Urteil des HessVGH vom 20.05.2010

VGH Kassel: treu und glauben, entlastung, lehrer, schule, belastung, mehrarbeit, fürsorgepflicht, unterricht, zukunft, delegation

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Gericht:
Hessischer
Verwaltungsgerichtshof
1. Senat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
1 A 1686/09
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 3 PflStdV HE, § 5 PflStdV
HE, § 2 PflStdV HE, § 85 BG
HE, § 4 PflStdV HE
(Zum individuellen Entlastungsanspruch eines Schulleiters
für geleistete Mehrarbeit)
Leitsatz
Allein wegen tatsächlicher Überschreitung der regelmäßigen Arbeitszeit altersgleicher
Landesbeamter besteht kein individueller Entlastungsanspruch eines Schulleiters.
Die Überbeanspruchung muss vielmehr in der Auferlegung eines konkret überhöhten
Stundensolls bestehen, während eine Vielzahl von zusätzlich übertragenen Aufgaben
zunächst durch Gewichtung, Delegation und Prioritätensetzung zu bewältigen ist.
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Gießen vom
19. März 2009 - 5 K 187/08.GI - wird zurückgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die
Vollstreckung durch Sicherheitsleistung nach Maßgabe der Kostenfestsetzung
abwenden, sofern nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in
entsprechender Höhe leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Der 59 Jahre alte Kläger ist Schulleiter der Gesamtschule xxx im Landkreis
Marburg-Biedenkopf, einer kooperativen Gesamtschule mit Beratungs- und
Förderzentrum sowie Gymnasialzweig, die als Ganztagesschule arbeitet und im
laufenden Schuljahr von rund 800 Schülerinnen und Schülern besucht wird. In
früheren Jahren war die Schülerzahl teilweise höher, z.B. im Schuljahr 2007/2008
bei 850 Mädchen und Jungen. Als Direktor der Gesamtschule erhält der Kläger
Dienstbezüge nach Besoldungsgruppe A 15 plus Zulage.
Mit Schreiben vom 22. November 2007 beantragte der Kläger beim Staatlichen
Schulamt des Landkreises Marburg-Biedenkopf, ihm Freizeitausgleich für
geleistete Mehrarbeit in seiner Funktion als Schulleiter zu gewähren, beispielsweise
durch Bereitstellung einer ihn entlastenden Vertretungskraft. Er verwies darauf,
dass allein seit Beginn des Schuljahres 2007/2008 bis zu seinem Schreiben auf der
Grundlage einer 42 Stunden-Woche 166 Überstunden angefallen seien, für die er
keinen Freizeitausgleich habe erhalten können; die zeitliche Belastung werde im
Laufe des Schuljahres noch zunehmen. Auch Urlaub sei ihm in den vergangenen
Jahren ebenso wie jetzt 2007 immer wieder verfallen, da er ihn wegen seiner
Belastung als Schulleiter nicht habe rechtzeitig nehmen können.
Mit Bescheid vom 17. Dezember 2007 lehnte das Staatliche Schulamt einen
Ausgleich für die erbrachte Tätigkeit ab. Zwar sei amtsbekannt, dass der Kläger
über die nach der Arbeitszeitverordnung maßgeblichen 40 bis 42 Zeitstunden pro
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über die nach der Arbeitszeitverordnung maßgeblichen 40 bis 42 Zeitstunden pro
Woche hinaus Dienst verrichte. Es fehle für einen Ausgleich aber an der vorherigen
schriftlichen Anordnung oder Genehmigung von Mehrarbeit.
Mit seinem am 8. Januar 2008 beim Staatlichen Schulamt eingelegten Widerspruch
machte der Kläger deutlich, dass er keine Vergütung für unbezahlte Mehrarbeit
beantragt habe, sondern einen Freizeitausgleich, der sich z.B. durch eine
Erhöhung des Stundendeputats für die Schulleitertätigkeit ergeben könne. Die
Zuweisung verschiedener neuer Aufgaben an die Schulleiter sei ohne
entsprechende Erhöhung des Schulleitungs- bzw. Leiterdeputats erfolgt und
bedeute faktisch die Anordnung von Mehrarbeit in nicht akzeptabler
Größenordnung. Auch in Zukunft werde die Summe der Aufgaben in der
Schulleitung es ihm nicht erlauben, die geleistete Mehrarbeit durch Freizeit
auszugleichen. Aus diesem Grund beantrage er Freizeitausgleich in der Form, dass
eine angestellte Lehrkraft Unterricht übernehme, so dass er auf diesem Weg
entlastet werden könne.
Mit Widerspruchsbescheid vom 17. Januar 2008 wies das Staatliche Schulamt des
Landkreises Marburg-Biedenkopf den Widerspruch zurück. Zur Begründung wurde
ausgeführt, dass in der Übertragung zusätzlicher Aufgaben auf die Schulen durch
das Hessische Kultusministerium keine Anordnung von Mehrarbeit gesehen
werden könne. Es sei Sache des Beamten, die „Gewichtung“ der ihm obliegenden
Aufgaben neu vorzunehmen. Die Höhe des Schulleiter- und des
Schulleitungsdeputats sei abschließend in der Pflichtstundenverordnung
(PflichtstundenVO) geregelt. Auf die Erhöhung dieses Deputats könne ein
persönlich einklagbarer Anspruch des jeweiligen Schulleiters nicht bestehen, zumal
in der Verordnung keine Möglichkeit zur individuellen Erhöhung von Deputaten
vorgesehen sei.
