Urteil des HessVGH vom 24.06.1993

VGH Kassel: beendigung, hessen, jugend, präsident, verfügung, berufsausbildung, bauzeichner, unzumutbarkeit, anfang, mitgliedschaft

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Gericht:
Hessischer
Verwaltungsgerichtshof
Fachsenat für
Personalvertretungssachen
(Land)
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
HPV TL 1105/90
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
1988, § 54 Abs 3 S 2
PersVG HE 1988, § 54
Abs 3 S 3 PersVG HE
1988, § 65 Abs 2 PersVG
HE 1988, § 65 Abs 4
PersVG HE 1988
(Weiterbeschäftigungsanspruch eines Jugendvertreters und
Auszubildendenvertreters nur bei der ausbildenden
Dienststelle; Verhältnis des
Weiterbeschäftigungsverlangens im Beschlußverfahren zur
Bruttolohnklage beim Arbeitsgericht)
Tatbestand
I.
Der Antragsteller begehrt die Feststellung, daß zwischen ihm und der Beteiligten
zu 1. nach Beendigung des Ausbildungsverhältnisses kein Arbeitsverhältnis
begründet wurde.
Die Beteiligte zu 1. trat am 1. September 1985 als auszubildende Bauzeichnerin in
die Dienste des Antragstellers ein. Der Ausbildungsvertrag war bis zum 31. August
1988 befristet. Am 15. Juli 1988 bestand die Beteiligte zu 1. die Abschlußprüfung,
so daß das Ausbildungsverhältnis an diesem Tage endete. Seit dem 14. Mai 1987
ist die Beteiligte zu 1. Mitglied der Jugend- und Auszubildendenvertretung des
Hessischen Straßenbauamtes G Nachdem der Antragsteller der Beteiligten zu 1.
am 23. September 1987 mitgeteilt hatte, daß er nicht beabsichtige, mit ihr ein
Arbeitsverhältnis einzugehen, verlangte die Beteiligte zu 1. mit Schreiben vom 9.
Mai 1988 vom Hessischen Landesamt für Straßenbau ihre Übernahme in ein
Angestelltenverhältnis auf unbestimmte Zeit nach Abschluß der Berufsausbildung.
Mit Schriftsatz vom 27. Juni 1988, beim Verwaltungsgericht Wiesbaden
eingegangen am 30. Juni 1988, hat der Antragsteller das verwaltungsgerichtliche
Beschlußverfahren eingeleitet, wobei in diesem Schriftsatz als Antragsteller der
Präsident des Hessischen Landesamtes für Straßenbau genannt wird. Mit
Beschluß vom 13. Dezember 1988 (Aktenzeichen: PV-L/I-70/88) hat das
Verwaltungsgericht Wiesbaden die Sache an das Verwaltungsgericht Gießen
verwiesen.
Der Antragsteller hat darauf hingewiesen, dem Hessischen Landesamt für
Straßenbau stehe die Vertretungsbefugnis sowohl bei Abschluß, Änderung oder
Beendigung von Arbeits-, Berufsausbildungs- und Praktikantenverträgen als auch
bei der Prozeßvertretung zu. Eine Weiterbeschäftigung der Beteiligten zu 1. sei ihm
nicht zumutbar, da beim Straßenbauamt G am Tage der Prüfung der Beteiligten
zu 1. kein weiterer Bedarf für eine Bauzeichnerin bestanden habe. Am
Prüfungstage seien im Straßenbauamt G 68 Beschäftigte des einfachen und
mittleren technischen Dienstes, davon 19 Bauzeichner beschäftigt gewesen. Auch
im übrigen Bereich der Hessischen Straßenbauverwaltung seien zum Stichtag
keine besetzbaren Haushaltsstellen des einfachen oder mittleren Dienstes
vorhanden gewesen. Landesweit seien am 15. Juli 1988 nur beim Hessischen
Straßenbauamt Marburg und beim Hessischen Straßenbauamt Kassel je eine
Stelle eines Bauzeichners unbesetzt gewesen. Bei sieben Straßenbauämtern,
einschließlich des Hessischen Landesamtes für Straßenbau, seien Ende Mai 1988
insgesamt elf Stellen für Bauzeichner ausgeschrieben worden. Die Beteiligte zu 1.
