durchschnittstages über langfristige Lärmwirkungen, um die es hier geht,
ist aber weder rechtlich noch wissenschaftlich abgesichert. Soweit es um langfristige
Abschätzungen geht, ist die Vorgabe der AzB, eine Mittelung der Lärmbelastung über die
sechs verkehrsreichsten Monate vorzunehmen, daher sachgerecht, ihre Wahl durch eine
Genehmigungsbehörde nicht zu beanstanden.
Das so gewonnene Bild der Lärmbelastung ist nicht deshalb unzureichend und für die
erforderliche Abwägung untauglich, weil der Beklagte es unterlassen hat, das
Zusammenwirken des Fluglärms mit anderen Lärmquellen zu untersuchen. Eine solche
Summation wird für konkrete Planungsvorhaben durch normative Bestimmungen weder
gefordert noch ermöglicht, und zwar auch nicht durch die von den Klägern angesprochene
Umgebungslärm-Richtlinie.
Richtlinie 2002/49/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Juni 2002
über die Bewertung und Bekämpfung von Umgebungslärm, ABl. Nr. L 189, S. 12.
Denn gemeinsame Berechnungsmethoden für die Bestimmung der in der Richtlinie
vorgesehenen Lärmindizes sind noch nicht erlassen; bis zu ihrer Annahme wenden die
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Mitgliedstaaten ihre nationalen Methoden an (Art. 6 der Richtlinie), die sich indes nach
übereinstimmender fachlicher Auffassung zur wirkungsgerechten Summation
verschiedener Quellen nicht oder nur unter Zurückstellung erheblicher Bedenken eignen
(vgl. DIN 4109 Nr. 5.5.7). Maßgeblich dient, wie die Auflagenvorschriften in § 9 Abs. 2
LuftVG, § 74 Abs. 2 Satz 2 VwVfG zeigen, nach der derzeitigen Rechtslage die
Planungsentscheidung dazu, in konkreten Fällen den erforderlichen Ausgleich
widerstreitender Interessen herbeizuführen. Im Rahmen einer Planungsentscheidung wie
der vorliegenden ist daher grundsätzlich allein der von Seiten des zugelassenen
Vorhabens einwirkende Verkehrslärm einzustellen. Ein Summenpegel unter Einbeziehung
von Lärm(vor)belastungen durch andere, bereits verwirklichte Lärm verursachende
Vorhaben würde dem planenden Unternehmer Hindernisse aus Gründen des Lärms in den
Weg stellen, die seinem Einfluss entzogen sind. Dazu bedürfte es - jedenfalls soweit es um
die Zumutbarkeit geht - normativer Vorgaben. Bis dahin kann eine derartige Berechnung
der Lärmbeeinträchtigung nur dann geboten sein, wenn der zu ändernde Verkehrsweg (hier
der Flughafen der Beigeladenen) im Zusammenwirken mit Vorbelastungen durch andere
Lärmquellen insgesamt zu einer Lärmbelastung führt, die mit Gesundheitsgefahren oder
einem Eingriff in die Substanz des Eigentums verbunden ist. Denn wie bei einer
Genehmigungsänderung ohne konkret verschlechternde Wirkung darf der Staat durch
seine Entscheidungen auch keine verkehrlichen Maßnahmen zulassen, die im Ergebnis
einen nicht rechtfertigungsfähigen Eingriff in Leben, Gesundheit oder Eigentum auslösen.
Dies gebieten die in Art. 2 Abs. 2 Satz 1 oder Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG enthaltenen
Gewährleistungen. Für eine "Summenbelastung" solchen Ausmaßes liegen aber für Kläger
in Bereichen, in denen keine Ansprüche auf baulichen Schallschutz vorgesehen sind - in
den anderen Bereichen ist den Grundrechten genügende Abhilfe geschaffen oder ist eine
solche Abhilfe Sache eigener Vorsorge der Grundstückeigentümer -, keine Anhaltspunkte
vor. Letztlich wird eine konkrete grundrechtsbeeinträchtigende Gesamtlärmbelastung von
ihnen auch weniger behauptet, als eine fehlende Betrachtung der Situation durch den
Beklagten gerügt. Damit ist aber nicht darzutun, dass nach verfassungsrechtlichen
Maßstäben eine solche Betrachtung angezeigt war. Dies gilt auch angesichts des
Lärmminderungsplans der Klägerin des Verfahrens zu 2., wenn man ihm unabhängig von
Fragen seiner rechtlichen Verbindlichkeit materielle Aussagen zur Lärmbelastung durch
die im Gemeindegebiet der Klägerin des Verfahrens zu 2. wirksamen Lärmquellen
entnehmen will. Denn unabhängig von der mangelnden Konkretheit der Betrachtungen, die
dem Lärmminderungsplan zugrunde liegen - gerade auch im Hinblick auf passiven
Lärmschutz -, wird in den gutachtlichen Grundlagen von Rahmenbedingungen
ausgegangen, die den anerkannten Notwendigkeiten und Möglichkeiten im Umgang mit
Lärmwirkungen widersprechen.
Die Einschätzung der Zumutbarkeit des Lärms, die dem Konzept der
Änderungsgenehmigung in einem Interessenausgleich zwischen den Klägern einerseits
und der Allgemeinheit sowie der Beigeladenen andererseits zugrunde liegt, ist tragfähig
und abwägungsgerecht umgesetzt.
Der Beklagte geht davon aus, dass der Flughafenumgebung im Hinblick auf die
öffentlichen Verkehrsinteressen und die Belange der in die Befriedigung dieser Interessen
eingebundenen Beigeladenen der zunehmende Fluglärm zumutbar ist und zwar ohne
flankierende Maßnahmen, soweit ein äquivalenter Dauerschallpegel < 60 dB(A) zu
erwarten ist und darüber hinaus bei Gewährleistung eines vollen finanziellen Ausgleichs
für die Schaffung von passivem Schallschutz, soweit die Betroffenen nicht Anlass hatten,
bei Errichtung ihrer Häuser selbst darauf Bedacht zu nehmen, und durch einen Geldbetrag
für den geminderten Nutzungsvorteil von Außenwohnbereichen. Dabei sieht der Beklagte
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den Bereich mit einem äquivalenten Dauerschallpegel < 60 dB(A) als wenig problematisch
an, weil hier ein deutlicher Abstand zur Grenze erheblicher Belastung gewahrt sei. Das ist
nicht zu beanstanden.