Am 14. Februar 2008 hat der Kläger beim Verwaltungsgericht Gießen Klage
erhoben, mit der er erreichen will, dass seine Arbeitszeit die regelmäßige
Arbeitszeitleistung der übrigen, ihm altersgleichen hessischen Beamten nicht
übersteigt. Zur Begründung hat er Folgendes vorgetragen:
Die Arbeitszeit der Lehrer müsse unter Berücksichtigung der jährlichen
Gesamtarbeitszeit im Rahmen der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit der
übrigen Beamten bleiben, was bei ihm durch die zahlreichen, den Schulleitern
zusätzlich übertragenen Aufgaben ausgeschlossen sei. Nach der Hessischen
Arbeitszeitverordnung (HAZVO) habe er wöchentlich 41 Stunden Dienst zu leisten;
diese Zeit reiche jedoch nicht aus, um seinen vielfältigen Dienstverpflichtungen
nach dem Hessischen Schulgesetz, der allgemeinen Dienstordnung für Lehrkräfte
und weiteren Regelungen nachzukommen. So habe er in der Zeit vom 1. August
bis 23. November 2007 seine Arbeitszeit aufgelistet und sei dabei auf ein tägliches
Arbeitspensum gekommen, dass auf der Grundlage einer 42 Stunden-Woche 166
Überstunden ergeben habe. Seit seinem Schreiben an das Staatliche Schulamt
bis zur Klageerhebung seien erneut 86 Überstunden angefallen. Sehr
zeitaufwändige Zusatzaufgaben seien insbesondere durch die Übertragung der
Unterhaltsgarantie plus sowie die Budgetverwaltung an den Schulen entstanden,
außerdem durch die fehlerhafte Schulverwaltungssoftware LUSD (Lehrer- und
Schülerdatei), die in den Schulen zwangsweise eingeführt worden sei. Die
geringfügige Erhöhung der Deputatsstunden stehe in keinem Verhältnis zu der
Ausdehnung der Schulleitungsaufgaben, die der Kläger im Einzelnen aufgezählt
hat. Eine noch weitergehende Delegation von Schulleitungsaufgaben auf seinen
Stellvertreter oder andere Mitglieder der Schulleitung verbiete sich, da diese
Personen ebenfalls bereits deutlich überlastet seien. Hinzu komme, dass die
pädagogische Leiterin der Schule seit 1. August 2007 langfristig erkrankt gewesen
sei und erst im Schuljahr 2008/2009 ihren Dienst wieder mit voller Stundenzahl
aufgenommen habe. Der Gymnasialzweigleiter sei seit Herbst 2007 wegen
Erkrankung ausgefallen und auch erst im Schuljahr 2008/2009 durch einen neuen
Gymnasialzweigleiter ersetzt worden.
Der Kläger hat beantragt,
den Bescheid des Staatlichen Schulamtes für den Landkreis Marburg-
Biedenkopf vom 17. Dezember 2007 und den Widerspruchsbescheid derselben
Behörde vom 17. Januar 2008 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, die
Dienstleistungsverpflichtungen des Klägers als Schulleiter der Gesamtschule xxx
so zu gestalten, dass die vom Kläger abverlangte Arbeitszeitleistung unter
Berücksichtigung der jährlichen Gesamtarbeitszeit im Rahmen der regelmäßigen
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Berücksichtigung der jährlichen Gesamtarbeitszeit im Rahmen der regelmäßigen
wöchentlichen Arbeitszeit der übrigen altersgleichen hessischen Beamten bleibt.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hat darauf verwiesen, dass die Entlastungsdeputate für Schulleiter und
Mitglieder des Schulleitungsdienstes in der Pflichtstundenverordnung im Einzelnen
festgelegt seien, so dass eine individuelle Abweichung zu Gunsten des Klägers
nicht in Frage komme. Wenn der Kläger die entsprechenden Regelungen der
Pflichtstundenverordnung überprüfen lassen wolle, sei der richtige Weg eine
Normenkontrollklage beim Hessischen Verwaltungsgerichtshof. Im Übrigen
komme es nicht darauf an, ob oder inwieweit der Kläger seine Arbeitszeit als zu
hoch empfinde, zumal er unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des
Hessischen Verwaltungsgerichtshofs zur Arbeitszeit von Lehrern wegen der
unterrichtsfreien Zeit in den Ferien während der Schulwochen eine Belastung von
46,25 Zeitstunden zu bewältigen habe.
Soweit der Kläger seinen Arbeitsalltag aufgeschrieben und in der Zeit vom 3. bis 7.
März 2008 seine Tätigkeiten sogar minutengenau aufgelistet habe, könnten seien
Aufstellungen nur begrenzt nachvollzogen werden. Insbesondere sei nicht immer
erkennbar, um was es inhaltlich ganz konkret gegangen sei und weshalb der
Kläger diese Aufgaben selbst wahrnehmen müsse und sich nicht durch Delegation
Entlastung verschaffen könne. Seine Verantwortlichkeiten entsprächen denen
anderer Schulleiter an vergleichbaren Schulen, so dass ihm - wie von der
zuständigen schulfachlichen Aufsichtsbeamtin des Staatlichen Schulamtes bereits
geschehen - nur empfohlen werden könne, „kürzer zu treten“, d. h. seine
Aufgaben nach Gewichtigkeit zu ordnen und notfalls einzelne Arbeiten erst
nachrangig zu erledigen.
Mit Urteil vom 19. März 2009 hat das Verwaltungsgericht Gießen die Klage
abgewiesen, weil es an einer Rechtsgrundlage für die gewünschte individuelle
Entlastung fehle.
Zwar habe der Kläger nach Überzeugung des Gerichts über einen längeren
Zeitraum Dienst über die regelmäßige Arbeitszeit hinaus geleistet. Zudem
spreche sehr viel dafür, dass die von ihm als Leiter der kooperativen
Gesamtschule wahrzunehmenden Aufgaben bei ordnungsgemäßer Erfüllung auch
in Zukunft eine Überschreitung der Arbeitszeit bedingen würden, selbst wenn man
dem Umstand Rechnung trage, dass die Arbeitszeit der Lehrer nur zu einem Teil,
nämlich hinsichtlich der eigentlichen Unterrichtsstunden, exakt messbar sei,
während im Übrigen die Zeit nur grob pauschalierend geschätzt werden könne.
Der Kläger sei jedoch weder ausdrücklich noch durch die Übertragung der
Aufgaben angewiesen worden, mehr Stunden als nach der HAZVO festgelegt
Dienst zu verrichten oder ein Arbeitszeitpensum abzuleisten, das über der
regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit eines hessischen Beamten liege. Auf eine
Verletzung der dem Dienstherrn obliegenden Fürsorgepflicht könne der Kläger
seinen Anspruch deshalb nicht stützen; dies wäre nur der Fall, wenn der Beklagte
die vom Kläger regelmäßig zu erbringende Arbeitszeit an wöchentlichen
Arbeitsstunden rechtswidrig zu hoch angesetzt hätte. Eine möglicherweise
bestehende Geschäftsüberlastung verpflichte den Betroffenen jedoch nicht zu
einer die regelmäßige Arbeitszeit übersteigenden Dienstleistung, wie das
Bundesverfassungsgericht am Beispiel eines Gerichtsvollziehers entschieden
habe. Die Folgen der Überlastung dürften weder zum Anlass für disziplinarische
Maßnahmen genommen werden noch sich etwa bei Beurteilungen oder
Beförderungen zum Nachteil des betroffenen Beamten auswirken. Auch dem
Kläger sei es zumutbar, seine Aufgaben nach Dringlichkeit zu ordnen und im
Rahmen des Möglichen abzuarbeiten. Dabei sei sich die Kammer bewusst, dass
sich aus dieser rechtlichen Bewertung keine befriedigende Handlungsperspektive
für den Kläger ergebe. Er werde vielmehr weiterhin die gesetzliche Arbeitszeit in
beträchtlichem Umfang überschreiten, weil ihm sein Pflichtbewusstsein und sein
Engagement als Lehrer und Schulleiter es verbiete, Aufgaben unerledigt zu lassen.