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insgesamt elf Stellen für Bauzeichner ausgeschrieben worden. Die Beteiligte zu 1.
habe sich um keine dieser freien Stellen beworben. Alle Stellen seien inzwischen
besetzt worden. Im übrigen könne der Beteiligten zu 1. ein
Weiterbeschäftigungsanspruch nicht landesweit, sondern allenfalls bezogen auf die
Dienststelle, bei der sie ihre Ausbildung erhalten habe, zustehen; eine
Verpflichtung, für sie eine Planstelle oder einen Arbeitsplatz zusätzlich
einzurichten, bestehe nicht.
Der Antragsteller hat beantragt,
festzustellen, daß ein Arbeitsverhältnis zwischen der Beteiligten zu 1. und dem
Land Hessen nach Ablauf der Ausbildungszeit am 15. Juli 1988 nicht begründet
wurde.
Die Beteiligten zu 1., 2. und 3. haben beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Die Beteiligte zu 1. hat vorgetragen, sie sei bis zum 8. August 1988 arbeitslos
gewesen. Anschließend habe sie bei verschiedenen privaten Baufirmen gearbeitet;
seit dem 11. April 1989 sei sie aufgrund einer Entscheidung des Arbeitsgerichts G
wieder beim Hessischen Straßenbauamt beschäftigt. Sie wolle auch im
öffentlichen Dienst bleiben.
Die Beteiligten zu 1., 2. und 3. haben einer vom Antragsteller beantragten
Änderung des Rubrums, welche sie für eine unzulässige Antragsänderung halten,
widersprochen. Der Antrag sei unzulässig, weil der Präsident des Hessischen
Landesamtes für Straßenbau nicht antragsbefugt sei. Arbeitgeber der Beteiligten
zu 1. sei das Land Hessen und nicht der Präsident der Einstellungsbehörde. Aus
diesem Grunde sei im arbeitsgerichtlichen Verfahren auch das Land Hessen zu
Recht als Beklagter aufgetreten.
Die Beteiligte zu 1. hat zur Sache vorgetragen, dem Antragsteller sei ihre
Weiterbeschäftigung zuzumuten. Es komme nicht allein auf die Stellensituation
beim Straßenbauamt in G an; maßgebend sei vielmehr der Bereich der gesamten
hessischen Straßenbauverwaltung. Es müsse bezweifelt werden, daß am 15. Juli
1988 keine besetzbare Planstelle vorhanden gewesen sei. Noch mit Ausschreibung
vom 25. Mai 1988 seien Bauzeichner für die Straßenbauämter Arolsen, Bensheim,
Darmstadt, Frankfurt, Kassel und für das Hessische Landesamt für Straßenbau
gesucht worden. Im übrigen sei in G eine Stelle mit einer Auszubildenden besetzt
worden, die nicht Mitglied der Jugend- und Auszubildendenvertretung gewesen sei.
Gegen die Unzumutbarkeit der Weiterbeschäftigung spreche schließlich auch die
Tatsache, daß inzwischen zunehmend Bauzeichnertätigkeiten an private
Ingenieurbüros vergeben würden.
Auch die Beteiligten zu 2. und 3. haben die Auffassung vertreten, daß nicht allein
die Verhältnisse im Straßenbauamt G herangezogen werden könnten, sondern
daß vielmehr die Stellensituation im gesamten Bereich der hessischen
Straßenbauverwaltung zugrundezulegen sei. Im übrigen sei in verschiedenen
Bereichen des Straßenbauamtes G ein starker Engpaß im Zeichendienst
vorhanden. Die allgemeine Arbeitsbelastung und die vielfach neuen Aufgaben
hätten zu einer permanenten Überlastung auch im Zeichendienst geführt; wegen
des enorm gestiegenen Arbeitsanfalles könne die Arbeit durch das vorhandene
Personal nicht mehr zeitgerecht erledigt werden.
