Urteil des HessVGH vom 16.09.2009

VGH Kassel: umweltverträglichkeitsprüfung, behörde, vorprüfung, verbrennung, genehmigungsverfahren, verbandsklage, hessen, umweltschutz, verkehr, stadt

1
Gericht:
Hessischer
Verwaltungsgerichtshof
6. Senat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
6 C 1005/08.T
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 2 Abs 5 Nr 2 UmwRG, § 2
Abs 5 Nr 1 UmwRG, § 2 Abs
1 Nr 1 UmwRG, § 3
UmwRG, § 4 Abs 1 S 1
UmwRG
(Befugnis von Vereinigungen i. S. d. EGRL 35/2003 §§ 2, 3
zur Geltendmachung von Verstößen gegen nicht
drittschützende Vorschriften; Verfahrensfehler i. S. v. EGRL
35/2003 § 4 Abs 1 S 1)
Leitsatz
1. Die Befugnis von Vereinigungen i. S. d. §§ 2, 3 Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz zur
Geltendmachung von Verstößen gegen nicht drittschützende Vorschriften ist sowohl
nach dem Wortlaut von § 2 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 5 Nrn. 1 und 2 Umwelt-
Rechtsbehelfsgesetz als auch nach der Entstehungsgeschichte des Gesetzes
ausgeschlossen.
2. Eine das Verbandsklagerecht bezüglich nicht drittschützender Vorschriften
eröffnende richtlinienkonforme Auslegung von § 2 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 5 Nrn. 1 und 2
Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz gegen den ausdrücklichen Willen des nationalen
Gesetzgebers ist nicht möglich.
3. Eine Befugnis anerkannter Umweltverbände i. S. v. §§ 2, 3 Umwelt-
Rechtsbehelfsgesetz zur Geltendmachung objektiver Rechtssätze des Umweltrechts
lässt sich auch nicht aus einer unmittelbaren Anwendung von Art. 10a der UVP-
Richtlinie bzw. Art. 15a der IVU-Richtlinie herleiten.
4. Als Verfahrensfehler i. S. v. § 4 Abs. 1 Satz 1 Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz kann
grundsätzlich nur das gänzliche Fehlen einer Vorprüfung des Einzelfalls oder der
Umweltverträglichkeitsprüfung gerügt werden, nicht aber die fehlerhafte Durchführung
der Vorprüfung oder der Umweltverträglichkeitsprüfung (Bestätigung der
Rechtsprechung des Senats im Urteil vom 24. September 2008 - 6 C 1600/07.T - DVBl.
2009, 186).
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen
Kosten der Beigeladenen zu tragen.
Das Urteil ist wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des
jeweils vollstreckbaren Betrages vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger, ein anerkannter Naturschutzverein, wendet sich gegen einen Bescheid
des Regierungspräsidiums Darmstadt vom 29. Februar 2008, mit dem der
Beigeladenen die Genehmigung erteilt wurde, auf dem Gelände des Industrieparks
Höchst eine Verbrennungsanlage zur Nutzung von
Ersatzbrennstoffen/Sekundärbrennstoffen (Verbrennungsanlage für nicht
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Ersatzbrennstoffen/Sekundärbrennstoffen (Verbrennungsanlage für nicht
gefährliche Abfälle) zu errichten und zu betreiben.
Die Beigeladene stellte am 31. Januar 2006 einen Antrag auf Erteilung einer
immissionsschutzrechtlichen Genehmigung zur Errichtung und zum Betrieb der
vorbezeichneten EBS-Verbrennungsanlage. Das Genehmigungsverfahren wurde
nach § 10 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes - BImSchG - in Verbindung mit
der Verordnung über das Genehmigungsverfahren - 9. BImSchV - durchgeführt.
Das Vorhaben wurde öffentlich bekannt gemacht. Die Veröffentlichung erfolgte am
27. November 2006 im Staatsanzeiger für das Land Hessen (Nr. 46, S. 4631), im
Internet sowie in folgenden Tageszeitungen: Frankfurter Allgemeine Zeitung,
Frankfurter Rundschau und Frankfurter Neue Presse. Die Auslegung der
Antragsunterlagen fand in der Zeit vom 4. Dezember 2006 bis zum 4. Januar 2007
(einschließlich) statt. Innerhalb der Einwendungsfrist vom 4. Dezember 2006 bis
zum 18. Januar 2007 erhoben insgesamt 824 Personen Einwendungen gegen das
Vorhaben. Der Termin zur Erörterung der Einwendungen gegen den
Genehmigungsantrag fand in der Zeit vom 21. bis 23. und am 26. Februar 2007 in
B-Stadt statt.
Der Kläger erhob mit Schreiben vom 18. Januar 2007 Einwendungen gegen das
Vorhaben, und zwar zu den Themenbereichen Naturschutz, Luftverschmutzung,
UVU/UVP, Städtebau/Landschaftsbild/Bauplanungsrecht,
Abfallrecht/Planungsrecht, Grundwasser und Sonstiges. Er nahm am
Erörterungstermin teil und erläuterte und vertiefte seine Einwendungen.
Am 29. Februar 2008 wurde der streitgegenständliche Genehmigungsbescheid
erlassen. Die amtliche Bekanntmachung erfolgte im Staatsanzeiger für das Land
Hessen vom 17. März 2008. Eine Durchschrift des Genehmigungsbescheids lag in
der Zeit vom 18. März 2008 bis zum 4. April 2008 bei dem Regierungspräsidium
Darmstadt, im Industriepark Höchst, beim Magistrat der Stadt Hattersheim und
beim Magistrat der Stadt Kelsterbach aus.
Mit Schriftsatz vom 28. April 2008 - bei dem Hessischen Verwaltungsgerichtshof
eingegangen am darauffolgenden Tag - hat der Kläger Drittanfechtungsklage
gegen den Genehmigungsbescheid vom 29. Februar 2008 erhoben.
Die Zulässigkeit der sog. Verbandsklage stützt er auf § 2 Abs. 1 Nr. 3 des Umwelt-
Rechtsbehelfsgesetzes und macht geltend, dass die Genehmigung sowohl gegen
drittschützende als auch gegen nicht drittschützende Vorschriften des
Umweltschutzes verstoße. Die Zulässigkeit der Geltendmachung von nicht
drittschützenden Vorschriften des Umweltschutzes ergebe sich - so die
Argumentation des Klägers - aus einer europarechtskonformen Auslegung des § 2
Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz.