Insoweit bestehe aus der Sicht der Kammer konkreter Handlungsbedarf, zumal die
Situation des Klägers nach dessen plausibler Darstellung keinen Einzelfall
darstelle. Warum das Hessische Kultusministerium als oberste Dienstbehörde
trotz der diesbezüglichen Eingaben aus dem Kreis der Schulleiter und
Schulleiterinnen sowie der Personalvertretung bislang keine Abhilfemöglichkeiten
aufgezeigt habe, erschließe sich dem Gericht nicht.
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Gegen dieses ihm am 6. Mai 2009 zugestellte Urteil hat der Kläger die vom
Verwaltungsgericht wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassene Berufung
eingelegt.
Er verfolgt sein Entlastungsbegehren weiter und vertieft im Wesentlichen sein
erstinstanzliches Vorbringen. Ergänzend macht er geltend, dass seine Situation
als Schulleiter, der die Gesamtverantwortung für den Betrieb Schule und die
Umsetzung des Bildungs- und Erziehungsauftrages trage, nicht mit derjenigen
eines Gerichtsvollziehers oder Rechtspflegers vergleichbar sei, denen nur konkrete
Einzelaufgaben übertragen seien. Auf deren Erledigung oder Nichterledigung
komme es für das Gesamtsystem der Rechtspflege nicht an.
Zudem habe das Verwaltungsgericht es versäumt, seinen Entlastungsanspruch
unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben aus § 242 BGB zu prüfen; dieser
Gesichtspunkt sei im öffentlichen Recht ohne weiteres anwendbar, wie sich u. a.
aus der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts zur überobligatorischen
Arbeitsleistung von Beamten im Beitrittsgebiet (BVerwG, Urteil vom 28.05.2003 - 2
C 28.02 -) ergebe. Zutreffend habe auch das Oberverwaltungsgericht Münster
(Urteil vom 11.01.2006 - 6 A 4767/03 -) für eine Studienseminarleiterin einen
Freistellungsanspruch für geleistete Zuvielarbeit als nach dem Grundsatz von Treu
und Glauben gerechtfertigt angesehen.
Zur Veranschaulichung der gewandelten Ansprüche an die Aufgabenwahrnehmung
eines Schulleiters legt der Kläger ergänzend verschiedene Unterlagen vor, u. a. ein
Schreiben der Kultusministerin vom 7. Juli 2009 (Bl. 219 GA), den Projektbericht
einer vom Kultusministerium eingesetzten Arbeitsgruppe, wonach Schulleitung als
eigenständiger Beruf definiert werden müsse (Bl. 231 ff. GA), ein Sitzungsprotokoll
über das Treffen von Schulleiterorganisationen mit Minister Banzer vom 23.
August 2008 (Bl. 244 GA), einen Aufsatz des Mitarbeiters im Institut für
Qualitätssicherung Steffens zum Konzept der „lernenden Schule“ (Bl. 268 ff. GA),
einen vom Kultusministerium bekannt gemachten Aufsatz zum „Berufsbild
Schulleitung“ (Bl. 286 GA, veröffentlicht im Amtsblatt des Kultusministeriums Heft
4 2010) sowie eine Liste der von ihm an die übrigen Schulleitungsmitglieder
delegierten Aufgaben vom 7. Mai 2010 (Bl. 305 GA)..
Der Kläger betont unter Berufung auf diese Unterlagen, dass die Arbeitsbelastung
für Schulleiter generell durch die zahlreichen ihnen neu übertragenen Aufgaben
immens angewachsen sei und deshalb - wie vom Verwaltungsgericht zu Recht
festgestellt - in der regulären Arbeitszeit nicht bewältigt werden könne. Es obliege
dem Dienstherrn, hierfür Abhilfe zu schaffen und könne nicht Aufgabe des
einzelnen Schulleiters sein, durch „Liegenlassen“ von Aufgaben eine
Überschreitung der für alle Beamten geltenden regulären Arbeitszeit zu
vermeiden.
Hinsichtlich der konkreten Entlastungszahlen für das laufende Schuljahr 2009/2010
bestätigt der Kläger die Berechnungen des Beklagten, wonach ihm als
Schulleiterdeputat eine Entlastung von (abgerundet) 25 Stunden zusteht, ergänzt
um das sog. Leitungsdeputat von zusätzlich 19 Stunden und ein allgemeines
Schuldeputat von 21 Stunden. Zur Verteilung dieser Gesamtentlastungsstunden
auf die Mitglieder der Schulleitung erläutert der Kläger, dass er aus seinem
Schulleiterdeputat eine Stunde an den IT-Beauftragten und sieben Stunden an den
stellvertretenden Schulleiter zur Wahrnehmung diesem konkret übertragener
Aufgaben abgegeben habe, so dass er noch mit 17 Wochenstunden entlastet sei.
Demgemäß müsse er ausgehend von der für ihn einschlägigen Pflichtstundenzahl
von 25,5 Wochenstunden noch in einer Größenordnung von 8,5 Stunden Unterricht
leisten. Das Leitungsdeputat der Schule sei zu weiteren sieben Stunden dem
Stellvertreter zugeteilt, der damit insgesamt über 14 Stunden Entlastung verfüge.
Der Rest des Leitungsdeputates von noch zwölf Stunden verteile sich auf die
übrigen fünf Mitglieder des Schulleitungsteams, wobei die lange Zeit erkrankte
pädagogische Leiterin noch nicht in vollem Umfang ihre Mitarbeit im
Schulleitungsteam wieder aufgenommen habe. Aus dem allgemeinen
Schuldeputat seien weitere vier Stunden dem IT-Beauftragten für dessen vielfältige
Aufgaben übertragen; die übrigen Stunden verteilten sich auf einzelne Lehrer je
nach der Größenordnung der von ihnen übernommenen Funktionen.