Für die Beurteilung von Fluglärm im Hinblick auf die Zumutbarkeit gibt es weder
verbindliche Grenzwerte auf gesetzlicher Grundlage noch anerkannte fachlich- technische
Regelwerke, aus denen sich Grenzwerte ableiten lassen. Insofern kommt den hinreichend
gesicherten Erkenntnissen der Lärmwirkungsforschung als tatsächliche Grundlage der
darauf aufbauenden rechtlichen Bewertung besondere Bedeutung zu. Den Stand der
Erkenntnisse unter Einbeziehung der zurzeit nicht ausräumbaren Unsicherheiten sieht der
Senat in der bereits genannten Synopse von Griefahn/Jansen/Scheuch/Spreng
- ZfL 49 (2002), 171 -
wiedergegeben. Den dort enthaltenen Aussagen kommt besonderes Gewicht zu. Die
Autoren sind durchweg anerkannte und langjährig durch eigene Forschungen
hervorgetretene Lärmwirkungsforscher, die verschiedene Fachrichtungen einbinden und
von ihren je eigenen Ansätzen her auf der Grundlage von das wissenschaftliche Spektrum
berücksichtigenden Einzelgutachten ihre Erkenntnisse zusammengetragen, untereinander
abgeglichen und sich zu gemeinsamen Empfehlungen verstanden haben.
Vgl. OVG Berlin, Urteil vom 9. Mai 2003 - 6 A 8.03 -, OVGE BE 24, 206.
Angesichts der breiten und nachvollziehbaren Basis der Aussagen in der Synopse sieht
der Senat keine Veranlassung, der Frage der Lärmwirkung noch weiter mit
sachverständiger Hilfe nachzugehen. Dass wesentliche diskutierte Erkenntnisse
ausgeblendet oder greifbare weitere Erkenntnismöglichkeiten nicht ausgeschöpft worden
wären, ist ebenso wenig ersichtlich wie eine spürbar höhere Qualifikation eines weiteren -
etwa als Obergutachter - einzusetzenden Sachverständigen. Mit ihrem Verlangen nach
weiterer Begutachtung zielen die Kläger von vornherein weniger auf eine solidere Basis als
auf ein - bei bestimmter Auswahl des Sachverständigen vorherzusehendes - anderes
Ergebnis. Dass hier zudem ein Bereich angesprochen ist, in dem wegen der
Zumutbarkeitsaspekte eine volle Verlagerung der Antwort auf einen Sachverständigen
nicht in Betracht kommt, sei nur abrundend angemerkt.
Auf der Grundlage der Erkenntnisse der Synopse ist es nicht zu beanstanden, dass der
Beklagte - in Abkehr von seiner ursprünglichen Bewertung (Änderungsgenehmigung S.
126 f.) - nunmehr eine erhebliche Belästigung, die ohne flankierende Maßnahmen im Sinne
des § 9 Abs. 2 LuftVG nicht mehr zugemutet werden darf, bei einem äquivalenten
Dauerschallpegel von 62 dB(A) ansetzt (vgl. ergänzende Entscheidung S. 51).
Wenngleich die Grenze zu dem, was im Einzelfall an Fluglärm zugemutet werden darf,
nicht in einem allgemeingültigen Messwert ausgedrückt werden kann, sondern durch eine
auf das konkrete Objekt bezogene und durch Inbezugsetzung zu den Belangen der
Allgemeinheit wie des Betreibers der Verkehrsanlage relativierte Gewichtung der
Interessen zu bestimmen ist
- vgl. BVerwG, Urteil vom 29. Januar 1991 - 4 C 51.89 -, BVerwGE 87, 332, 361 -,
bieten die präventiven Richtwerte der genannten Synopse doch einen, wenngleich
generalisierenden, so doch gewichtigen Anhalt, von dem ausgehend eventuelle
Besonderheiten betrachtet und gewichtet werden können. Sie sind nach Überzeugung des
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Senats auch unter den Verhältnissen am Flughafen der Beigeladenen sachlich verwertbar.
Diese Verhältnisse werden einerseits durch die langjährig gewachsene und verfestigte,
erhebliche Bedeutung des Flughafens auf der einen Seite und seine Lage in einem dicht
besiedelten Umfeld auf der anderen Seite geprägt und bieten damit in zugespitzter Weise
gerade das typische Konfliktfeld, in dem sich die Frage der Verträglichkeit benachbarter
unterschiedlicher Nutzungen stellt. Der Wert Leq(3) = 62 dB(A) ist als Grenze zur
erheblichen, nicht ohne weiteres zumutbaren Fluglärmbelastung anzuerkennen. Dieser
Wert ist in der Synopse (a.a.O. S. 175) als präventiver Richtwert zur Vermeidung
erheblicher Belästigung genannt und soll als zentraler Beurteilungswert aus medizinischer,
psychologischer und sozialwissenschaftlicher Sicht neben den
Gesundheitsbeeinträchtigungen auch die kritischen Toleranzwerte für Kommunikation
außen und Rekreation abdecken.
Von daher ist nicht zweifelhaft, dass mit dem Aufgreifen eines Dauerschallpegels von 60
dB(A) der vom Beklagten gewollte deutliche Abstand von der erheblichen Belästigung
gewahrt ist. Dem steht nicht entgegen, dass die Grenze der Erfahrbarkeit von
Unterschieden der Stärke von Geräuschen weithin bei mehr als 2 dB(A) angesetzt wird;
denn es geht hier nicht um Einzelgeräusche, sondern um die Beschreibung eines
komplexen Lärmgeschehens, das - wie schon gesagt - insbesondere durch die Faktoren
der Häufigkeit und Stärke von Einzelereignissen bestimmt wird.