Die Begründetheit der Klage stützt der Kläger in formeller Hinsicht darauf, dass
sich die amtliche Bekanntmachung des Vorhabens im Staatsanzeiger vom 27.
November 2006 auf ein anderes Flurstück bezogen habe als im
Genehmigungsbescheid bezeichnet, dass die von der Behörde durchgeführte
Umweltverträglichkeitsprüfung in zentralen Punkten unvollständig und fehlerhaft
gewesen sei (fehlende Gesamtbetrachtung mit anderen Anlagen, fehlende
Einbeziehung des von der Anlage verursachten LKW-Verkehrs, falsche Ermittlung
der Zusatzbelastung mit NO
2
) und dass das Verhalten der am
Genehmigungsverfahren beteiligten Mitarbeiter des Hessischen Landesamtes für
Umwelt und Geologie (HLUG) Grund zur Besorgnis der Befangenheit gebe.
Die Begründetheit der Klage in materieller Hinsicht stützt der Kläger in erster Linie
darauf, dass die dauerhafte Überschreitung des Immissionsgrenzwertes von 40
μg/m
3
NO
2
im Einwirkungsbereich der Anlage der angegriffenen Genehmigung
sowohl nach § 3 Abs. 4 der 22. BImSchV als auch nach Nr. 4.2.1 TA Luft
entgegenstehe. Das Bundesverwaltungsgericht vertrete zwar im Rahmen der
immissionsschutzrechtlichen Rechtsprechung zu Straßenplanungen die
Auffassung, dass die Überschreitung von Grenzwerten der 22. BImSchV allein noch
nicht zu einer Rechtswidrigkeit des Genehmigungsbescheids führe, da die
Grenzwertüberschreitung von den Behörden mit den Mitteln der
Luftreinhalteplanung reduziert werden könne. Eine genaue Betrachtung des
Wortlauts der Luftreinhalterichtlinien 96/62/EG und 1999/30/EG zeige jedoch, dass
die dort festgesetzten Grenzwerte der Genehmigung eines zur
Grenzwertüberschreitung führenden Vorhabens entgegenstehen könnten. Diese
strikte Auslegung der Luftreinhalterichtlinien werde sowohl im umweltrechtlichen
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strikte Auslegung der Luftreinhalterichtlinien werde sowohl im umweltrechtlichen
Schrifttum als auch in der Rechtsprechung der Niederlande befürwortet. Die durch
den angegriffenen Bescheid verursachte Zunahme bei NO
2
von deutlich mehr als
0,1 μg/m
3
an der Messstation in Frankfurt/Main/Höchst verstoße gegen die Pflicht
zur Einhaltung des strikten Grenzwertes der EU-Luftreinhalterichtlinie. Die
Irrelevanzgrenze der TA Luft sei deshalb zumindest bei einer bereits durch die
Vorbelastung bestehenden Grenzwertüberschreitung europarechtswidrig und dürfe
nicht angewendet werden. Diese Sichtweise werde sowohl von den Regelungen des
EG-Vertrages (Art. 10 Satz 1 und Art. 249 Abs. 3 EGV) als auch durch die
Argumentation des Bundesverwaltungsgerichts im Vorlagebeschluss an den EuGH
vom 29. März 2007 (7 C 9.06) gestützt. Entgegen der von der
Genehmigungsbehörde geäußerten Hoffnung, dass der NO
2
-Grenzwert bis 2010
noch eingehalten werden könne, sei dem Entwurf für den Aktionsplan 2008
eindeutig zu entnehmen, dass die Luftreinhalteplanung im Bereich von
Frankfurt/Main keine NO
2
-Verringerung erwarten lasse. Die Nebenbestimmung
8.3.1 könne das NO
2
-Problem am Standort der Anlage nicht lösen und sei wegen
ihrer Unbestimmtheit und der fehlenden Rechtsgrundlage rechtswidrig.
Darüber hinaus macht der Kläger zur Begründetheit der Klage in materieller
Hinsicht geltend, dass die Nichteinhaltung des Jahreswertes von 1 ng/m
3
für den
krebserregenden Luftschadstoff Benzo(a)pyren - B(a)P - gem. § 15 der 22.
BImSchV ein Genehmigungshindernis darstelle, dass der Genehmigungsbescheid
zu Unrecht die Schädigung der angrenzenden FFH-Gebiete Schwanheimer Düne
und Schwanheimer Wald durch zusätzliche NO
x
-Depositionen erlaube und eine
erforderliche FFH-Prüfung fehle, dass die Genehmigung gegen das Gebot der
Rücksichtnahme, gegen die IVU-Richtlinie und - schließlich - gegen den
Abfallwirtschaftsplan Hessen verstoße.
Der Kläger beantragt,
den Genehmigungsbescheid vom 29. Februar 2008 - Az. IV/F 42.2 - 100h
12.13-IS-EBS - zum Bau und Betrieb einer Verbrennungsanlage zur Nutzung von
Ersatzbrennstoffen (EBS-Verbrennungsanlage) aufzuheben;
hilfsweise,
den Genehmigungsbescheid vom 29. Februar 2008 - Az. IV/F 42.2 - 100h 12.13-IS-
EBS - zum Bau und Betrieb einer Verbrennungsanlage zur Nutzung von
Ersatzbrennstoffen (EBS-Verbrennungsanlage) bis zur Behebung der vom Gericht
festgestellten Mängel außer Vollzug zu setzen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er vertritt die Auffassung, dass die Klage gem. § 2 Abs. 1 Umwelt-
Rechtsbehelfsgesetz unzulässig sei, soweit sich der Kläger auf die Verletzung nicht
drittschützender Vorschriften des Umweltrechts berufe; im Übrigen sei die Klage
jedenfalls unbegründet.