Mit Beschluß vom 2. August 1989 hat das Verwaltungsgericht Gießen,
Fachkammer für Personalvertretungssachen (Land), festgestellt, daß zwischen
dem Land Hessen und der Beteiligten zu 1. im Anschluß an deren
Berufsausbildung kein Arbeitsverhältnis begründet worden sei. In den Gründen
heißt es, der Antrag sei zulässig, da er von Beginn des Verfahrens an dem Land
Hessen als Arbeitgeber der Beteiligten zu 1. zuzurechnen sei. Der Antrag sei auch
begründet, weil dem Antragsteller die Weiterbeschäftigung der Beteiligten zu 1. in
einem unbefristeten Beschäftigungsverhältnis nach dem Abschluß ihrer
Berufsausbildung schon deshalb unzumutbar sei, weil dem Antragsteller im
maßgeblichen Zeitpunkt beim Straßenbauamt G keine ausbildungsbezogene freie
Planstelle zur Besetzung mit einer Bauzeichnerin zur Verfügung gestanden habe.
Gegen den der Beteiligten zu 1. am 21. März 1990 zugestellten Beschluß hat diese
mit Schriftsatz ihrer Bevollmächtigten vom 17. April 1990, eingegangen beim
Hess. VGH am Folgetag, Beschwerde eingelegt.
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Zur Begründung trägt sie vor, es fehle an einem wirksamen Antrag des Landes
Hessen nach § 65 Abs. 4 HPVG. Danach könne die Ablehnung der gesetzlichen
Übernahmeverpflichtung von Mitgliedern einer Jugend- und
Auszubildendenvertretung nur auf gerichtlichen Antrag des Arbeitgebers erfolgen.
Ein solcher Antrag hätte innerhalb von zwei Wochen nach Beendigung des
Berufsausbildungsverhältnisses vom Land Hessen gestellt werden müssen. In der
Antragsschrift vom 27. Juni 1988 werde als Antragsteller aber eindeutig der
Präsident des Hessischen Landesamtes für Straßenbau bezeichnet. Entgegen der
Auffassung des Verwaltungsgerichts könne die Antragsschrift nicht so ausgelegt
werden, daß der Präsident des Hessischen Landesamtes keine eigenen Rechte,
sondern die des Landes Hessen habe geltend machen wollen. Dieser Auffassung
stehe der Wortlaut der Antragsschrift entgegen. Damit liege keine fehlerhafte
Parteibezeichnung vor. Die von dem Verwaltungsgericht vorgenommene
Auslegung führe zu einem nach zivilprozessualen Vorschriften unzulässigen
Parteiwechsel.
Die Beschwerde sei aber auch deshalb begründet, weil keine Tatsachen vorlägen,
aufgrund derer dem Antragsteller die Weiterbeschäftigung der Beteiligten zu 1.
unzumutbar sei. Im Übernahmezeitraum hätten mehrere Planstellen zur
Verfügung gestanden. So habe es im Sommer bzw. Herbst 1988 im Bereich des
Hessischen Landesamtes für Straßenbau zehn Übernahmemöglichkeiten für die
Beteiligte zu 1. gegeben. Soweit das Verwaltungsgericht meine, daß gleichwohl
keine Übernahmeverpflichtung zugunsten der Beteiligten zu 1. bestehe, weil von
diesen freien Stellen keine beim Hessischen Straßenbauamt in G angesiedelt sei,
könne dem nicht gefolgt werden. Hierin liege insbesondere kein gesetzlicher
Hinderungsgrund. Das Hessische Landesamt für Straßenbau sei als Mittelbehörde
die alleinige stellenbewirtschaftende Stelle. Der Haushaltsplan des Landes Hessen
weise im maßgeblichen Kapitel keine Aufteilung der Stellen für die einzelnen
nachgeordneten Dienststellen auf, sondern gehe davon aus, daß die Zuteilung der
Stellen vom Hessischen Landesamt vorgenommen werde. Daraus folge, daß die
Aufteilung bzw. Zuteilung der in Frage kommenden Stellen nicht durch den
Haushaltsgesetzgeber festgelegt, sondern durch die Verwaltung bestimmt werde.