Der Kläger beantragt,
unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Gießen - 5 K 187/08.GI -
den Bescheid des Staatlichen Schulamtes für den Landkreis Marburg-Biedenkopf
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den Bescheid des Staatlichen Schulamtes für den Landkreis Marburg-Biedenkopf
vom 17. Dezember 2007 und dessen Widerspruchsbescheid vom 17. Januar 2008
aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, den Kläger für die Wahrnehmung
seiner Dienstleistungsverpflichtungen als Schulleiter der Gesamtschule xxx so zu
entlasten, dass die vom Kläger abverlangte Arbeitszeitleistung unter
Berücksichtigung der jährlichen Gesamtarbeitszeit im Rahmen der regelmäßigen
wöchentlichen Arbeitszeit der übrigen altersgleichen hessischen Beamten bleibt.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er betont nochmals, dass die Arbeitszeit des Klägers nicht durch gezielte
Anordnungen ihm gegenüber verpflichtend erhöht worden sei, wie dies dem vom
Bundesverwaltungsgericht für das Beitrittsgebiet entschiedenen Fall und dem vom
OVG Münster entschiedenen Fall einer Fachleiterin am Studienseminar zu Grunde
gelegen habe. Vielmehr habe das Land Hessen den Belastungen besonders im
Verwaltungsbereich der Schulen durch Erhöhung der verschiedenen Deputate seit
1999 im Umfang von 400 Stellen = 10.500 Wochenstunden Rechnung getragen.
Außerdem sei für die Schulleiterinnen und Schulleiter größerer Schulen die
Mindestverpflichtung von vier Wochenstunden Unterricht pro Woche mit der
Neufassung der Pflichtstundenverordnung (Fassung vom 20.07.2006) entfallen,
was ebenfalls als Entlastung zu Gunsten von neuen Verwaltungsaufgaben
angesehen werden könne. Schließlich sei für die kooperativen Gesamtschulen wie
diejenige des Klägers der Anrechnungsfaktor für das Leitungsdeputat mit Erlass
vom 20. Mai 2008 von 0,0087 auf 0,0129 pro Schüler verbessert worden, was auch
an der Schule des Klägers zu einer Erhöhung um drei Stunden geführt habe. Im
Übrigen stelle das Verwaltungsgericht Gießen überzeugend fest, dass eine bloße
Geschäftsüberlastung den Beamten gerade nicht zu einer die regelmäßige
Arbeitszeit übersteigenden Dienstleistung verpflichte. Diese streitentscheidende
rechtliche Kernaussage verkenne der Kläger, wenn er sich auf seine Verantwortung
als Schulleiter für das Gesamtsystem Schule berufe. Es liege vielmehr allein an der
Selbstorganisation des Klägers, wenn er zu viele Aufgaben übernehme und damit
gegebenenfalls die Arbeitszeitgrenze überschreiten sollte. Diese
Selbstorganisation könne der Kläger dem Dienstherrn nicht entgegenhalten, um
eigene Ansprüche zu rechtfertigen.
Zur Darstellung des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf den Inhalt der
Gerichtsakte einschließlich der vom Kläger überreichten Unterlagen sowie der
beigezogenen Behördenakte des Beklagten (ein Hefter) Bezug genommen, die
sämtlich Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Beratung gewesen sind.
Entscheidungsgründe
Die zulässige, insbesondere fristgerecht eingelegte und begründete Berufung des
Klägers bleibt ohne Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat die Klage im Ergebnis zu
Recht abgewiesen. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die von ihm geltend
gemachte individuelle Entlastung
Zwar ist der Senat ebenso wie das Verwaltungsgericht davon überzeugt, dass der
Kläger faktisch über einen längeren Zeitraum Dienst über die regelmäßige
Arbeitszeit hinaus geleistet hat. Dies ergibt sich letztlich bereits aus dem
Ablehnungsbescheid des Beklagten vom 17. Dezember 2007, in dem die
Bemerkung enthalten ist, es sei „amtsbekannt“, dass der Kläger über die nach der
Arbeitszeitverordnung maßgeblichen 40 bis 42 Zeitstunden pro Woche hinaus
Dienst verrichte. Durch die von ihm vorgelegte Auflistung seiner Tätigkeiten im
ersten Schulhalbjahr 2007/2008 sowie die minutengenaue Auflistung für die erste
Märzwoche 2008 hat der Kläger eindrucksvoll belegt, welche zahlreichen und
zeitintensiven Aufgaben er in seinem Amt als Schulleiter wahrnimmt und dass dies
in seiner Person regelmäßig zu einer überobligationsmäßigen Arbeitsanstrengung
geführt hat. Der Senat hat zudem sowohl aus den Akten als auch in der
mündlichen Verhandlung den Eindruck gewonnen, dass der Kläger sein Amt als
Schulleiter mit viel Einsatz, Verantwortungsbewusstsein und Pflichtgefühl ausfüllt,
so dass die erhöhte Belastung des Klägers mit Sicherheit in Zukunft weiterhin
Bestand haben wird.
Allein diese tatsächliche, die regelmäßige Arbeitszeit altersgleicher hessischer
Beamter übersteigende Belastung führt jedoch nicht zu einem Anspruch des
Klägers, ihm die geforderte Entlastung zu gewähren; erst Recht nicht in der von
ihm präferierten Form, dass eine zusätzliche Vertretungskraft an der Schule
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ihm präferierten Form, dass eine zusätzliche Vertretungskraft an der Schule
eingestellt wird, die seinen Unterricht übernimmt, so dass er mehr Zeit für die
verwaltungsmäßigen und organisatorischen Aufgaben als Schulleiter zur
Verfügung hat. Denn für diesen erstrebten individuellen Ausgleich ist keine
Rechtsgrundlage ersichtlich.
Mehrarbeit im Sinne von § 85 Abs. 2 HBG, die durch Freizeitausgleich oder
Vergütung nach der Mehrarbeitsvergütungsverordnung ausgeglichen werden
könnte, hat der Kläger durch die Überschreitung der regelmäßigen Arbeitszeit
aufgrund der ordnungsgemäßen Erfüllung seiner Schulleiteraufgaben nicht
geleistet. Dem steht bereits entgegen, dass die Überschreitung der regelmäßigen
Arbeitszeit nicht durch Umstände hervorgerufen worden ist, die eine Ausnahme
gegenüber den sonst üblichen Verhältnissen bilden (vgl. zu diesem Kriterium:
BVerwG, Urteil vom 28.05.2003 - 2 C 28.02 - mit zahlreichen
Parallelentscheidungen vom selben Tag, ZBR 2003, 383 ff. = DVBl. 2003, 1552 ff.