Der zuständigen Behörde seien keine für die Frage der Rechtmäßigkeit der
Entscheidung relevanten Formfehler unterlaufen. Eine Wiederholung der
Öffentlichkeitsbeteiligung wegen zwischenzeitlicher Änderungen der
Flurstücksnummerierungen nach Grundstücksteilung sei nicht erforderlich
gewesen, insbesondere sei der Anlagenstandort auch unter Zugrundelegung der
alten Bezeichnung zu erkennen gewesen. Einzelne Verfahrensfehler bei der
Durchführung der Umweltverträglichkeitsprüfung könnten allein nicht zur
Aufhebung der Genehmigung führen. Schwerwiegende Fehler, die die
Rechtsverfolgung durch Umweltvereinigungen oder betroffene Einzelpersonen in
erheblicher Weise einschränken oder schmälern könnten, würden hingegen nicht
gerügt. Außerdem seien die Bedenken des Klägers gegen die Vollständigkeit und
Qualität der Umweltverträglichkeitsprüfung in der Sache unberechtigt. Mit den
eingereichten Antragsunterlagen sei u.a. ein Immissionsgrenzwert für NO
X
beantragt worden, der aus fachlicher Sicht fehlerhaft in die Immissionsprognose
eingegangen sei. Der für die Belange des Immissionsschutzes in Hessen
zuständige Vertreter der Fachbehörde (HLUG) sei im Rahmen des Prüfauftrages,
den er von der Genehmigungsbehörde erhalten habe, verpflichtet, auf Fehler bei
der Ermittlung der zu erwartenden Zusatzbelastungen durch das Vorhaben
hinzuweisen. Aus der - relativ selten vorkommenden - Tatsache, dass sich die
Korrektur des Fehlers zu Gunsten der Beigeladenen ausgewirkt habe, könne nicht
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Korrektur des Fehlers zu Gunsten der Beigeladenen ausgewirkt habe, könne nicht
auf eine Befangenheit eines Mitarbeiters geschlossen werden.
Der Genehmigungsbescheid sei auch materiell rechtmäßig. Aus möglichen
Stickoxid-Immissionen durch die streitgegenständliche Anlage ergebe sich keine
Rechtswidrigkeit des angegriffenen Genehmigungsbescheides. Der für
Stickstoffdioxid nach Art. 3 der Richtlinie 1999/30/EG und § 3 Abs. 4 der 22.
BImSchV ab 1. Oktober 2010 verbindliche Jahresgrenzwert von 40 μg/m
3
habe -
auch wenn man ihm schon vor seiner Verbindlichkeit rechtliche Vorwirkungen
zusprechen wollte - für die wesentlich in Frage stehende Beurteilung, ob die
Beigeladene als Anlagenbetreiberin ihrer Schutz- und Gefahrenabwehrpflicht nach
§ 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG entsprochen habe, keine unmittelbare Bedeutung. Zur
Beurteilung der Genehmigungsvoraussetzungen für immissionsschutzrechtlich
genehmigungsbedürftige Anlagen sei allein auf die normkonkretisierenden
Bestimmungen der TA Luft und damit grundsätzlich auch auf die darin geregelten
Bagatell- und Irrelevanzregelungen abzustellen. Nach diesen Maßstäben würden
auch hinsichtlich NO
2
von der streitgegenständlichen Anlage keine schädlichen
Umwelteinwirkungen hervorgerufen. Nach den Berechnungen des HLUG betrage
die durch die streitgegenständliche Anlage verursachte NO
2
-Zusatzbelastung
lediglich 0,3 μg/m
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, damit könne nach Nr. 4.1 Abs. 4 Satz 4 Buchst. c Satz 2, 1.
Halbsatz i. V. m. Nr. 4.2.2 Buchst. a TA Luft eine Bestimmung von
Immissionskenngrößen für NO
2
entfallen. Hilfsweise sei zu bemerken, dass nach
der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts eine Überschreitung von
Grenzwerten der 22. BImSchV allein noch nicht zu einer Rechtswidrigkeit des
Genehmigungsbescheids führe, da eine solche Grenzwertüberschreitung von den
Behörden mit den Mitteln der Luftreinhalteplanung reduziert werden könne. Auch
die einschlägigen EU-Luftreinhalterichtlinien stellten die vorgenannten Grundsätze
der Bundesverwaltungsgerichtsrechtsprechung nicht in Frage und führten nicht zu
einer Rechtswidrigkeit der Anlagengenehmigung; aus der EuGH-Rechtsprechung,
insbesondere dem TA-Luft-Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 30. Mai 1991
(C-59/89) sei ebenfalls keine absolute Geltung der einschlägigen Grenzwerte
ableitbar.
Die Genehmigungsbehörde habe sich auch ausreichend und erschöpfend mit der
prognostizierten Überschreitung des B(a)P-Zielwertes der 22. BImSchV beschäftigt
und dies in die Entscheidungsfindung einfließen lassen. Der ermittelte Zahlenwert
von 1,09 sei nach Nr. 4.5.1 der DIN 1333 zu runden sowie in der gleichen Einheit
und mit der gleichen Stellenzahl wie der Zahlenwert anzugeben (Nr. 2.9 TA Luft);
dementsprechend sei der Zahlenwert auf 1 ng/m
3
abzurunden und eine
Überschreitung des Zielwertes liege nicht vor.
Unabhängig von Zweifeln, ob naturschutzrechtliche Fehler im vorliegenden
Verfahren nach dem Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz rügefähig seien, sei die
Genehmigung nicht wegen einer fehlenden FFH-Verträglichkeitsprüfung oder
schädlicher Umwelteinwirkungen auf angrenzende FFH-Gebiete rechtswidrig. Im
Rahmen einer FFH-Vorprüfung habe hinreichend geklärt werden können, dass das
Vorhaben benachbarte Natura-2000-Gebiete nicht erheblich beeinträchtigen
werde. Auf Grund des Nachweises der Irrelevanz der maximalen Zusatzbelastung
sei eine Beeinträchtigung der Vegetation in den angrenzenden FFH-Gebieten
ausgeschlossen worden, somit hätten auch erhebliche Beeinträchtigungen der
FFH-Gebiete Schwanheimer Düne, Schwanheimer Wald und Kelsterbacher Wald in
ihren für die Erhaltungsziele maßgeblichen Bestandteilen ausgeschlossen und auf
eine weitergehende Verträglichkeitsprüfung verzichtet werden können.