Das Hessische Landesamt habe bei der Bewirtschaftung der zur Verfügung
stehenden Stellen nicht die sich aus § 65 Abs. 2 HPVG im Einzelfall ergebenden
Pflichten berücksichtigt. Darüber hinaus beschränke die gesetzliche Regelung in §
65 Abs. 4 HPVG die Prüfung der Unzumutbarkeit der Weiterbeschäftigung nicht auf
die Situation bei der Ausbildungsdienststelle. Soweit diese Auffassung auf eine
Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 15. Oktober 1985 (ZBR 1986,
142) gestützt werde, sei dem entgegenzuhalten, daß das
Bundesverwaltungsgericht diese seine Auffassung nicht nachvollziehbar begründet
habe. Der vom Bundesverwaltungsgericht bemühte Gesichtspunkt des
Organschutzes rechtfertige jedenfalls keine Einschränkung der
Zumutbarkeitsprüfung auf die Ausbildungsdienststelle. Wie sich aus § 65 Abs. 3
HPVG ergebe, stehe im Vordergrund der Schutzbestimmung das
Benachteiligungsverbot von Organmitgliedern, wobei nach dem Gesetzeswortlaut
danach zu urteilen sei, ob dem Arbeitgeber die Weiterbeschäftigung zugemutet
werden könne. Folglich seien alle Dienststellen in diese Prüfung miteinzubeziehen.
Im vorliegenden Verfahren sei darüber hinaus zu berücksichtigen, daß das
Landesamt allen Auszubildenden landesweit alle freien Stellen angeboten habe.
Die Jugendvertreter hätten dabei gemäß § 65 HPVG vorrangig berücksichtigt
werden müssen, um die Möglichkeit der Benachteiligung von Jugendvertretern
wegen deren Tätigkeit auszuschließen. Schließlich müsse bezüglich der
Beurteilung der Zumutbarkeit der Weiterbeschäftigung auf den Zeitraum des
Ausbildungsendes abgestellt werden, wobei es jedoch nicht darauf ankommen
könne, ob genau am Tage der Prüfung eine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit
gegeben sei. Wollte man nur auf den Tag der Beendigung des
Ausbildungsverhältnisses abstellen, würde dies dem Gesetzeszweck zuwiderlaufen.
Im Angestelltenbereich würden Arbeitsverhältnisse in der Regel aufgrund der
geltenden Kündigungsfristen erst zum Monatsende frei. Dem Land sei es
zumutbar, eine Stelle kurze Zeit freizuhalten, wenn Prüfungstermine bekannt
seien, um diese den Jugendvertretern anbieten zu können.
Die Beteiligte zu 1. beantragt,
den Beschluß des Verwaltungsgerichts Gießen vom 2. August 1989 aufzuheben
und den Antrag abzulehnen.
Die Beteiligten zu 2. und 3. schließen sich den Ausführungen und Anträgen der
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Die Beteiligten zu 2. und 3. schließen sich den Ausführungen und Anträgen der
Beteiligten zu 1. an.
Der Antragsteller beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Er macht zunächst geltend, daß eine wirksame Antragstellung und kein Fall des
unzulässigen Parteiwechsels vorliege. Die im Antrag vorhandene unkorrekte
Parteibezeichnung sei im Wege der Auslegung korrigierbar. Diese
Rechtsauffassung werde auch vom Landesarbeitsgericht Frankfurt vertreten und
ergebe sich im übrigen daraus, daß der antragstellende Präsident auf die von ihm
beanspruchte und ihm übertragene Vertretungsbefugnis für das beklagte Land in
arbeitsgerichtlichen Angelegenheiten von Angestellten der Vergütungsgruppe X
bis II a BAT im ersten Absatz der Antragsbegründung eindeutig hingewiesen habe.
Der angefochtene Beschluß sei auch in der Sache richtig, da bei der Beurteilung
der Unzumutbarkeit der Weiterbeschäftigung nur auf die Verhältnisse in der
Dienststelle abzustellen sei, bei der der Auszubildende ausgebildet worden sei.