= DÖV 2003, 1035 ff.). Außerdem ist die zusätzliche Dienstleistung des Klägers
nicht gemäß § 85 Abs. 2 HBG, § 3 Abs. 1 Nr. 1 MVergV schriftlich angeordnet oder
genehmigt worden, so dass dem Kläger weder Freizeitausgleich nach § 85 Abs. 2
Satz 2 HBG noch eine Vergütung nach den Grundsätzen der MVergV gewährt
werden kann. Dies würde im Übrigen auch dem Begehren des Klägers nur teilweise
entsprechen, der erstrangig eine Entlastung für die Zukunft erreichen will.
Auch unter dem Gesichtspunkt des Schadensersatzes kann der Kläger keine
nachträgliche oder zukünftige Entlastung verlangen. Dies ergibt sich bereits
daraus, dass zusätzlicher Dienst eines Beamten nicht als materieller Schaden
angesehen werden kann, der im Wege eines deliktischen Ausgleichsanspruches
kompensierbar wäre. Der Aufwand von Zeit und Arbeitskraft und der damit
verbundene Verlust von Freizeit stellen keinen ersatzfähigen Schaden dar (vgl.
BVerwG, Urteil vom 28.05.2003 - 2 C 28.02 -). Erst Recht führt der allgemeine
Folgenbeseitigungsanspruch deshalb nicht zu dem begehrten Freizeitausgleich
oder der Entlastung für die Zukunft, zumal eine dauerhaft rechtswidrige
Überbeanspruchung nicht festgestellt werden kann (s. im Einzelnen die
Erwägungen ab S. 13 ff).
Ebenso wenig kann der Kläger aus der Fürsorgepflicht des Dienstherrn nach § 92
Abs. 1 HBG a. F., § 45 BeamtStatG einen Entlastungsanspruch herleiten. Zwar
mag die Fürsorgepflicht des Dienstherrn eine zeitliche Inanspruchnahme des
Beamten über seine physischen und psychischen Kräfte hinaus ausschließen
(BVerfG, Beschluss vom 11.03.2008 - 2 BvR 263/07 - NVwZ-RR 2008, 505 f. unter
Hinweis auf BVerwGE 38, 191, 196). Ebenso verbietet die Fürsorgepflicht eine
gleichheitswidrige Beanspruchung der Arbeitskraft des Klägers im Verhältnis zu
ihm vergleichbaren Schulleitern oder den altersgleichen übrigen hessischen
Beamten (vgl. hierzu: Hess. VGH, Urteil vom 06.09.1995 - 1 UE 1633/93 - und
Beschluss vom 22.08.2000 - 1 N 2320/96 - ZBR 2002, 185 ff.). Allerdings ergeben
sich nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts aus der
Fürsorgepflicht nur dann Leistungsansprüche, wenn anderenfalls die
Fürsorgepflicht in ihrem Wesenskern verletzt wäre (BVerwG, Urteil vom 28.05.2003
- 2 C 28.02 - unter Hinweis auf Urteil vom 10.06.1999 - 2 C 29.98 -). Höchstens
unzumutbare Belastungen des Beamten können diesen Wesenskern der
Fürsorgepflicht berühren (BVerwG, Urteil vom 21.12.2000 - 2 C 39.99 - BVerwGE
112, 308). Eine solche unzumutbare Belastung hat das Bundesverwaltungsgericht
ausgeschlossen, wenn die wöchentliche Arbeitszeit zwar planmäßig um 1,5
Stunden überschritten wird, dabei aber immer noch deutlich unter der gesetzlich
höchst zulässigen Wochenarbeitszeit von - seinerzeit im Bund - 44 Stunden in der
Woche liegt.
Eine derartige, den Kern der Fürsorgepflicht verletzende Inanspruchnahme des
Klägers ist bislang nicht nachgewiesen. Der Kläger mag zwar tatsächlich
regelmäßig mehr arbeiten als es der für ihn durch § 1 Abs. 1 Satz 1 HAZVO i. V.
m. § 85 Abs. 1 Satz 2 HBG und der Pflichtstundenverordnung konkretisierten
Arbeitszeit entspricht. Diese Belastung ist jedoch nicht dadurch entstanden, dass
der Dienstherr dem Kläger eine entsprechend überhöhte Stundenzahl oder
zusätzliche, im einzelnen messbare und bei anderen Schulleitern nicht
vorhandene Verantwortungsbereiche auferlegt hat, sondern sie ergibt sich daraus,
dass ihm wie anderen Schulleitern auch immer mehr Aufgaben übertragen worden
sind, die sich innerhalb der regulären Arbeitszeit auch unter Berücksichtigung der
den Schulleitern nach der Pflichtstundenverordnung eingeräumten entlastenden
Deputatsstunden kaum mehr erfüllen lassen.
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Für diese Fallkonstellation hat das Bundesverfassungsgericht (Beschluss vom
11.03.2008 - 2 BvR 263/07 - NVwZ-RR 2008, 505 f) ausdrücklich festgestellt, dass
allein aus einem überhöhten Geschäftsanfall keine überobligationsmäßige
Beanspruchung durch den Dienstherrn hergeleitet werden kann. Vielmehr ist es
Sache des betroffenen Beamten, seine Aufträge nach ihrer Dringlichkeit zu ordnen
und im Rahmen des Möglichen planvoll abzuarbeiten. Soweit dies innerhalb der
regelmäßigen Arbeitszeit nicht gelingt, ist er berechtigt, seinen Geschäftsbereich
anwachsen zu lassen und verpflichtet, dies anzuzeigen. Eine (möglicherweise)
bestehende Geschäftsüberlastung verpflichtet den Beamten nicht zu einer die
regelmäßige Arbeitszeit übersteigenden Dienstleistung, und für hieraus folgende
Verzögerungen und sonstige Erschwernisse des Dienstbetriebes kann er nicht
verantwortlich gemacht werden (so BVerfG, Beschluss vom 11.03.2008 - 2 BvR
263/07 - im Fall eines Gerichtsvollziehers).
