Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 23.10.2008

OVG NRW: berechnung der steuer, vergütung, gebühr, gesetzesänderung, ausnahmefall, bischof, hauptsache, beitrag, anerkennung, datum

Oberverwaltungsgericht NRW, 19 E 504/07
Datum:
23.10.2008
Gericht:
Oberverwaltungsgericht NRW
Spruchkörper:
19. Senat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
19 E 504/07
Vorinstanz:
Verwaltungsgericht Arnsberg, 9 K 3917/06
Tenor:
Der angefochtene Beschluss wird teilweise geändert.
Der Beschluss der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle des
Verwaltungsgerichts vom 6. März 2007 wird dahin geändert, dass die
von der Beklagten an den Kläger zu erstattenden Kosten auf 853,45
EUR nebst einer Verzinsung von fünf Prozentpunkten über dem
Basiszinssatz nach § 247 BGB ab dem 9. Februar 2007 festgesetzt
werden.
Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Gründe:
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Die zulässige Beschwerde ist teilweise begründet. Das Verwaltungsgericht ist
zutreffend davon ausgegangen, dass eine Erledigungsgebühr nicht entstanden ist.
Dagegen ist die Bemessung der bei der Kostenfestsetzung zu berücksichtigenden
Umsatzsteuer fehlerhaft.
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Nach Nr. 1002 Satz 1 des Vergütungsverzeichnisses der Anlage 1 zum
Rechtsanwaltsvergütungsgesetz entsteht die Erledigungsgebühr, wenn sich die
Rechtssache ganz oder teilweise nach Aufhebung oder Änderung des mit einem
Rechtsbehelf angefochtenen Verwaltungsaktes durch die anwaltliche Mitwirkung
erledigt. Hier ist die Erledigung dadurch eingetreten, dass die Beklagte, die bereits mit
Schriftsatz vom 23. Dezember 2006 den „klägerischen Anspruch" auf die beantragte
Aufhebung des Widerspruchsbescheides vom 27. Oktober 2006 „anerkannt" hat, den
Widerspruchsbescheid mit Schriftsatz vom 17. Januar 2007 aufgehoben und die
Beteiligten den Rechtsstreit mit Schriftsätzen vom 24. Januar und 2. Februar 2007 in der
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Hauptsache für erledigt erklärt haben. Eine anwaltliche Mitwirkung an der Erledigung
des Rechtsstreits im Sinne der Nr. 1002 Satz 1 des Vergütungsverzeichnisses liegt
jedoch nicht vor. Sie setzt voraus, dass die Tätigkeit des Rechtsanwaltes nicht
hinweggedacht werden kann, ohne dass es zu einer streitigen Erledigung des
Rechtsstreits gekommen wäre. Dabei muss der Rechtsanwalt die Erledigung nicht allein
oder überwiegend herbeigeführt haben. Entscheidend ist, dass er einen nicht ganz
unerheblichen oder untauglichen Beitrag hierzu geleistet hat.
Hess. VGH, Beschluss vom 3. April 2007 - 5 TJ 563/07 -, juris, Rdn. 2; Bay. VGH,
Beschluss vom 19. Januar 2007 - 24 C 06.2426 -, juris, Rdn. 36, jeweils m. w. N.
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Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt.
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Der Kläger macht insoweit sinngemäß geltend, eine Mitwirkung seiner
Prozessbevollmächtigten an der Erledigung des Rechtsstreits liege vor, weil sie mit
Schriftsatz vom 9. Januar 2007 aufgezeigt hätten, wie der Rechtsstreit (prozessual)
erledigt werden könne, denn die mit Schriftsatz der Beklagten vom 23. Dezember 2006
erklärte „Anerkennung des klägerischen Anspruchs" auf Aufhebung des
Widerspruchsbescheides habe für sich allein den Rechtsstreit noch nicht beendet.