Dabei habe das Verwaltungsgericht zutreffend auch auf den Tag der
Abschlußprüfung abgestellt. Die vom Hessischen Landesamt für Straßenbau
vorgenommene zentrale Stellenbewirtschaftung verstoße auch nicht gegen das
Haushaltsrecht, da kein Einstellungsstop beschlossen worden sei. Das Hessische
Landesamt für Straßenbau sei als Mittelbehörde für die Stellenbewirtschaftung
zuständig und verteile die ihm durch das Haushaltsgesetz zugewiesenen Stellen
an die nachgeordneten Behörden auf der Grundlage des aktuellen
Personalbedarfs. Dieser Personalbedarf ergebe sich aus der
Personalbedarfsrechnung. Für die Berufsgruppe Bauzeichner/in sei für das
Hessische Straßenbauamt G ermittelt worden, daß aufgrund des tatsächlichen
Arbeitsanfalles zum Zeitpunkt des Ausbildungsendes der Beteiligten zu 1. keine
zusätzliche Stelle habe zur Verfügung gestellt werden können. Beim
Straßenbauamt G sei allein im Bereich des mittleren Dienstes zum 1. April 1988
ein Personalüberhang von 32,7 Stellen zu verzeichnen gewesen. Vor Abbau des
Personalüberhanges sei eine weitere Stellenzuweisung an das Straßenbauamt G
nicht zu verantworten gewesen. In Kenntnis dieser Tatsachen sei der Beteiligten zu
1. angeboten worden, sich um eine freie Bauzeichnerstelle bei einem anderen
Hessischen Straßenbauamt zu bewerben. Von dieser Möglichkeit habe die
Beteiligte zu 1. jedoch keinen Gebrauch gemacht.
Nachdem die Beteiligte zu 1. am 31. März 1990 freiwillig aus dem Dienst der
Hessischen Straßenbauverwaltung ausgeschieden ist, hat der Antragsteller zur
Begründung des Rechtsschutzbedürfnisses ergänzend vorgetragen, es sei noch
eine Zahlungsklage anhängig (Arbeitsgericht Gießen, Aktenzeichen: 3 Ca 420/89),
mit der die Beteiligte zu 1. einen Zahlungsanspruch in Höhe von 28.513,40 DM
brutto für den Zeitraum vom 17. Juli 1988 bis zum 18. August 1989 geltend
mache. Dieses Verfahren befinde sich inzwischen in der Berufungsinstanz.
In dem auf Weiterbeschäftigung gerichteten arbeitsgerichtlichen Verfahren der
Beteiligten zu 1. hat das Landesarbeitsgericht Frankfurt am Main mit Urteil vom 8.
Februar 1990 auf die Berufung des beklagten Landes das Urteil des
Arbeitsgerichts Gießen vom 5. April 1989 abgeändert und die Klage abgewiesen.
Dabei geht das Landesarbeitsgericht unter anderem davon aus, daß die in dem
hiesigen Antragsverfahren erfolgte unrichtige Antragstellerbezeichnung
unerheblich sei, da der richtige Verfahrensführer vom Gericht im Wege der
Auslegung ermittelt werden könne (Aktenzeichen: 12 Sa 747/89).
Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die
gewechselten Schriftsätze sowie den übrigen Inhalt der Gerichtsakte Bezug
genommen.
Entscheidungsgründe
II. Die Beschwerde ist statthaft, form- und fristgerecht eingelegt und auch im
übrigen zulässig.
Der Beschwerde der Beteiligten zu 1. fehlt insbesondere nicht das erforderliche
Rechtsschutzbedürfnis. Zwar ist die Beteiligte zu 1. inzwischen aus den Diensten
des Antragstellers ausgeschieden und hat auch kein Interesse mehr an einer
Übernahme in ein Arbeitsverhältnis auf unbestimmte Zeit; gleichwohl besteht ein
Rechtsschutzbedürfnis an einer verwaltungsgerichtlichen Sachentscheidung, weil
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Rechtsschutzbedürfnis an einer verwaltungsgerichtlichen Sachentscheidung, weil
noch eine arbeitsgerichtliche Zahlungsklage der Beteiligten zu 1. rechtshängig ist.