In einer vergleichbaren Situation befindet sich der Kläger, selbst wenn er anders
als ein Gerichtsvollzieher oder Rechtspfleger (vgl. VG Düsseldorf, Urteil vom
17.12.2008 - 13 K 5885/07 -, juris) in seiner Funktion als Schulleiter die
Gesamtverantwortung für den Betrieb der Schule und die Wahrnehmung des
Bildungs- und Erziehungsauftrages trägt (vgl. §§ 87 und 88 HSchG). Denn auch für
ihn bestehen keine festen Vorgaben, welche Aufgaben er in welcher Zeitspanne
und welcher Reihenfolge erfüllen muss, sondern es obliegt ihm selbst, die
Dringlichkeit seiner Aufgaben und die Notwendigkeit, mit der sie vorrangig erledigt
werden müssen, einzuschätzen und danach zu handeln. Dies ist gerade Teil seiner
Führungsverantwortung, so dass die Fähigkeit, die ihm übertragenen Aufgaben
entsprechend zu qualifizieren, als Teil seiner Führungskompetenz grundsätzlich
von ihm verlangt werden muss. Gleichzeitig steht es ihm frei, einen Teil seiner
Aufgaben auf den stellvertretenden Schulleiter oder andere
Schulleitungsmitglieder zu delegieren - wie auch ausweislich der vorgelegten
Geschäftsverteilung geschehen - und insoweit Teile der Deputatsstunden
abzugeben, was ebenfalls die freie Einteilung der Arbeitszeit und die Spannweite
bei der Erfüllung der Arbeitsverpflichtungen unterstreicht. In diesem
entscheidenden Punkt der freien Gewichtung und Zeiteinteilung unterscheidet sich
die Tätigkeit des Schulleiters deshalb nicht von derjenigen eines
Gerichtsvollziehers oder eines Rechtspflegers, so dass die in der Rechtsprechung
aufgestellten Grundsätze zum Umgang mit einer eventuellen
Geschäftsüberlastung auch auf den Schulleiter übertragen werden können.
Unter Heranziehung dieser Maßstäbe kann der Kläger gegen den Beklagten keinen
Entlastungsanspruch wegen Verletzung der Fürsorgepflicht geltend machen kann,
denn eine unzumutbar überhöhte Arbeitszeit in Form eines rechtswidrigen
Stundensolls wird von ihm nicht verlangt. Ebenso wenig lässt sich eine
gleichheitswidrige Überbeanspruchung des Klägers im Verhältnis zu anderen
Schulleitern feststellen, da allen die entsprechenden Aufgaben gleichermaßen
übertragen worden sind und auch an allen Schulen nach denselben Regelungen
Pflichtstunden und Leiter- sowie Leitungsdeputate zur Entlastung ausgewiesen
werden.
Allenfalls mag sich ein Ausgleichsanspruch aus dem Grundsatz von Treu und
Glauben (§ 242 BGB) ergeben können, da dieser Rechtsgrundsatz auch im
öffentlichen Recht und insbesondere im Beamtenrecht Geltung beansprucht (st.
Rspr. des BVerwG, siehe nur Urteil vom 28.05.2003 - 2 C 28.02 - m. w. N.). Er
vermag in dem engen, auf Dauer angelegten Rechtsverhältnis zwischen
Dienstherrn und Beamten die nach der jeweiligen Interessenlage gebotenen
Nebenpflichten zu begründen und kann auch eine Pflicht zum Ausgleich von
Zuvielarbeit entstehen lassen, soweit die Inanspruchnahme des Beamten über die
regelmäßige Dienstzeit hinaus sich als rechtswidrig erweist und die dem
Dienstherrn obliegende Unterlassungsverpflichtung verletzt wird. Insbesondere in
Fällen einer gleichheitswidrigen Überbeanspruchung kann deshalb nach dem
Grundsatz von Treu und Glauben eine Verpflichtung des Dienstherrn bestehen, die
die Überlast hervorrufenden Umstände im Rahmen der bestehenden
Pflichtstundenregelung zu berücksichtigen und ihnen dadurch Rechnung zu tragen,
dass zur Wahrung der Grenze der allgemeinen Gesamtarbeitszeit der Beamten
entweder die Anforderungen im nicht unmittelbar unterrichtsbezogenen Bereich
eingeschränkt werden oder eine entsprechende Entlastung erfolgt (vgl. Hess. VGH,
Beschluss vom 22.08.2000 - 1 N 2320/96 - ZBR 2002, 185 ff.).
Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, dass für die Frage, welcher Zeitaufwand für
die Erledigung der Dienstaufgaben nötig ist, die Ansicht des Klägers als Betroffener
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die Erledigung der Dienstaufgaben nötig ist, die Ansicht des Klägers als Betroffener
von vornherein nicht maßgeblich sein kann (vgl. Hess. VGH, Beschluss vom
22.08.2000 - 1 N 2320/96 - a. a. O.). Die Konkretisierung des Regelstundenmaßes
ist vielmehr zwangsläufig eine generalisierende und pauschalierende Festlegung,
bei der die individuelle Arbeitsbelastung eines einzelnen Lehrers oder Schulleiters
außer Betracht zu bleiben hat. Denn diese Belastung wird maßgeblich von
persönlicher Befähigung und Erfahrung, selbst gestellten Anforderungen und
anderen Umständen des Einzelfalles bestimmt. Zudem ist die Arbeitszeit von
Lehrern - zu denen auch der Kläger als Schulleiter gehört - nur hinsichtlich der
eigentlichen Unterrichtsstunden zeitlich exakt messbar, während die übrige
Arbeitszeit, die entsprechend dem pädagogischen Auftrag der Lehrer mit der
erforderlichen Vor- und Nachbereitung des Unterrichts, Korrekturarbeiten,
Konferenzen, Elterngesprächen und vielem mehr verbracht wird, nicht in
messbarer und überprüfbarer Form bestimmt, sondern nur grob pauschalierend
geschätzt werden kann (Hess. VGH, Beschluss vom 22.08.2000 -1 N 2320/96 -
unter Hinweis auf BVerwG, Urteile vom 29.11.1979 - 2 C 40.77 - BVerwGE 59, 142,
vom 28.10.1982 - 2 C 88.81 - ZBR 1983, 187, sowie Beschluss vom 14.12.1989 - 2
NB 2.89 - juris). Ebenso wenig messbar wie die nicht durch Unterricht festgelegte
Arbeitszeit aller Lehrer ist die für die verwaltungsmäßigen und organisatorischen
Aufgaben des Klägers als Schulleiters erforderliche Arbeitszeit, die genauso wie die