Unabhängig davon, dass das Baurecht keinen über die Vorschriften des
Bundesimmissionsschutzgesetzes hinausgehenden Drittschutz unter dem
Gesichtspunkt des Rücksichtnahmegebots gewähre, käme man auch bei
Anwendung der für das Gebot der Rücksichtnahme üblichen Prüfmaßstäbe nicht zu
einer Rechtsverletzung.
Ein Verstoß gegen die von dem Kläger zitierte Regelung der IVU-Richtlinie - Art. 9
Abs. 4 - liege ebenfalls nicht vor. Die IVU-Richtlinie verlange nur allgemein, dass
die technische Beschaffenheit der betreffenden Anlage, ihr geographischer
Standort und die jeweiligen Umweltbedingungen zu berücksichtigen seien, und
dass die Genehmigungsauflagen Vorkehrungen zur weitestgehenden
Verminderung der weiträumigen oder grenzüberschreitenden Verschmutzung
vorzusehen und ein hohes Schutzniveau für die Umwelt insgesamt sicherzustellen
hätten. Die Anwendung einer bestimmten Technik oder Technologie dürfe danach
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hätten. Die Anwendung einer bestimmten Technik oder Technologie dürfe danach
nicht vorgeschrieben werden.
Schließlich sei der Genehmigungsbescheid auch nicht auf Grund eines angeblichen
Verstoßes gegen den Abfallwirtschaftsplan Hessen rechtswidrig. Die Vorschriften
über den Abfallwirtschaftsplan seien grundsätzlich nicht drittschützend, so dass
Verstöße nicht im Rahmen einer Nachbar- oder Verbandsklage nach dem Umwelt-
Rechtsbehelfsgesetz gerügt werden könnten. Unabhängig davon hätten die
Ausweisungen in den Abfallwirtschaftsplänen nur dann Rechtswirkungen auf die
Entscheidungsfindung im Genehmigungsverfahren, wenn es sich um für verbindlich
erklärte Feststellungen handele (§ 32 Abs. 1 Nr. 5 KrW-/AbfG). Im Hinblick auf die
Ausweisung von Standorten für neue Abfallbeseitigungsanlagen in Hessen seien
keine für verbindlich erklärten Feststellungen getroffen worden.
Die Beigeladene beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie vertritt die Auffassung, dass die auf die Verbandsklagebefugnis nach dem
Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz gestützte Klage bereits unzulässig und zudem nach
§ 2 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 UmwRG unbegründet sei, da der Genehmigungsbescheid
nicht gegen Rechtsvorschriften verstoße, die dem Umweltschutz dienten, Rechte
Einzelner begründeten und für die Entscheidung von Bedeutung seien.
Mit der ungenauen Bezeichnung des zu bebauenden Grundstücks seien keine
Vorschriften verletzt, die dem Umweltschutz dienten, so dass die Klage insoweit
bereits unzulässig sei. Eine wiederholte Bekanntmachung und Durchführung der
Öffentlichkeitsbeteiligung gem. § 8 Abs. 2 der 9. BImSchV sei nicht erforderlich
gewesen, da sich der Standort der EBS-Anlage tatsächlich nicht geändert habe.
Schließlich sei bereits während der Öffentlichkeitsbeteiligung die
Grundstücksbezeichnung umfassend erläutert und damit rechtzeitig geheilt
worden.
§ 4 UmwRG erfasse nur diejenigen Fälle, in denen eine an sich erforderliche
Umweltverträglichkeitsprüfung oder Vorprüfung vollständig unterblieben sei. Der
Kläger rüge ausdrücklich nur die angebliche Unvollständigkeit und Fehlerhaftigkeit
der Umweltverträglichkeitsprüfung; hierfür fehle es ihm an der Klagebefugnis. Die
Regelung stehe auch mit den europarechtlichen Vorschriften, insbesondere Art.
10a UVP-Richtlinie, in Einklang. Diese erfordere zwar die Gewährung eines weiten
Zugangs zu den Gerichten, verpflichte die einzelnen Mitgliedstaaten jedoch nicht,
eine Popularklage bzw. Interessenklage einzuführen oder auf das Kriterium der
Klagebefugnis i. S. d. § 42 Abs. 2 VwGO zu verzichten. Darüber hinaus sei die
Umweltverträglichkeitsprüfung ordnungsgemäß durchgeführt worden,
insbesondere seien die Antragsunterlagen vollständig und die
Umweltverträglichkeitsuntersuchung damit nicht unzulänglich gewesen und die
vorgenommene Umweltverträglichkeitsprüfung beruhe nicht auf einer fehlerhaften
Berechnung der NO
2
-Zusatzbelastung.
Die Regelung zur Besorgnis der Befangenheit gem. § 21 HessVwVfG diene nicht
dem Umweltschutz und könne daher von einer Vereinigung auch nicht gem. § 2
Abs. 1 Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz geltend gemacht werden. Soweit der Kläger
meine, eine Besorgnis der Befangenheit daraus ableiten zu können, dass das
HLUG der Genehmigungsbehörde „ungefragt mit eigenem Aufwand“ bzw.
„eigenmächtig“ eine Berechnung vorgelegt habe, verkenne er, dass derartige
Berechnungen zu den gesetzlichen Aufgaben des HLUG zählten. Die Berechnung
selbst sei auch inhaltlich nicht zu beanstanden.
Die Rüge der angeblichen Nichteinhaltung des NO
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-Grenzwertes könne aus
mehreren Gründen keinen Erfolg haben. Der Immissionsgrenzwert von 40 μg/m
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NO
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gem. § 3 Abs. 4 der 22. BImSchV gelte erst ab dem Jahr 2010, die
behauptete dauerhafte Überschreitung des vorgenannten Wertes im
Einwirkungsbereich der Anlage finde tatsächlich nicht statt und selbst im Falle
einer Überschreitung des Immissionsgrenzwertes bestände kein
Genehmigungsverbot; auch aus den Richtlinien 1999/30/EG und 96/62/EG könne
der Kläger nichts für sich herleiten.