Bei dem präventiven Richtwert, erst Recht bei dessen Unterschreitung, sind
Gesundheitsgefährdungen jedenfalls nicht zu besorgen. Entsprechendes gilt für sonstige
Grundrechtseingriffe, wie ein Abschneiden eigentumstypischer Nutzungsmöglichkeiten an
den betroffenen Grundstücken, oder Beeinträchtigungen des Selbstverwaltungsrechts der
Klägerinnen der Verfahren zu 1. und 2. Selbst nach der vorsorgeorientierten Betrachtung
von Ortscheid/Wende in der oben zitierten Studie (S. 20, 31) ist im Bereich von
Mittelungspegeln (außen) zwischen 55 und 60 dB(A) der Beginn - erst - von "erheblichen
Belästigungen" zu sehen, die mit Gesundheitsgefährdungen keinesfalls gleichgesetzt
werden können. Sogar unter dem Gesichtspunkt eines gesundheitsbezogenen
"Qualitätsziels zur Vorsorge" halten Ortscheid/Wende Fluglärmbelastungen erst ab 60
dB(A) für bedenklich. Gesundheitsgefährdungen in Form von Herz-/Kreislauferkrankungen
schließen sie erst ab Mittelungspegeln (außen) am Tage über 65 dB(A) nicht mehr aus.
Eine nähere Betrachtung des Lärmgeschehens auf den außerhalb des Tagschutzgebietes
belegenen Grundstücken von Klägern aus S. - M. (mit einer Prognosebelastung von 59,5
ergänzenden Bescheid S. 56-59) bestätigt den Schluss auf einen beträchtlichen Abstand
zur Grenze gesundheitlicher Bedenken beim Aufgreifen der Grenze eines äquivalenten
Dauerschallpegels von 60 dB(A). Dabei geht es ohne weiteres an, die
Messstellenergebnisse der Messstellen 18 und 13 (bis Ende 1998) zu verwerten
- vgl. dazu Schlussurteil des Senats vom 29. Juli 2004 - 20 D 78/00.AK -, Urteilsabdruck S.
21 -,
weil hier nach gutachtlicher Aussage Höhe und Lage der Pegelmaxima im Verhältnis von
Referenz- zu Prognoseverkehr unverändert sind, sodass die Messstellenergebnisse auch
für den künftigen Betrieb Aussagekraft beanspruchen können. Danach ist davon
auszugehen, dass bei geschlossenen Fenstern mit der hier jedenfalls anzunehmenden
Dämmwirkung von mindestens 30 dB(A) Innenraumpegel auftreten, die das behördlich
angestrebte und in der Rechtsprechung seit langem akzeptierte Schutzziel eines
Maximalpegels von 55 dB(A), dass allerdings keine Störungsfreiheit bedeutet, sondern
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angemessene Kommunikations- und Wohnverhältnisse gewährleistet -
vgl. Senatsurteil vom 26. Oktober 2001 - 20 D 37/00.AK -, Urteilsabdruck S. 31 ff. -,
regelmäßig deutlich unterschreiten. Das Gros der Maximalpegel in M. liegt bei 70 dB(A),
etwa 10 % bei 79 dB(A) und mehr, nur einzelne Pegel erreichen fast 90 dB(A).
Innenraumpegel von 60 dB(A) sind danach die Ausnahme. Günstiger noch stellen sich die
Verhältnisse in Hösel dar, wo die Maximalpegel (außen) in aller Regel unterhalb von 70
dB(A) liegen, also Maxima innen bis 40 dB(A) erzeugen, die sich aus den
Umgebungsgeräuschen innen wie außen kaum herausheben, und lediglich einzelne Pegel
zwischen 70 und 80 dB(A) auftreten. Für Gesundheitsgefährdungen, für die auf die
langfristigen Einwirkung im Innenraum als dem typischen Aufenthaltsbereich der Menschen
abzustellen ist, spricht daher nichts.
Aus den vorstehenden Ausführungen ergibt sich weiter, dass die Wertung des Beklagten
rechtlich nicht zu beanstanden ist, die Beaufschlagung von Wohngrundstücken mit einem
höheren Dauerschallpegel (außen) als 60 dB(A) sei in Bezug auf die Aufenthaltsräume im
Haus gesundheitlich unbedenklich, wenn durch bauliche Maßnahmen sichergestellt ist,
dass dort keine höheren Einzelschallpegel als 55 dB(A) auftreten.
Der Senat teilt ferner die Bewertung des Beklagten, das künftige Lärmgeschehen sei unter
gesundheitlichem Aspekt und im Hinblick auf die Funktion auch insoweit vertretbar, wie
lärmempfindliche Einrichtungen, Nutzungen oder Personen betroffen sind. Ein
Abwägungsausfall durch Ausblenden der damit verbundenen Probleme liegt nicht vor,
ebenso wenig sind unverträgliche Wirkungen festzustellen. Der Beklagte hat die
Beeinträchtigungen erkannt. Den Darlegungen der Kläger ist nicht zu entnehmen, dass zu
bewältigende Konflikte in Wahrheit ungelöst geblieben sind. Allein mit der Auflistung von
Nutzungen gemeindlicher Einrichtungen in fluglärmbelasteten Bereichen sind solche
Konflikte in Innenräumen wie auf Außenflächen angesichts des jahrzehntelangen Betriebs
des Flughafens und des schon im Planfeststellungsbeschluss sowie nunmehr gewährten
Schutzes nicht aufgezeigt.
Besondere Einrichtungen innerhalb des Tagschutzesgebietes, deren Nutzung dem
Wohnen gleich zu achten ist, können aufgrund der Auflage Nr. 9.1 Aufwendungsersatz für
baulichen Schallschutz beanspruchen und sind dadurch wie Wohngrundstücke geschützt.
Was lärmsensible und andere besonders schutzbedürftige Einrichtungen im Übrigen
angeht, hat der Beklagte es bei dem Schutz belassen wollen, der solchen Einrichtungen
innerhalb der durch Verordnung vom 4. März 1974, BGBl. I S. 657, nach Fluglärmgesetz
festgesetzten Schutzzone 2 (Plankarte 9 des Planfeststellungsbeschlusses) bereits
gewährt worden ist (Änderungsgenehmigung S. 121 f.; Planfeststellungsbeschluss A II. Nr.
2.3).