nicht unterrichtende Tätigkeit aller Lehrer nur grob pauschalierend geschätzt
werden kann. Diesen Besonderheiten des Lehrerbereiches trägt die
Pflichtstundenverordnung (Fassung vom 20.07.2006, ABl. S. 631) Rechnung,
indem sie nicht nur die wöchentliche Pflichtstundenzahl für Lehrkräfte im Einzelnen
festlegt, sondern auch detaillierte Regelungen über die Anrechnung dienstlicher
Tätigkeiten durch Leiterdeputate für Schulleiter, Leitungsdeputate für die
erweiterten Schulleitungsgremien und Schuldeputate für weitere schulische
Aufgaben trifft (vgl. im Einzelnen §§ 2 bis 5 PflichtstundenVO). Insoweit ist die
Arbeitszeit aller Lehrer - auch des Klägers als Schulleiter - in die allgemeine
beamtenrechtliche Arbeitszeitregelung eingebettet und so zu gestalten, dass die
Bemessung der Arbeitszeit der Lehrer bezogen auf die aufzuwendende jährliche
Gesamtarbeitszeit für die innerhalb und außerhalb des Unterrichts zu erledigenden
Tätigkeiten der jährlichen Gesamtarbeitszeit der übrigen altersgleichen hessischen
Landesbeamten entspricht, die ein vollzeitbeschäftigter Beamter der allgemeinen
Verwaltung unter Berücksichtigung von Urlaubs- und Feiertagen, also von 44
Arbeitswochen im Jahr zu erbringen hat. Dabei besteht durch die jährlich neu
festzusetzenden Anrechnungsfaktoren (Anlage I zur PflichtstundenVO), die
zusammen mit der Schülerzahl die Höhe der Entlastungsdeputate maßgeblich
bestimmen (§ 2 Abs. 2 PflichtstundenVO), auch die Möglichkeit, auf gewisse
Schwankungen in der Aufgabenwahrnehmung einzugehen. Bei der Umrechnung
der Stundenzahl auf die von einem unterrichtenden Lehrer zu erbringende
regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit ist zudem zu berücksichtigen, dass eine
Unterrichtsverpflichtung mit Rücksicht auf die Schulferien und die sonstigen
unterrichtsfreien Tage im Schnitt lediglich für 39 Wochen besteht und dass eine
Schulstunde in der Regel nur 45 Minuten dauert, so dass die regelmäßige
wöchentliche Arbeitszeit eines Lehrers während der Unterrichtsphase einige
Stunden über der in § 1 Abs. 1 HAZVO geregelten Wochenarbeitszeit liegt (so
ausführlich: Hess. VGH, Beschluss vom 22.08.2000 - 1 N 2320/96 -).
Diese Grundsätze gelten auch für den Kläger als Schulleiter, denn neben dem von
ihm noch absolvierten Unterricht können auch die ihm übertragenen
verwaltungsmäßigen und organisatorischen Aufgaben nicht in konkreten
Stundenzahlen bemessen werden. Zu beachten ist lediglich, dass die
Verwaltungsaufgaben des Schulleiters großenteils während der Ferien und der
unterrichtsfreien Zeit weiterhin anfallen, so dass bei ihm die wöchentliche
Arbeitszeit nicht wie bei anderen Lehrern auf der Grundlage von 39 Arbeitswochen
pro Jahr berechnet werden kann. Im Fall des Klägers bietet es sich an, seine
Belastung anhand des Verhältnisses zwischen dem von ihm erteilten Unterricht
(8,5 Wochenstunden) und der von ihm wahrgenommenen Entlastung (17
Wochenstunden) zu berechnen, was einem Verhältnis von ein Drittel zu zwei Drittel
entspricht. Dementsprechend ist auch die jährliche Arbeitszeit des Klägers in einer
Größenordnung von 2/3 nicht durch die Ferien beeinflusst, so dass sich seine
wöchentliche Arbeitszeit wegen des Unterrichtsanteils im Verhältnis zu regulären
Verwaltungsbeamten durch die längere Ferienzeit auch nur in einer
Größenordnung von 1/3 verlängert. Wenn ansonsten für Lehrer durch
Zugrundelegung von 39 anstelle von 44 Arbeitswochen pro Jahr eine wöchentliche
Belastung während der Unterrichtszeit von rund 46 Stunden gerechtfertigt
erscheinen mag (so die Berechnungen des Beklagten), so führt dies beim Kläger,
der auch während der Ferien pauschalierend noch 67 % seiner Tätigkeit weiter
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der auch während der Ferien pauschalierend noch 67 % seiner Tätigkeit weiter
erbringen muss, allenfalls zu einer Erhöhung der wöchentlichen Arbeitszeit um bis
zu zwei Stunden.
Geht man von dieser erhöhten regulären Wochenarbeitszeit von derzeit bis zu 43
Stunden aus und bedenkt man gleichzeitig noch, dass nach der Rechtsprechung
des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 28.05.2003 - 2 C 28.02 -) nur
unzumutbare Belastungen einen Anspruch des Beamten auf Ausgleich begründen
können, so ist dem Kläger letztlich der Nachweis nicht gelungen, dass diese
Voraussetzungen erfüllt sind. Hinzu kommt, dass von jedem Beamten gemäß § 85
Abs. 1 HBG Mehrarbeit bis zu einer Größenordnung von fünf Stunden pro Monat
ohnehin ausgleichsfrei zu leisten ist, was erkennen lässt, dass zumindest
vorübergehende „Arbeitsspitzen“ zusätzlich in Kauf genommen werden müssen.
Vor diesem Hintergrund hat der Kläger nicht hinreichend belegen können, dass es
unmöglich ist, die ihm als Schulleiter übertragenen Aufgaben bei entsprechender
Delegation, Gewichtung und Erledigung in der Reihenfolge ihrer Bedeutung
regelmäßig in einem Zeitrahmen von bis zu 43 oder ausnahmsweise 44
Wochenstunden zu bewältigen.
Denn seine detaillierte Darstellung der Arbeitszeit geht immer von den tatsächlich
aufgewendeten Stunden und Minuten aus, lässt jedoch nicht hinreichend
erkennen, weshalb alle diese Aufgaben vom Kläger persönlich zu dem konkret von
ihm gewählten Zeitpunkt erfüllt werden mussten. Insoweit kann dem Kläger zum
Schutze seiner eigenen Gesundheit trotz seines beachtlichen Engagements nur
angeraten werden, in jedem Einzelfall konkret zu hinterfragen, ob eine bestimmte
Aufgabe wirklich jetzt und durch ihn persönlich wahrgenommen werden muss.