Die Rüge des Klägers, wonach der Jahreszielwert von 1 ng/m
3
für Benzo(a)pyren
nach § 15 der 22. BImSchV nicht eingehalten werde, gehe fehl. Für die Beurteilung
der Einhaltung des Zielwertes von 1 ng/m
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sei die Rundungsregel der Nr. 2.9 TA
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der Einhaltung des Zielwertes von 1 ng/m sei die Rundungsregel der Nr. 2.9 TA
Luft anzuwenden. Demnach folge aus dem Zahlenwert von 1,09 keine
Überschreitung, sondern die sichere Einhaltung des Zielwertes von 1 ng/m
3
für
Benzo(a)pyren. Tatsächlich werde die Immissionssituation aus mehreren Gründen
überschätzt, im realen Anlagenbetrieb sei von einer noch deutlicheren
Unterschreitung des Zielwertes auszugehen. Selbst eine Überschreitung des
Zielwertes stellte kein Genehmigungshindernis dar, die Behörde wäre lediglich
gehalten, durch erforderliche und ohne unverhältnismäßige Kosten durchführbare
Maßnahmen möglichst sicher zu stellen, dass die Zielwerte nicht überschritten
würden (§ 16 Abs. 1 der 22. BImSchV).
Mit den Ausführungen zur angeblichen Schädigung angrenzender FFH-Gebiete und
der angeblich fehlenden FFH-Verträglichkeitsprüfung könne der Kläger nicht gehört
werden, da die Bestimmungen des Landschafts- und Naturschutzes nicht geeignet
seien, subjektiv-rechtliche Positionen eines Einzelnen zu begründen. Die Klage sei
insoweit unzulässig. Die angefochtene Genehmigung verstoße aber auch
materiellrechtlich nicht gegen Naturschutzrecht. In dem Genehmigungsverfahren
betreffend die EBS-Anlage habe bereits im Rahmen der Vorprüfung anhand
objektiver Umstände eine Gefährdung der Erhaltungsziele für die FFH-Gebiete
Schwanheimer Düne und Schwanheimer Wald durch das Vorhaben
ausgeschlossen werden können. Die EBS-Anlage solle nicht in den genannten
Gebieten selbst realisiert werden, ein Flächenverlust finde somit nicht statt. Es
gingen von ihr aber auch keine Emissionen aus, die ernsthaft die Besorgnis
nachteiliger Auswirkungen entstehen ließen; tatsächlich würden alle bekannten
Irrelevanzschwellen unterschritten. Eine Verträglichkeitsprüfung sei damit
entbehrlich gewesen; hilfsweise könne eine etwa erforderliche
Verträglichkeitsprüfung im gerichtlichen Verfahren problemlos nachgeholt werden.
Selbst wenn Emissionen der Anlage zu erheblichen Beeinträchtigungen der
Erhaltungsziele eines Schutzgebietes führen würden, wäre das Vorhaben aus
zwingenden Gründen des öffentlichen Interesses gleichwohl zulässig (Art. 6 Abs. 4
der FFH-Richtlinie).
Der Kläger könne sich im Rahmen der Verbandsklage nach dem Umwelt-
Rechtsbehelfsgesetz nicht auf einen Verstoß gegen das Gebot der
Rücksichtnahme stützen, insoweit sei die Klage unzulässig. Die Genehmigung
verstoße aber auch materiell nicht gegen das baurechtliche Gebot der
Rücksichtnahme.
Mit seinen Ausführungen zum angeblichen Verstoß gegen die IVU-Richtlinie und
zur angeblichen Nichtumsetzung der „besten verfügbaren Technik“ könne der
Kläger im Rahmen der Verbandsklage ebenfalls nicht gehört werden, insoweit sei
die Klage unzulässig. Der behauptete Verstoß gegen Art. 9 Abs. 4 der IVU-
Richtlinie liege aber auch materiellrechtlich nicht vor.
Schließlich sei die Klage auch insoweit unzulässig, als der Kläger einen Verstoß
gegen den Abfallwirtschaftsplan Hessen rüge. Die EBS-Anlage sei zudem nicht als
Abfallbeseitigungs-, sondern als Abfallverwertungsanlage anzusehen; Hauptzweck
der Anlage sei es, Teile des Industrieparks Höchst mit Energie und Dampf zu
versorgen.
Der Kläger hat im Laufe des gerichtlichen Verfahrens eine „Gutachtliche
Stellungnahme zur Genehmigung der EBS-Anlage der B. im Industriepark in
Frankfurt“ des Ingenieurbüros für Umweltschutztechnik, erstellt durch Dipl.-Ing.
Peter Y, vom 19. Mai 2009 vorgelegt und sich die darin behaupteten Mängel in
dem angegriffenen Genehmigungsbescheid zu den Themen Abfallinput,
Anlagentechnik, Anfahrbetrieb, Immissionsprognose, Immissionen von
Stickstoffdioxid, Überschreitung des B(a)P-Zielwertes, Immissionsprognose nach
Inbetriebnahme der Anlage, Erforderlichkeit einer Sonderfallprüfung für Chrom VI,
LKW-Verkehr sowie Auswirkungen für FFH-Gebiete zu eigen gemacht. Gleichzeitig
hat der Kläger unter Hinweis auf einen Vorlagebeschluss des OVG Nordrhein-
Westfalen vom 5. März 2009 (8 D 58/08.AK) angeregt, auch das vorliegende
Verfahren auszusetzen und dem Europäischen Gerichtshof vorzulegen.
Der Beklagte und die Beigeladene haben auf die Einwendungen aus der
Gutachtlichen Stellungnahme im Einzelnen erwidert.
Auf Aufforderung des Senats hat der Beklagte die Testrechnungen des HLUG
nachgereicht, die eine maximale Immissionsbelastung für NO
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von 0,3 μg/m
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bei
einem Mischungsverhältnis NO/NO
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von 90:10 und von 0,44 μg/m
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bei einem
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Mischungsverhältnis 80:20 ergäben, und darauf hingewiesen, dass beide
Ergebnisse deutlich unter der Irrelevanzgrenze von 1,2 μg/m
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nach der TA Luft
lägen.