Insgesamt hat der Beklagte mit der Aussage, zu bewältigen seien Belastungen, die über
das Maß hinausgehen, das einem "durchschnittlich lärmempfindlichen Menschen" in der
Nachbarschaft typischerweise zugemutet wird (ergänzende Entscheidung S. 17), weder
einen unzutreffenden Maßstab angelegt noch Konflikte übersehen. In dem Abstellen auf
einen (verständigen) Durchschnitt(menschen) liegt eine bestimmte Wertung, die dem
rechtlichen Ansatz der öffentlich-rechtlichen Auflagenvorschriften entspricht und mit dem
übereinstimmt, was nach allgemeinem Immissionsschutzrecht etwa mit dem Begriff der
"erheblichen Belästigung" (§ 3 Abs. 1 BImSchG) oder im Zivilrecht als "wesentliche
Beeinträchtigung" (§ 906 Abs. 1 BGB) erfasst ist. Letztlich handelt es sich um eine
Umschreibung dessen, was unter Würdigung gegenläufiger öffentlicher und privater
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Belange einer jeden Seite zuzuordnen ist, wobei die Bewältigung dessen, was aus
besonderen Verhältnissen folgt, nicht der Tätigkeit und Entfaltung der Gegenseite
entgegengesetzt wird, sondern von der eventuell besonders empfindlichen Nachbarschaft
zu bewältigen ist. Es kommt daher darauf an, was Nachbarn nach einem objektivierenden,
typisierenden Maßstab abverlangt werden darf.
Vgl. BVerwG, Urteil vom 7. Oktober 1983 - 7 C 44.81 -, BVerwGE 68, 62; Urteil vom 12.
Dezember 1975 - 4 C 71.73 -, BVerwGE 50, 49, 55; BGH, Urteil vom 6. Juli 2001 - V ZR
246/00 -, NJW 2001, 3119; Urteil vom 20. November 1992 - V ZR 82/91 -, BGHZ 120, 239,
255.
Auf individuelle Besonderheiten wie Vorerkrankungen, die für einzelne Kläger aufgezeigt
worden sind, brauchte der Beklagte mithin nicht einzugehen. Abgesehen davon liegen
auch keine fundierten Erkenntnisse der Lärmwirkungsforschung vor, sind insbesondere
auch klägerseitig nicht aufgezeigt worden, nach denen sich bei der Lärmbelastung, die der
Nachbarschaft nach dem in der Zulassungsentscheidung verfügten Schutzniveau
zugemutet wird, im Rechtssinn erhebliche Nachteile für empfindliche Personen ergeben.
Es ist auch nicht veranlasst, für den Kläger des Verfahrens zu 3. grundsätzlich andere
Maßstäbe zugrunde zu legen und eine Unzumutbarkeit des künftigen Lärms anzunehmen
oder zu seinen Gunsten zusätzliche Schutzvorkehrungen zu gewähren. Seine
Einrichtungen sind vom Beklagten im ergänzenden Verfahren auf der Grundlage einer
Ortsbesichtigung und ergänzender lärmphysikalischer Begutachtung einer besonderen
Betrachtung unterzogen worden (ergänzender Bescheid S. 59 f.). Er hat dabei zugrunde
gelegt, dass der Kläger von seiner Aufgabenstellung her von negativen Veränderungen der
Immissionssituation in besonderer Weise betroffen sein kann, dies aber bei einer
Gesamtschau der zu erwartenden Lärmbelastung, die sich auf den verschiedenen
Grundstücken zwischen einem Leq(3) von 49,5 und 53,4 dB(A) bewegt, und der baulichen
Ausstattung der Krankenanstalten nicht der Fall ist. Dem ist in Orientierung an der vom
Senat maßgeblich zugrunde gelegten Fluglärmsynopse ohne weiteres beizutreten. Die dort
genannten, auch vom Beklagten herangezogenen Innenraumpegel für Krankenhäuser
(a.a.O. S. 175) werden erkennbar gewahrt. Der Kläger ist dem im Klageverfahren nicht
entgegengetreten, hat insbesondere nicht eingewandt, dass seine individuellen
Verhältnisse falsch eingeschätzt worden seien. Eine Schutzbedürftigkeit der
Außenanlagen kann in Gegenüberstellung der ermittelten Lärmwerte und der dargestellten
Nutzungen und Funktionen nicht annähernd festgestellt werden. Der Lärm stellt sich
angesichts der stadtnahen Lage insgesamt als gering dar.
Auch Beeinträchtigungen des von Art. 28 Abs. 2 GG geschützten Selbstverwaltungsrechts
der Klägerinnen der Verfahren zu 1. und 2. sind nicht gegeben. Konkrete oder zumindest
einigermaßen verfestigte Bauleitplanungen sind nicht vorgetragen. Abgesehen hiervon
können, wie schon in den vorläufigen Rechtsschutzverfahren zur Interimsgenehmigung
dargelegt, von der jetzt streitigen Zulassungsentscheidung aus Rechtsgründen keine
zusätzlichen belastenden Auswirkungen auf das Selbstverwaltungsrecht der Klägerinnen
ausgehen. Rechtliche Beschränkungen gemeindlicher Befugnisse bewirkt die
Änderungsgenehmigung nicht. Die bestehenden Planungsbeschränkungen beruhen auf
vorgängigen, unabhängig von der Änderungsgenehmigung festgelegten und
fortbestehenden Rechtsakten: die Festsetzung des Lärmschutzbereichs nach §§ 2, 4
Fluglärmgesetz auf der Verordnung vom 4. März 1974, BGBl. I S. 657, die
landesplanerische Lärmschutzzone C auf dem Landesentwicklungsplan (LEP) "Schutz vor
Fluglärm" vom 17. August 1998, GV. NRW. S. 512; Ausbauplan und Bauschutzbereich (§
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12 ff. LuftVG) bleiben unberührt. An diesen Bereichen, deren Dimensionen über die
entsprechenden Lärmkonturen des jetzt zugelassenen Flugbetriebs hinausgehen, ändert
die streitige Änderungsgenehmigung nichts. Die zugrunde liegenden Berechnungen
mögen teilweise überholt sein; in Wegfall geraten sind die auf ihnen aufbauenden
Festsetzungen allein deswegen nicht. Vor allem der LEP "Schutz vor Fluglärm"
dokumentiert in Anknüpfung an einen vorgestellten Endausbauzustand und eine
entsprechende Zahl an Flugbewegungen auf dem Flughafen (Erläuterungsbericht Nr. 3.1,
3.3 LEP) unverändert aktuell, auf welchen Flugbetrieb die Umgebung des Flughafens bei
ihren Planungen und Vorstellungen Bedacht zu nehmen hat. Damit ist zugleich tauglich
umschrieben, was die Klägerinnen der Verfahren zu 1. und 2. als von diesen
Festsetzungen und den auf ihnen aufbauenden Regelungen (I bis III der Textlichen
Darstellungen; Erläuterungsbericht Nr. 4 LEP) betroffene Gebietskörperschaften bei
verantwortungsvoller Ausübung ihres Selbstverwaltungsrechts an Belastungen
einzustellen hatten und haben.