Für diese Bruttolohnklage kommt es darauf an, ob infolge des
Fortsetzungsverlangens der Beteiligten zu 1. im Anschluß an die erfolgreiche
Berufsausbildung ein Arbeitsverhältnis mit dem Antragsteller auf unbestimmte
Zeit als begründet galt oder nicht. Diese Feststellung wird von den
Verwaltungsgerichten getroffen, so daß sich der Ausgang des
verwaltungsgerichtlichen Beschlußverfahrens unmittelbar auf das
arbeitsgerichtliche Verfahren auswirkt.
Die Beschwerde ist jedoch unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat den Antrag
zu Recht abgelehnt.
Der Antrag ist zulässig. Ein nach § 65 Abs. 4 Satz 1 HPVG statthafter Antrag des
Arbeitgebers der Beteiligten zu 1. lag von Anfang an vor. Zwar ist den Beteiligten
zuzugestehen, daß der Präsident des Hessischen Landesamtes für Straßenbau
durch seine Formulierungen in der Antragsschrift bei einem rechtsunkundigen
Dritten unter Umständen den Eindruck erweckt haben kann, daß hier ein Antrag
dieser Dienststelle vorliege; eine sachgerechte Auslegung des Antrages unter
Berücksichtigung der Vorschriften des Arbeitsgerichtsgesetzes und der
Zivilprozeßordnung ergibt jedoch, daß dieser Antrag als von dem derzeitigen und
gegebenenfalls zukünftigen Arbeitgeber der Beteiligten zu 1. gestellt angesehen
werden muß. Dies wird insbesondere deutlich durch die Formulierungen im zweiten
Absatz der Antragsbegründung, wo ausgeführt wird, daß die Beteiligte zu 1. am 1.
September 1985 in die Dienste des Landes eingetreten sei. Wenn sich im gleichen
Zusammenhang Ausführungen über die Vertretungsregelung und die Befugnisse
des Präsidenten des Hessischen Landesamtes für Straßenbau zur Vertretung des
Antragstellers finden, läßt dies nur die Schlußfolgerung zu, daß der Leiter der die
Antragsschrift verfassenden Behörde nicht in originärer Zuständigkeit tätig
geworden ist, sondern als Vertreter des Landes Hessen, des richtigen
Antragstellers.
Das Feststellungsinteresse besteht, weil sich nach Ansicht des Senats der
Ausgang des verwaltungsgerichtlichen Beschlußverfahrens auf die
arbeitsgerichtliche Bruttolohnklage auswirken kann, wenn - entgegen der vom
Bundesarbeitsgericht vertretenen Ansicht (vgl. Beschluß vom 29. November 1989
- 7 ABR 67/88 - NZA 1991, 233) - davon auszugehen ist, daß die von den
Verwaltungsgerichten nach Beendigung des Berufsausbildungsverhältnisses
getroffene, dem Feststellungsantrag des Arbeitgebers stattgebende Entscheidung
auf den Zeitpunkt der Beendigung des Berufsausbildungsverhältnisses zurückwirkt
und den Eintritt der Fiktion des § 65 Abs. 2 HPVG verhindert. Für die Auslegung
und Anwendung der Vorschriften des HPVG steht den Verwaltungsgerichten auch
die Entscheidungskompetenz zu.
Der Antrag ist begründet (vgl. zur Frage, unter welchen Voraussetzungen sich der
Feststellungsantrag seinem Gegenstand nach in einen Auflösungsantrag wandelt:
BAG, Beschluß vom 29. November 1989, - 7 ABR 67/88 - NZA 1991, 233; BVerwG,
Urteil vom 31. Mai 1990 - 6 P 16.88 - RiA 1991, 42). Denn es liegen Tatsachen vor,
aufgrund derer dem Antragsteller unter Berücksichtigung aller Umstände die
Weiterbeschäftigung der Beteiligten zu 1. im Anschluß an das erfolgreiche
Berufsausbildungsverhältnis nicht zugemutet werden konnte. Zur Begründung wird
zunächst gemäß § 111 Abs. 3 HPVG in Verbindung mit §§ 87 Abs. 2 und 64 Abs. 6
Arbeitsgerichtsgesetz - ArbGG - sowie § 543 Abs. 1 Zivilprozeßordnung - ZPO - auf
die zutreffenden Ausführungen in dem angefochtenen Beschluß (S. 9 bis S. 12)
Bezug genommen. Auch das Beschwerdevorbringen rechtfertigt keine andere
Entscheidung.