Dem Senat liegen die Verwaltungsvorgänge bestehend aus den nachfolgenden
Akten vor:
- 7 Akten ... (Band I bis Band VII, Seiten 1 - 1845),
- 2 Leitz-Ordner Stellungnahmen der Fachbehörden (Seiten St-1 - St-819),
- 2 Leitz-Ordner Einwendungen betreffend das EBS-Verfahren (Seiten E-1 - E-786),
- 1 Leitz-Ordner Wortprotokoll des Erörterungstermins am 21., 22., 23. und
26.02.2007,
- 1 Akte § 8a BImSchG-Bescheid (Seiten 1 - 111)
- 7 Ordner Antragsunterlagen der Beigeladenen
- 1 Hefter Verwaltungsvorgänge (Akte ..., Bd. I, Bl. 1 -227).
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug
genommen auf den Inhalt der vorgenannten Verwaltungsvorgänge und den Inhalt
der Gerichtsakten, insbesondere die Sitzungsniederschrift vom 16. September
2009 (Bl. 959 ff. der Gerichtsakten).
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist unbegründet.
A. Zulässigkeit der Klage
Die Klage ist zulässig.
Der angerufene Hessische Verwaltungsgerichtshof ist gem. § 48 Abs. 1 Nr. 5 der
Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) für die Entscheidung sachlich zuständig, denn
der vom Kläger angegriffene Bescheid des Regierungspräsidiums Darmstadt vom
29. Februar 2008 betrifft die Genehmigung für die Errichtung und den Betrieb einer
ortsfesten Anlage zur Verbrennung von Abfällen (hier: nicht gefährliche Abfälle) mit
einer jährlichen Durchsatzleistung von mehr als 100.000 t (hier: maximal 700.000
t).
Die Klage ist fristgerecht erhoben worden.
Die Klagefrist von einem Monat (§ 74 Abs. 1 VwGO) ist für den Kläger dadurch in
Lauf gesetzt worden, dass der Genehmigungsbescheid im Staatsanzeiger für das
Land Hessen vom 17. März 2008 öffentlich bekannt gemacht wurde (§ 58 VwGO i.
V. m. § 41 Abs. 4 des Hessischen Verwaltungsverfahrensgesetzes [HVwVfG]). Die
Befugnis zur öffentlichen Bekanntgabe des Genehmigungsbescheids i. S. d. § 41
Abs. 3 HVwVfG ergibt sich aus § 21a der Neunten Verordnung zur Durchführung
des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (Verordnung über das
Genehmigungsverfahren - 9. BImSchV). Der öffentlichen Bekanntmachung
entsprechend begann der Lauf der Klagefrist am 5. April 2008 und endete am 5.
Mai 2008. Die Klageschrift vom 28. April 2008 ist am darauffolgenden Tag bei dem
Hessischen Verwaltungsgerichtshof eingegangen und wahrt damit die Klagefrist.
Die für die Zulässigkeit der Klage erforderliche Klagebefugnis steht dem Kläger -
abweichend von der allgemeinen Regelung in § 42 Abs. 2 VwGO - gem. § 2 Abs. 1
des Gesetzes über ergänzende Vorschriften zu Rechtsbehelfen in
Umweltangelegenheiten nach der EG-Richtlinie 2003/35/EG (Umwelt-
Rechtsbehelfsgesetz) vom 7. Dezember 2006 (BGBl. I S. 2816) zu.
Das Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz ist anwendbar, weil das streitgegenständliche
Genehmigungsverfahren nach dem in § 5 Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz genannten
Stichtag, dem 25. Juni 2005 - eingeleitet worden ist und nicht vor dem 15.
Dezember 2006 Bestandskraft erlangt hat. Nach § 2 Abs. 1 Umwelt-
Rechtsbehelfsgesetz kann eine nach § 3 Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz anerkannte
inländische oder ausländische Vereinigung, ohne eine Verletzung in eigenen
Rechten geltend machen zu müssen, Rechtsbehelfe nach Maßgabe der
Verwaltungsgerichtsordnung gegen eine Entscheidung nach § 1 Abs. 1 Satz 1
Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz oder deren Unterlassen einlegen, wenn die
Vereinigung
1. geltend macht, dass eine Entscheidung nach § 1 Abs. 1 Satz 1 oder deren
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1. geltend macht, dass eine Entscheidung nach § 1 Abs. 1 Satz 1 oder deren
Unterlassen Rechtsvorschriften, die dem Umweltschutz dienen, Rechte Einzelner
begründen und für die Entscheidung von Bedeutung sein können, widerspricht,
2. geltend macht, in ihrem satzungsgemäßen Aufgabenbereich der Förderung der
Ziele des Umweltschutzes durch die Entscheidung nach § 1 Abs. 1 Satz 1 oder
deren Unterlassen berührt zu sein, und
3. zur Beteiligung in einem Verfahren nach § 1 Abs. 1 Satz 1 berechtigt war und sie
sich hierbei in der Sache gemäß den geltenden Rechtsvorschriften geäußert hat
oder ihr entgegen den geltenden Rechtsvorschriften keine Gelegenheit zur
Äußerung gegeben worden ist.
Als anerkannter Naturschutzverein nach § 61 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und § 60 des
Bundesnaturschutzgesetzes (Bundesnaturschutzgesetz - BNatSchG) in
Verbindung mit § 47 Abs. 3 Satz 1 des Hessischen Gesetzes über Naturschutz und
Landschaftspflege (Hessisches Naturschutzgesetz - HENatG) gilt der Kläger auch
als anerkannt i. S. d. § 3 Abs. 1 Satz 1 und 4 Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz (zum
Status des Klägers vgl. auch: Hess. VGH, Beschluss vom 02.01.2009 - 11 B
368/08.T -, NuR 2009, 255; BVerwG, Urteil vom 12.03.2008 - 9 A 3.06 -, BVerwGE
130, 299 [Rdnr. 22 f.]).
Bei der streitgegenständlichen Genehmigung für die Errichtung und den Betrieb
einer ortsfesten Anlage zur Verbrennung von Abfällen handelt es sich um eine
Entscheidung nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz i. V. m. Nr.
8.1 Spalte 1 lit.b des Anhangs der Vierten Verordnung zur Durchführung des
Bundes-Immissionsschutzgesetzes (Verordnung über genehmigungsbedürftige
Anlagen - 4. BImSchV).