Der Beklagte hat zutreffend erkannt, dass die in Außenwohnbereichen auftretenden
Beeinträchtigungen aufgegriffen werden müssen, um zu einer Zumutbarkeit des Lärms zu
gelangen. Das ist insgesamt abwägungsfehlerfrei unter Einbeziehung von Geldleistungen
gemäß § 74 Abs. 2 Satz 3 VwVfG bewältigt worden. Aus dem Surrogatcharakter der
Entschädigungsleistung (anstelle untunlicher bzw. mit dem Vorhaben unvereinbarer
Schutzvorkehrungen) ergibt sich, dass die Entschädigung "nachteilige Wirkungen" des
Vorhabens auffangen soll. Ebenso wie die "Vorkehrungen und Anlagen" im Sinne von § 9
Abs. 2 LuftVG, § 74 Abs. 2 Satz 2 VwVfG nur dann und insoweit verlangt werden können,
wie die Fluglärmbelastung das Maß des Zumutbaren übersteigt, dient auch die
Entschädigung nur dazu, die aus einem im öffentlichen Interesse liegenden Verkehr
resultierenden unvermeidbaren Nachteile so abzufedern, dass diese zumutbar sind.
Diese Grenze vorliegend durch ein nach AzB berechnetes Gebiet eines äquivalenten
Dauerschallpegels von (mindestens) 65 dB(A) zu bestimmen, wird den Verhältnissen in der
Umgebung des Flughafens der Beigeladenen gerecht. Im Hinblick auf die sich nach und
nach herausgebildet habende, insgesamt aber schon jahrzehntelang bestehende und
prägende Belastungssituation sowie die von der Umgebung einzustellende Möglichkeit der
weiteren Entwicklung erscheint es nicht fehlerhaft, dass der Beklagte sich nicht an dem in
der Fluglärmsynopse (a.a.O. S. 174) genannten Kritischen Toleranzwert zur Vermeidung
der Störung von Erholung (außen) mit einem Leq(3), 16 h = 64 dB(A) - dieser Wert
entspricht auch dem für den neu angelegten Flughafen München gebilligten Wert -
orientiert hat, sondern an dem Kritischen Toleranzwert zur Vermeidung erheblicher
Belästigung (a.a.O. S. 173).
Auch die Ableitung der Bemessungsgrundlage ist schlüssig. Der Beklagte hat vorliegende
Rechtsprechung aufgegriffen und auf den Anteil der Minderung des Verkehrswertes
abgehoben, der durch die Beeinträchtigung oberhalb der Zumutbarkeitsgrenze eintritt.
Vgl. BVerwG, Urteil vom 11. November 1988 - 4 C 11.87 -, Buchholz 316 § 74 VwVfG Nr. 6,
S. 10; Urteil vom 29. Januar 1991, a.a.O. S. 388 ff.
Konkrete Berechnungen sind insoweit schlechthin nicht möglich, weder in der Fixierung
des über das Zumutbare hinausschießenden Teils des Lärms noch in der betragsmäßigen
Fassung eines Ausgleichs für die Spitze. Es handelt sich um ein Surrogat für eine nicht
mögliche anderweitige Abhilfe, mit der seitens der Luftfahrtbehörde anerkannt und der
Beigeladenen in Form einer Belastung vor Augen geführt wird, dass die Eigentümer der
betroffenen Grundstücke Nutzungseinbußen in ihren Außenwohnbereichen hinzunehmen
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haben. In dieser Anerkennung und Klärung der besonderen Nachbarschaftssituation liegt
neben der Geldleistung selbst, für deren Höhe letztlich doch nur gegriffene Werte in
Betracht kommen, weil es an tauglichen konkretisierenden Ansatzpunkten fehlt, ein
wesentlicher Faktor für die von der Umgebung erwartete bzw. ihr abverlangte, mit der
Zumutbarkeit einhergehende Akzeptanz des Lärmgeschehens.
Aus dem somit zureichend aussagekräftigen Material über die Lärmbelastung und in
fehlerfreier Beurteilung der Lärmwirkungen hat der Beklagte den nicht zu beanstandenden
Schluss gezogen, der künftige Fluglärm bleibe unterhalb der Schwelle des Unzumutbaren.
Allerdings ist damit nicht gesagt, die unter Einbeziehung der gewährten
Ausgleichsmaßnahmen verbleibenden Belastungen für die Nachbarschaft des Flughafens
seien zu vernachlässigen; sie sind im Gegensatz gewichtig und auch im Verhältnis zur
Vorbelastung deutlich spürbar. Das lässt sich schon aus den oben erörterten
Flächenzunahmen der lärmbelasteten Gebiete folgern, die sich in entsprechenden
Zunahmen der Dauerschallpegel auf den Grundstücken der Kläger zwischen 1,4 und 2,5
dB(A) gegenüber der Vorbelastung niederschlagen. Mit ihnen gehen zusätzliche Störungen
der Konzentration und Beeinträchtigungen von Erholung und Entspannung Hand in Hand
sowie ganz allgemein des psychischen Befindens, aber auch weitergehende
Einschränkungen der Wohnnutzbarkeit in Form von Anpassungen des Wohn- und
Sozialverhaltens, wie etwa gesehene Notwendigkeiten zum Rückzug in die Innenräume
auch bei Schönwetterlagen, Schließen und Geschlossenhalten der Fenster oder
Veränderungen des Kommunikationsverhaltens sowohl in Innenräumen wie auf
Freiflächen und zwischen Innen- und Außenwohnbereichen. Vor allem aber ist eine
nachhaltige allgemeine Verschlechterung des Wohnumfeldes zu konstatieren, die sich
zugleich in Nachteilen für die Nutzung der diesem zugeordneten kommunalen und
sonstigen öffentlich zugänglichen Einrichtungen (wie Spielplätzen, Kindergärten oder
Friedhöfen) niederschlägt. Derartige Nachteile sind von den Klägern in der mündlichen
Verhandlung plastisch und gut nachvollziehbar geschildert worden. Sie sind zwar
durchgängig nicht neu, werden aber infolge der Zunahme der Fluglärmereignisse
intensiviert.