Dieser Vortrag greift nicht durch. Allein die Mitwirkung des Rechtsanwaltes bei der
Klärung der Frage, wie der in der Sache bereits erledigte Rechtsstreit formal beendet
werden soll, stellt keine anwaltliche Mitwirkung im Sinne der Nr. 1002 Satz 1 des
Vergütungsverzeichnisses dar. Erforderlich ist vielmehr, dass der Rechtsanwalt die
Entscheidung darüber, ob der Rechtsstreit ohne streitige Entscheidung erledigt werden
kann, nicht nur unwesentlich beeinflusst hat.
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OVG NRW, Beschluss vom 3. Mai 1999 - 19 E 984/98 -.
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Letzteres ist hier nach Einreichung der Klagebegründung nicht der Fall. Der Kläger
macht nicht geltend, dass seine Prozessbevollmächtigten die Bereitschaft der
Beklagten, ihren Widerspruchsbescheid aufzuheben, nicht nur unwesentlich beeinflusst
haben.
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Die Kostenbeamtin der Geschäftsstelle des Verwaltungsgerichts hat fehlerhaft einen
Umsatzsteuersatz in Höhe von 16 % berücksichtigt. Nach Nr. 7008 des
Vergütungsverzeichnisses gehört auch die Umsatzsteuer zu den erstattungsfähigen
Auslagen des Rechtsanwaltes, es sei denn - was hier nicht der Fall ist -, die
Umsatzsteuer bleibt nach § 19 Abs. 1 UStG unerhoben. Danach ist hier bei der
Kostenfestsetzung ein Umsatzsteuersatz von 19 % zugrundezulegen.
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Denn die Prozessbevollmächtigten des Klägers sind in der vorliegenden Angelegenheit
zur Zahlung einer Umsatzsteuer in Höhe von 19 % verpflichtet. Abgesehen von den hier
nach Aktenlage nicht einschlägigen Fällen des § 20 UStG entsteht die Umsatzsteuer
gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe a UStG für Lieferungen und sonstige Leistungen bei
der Berechnung der Steuer nach vereinbarten Entgelten (§ 16 Abs. 1 Satz 1 UStG) mit
Ablauf des Voranmeldezeitraums, in dem die Leistungen ausgeführt worden sind. Für
die anwaltliche Vergütung kommt es danach darauf an, wann sie fällig geworden ist.
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Vgl. auch OLG Koblenz, Beschluss vom 7. September 1998 - 14 W 594/98 -, JurBüro
1999, 304; Herget, in: Zöller, ZPO, 22. Aufl. 2001, § 91, Rdn. 13 (Stichwort:
Umsatzsteuer); Baumbach u. a., ZPO, 65. Aufl., 2007, § 91 Rdn. 214; Henke,
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Anwaltsgebührenrechnung und Mehrwertsteuererhöhung ab 1. April 1999, AnwBl. 1998,
206; Göttlich u. a., RVG, 2. Aufl., 2006, Stichwort: Umsatzsteuer, Nr. 5 b, jeweils m. w.
N.; a. A.: Hartmann, Kostengesetze, 36. Aufl., 2006, § 60 RVG Rdn. 5.
Die Vergütung der Prozessbevollmächtigten des Klägers ist mit der Kostenentscheidung
des Verwaltungsgerichts vom 5. Februar 2007 fällig geworden (§ 8 Abs. 1 Satz 2 RVG).
Zu diesem Zeitpunkt galt der durch das Haushaltsbegleitgesetz (HBeglG 2006) vom 29.
Juni 2006, BGBl. I S. 1402 mit Wirkung vom 1. Januar 2007 erhöhte Umsatzsteuersatz
von 19 % (Art. 4 Nr. 1, Art. 14 Abs. 3 HBeglG 2006). Denn weder das
Haushaltsbegleitgesetz 2006 noch die allgemeinen Übergangsvorschriften in § 27 UStG
enthalten insoweit eine abweichende (Übergangs-) Regelung.