Die dem Feststellungsantrag des Antragstellers, der sich auf den Zeitpunkt des
Ablaufs der Ausbildungszeit bezieht, stattgebende gerichtliche Entscheidung führt,
auch wenn sie - wie hier - erst nach Beendigung des
Berufsausbildungsverhältnisses des Weiterbeschäftigungsberechtigten
rechtskräftig wird, dazu, daß das kraft der gesetzlichen Fiktion in § 65 Abs. 2 HPVG
im Anschluß an das erfolgreiche Ausbildungsverhältnis als begründet geltende
Arbeitsverhältnis auf unbestimmte Zeit von Anfang an nicht begründet worden ist
(anderer Ansicht für § 78 BetrVG: BAG, Beschluß vom 29. November 1989, a.a.O.).
Liegen Tatsachen vor, aufgrund derer dem Arbeitgeber die Weiterbeschäftigung
nach Abschluß des Ausbildungsverhältnisses aus haushaltsrechtlichen Gründen
(vgl. BVerwG, Beschluß vom 13. März 1989 - 6 P 22.85 - ZBR 1989, 309 f.) nicht
zumutbar ist, so gilt dies nicht erst vom Zeitpunkt der Rechtskraft der
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zumutbar ist, so gilt dies nicht erst vom Zeitpunkt der Rechtskraft der
streitentscheidenden gerichtlichen Entscheidung ab, sondern gerade für den
Zeitpunkt des Abschlusses der Ausbildung. Ein im Wege der gesetzlichen Fiktion
als begründet geltendes Arbeitsverhältnis muß daher als von Anfang an nicht
zustandegekommen betrachtet werden, wenn dem Arbeitgeber - etwa wegen
fehlender besetzbarer Stellen - die Weiterbeschäftigung unzumutbar ist.
Dem Antragsteller war die Weiterbeschäftigung der Beteiligten zu 1. in einem
unbefristeten Beschäftigungsverhältnis als Bauzeichnerin nach Beendigung des
Berufsausbildungsverhältnisses auch unzumutbar. Denn dem Antragsteller stand
zum maßgeblichen Zeitpunkt der Beendigung des Ausbildungsverhältnisses beim
Straßenbauamt G keine ausbildungsbezogene freie Planstelle zur Besetzung mit
einer Bauzeichnerin zur Verfügung.
Der Weiterbeschäftigungsanspruch nach § 65 Abs. 2 HPVG besteht nicht
landesweit, sondern nur bezogen auf die Dienststelle oder die Einrichtung des
Ausbildungsträgers, bei dem das frühere Mitglied einer Jugend- und
Auszubildendenvertretung oder eines Personalrates seine Berufsausbildung nach
dem Berufsausbildungsgesetz erhalten hat (Hess. VGH, Beschluß vom 25. Mai
1983 - HPV TL 59/80 - ZBR 1983, 364; Beschluß vom 7. Dezember 1988 - HPV TL
3847/88 -; BVerwG, Beschluß vom 15. Oktober 1985 - 6 P 13.84 -, ZBR 1986, 142).