Allerdings können auch solche deutlich nachteiligen Einwirkungen, die trotz
ausgleichender oder allgemein flankierender Maßnahmen bestehen bleiben, den einer
störenden Verkehrsanlage benachbarten Grundstücken zugemutet werden. Sie sind durch
Abwägung überwindbar. Voraussetzung ist, dass die Nachteile ohne entscheidende
Abstriche an dem zuzulassenden Vorhaben nicht zu vermeiden sind und durch
gegenläufige Belange in Bezug auf die Nutzung der Verkehrsanlage gerechtfertigt werden
können. Das ist hier zu bejahen. Das klägerseitige Interesse an der Aufrechterhaltung
eines nicht oder möglichst wenig über die Vorbelastung hinausgehenden
Belastungsniveaus wäre ohne durchgreifende Reduzierungen des Flugbetriebs nicht zu
verwirklichen. Andererseits stößt der bauliche Schallschutz angesichts der jetzt
eingeräumten Schutzansprüche und des korrespondierenden Schutzziels bereits deutlich
an seine Grenzen. Das zeigt die oben beschriebene Situation der Grundstücke außerhalb
des Tagschutzgebietes. Weitergehendes könnte namentlich zu einem Ausgleich der
Beeinträchtigungen des Wohnumfeldes nichts beitragen, dafür aber die abträglichen
Effekte einer Einhausung verstärken.
Ist mithin durch flankierende Maßnahmen keine weitere Konfliktbewältigung zu erzielen, so
durfte zugunsten der Betriebserweiterung eingestellt werden, dass die verbleibenden
Nachteile durch das hohe Gewicht gerechtfertigt werden, das der Beklagte den am
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Flughafen der Beigeladenen befriedigten öffentlichen Infrastrukturinteressen befugterweise
gegeben hat. Dieses Gewicht und die Rahmenbedingungen zu bestimmen, innerhalb derer
sich diese Interessen sollen entfalten dürfen, ist unter Beachtung der gesetzlichen,
insbesondere auch grundrechtlichen Grenzen allein Sache der öffentlichen Verwaltung.
Die von ihr insofern zu formulierenden öffentlichen Belange und ihre Bewertung im
Verhältnis zu entgegenstehenden Interessen macht das Wesen der Planung als einer im
Letzten politisch geprägten, der vollen parlamentarischen Kontrolle unterliegenden und
damit dem Kernbereich exekutivischen Handelns zugeordneten Entscheidung aus.
Betroffene Dritte können keine abweichende Gewichtung einfordern und diese
gegebenenfalls mit gerichtlicher Hilfe an die Stelle der von der Verwaltung
vorgenommenen setzen. Denn auch Gerichte haben eine politisch verantwortete,
demokratisch legitimierte Entscheidung grundsätzlich zu respektieren und dürfen insoweit
nur überprüfen, ob der rechtlich zu wahrende Rahmen eingehalten ist.
Das ist hier der Fall. Es ist nicht erkennbar, dass der Beklagte die öffentlichen
Verkehrsinteressen in gerichtlich zu beanstandender Weise fehlsam veranschlagt hat.
Insbesondere kann im Hinblick auf die Erfordernisse der Darlegung eines öffentlichen
Verkehrsinteresses nicht von einer Vergleichbarkeit mit dem klägerseitig angeführten
Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR)
- III. Sektion, Urteil vom 2. Oktober 2001, Antrag-Nr. 36022/97 - Hatton ./. Vereinigtes
Königreich -, http://www.echr.coe.int/Eng/Judgments.htm -
ausgegangen werden, in dem der Gerichtshof in auch in der innerstaatlichen
Rechtsprechung zu berücksichtigenden Ausführungen die Vorgehensweise der Exekutive
in der Betrachtung des Verkehrsbedarfs beanstandet hat. Schon die Belastungssituation,
der die öffentlichen Interessen gewichtend gegenübergestellt werden müssen,
unterscheidet sich in dem entschiedenen Fall ganz beträchtlich von der vorliegenden
Sache; in jenem Verfahren ging es um nachhaltige Störungen der Nachtruhe. Auch die
Mängel in der von der Exekutive anzustellenden Betrachtung des Verkehrs spiegeln sich in
der Vorgehensweise des Beklagten nicht annähernd wider. Insofern sei für die Gewichtung
der Erwägungen auch auf das nachfolgende Urteil des Gerichtshofs in dieser Sache
verwiesen.
Vgl. EGMR (Große Kammer), Urteil vom 8. Juli 2003, NVwZ 2004, 1465.
Im Vordergrund des mit der Zulassungsentscheidung Gewollten steht die Anerkennung der
Verkehrsfunktion des Flughafens und deren Aufrechterhaltung und Festigung unter
Verhältnissen, die sich von denjenigen bei Erlass des Planfeststellungsbeschlusses
wesentlich unterscheiden. Dem Flughafen soll unter veränderten
Wettbewerbsbedingungen und gehobenen Anforderungen im Verkehrsgeschehen eine
angemessene neue Perspektive der Entwicklung gegeben werden. Darin ist zwangsläufig
eingeschlossen die Anerkennung der wirtschaftlichen Interessen der Beigeladenen und der
Anbieter von Beförderungsleistungen. Denn innerhalb des luftverkehrsrechtlichen Systems,
das die Erfüllung einer im Interesse der Allgemeinheit liegenden Aufgabe und Funktion im
Wettbewerb stehenden Privatrechtssubjekten überantwortet, versteht es sich, dass den
Betreibern die Möglichkeit eingeräumt werden muss, den Verkehrsbedarf nach
unternehmerischen Gesichtspunkten und in Anpassung an die Bedingungen des
jeweiligen Marktgeschehens zu decken. Ebenso wenig bedarf der Vertiefung, dass ein
erfolgreiches Operieren am Markt die Möglichkeit zu einem hinreichend lukrativen Betrieb
mit möglichst wenig beeinträchtigenden Restriktionen voraussetzt.