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Aus § 60 Abs. 1 RVG ergibt sich nichts anderes. Nach § 60 Abs. 1 Satz 1 RVG ist die
Vergütung nach bisherigem Recht zu berechnen, wenn der unbedingte Auftrag zur
Erledigung derselben Angelegenheit im Sinne des § 15 RVG vor dem Inkrafttreten einer
Gesetzesänderung erteilt oder der Rechtsanwalt vor diesem Zeitpunkt gerichtlich
bestellt oder beigeordnet worden ist. Dies gilt nach § 60 Abs. 1 Satz 3 RVG auch, wenn
Vorschriften geändert werden, auf die das Rechtsanwaltsvergütungsgesetz verweist.
Aus diesen Vorschriften lässt sich entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts
nicht herleiten, dass hier der bis zum 31. Dezember 2006 geltende Umsatzsteuersatz
von 16 % zugrundezulegen ist, weil der Kläger seinen Prozessbevollmächtigten den
unbedingten Auftrag im Sinne des § 60 Abs. 1 Satz 1 RVG bereits vor dem 1. Januar
2007 erteilt hatte. Denn § 60 Abs. 1 RVG betrifft nur Änderung des
Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes und die Änderung von Vorschriften, auf die das
Rechtsanwaltsvergütungsgesetz verweist.
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Vgl. Jungbauer, in: Bischof u. a., RVG, 2. Aufl. 2007, § 60 Rdn. 5; Pukall, in:
Mayer/Kroiß, RVG, 2. Aufl., 2006, § 60 Rdn. 1;
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Einen solchen Verweis auf das Umsatzsteuergesetz enthält das
Rechtsanwaltsvergütungsgesetz jedoch nicht. Soweit in Nr. 7008 des
Vergütungsverzeichnisses die „Umsatzsteuer auf die Vergütung" als
Auslagentatbestand genannt wird, liegt darin kein Verweis auf das Umsatzsteuergesetz,
sondern lediglich die (nachrichtliche) Übernahme eines Auslagentatbestandes, der sich
ausschließlich nach den Vorschriften des Umsatzsteuergesetzes richtet.
Entsprechendes gilt für den in Nr. 7008 des Vergütungsverzeichnisses genannten
Ausnahmefall des § 19 Abs. 1 UStG.
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Eine andere Auslegung des § 60 Abs. 1 RVG und der Nr. 7008 des
Vergütungsverzeichnisses hätte zur Folge, dass die Prozessbevollmächtigten des
Klägers in der vorliegenden Angelegenheit auf der Grundlage der Vorschriften des
Umsatzsteuergesetzes die Umsatzsteuer in Höhe eines Satzes von 19 % zahlen
müssen, nach den Vorschriften des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes aber nur ein
Anspruch auf Erstattung von 16 % Umsatzsteuer haben. Hierfür ist ein rechtfertigender
Grund nicht ersichtlich.
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Die Kostenentscheidung beruht auf dem Rechtsgedanken des § 155 Abs. 1 Satz 3
VwGO. Danach können einem Beteiligten die Kosten ganz auferlegt werden, wenn der
andere nur zu einem geringen Teil unterlegen ist. Das ist hier insofern der Fall, als die
Kostenfestsetzung der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle des Verwaltungsgerichts
nur zu einem geringen Teil, nämlich in Höhe von (853,45 EUR - 841,11 EUR =) 12,34
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EUR geändert worden ist. Der Kläger erstrebte aber eine weitergehende Änderung in
Höhe einer Erledigungsgebühr von 301,00 EUR. Angesichts des nur geringfügigen
Erfolgs der Beschwerde hat der Senat auch davon abgesehen, die von dem Kläger
nach Nr. 5502 des Kostenverzeichnisses der Anlage 1 zum Gerichtskostengesetz zu
zahlende Gebühr auf die Hälfte zu ermäßigen oder zu bestimmen, dass eine Gebühr
nicht zu erheben ist.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, §§ 66 Abs. 3 Satz 3, 68 Abs. 1
Satz 5 GKG).
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