Die in Nummern 1 bis 3 des § 2 Abs. 1 Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz (kumulativ)
genannten weiteren Voraussetzungen für die Klagebefugnis des Klägers liegen
ebenfalls vor.
Jedenfalls insoweit als der Kläger die Behauptung aufstellt, der angegriffenen
Genehmigung stehe die dauerhafte Überschreitung des Immissionsgrenzwertes
von 40 μg/m
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NO
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im Einwirkungsbereich der Anlage nach § 3 Abs. 4 der
Zweiundzwanzigsten Verordnung zur Durchführung des Bundes-
Immissionsschutzgesetzes (Verordnung über Immissionswerte für Schadstoffe in
der Luft - 22. BImSchV) in der Fassung der Bekanntmachung vom 4. Juni 2007
(BGBl. I S. 1006) sowie nach Nr. 4.2.1 TA Luft entgegen, beruft er sich auf
Rechtsvorschriften, die dem Umweltschutz dienen, Rechte Einzelner begründen
und für die Entscheidung von Bedeutung sein können (vgl. § 2 Abs. 1 Nr. 1
Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz). Die vom Kläger in Bezug genommene Festsetzung
von Immissionswerten für Stickstoffdioxid in Nr. 4.2.1 TA Luft durch
Schadstoffdeposition ist Ausprägung der in § 5 Abs. 1 Nr. 1 des Gesetzes zum
Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen durch Luftverunreinigungen,
Geräusche, Erschütterungen und ähnliche Vorgänge (Bundes-
Immissionsschutzgesetz - BImSchG) normierten Pflicht des Anlagenbetreibers zur
Vermeidung schädlicher Umwelteinwirkungen und sonstiger Gefahren, erheblicher
Nachteile und erheblicher Belästigungen u.a. für die Nachbarschaft durch den
Anlagenbetrieb (vgl. dazu: Jarass, Bundes-Immissionsschutzgesetz, Kommentar,
7. Aufl., 2007, § 48 BImSchG, Rdnrn. 30 und 56 m.w.N.). Die Vorschrift des § 5 Abs.
1 Nr. 1 BImSchG hat damit drittschützenden Charakter (BVerwG, Urteil vom
11.12.2003 - 7 C 19.02 -, BVerwGE 119, 329).
Der Kläger macht auch unter Hinweis auf § 2 seiner Satzung geltend, durch die
angegriffene Genehmigung in seinem satzungsgemäßen Aufgabenbereich der
Förderung der Ziele des Umweltschutzes berührt zu sein (vgl. § 2 Abs. 1 Nr. 2
Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz) und sich im Genehmigungsverfahren mit
fristgerechten Einwendungen zum Umweltschutz sowie aktiver Teilnahme am
Erörterungstermin beteiligt zu haben (vgl. § 2 Abs. 1 Nr. 3 Umwelt-
Rechtsbehelfsgesetz). Damit ist die Klagebefugnis unabhängig davon gegeben, ob
sich auch aus den vom Kläger darüber hinaus vorgetragenen Gründen -
insbesondere den behaupteten Verstößen gegen nicht drittschützende
Vorschriften des Umweltschutzes - gegen die Rechtmäßigkeit der angegriffenen
Genehmigung vom 29. Februar 2008 die Zulässigkeit der sog. Verbandsklage
herleiten lässt. Die Sachurteilsvoraussetzungen nach § 2 Abs. 1 Umwelt-
Rechtsbehelfsgesetz beziehen sich auf das Klagebegehren und damit auf den
Streitgegenstand insgesamt, so dass die Klagebefugnis nicht im Hinblick auf
einzelne Klagegründe verneint werden kann (so ausdrücklich zu § 42 Abs. 2 VwGO:
BVerwG, Urteil vom 20.05.1998 - 11 C 3.97 -, NVwZ 1999, 67 [68]).
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B. Begründetheit der Klage
Die Klage ist unbegründet.
Die vom Kläger mit seinem Hauptantrag begehrte Aufhebung der der
Beigeladenen erteilten Genehmigung für die Errichtung und den Betrieb einer
ortsfesten Anlage zur Verbrennung von Abfällen vom 29. Februar 2008 kommt
nicht in Betracht.
Nach § 2 Abs. 5 Nr. 1 Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz - der die Regelung in § 113
VwGO modifiziert (vgl. dazu: BT-Drs. 16/2495, S. 13) - ist ein Rechtsbehelf nach
Absatz 1 begründet,
„soweit die Entscheidung nach § 1 Abs. 1 oder deren Unterlassen gegen
Rechtsvorschriften, die dem Umweltschutz dienen, Rechte Einzelner begründen
und für die Entscheidung von Bedeutung sind, verstößt und der Verstoß Belange
des Umweltschutzes berührt, die zu den von der Vereinigung nach ihrer Satzung
zu fördernden Zielen gehören“.
Diese Voraussetzungen liegen nicht vor.
Die der Beigeladenen erteilte Genehmigung erweist sich, soweit sie Rechte
Einzelner berühren kann, als rechtmäßig. Im Übrigen scheitert ein
Aufhebungsanspruch des Klägers daran, dass er im Rahmen der sog.
Verbandsklage nach § 2 Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz das Aufhebungsbegehren in
Bezug auf eine immissionsschutzrechtliche Genehmigung i. S. d. § 1 Abs. 1 Nr. 2
Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz nicht auf Verstöße gegen nicht drittschützende
Vorschriften des Umweltschutzes stützen kann.
Die Befugnis von Vereinigungen i. S. d. §§ 2, 3 Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz zur
Geltendmachung von Verstößen gegen nicht drittschützende Vorschriften des
Umweltschutzes ist sowohl nach dem Wortlaut von § 2 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 5 Nrn.
1 und 2 Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz als auch nach der Entstehungsgeschichte
des Gesetzes ausgeschlossen.
Der Wortlaut der vorbezeichneten Vorschriften beschränkt die Rügebefugnis der
anerkannten Umweltverbände sowie die Begründetheit von Rechtsbehelfen
ausdrücklich auf Rechtsvorschriften, „die dem Umweltschutz dienen, Rechte
Einzelner begründen und für die Entscheidung von Bedeutung sein können bzw.
sind“. Die Vorschrift orientiert sich zwar an § 61 Abs. 2 BNatSchG (vgl. dazu: BT-
Drs. 16/2495, S. 12); im Gegensatz zur naturschutzrechtlichen Verbandsklage
findet eine Überprüfung objektiver Rechtssätze des Umweltrechts, etwa des
gesamten Naturschutz- und Landschaftspflegerechts, des Verfahrensrechts (z. B.