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Für ein so verstandenes öffentliches Verkehrsinteresse finden sich hinreichend fundierte
und aussagekräftige Belege. Neben dem schon angeführten LEP "Schutz vor Fluglärm"
sind auch die älteren landesplanerischen Aussagen heranzuziehen, in denen von jeher
das zu entwickelnde Potenzial des Flughafens betont wird.
Vgl. bereits § 28 Abs. 3 Landesentwicklungsprogramm vom 19. März 1974, GV. NRW. S.
96.
Auch die Bekundungen der maßgeblichen politischen Gremien sprechen, was den
Flughafen der Beigeladenen angeht, eine deutliche Sprache. Die vom Landtag des Landes
Nordrhein-Westfalen beschlossene NRW-Luftverkehrskonzeption 2010 vom Dezember
2000 (vgl. Plenarprotokoll 13/42 vom 16. November 2001) bekräftigt den politischen Willen
zur "bedarfsgerechten Weiterentwicklung" des Flughafens der Beigeladenen u.a. durch
Überwindung der flugbetrieblichen Nutzungsbeschränkung aus dem
Planfeststellungsbeschluss und spricht dabei die hier streitige Änderungsgenehmigung als
billigenswerte Möglichkeit ausdrücklich an (a.a.O. S. 30 f.). Im gleichen Sinne betont das so
genannte Düsseldorfer Signal vom 30. Juni 2003, eine landespolitische Agenda der
Landesregierung und der sie tragenden Koalition für die Jahre 2003 bis 2005, die
Notwendigkeit einer Erhöhung der Kapazität des Flughafens der Beigeladenen (II. Nr. 4.2).
Es ist nicht erkennbar, dass das so definierte und in der Zulassungsentscheidung
aufgegriffene politische Wollen den ihm gesetzten rechtlichen Rahmen überschreitet.
Dieser Rahmen ist nicht allein deswegen verlassen, weil darin Belastungen der Umgebung
akzeptiert und die Interessen der Bevölkerung an der Geringhaltung flugverkehrsbedingter
Beeinträchtigungen, etwa durch Zurückführung auf das betriebliche Niveau des
Planfeststellungsbeschlusses, zurückgesetzt werden hinter die Verkehrs- und
Wirtschaftsförderungsinteressen der Allgemeinheit wie der Beigeladenen. Die darin
liegende - bewertende - Gewichtung der von der Planung betroffenen öffentlichen und
privaten Belange ist vielmehr ein wesentliches und unerlässliches Element der politischen
wie planerischen Gestaltungsfreiheit und als solches der verwaltungsgerichtlichen
Kontrolle entzogen.
Auf die Beweisanregungen der Kläger zum konkreten Bedarf für vom Flughafen der
Beigeladenen aus abzuwickelnde Flugbewegungen kommt es daher nicht an. Der
Beklagte stellt bei seiner Anerkennung von öffentlichen Verkehrsinteressen am Flughafen
der Beigeladenen wie gesagt nicht auf die Befriedigung eines zahlenmäßig
umschriebenen Bedarfs für die Abfertigung von Passagier- oder Flugbewegungszahlen
und deren Realisierung in bestimmten Zeiträumen ab. Die Frage, ob derzeit oder absehbar
eine Auslastung des Flughafens erreichbar ist, geht deshalb - ungeachtet des zur
Planrechtfertigung schon Gesagten - auch in Bezug auf das vorliegend konkret
Zugelassene von vornherein fehl und ist nicht weiter aufklärungsbedürftig. Die Festigung
der überkommenen Verkehrsfunktion einer öffentlichen Infrastruktureinrichtung mit
unverändert zuerkanntem überragenden Rang für das Land Nordrhein-Westfalen erfordert
die Gewährung eines sicheren Rahmens für Dispositionen und künftige Entwicklungen mit
den Mitteln einer Planungsentscheidung, ist aber unvereinbar mit der Fixierung auf einen
bestimmten Betrieb. Eine Bedarfsermittlung im Hinblick auf eventuelle weitgehende
Einmischungen des Beklagten in die konkreten Abläufe und Gestaltungen des
Flugbetriebs, etwa durch die Bindung weiterer Slots an den Auslastungsgrad verkehrender
Flugzeuge oder durch nähere Betrachtung und Bewertung der Reisezwecke und -ziele der
jeweiligen Passagiere, würde den unter marktwirtschaftlichen Bedingungen ablaufenden
Luftverkehr erheblich behindern. Anlass zur Erwägung derart eingreifender Maßnahmen
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bestand angesichts der in Rede stehenden Belastungen und der verfügten
Schutzmaßnahmen noch nicht. Insbesondere ist es auch nicht zu beanstanden, dass der
Beklagte keine spezifische Betrachtung und Behandlung des Urlaubs-, Charter- und
Billigflugverkehrs vorgenommen hat; denn ein entsprechendes Nutzungsinteresse an der
Verkehrsinfrastruktureinrichtung Flughafen ist in der Allgemeinheit vorhanden, die
entsprechenden Angebote bewegen sich innerhalb eines legitimen Marktgeschehens.
Freilich dürfte hier ein Bereich liegen, der bei weiterer Entwicklung am ehesten kritisch
wird.
Ein die Abwägung des Zugemuteten nachhaltig beeinflussender Vertrauensschutz der
Umgebung dahin, dass es auf immer bei der betrieblichen Einengung gemäß dem
Planfeststellungsbeschluss bleiben würde, ist, wie oben schon angesprochen, nicht
einzustellen. Denn jeder planerische Interessenausgleich steht unter dem Vorbehalt einer
Fortdauer wesentlicher gleichförmiger Verhältnisse. Daran fehlt es hier, weil sich, worauf
die Beigeladene zu Recht hinweist, tragende Elemente des im Planfeststellungsbeschluss
gefundenen Interessenausgleichs geändert haben. Das gilt zum einen hinsichtlich der
Lärmemissionen des Flughafens, die sich nicht nur am Rande, sondern im Kern qualitativ
günstiger entwickelt haben als ursprünglich angenommen. Wenn auch eine Neubewertung
der Emissionen auf der Grundlage der aktuellen Erkenntnisse der Lärmwirkungsforschung
nötig ist, die erheblich daran zweifeln lässt, dass ein Betrieb mit den im
Planfeststellungsbeschluss vorhergesagten Lärmkonturen heute so noch zulassungsfähig
wäre, steht doch nach dem Vorstehenden außer Frage, dass die zur Wahrung von
Lärmschutzinteressen verfügte Beschränkung auf (lärmrelevante) 71.000 Flugbewegungen
im gewerblichen Luftverkehr mit Flugzeugen über 5,7 t (dazu Planfeststellungsbeschluss S.