An dieser Rechtsprechung ist auch im Hinblick auf das Beschwerdevorbringen
festzuhalten, da allein diese Auslegung der Bedeutung des
Weiterbeschäftigungsanspruchs gerecht wird. Der in § 65 Abs. 2 HPVG enthaltene
Weiterbeschäftigungsanspruch dient in erster Linie der Sicherung des Bestandes
der Personal- bzw. Jugend- und Auszubildendenvertretungen. Eine etwaige
Weiterbeschäftigung in der Dienststelle im Anschluß an eine erfolgreiche
Berufsausbildung führt nicht zur Beendigung der Mitgliedschaft in der Jugend- und
Auszubildendenvertretung. Denn § 54 Abs. 3 Satz 3 HPVG bestimmt, daß ein
Mitglied der Jugend- und Auszubildendenvertretung, das im Lauf der Amtszeit das
sechsundzwanzigste Lebensjahr vollendet, bis zum Ende der Amtszeit, die gemäß
§ 54 Abs. 3 Satz 1 HPVG 2 Jahre beträgt, Mitglied bleibt. Bezöge sich der
Weiterbeschäftigungsanspruch nicht nur auf die Beschäftigung bei der
Ausbildungsdienststelle, verlöre ein gewähltes Mitglied der Jugend- und
Auszubildendenvertretung seine Rechtsstellung, wenn infolge der
Weiterbeschäftigung ein Wechsel der Dienststelle erfolgen müßte, denn nach der
Regelung in § 26 Nr. 4 HPVG, die gemäß § 54 Abs. 3 Satz 2 HPVG für Jugend- und
Auszubildendenvertretungen entsprechend gilt, endet die Mitgliedschaft in der
Jugendvertretung mit dem Ausscheiden aus der Dienststelle. Der Abschluß der
Ausbildung berührt die Mitgliedschaft dagegen nicht. Der
Weiterbeschäftigungsanspruch verfehlt deshalb seinen Zweck, wenn er zu einer
Beschäftigung außerhalb der Dienststelle und damit zum Ausscheiden aus der
Jugendvertretung führt.
Beim Straßenbauamt G stand zum Zeitpunkt der Entstehung des
Übernahmeanspruchs keine besetzbare Planstelle für eine Bauzeichnerin zur
Verfügung. Unerheblich ist in diesem Zusammenhang auch, daß die Verteilung
der der Hessischen Straßenbauverwaltung durch den Haushaltsgesetzgeber
zugewiesenen Planstellen durch das Hessische Landesamt für Straßenbau erfolgt;
der Weiterbeschäftigungsanspruch beschränkt die dem Dienstherrn zustehende
Befugnis zur Stellenbewirtschaftung nicht. Erfolgt diese aufgrund sachlicher
Kriterien, und zwar - wie im vorliegenden Fall - aufgrund einer jährlich
vorgenommenen Personalbedarfsberechnung, kann die Zuweisung freier Stellen
an bestimmte Dienststellen schon aus diesem Grunde nicht beanstandet werden.
Ferner besteht kein Anspruch auf Schaffung oder Zurverfügungstellung einer
freien Stelle, da es insoweit an einer rechtlichen Grundlage fehlt; der
Weiterbeschäftigungsanspruch setzt eine freie Stelle voraus (vgl. Hess. VGH,
Beschluß vom 25. Mai 1983 - HPV TL 59/80 -, ZBR 1983, 364; BVerwG, Beschluß
vom 15. Oktober 1985 - a. a. O. -).
Schließlich verstößt die vom Hessischen Landesamt für Straßenbau
vorgenommene zentrale Stellenbewirtschaftung auch nicht gegen das
Haushaltsrecht; bei der Zuweisung von Planstellen aufgrund einer
Personalbedarfsberechnung handelt es sich um keinen Einstellungsstopp, sondern
um die sachgerechte Wahrnehmung hoheitsrechtlicher Befugnisse im Bereich des
Personaleinsatzes und die rechtmäßige Ausübung der Personalhoheit. Mithin
finden die vom Bundesverwaltungsgericht in der Entscheidung vom 13. März 1989
- 6 P 22.85 - a.a.O. entwickelten Grundsätze im vorliegenden Fall keine
Anwendung.
38 Fehlt es sonach in der Dienststelle bereits an einer freien
ausbildungsplatzbezogenen Planstelle, kommt es auf die Frage, welcher Zeitpunkt
für die Beurteilung der Zumutbarkeit der Weiterbeschäftigung maßgebend ist, z.B.
der genaue Zeitpunkt der Beendigung des Berufsausbildungsverhältnisses (so
BVerwG, Beschluß vom 31. Oktober 1987 - 6 P 25.85 -, BVerwGE 87, 223), nicht
mehr an.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.