Andererseits hat der Beklagte trotz mehrmaliger gerichtlicher Nachfrage nicht
hinreichend konkretisiert, auf welcher Berechnungsgrundlage er die
Entlastungsdeputate für Schulleiter und Schulleitungsgremien im Verhältnis zu
den ihnen übertragenen Aufgaben neu festgesetzt hat und damit den Verdacht
nicht gänzlich zerstreut, die Stärkung der Selbstständigkeit der Schulen finde auf
dem Rücken der systembedingt überlasteten Schulleiter statt. Immerhin sind
jedoch in den letzten Jahren Deputatsstunden in Höhe von 400 Stellen zusätzlich
eingerichtet worden und auch die Anrechnungsfaktoren haben sich zugunsten der
kooperativen Gesamtschulen verändert, so dass nicht vom gänzlichen Fehlen
einer Reaktion auf die Aufgabenverlagerung gesprochen werden kann. Auch
zukünftig wird der Beklagte - z. B. bei der jährlichen Festlegung der
Anrechnungsfaktoren - pauschalierend zu prüfen haben, ob der von ihm gewählte
Ansatz den tatsächlichen Verhältnissen noch entspricht. Allein der Gesichtspunkt,
dass weitere Entlastungen in einer Größenordnung von nur einer halben
Wochenstunde bereits die Notwendigkeit einer Vielzahl zusätzlicher Lehrerstellen
hervorrufen würden (siehe Protokoll vom 31.10.2008, Bl. 246 GA), kann jedenfalls
nicht allein ausschlaggebend sein und eine ansonsten gebotene
Deputatserhöhung ausschließen..
Der ergänzende Hinweis des Klägers auf die ebenfalls bestehende Überlastung der
übrigen Schulleitungsmitglieder genügt nicht, um die Unmöglichkeit weiterer
Entlastung durch Übertragung von Aufgaben zu belegen. Denn dem Grundsatz
nach hat der Beklagte durch die getrennte Ausweisung von Schulleiter-,
Schulleitungs- und Schuldeputaten die Möglichkeit der Delegation und Verteilung
der Aufgaben auf viele Schultern nicht nur in der Dienstordnung für Lehrkräfte (§
15 DienstO), sondern auch in der PflichtstundenVO (§§ 3 bis 5) ausdrücklich
niedergelegt. Es ist deshalb Sache der jeweiligen schulinternen
Geschäftsverteilung (vgl. § 14 Abs. 1 DienstO), diesen Gestaltungsspielraum
möglichst effektiv zu nutzen, zumal bestimmte Tätigkeiten auch auf Sekretärinnen
oder andere Mitarbeiter außerhalb des Leitungsteams übertragen werden
könnten. Eine derartige Möglichkeit, nicht pädagogische Tätigkeiten auf
Verwaltungsbedienstete zu delegieren und dafür den Schulen zusätzliche Mittel
zur Verfügung zu stellen - worüber offensichtlich derzeit im Kultusministerium
nachgedacht wird - hält der Senat für ausgesprochen wünschenswert.
Im Übrigen gehört es durchaus zu den Verpflichtungen der Schulaufsicht (vgl. § 92
Abs. 1 und 2 HSchG), die Schulen bei der Erfüllung ihres Bildungs- und
Erziehungsauftrages sowie der Organisationsentwicklung und der Wahrnehmung
ihrer Aufgaben im Rahmen der Selbstverwaltung zu beraten und zu unterstützen,
wozu auch konkrete Hilfestellung bei einer erkennbaren Überlastungssituation
gehört. Diese kann auch in Hinweisen darauf bestehen, wie der
Geschäftsverteilungsplan weiter optimiert werden kann oder in welchen Feldern es
für den Schulleiter ohne Schaden für das Gesamtsystem „Schule“ am ehestens
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für den Schulleiter ohne Schaden für das Gesamtsystem „Schule“ am ehestens
möglich erscheint, Arbeiten unerledigt zu lassen. Zwar mag es nicht Aufgabe der
Schulaufsicht sein, den Schulleitern hinsichtlich der Übertragungen auf andere
Personen „Vorgaben“ zu machen. Die Schulleiter dürfen aber auch nicht mit ihrer
zweifelsohne bestehenden umfassenden Verantwortung „allein gelassen“ werden.
Mindestens hätte der Beklagte deshalb Anlass gehabt, auf die Sondersituation an
der Schule des Klägers zu reagieren, die sich durch die gleichzeitige Erkrankung
der pädagogischen Leiterin und des Gymnasialzweigleiters im Schuljahr 2007/2008
ergeben hat, als der Kläger erstmals um Entlastung bzw. Ausgleich nachgesucht
hat. Diese Situation stellt sich mittlerweile zwar anders dar, weil die pädagogische
Leiterin wieder voll im Dienst ist und der erkrankte Gymnasialzweigleiter durch
einen neuen Leiter ersetzt worden ist. Für die Zukunft könnte in einer derartigen
Situation aber durchaus die Notwendigkeit bestehen, den Kläger als Schulleiter
durch - vorübergehende - zusätzliche Maßnahmen zu entlasten, weil dann die
Grenze, innerhalb derer er seine Schulleiteraufgaben gewichten und in der
Reihenfolge ihrer Bedeutung erledigen kann, auch bei Ausschöpfung eines
Stundenpotenzials von 43 oder gar ausnahmsweise 44 Wochenstunden
überschritten sein dürfte.
Da die Berufung zurückgewiesen wird, hat der Kläger die Kosten des
Berufungsverfahrens zu tragen (§ 154 Abs. 2 VwGO).
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit wegen der Kosten folgt aus
§§ 167 Abs. 2 VwGO, 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Die Revision ist nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zuzulassen. Der Senat hält es für
grundsätzlich klärungsbedürftig, unter welchen Voraussetzungen eine vom
Beamten einklagbare Handlungspflicht des Dienstherrn auf individuelle Entlastung
besteht, insbesondere wenn seine Überbeanspruchung „systembedingt“ ist und
nicht auf einem Zusammentreffen besonderer Umstände beruht. In diesem
Zusammenhang stellt sich unabhängig von den konkreten Festlegungen des
hessischen Landesrechts in der HAZVO und der hessischen
Pflichtstundenverordnung auch die Frage, ob bzw. in welchem Ausmaß es
Schulleitern angesichts des umfassenden Bildungs- und Erziehungsauftrag der
Schule zugemutet werden kann, eine drohende Überlastung durch Gewichtung,
Festlegung der Bearbeitungsreihenfolge, Delegation und notfalls „Liegenlassen“
von Arbeitsaufträgen abzuwenden.
Beschluss
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Berufungsverfahren auf 5000,00 €
festgesetzt.
Gründe
Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47 Abs. 1, 52 Abs. 1 und 2 GKG. Mangels
sonstiger Anhaltspunkte geht der Senat ebenso wie das Verwaltungsgericht vom
Auffangstreitwert aus.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§§ 68 Abs. 1 Satz 5 i. V. m. 66 Abs. 3 Satz 3
GKG).
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.