168 ff.) keiner planerischen Notwendigkeit mehr entspricht.
Unter dem Aspekt der Änderung der Verhältnisse ist schließlich - mit dem oben
beschriebenen Gewicht - einzustellen, dass der Luftverkehr innerhalb des
Gesamtverkehrsgeschehens einen spürbar veränderten Stellenwert erhalten hat. Die
Verschiebung der Bedeutung zeigt sich beispielhaft, aber besonders klar in der gerade die
Verhältnisse am Flughafen der Beigeladenen kennzeichnenden Bedeutung des Fliegens
im Urlaubsverhalten der Bevölkerung; nicht zu verkennen ist ferner, dass der Luftverkehr für
die wirtschaftliche Entwicklung auch der Umlandgemeinden eines Flughafens nicht ohne
günstigen Einfluss ist. Mit diesen Aspekten geht eine andere Betrachtung der objektiv
erwartbaren Akzeptanz gegenüber dieser Verkehrsart und ihren negativen Auswirkungen
einher, der im Rahmen einer Planungsentscheidung zulasten andersdenkender
Bevölkerungskreise und unter Enttäuschung etwaiger abweichender Erwartungen
Rechnung getragen werden darf.
Der Beklagte konnte in der ihm obliegenden Abwägung im Hinblick auf die berücksichtigte
und angestrebte Entwicklung des Luftverkehrs vom Flughafen der Beigeladenen aus
rechtsfehlerfrei davon absehen, das durch das Vorhaben ausgelöste und nach der
Belastung des Flughafens mit baulichen Schallschutzmaßnahmen und einer
Entschädigung für die Einschränkungen bei der Nutzung von Außenwohnbereichen
verbleibende Lärmproblem durch die im Klageverfahren angesprochenen und im
ergänzenden Bescheid erörterten betriebsbezogenen Maßnahmen abzumildern.
Lärmrelevante Einschränkungen des Flugbetriebs ohne grundlegenden Widerspruch zum
Vorhaben könnten zwar nur peripher, nämlich zu bestimmten Tages- oder Wochenzeiten,
wirksam sein; es ist aber nicht zu verkennen, dass solchen flankierenden Maßnahmen
ungeachtet ihrer möglicherweise eng begrenzten Schutzwirkung ein gewichtiger
Stellenwert bei der von Betroffenen einzufordernden Akzeptanz zukommen kann. Solange
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die Beigeladene jedoch weiterhin einen infolge des geänderten Verständnisses der
Einbahnkapazität zwar geminderten, aber im Kern doch noch immer gewichtigen eigenen
betrieblichen Beitrag zum nachbarlichen Interessenausgleich erbringen muss, bedarf es
noch nicht des Zugriffs auf weitere Elemente. Zum einen bleibt der Beigeladenen aufgrund
der Beibehaltung des Kriteriums der Einbahnkapazität als selbständig begrenzendes
Betriebselement weiterhin die freie und volle Ausnutzung des Parallelbahnsystems
verwehrt, und zwar - wie oben ausgeführt - über dasjenige hinaus, was ohne Verstoß
gegen den Angerland-Vergleich möglich wäre. Denselben Effekt bewirkt das beibehaltene
Konzept der Koordinierungseckwerte. Die gleichmäßig über alle Tagesstunden hinweg zu
beachtenden Eckwerte schließen es aus, einer an den Flughafen herangetragenen, sich
auf Spitzenstunden konzentrierenden Nachfrage bereits im Rahmen der Flugplanung zu
entsprechen. Der Beklagte bewegt sich in diesen beiden wichtigen, dem Lärmschutz der
Umgebung dienenden, von den Klägern freilich wohl zu sehr als selbstverständlich
betrachteten und daher in der ausgleichenden Wirkung verkannten Punkten in
Anerkennung der Sondersituation des Flughafens der Beigeladenen noch auf der Schiene
der Betrachtung im Planfeststellungsbeschluss, wonach die Beigeladene wegen der - auch
für sie vorteilhaften - stadtnahen Lage ihres Flughafens Betriebsbegrenzungen hinnehmen
muss. Schließlich tritt zu diesen Begrenzungen noch aus dem Angerland-Vergleich die
Beschränkung der Mitbenutzung der zweiten Bahn auf Zeiten des Spitzenverkehrs über
Tage hinzu, sodass die Beigeladene gehindert ist, die Parallelbahn in Zeiten zu betreiben,
in denen ein Verkehr stattfindet, der auf der Hauptbahn bewältigt werden kann und dem
typischen Geschehen entspricht, aus dem der "Spitzenverkehr" gerade herausragen muss.
Den hilfsweise gestellten Beweisanträgen ist nicht nachzugehen. Die unter Beweis
gestellten Umstände, soweit sie Tatsachen beinhalten, sind schon nicht
entscheidungserheblich. Das gilt sowohl hinsichtlich der Flugroutenänderungen vom 13.
Juli und 25. Oktober 2000, die vom Beklagten erkannt, aber nach Prognosegrundsätzen
außer Betracht gelassen werden durften, wie auch für die von den Klägern vermisste
Summationsbetrachtung des Gesamtlärms, zu der nach den maßgeblichen rechtlichen
Ansätzen keine Veranlassung besteht; von den Klägern sind entgegengesetzte
Anhaltspunkte auch mit dem Beweisantrag nicht aufgezeigt worden. Davon abgesehen
zielen die Beweisanträge wegen ihrer Verknüpfung mit der Abwägungserheblichkeit der
angesprochenen Sachverhaltselemente hauptsächlich auf die dem Gericht vorbehaltene,
also einem Sachverständigenbeweis schlechthin nicht zugängliche, rechtliche Bewertung.
Zu dieser bleibt anzumerken, dass eine Beeinflussung des Abwägungsergebnisses nach
allem Vorstehenden auszuschließen ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 159 Satz 1, 162 Abs. 3 VwGO, § 100
Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 167 VwGO, §§
708 Nr. 10, 711 ZPO. Gründe, die Revision zuzulassen, § 132 Abs. 2 VwGO, liegen nicht
vor.