Vorschriften der Umweltverträglichkeitsprüfung) und der Vorsorgenormen (z. B. §
5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BImSchG) nicht statt (Schlacke, Das Umwelt-
Rechtsbehelfsgesetz, in: NuR 2007, 8 ff [11]). Die Klage nach dem Umwelt-
Rechtsbehelfsgesetz ist damit schutznormakzessorisch (Ziekow, Das Umwelt-
Rechtsbehelfsgesetz im System des deutschen Rechtsschutzes, in: NVwZ 2007,
259 ff. [261]). Es ist zwar nicht erforderlich, dass es einen konkreten Dritten gibt,
der durch die Entscheidung in seinen Rechten verletzt ist; notwendig ist aber, dass
die als verletzt gerügte Norm im Sinne einer Schutznorm Rechte Dritter zu
begründen vermag (Wahl in: Hausmann/Sellner, Grundzüge des Umweltrechts, 3.
Aufl., 2007, S. 352 Rdnr. 148). Das Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz dient der
Umsetzung von Art. 3 Nr. 7 und Art. 4 Nr. 4 der Richtlinie 2003/35/EG des
Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Mai 2003 über die Beteiligung
der Öffentlichkeit bei der Ausarbeitung bestimmter umweltbezogener Pläne und
Programme und zur Änderung der Richtlinien 85/337/EWG und 96/61/EG des Rates
in Bezug auf die Öffentlichkeitsbeteiligung und den Zugang zu Gerichten (ABl. L
156 S. 17). Den Gesetzesmaterialien lässt sich entnehmen, dass Kern des
Gesetzentwurfs vom 4. September 2006 die Ermöglichung der Vereinsklage gegen
bestimmte umweltrechtliche Zulassungsentscheidungen oder deren Unterlassung
war, ohne dass es hierfür einer Verletzung von eigenen Rechten der betreffenden
Vereinigung bedurfte (vgl. dazu: BT-Drs. 16/3312, S. 1). Dabei wurde die
Problematik, die Klagemöglichkeiten der Verbände auf die Verletzung subjektiv
öffentlicher Rechte zu beschränken, intensiv beraten. Die Frage der Vereinbarkeit
des Gesetzes mit dem Europarecht spielte dabei eine große Rolle. Das Gesetz
stellt einen politischen Kompromiss dar; eine weitergehende Verbandsklage war
zum Zeitpunkt der Gesetzgebung nicht durchsetzbar (vgl. dazu: BT-Drs. 16/3312).
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Eine richtlinienkonforme Auslegung von § 2 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 5 Nrn. 1 und 2
Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz gegen den ausdrücklichen Willen des nationalen
Gesetzgebers - also „contra legem“ - ist nicht erlaubt (vgl. dazu: EuGH, Urteil vom
04.07.2006 - C-212/04 -, NJW 2006, 2465 [Rdz. 110]; Auer, Neues zum Umfang
und Grenzen der richtlinienkonformen Auslegung, in: NJW 2007, 1106 ff.).
Eine Befugnis anerkannter Umweltverbände i. S. v. §§ 2, 3 Umwelt-
Rechtsbehelfsgesetz zur Geltendmachung objektiver Rechtssätze des
Umweltrechts lässt sich auch nicht aus einer unmittelbaren Anwendbarkeit
europäischer Verbandsklagerechte herleiten.
Die Frage, ob die Bundesrepublik Deutschland die europarechtlichen Vorgaben zur
Einführung einer Verbandsklage in Umweltangelegenheiten vollständig umgesetzt
hat, ist in der Literatur zwar höchst umstritten. Ausgangspunkt des Streits ist das
Übereinkommen über den Zugang zu Informationen, die Öffentlichkeitsbeteiligung
an Entscheidungsverfahren und den Zugang zu Gerichten in
Umweltangelegenheiten - die sog. Aarhus-Konvention -, das Deutschland am 21.
Dezember 1998 gezeichnet und mit Gesetz vom 9. Dezember 2006 (BGBl. II S.
1251) ratifiziert hat. Art. 9 der Aarhus-Konvention verpflichtet die Vertragsstaaten,
ein bestimmtes Niveau an Rechtsschutz in Umweltangelegenheiten zu
gewährleisten. Die EU hat die völkerrechtlichen Vorgaben des Art. 9 Abs. 2 der
Aarhus-Konvention mit der Öffentlichkeitsbeteiligungsrichtlinie (Richtlinie
2003/35/EG) umgesetzt, und zwar nahezu wortgleich in Form eines neuen Art. 10a
der UVP-Richtlinie und eines neuen Art. 15a der IVU-Richtlinie (vgl. Art. 3 und 4 der
Öffentlichkeitsbeteiligungsrichtlinie). Die maßgeblichen Absätze 1 bis 3 der
insoweit übereinstimmenden Art. 10a UVP-RL und Art. 15a IVU-RL lauten wie folgt:
„(1) Die Mitgliedstaaten stellen im Rahmen ihrer innerstaatlichen
Rechtsvorschriften sicher, dass Mitglieder der betroffenen Öffentlichkeit, die
a) ein ausreichendes Interesse haben oder alternativ
b) eine Rechtsverletzung geltend machen, sofern das Verwaltungsverfahrensrecht
bzw. Verwaltungsprozessrecht eines Mitgliedstaats dies als Voraussetzung
erfordert, Zugang zu einem Überprüfungsverfahren vor einem Gericht oder einer
anderen auf gesetzlicher Grundlage geschaffenen unabhängigen und
unparteiischen Stelle haben, um die materiell-rechtliche und verfahrensrechtliche
Rechtmäßigkeit von Entscheidungen, Handlungen oder Unterlassungen
anzufechten, für die die Bestimmungen dieser Richtlinie über die
Öffentlichkeitsbeteiligung gelten.
(2) Die Mitgliedstaaten legen fest, in welchem Verfahrensstadium die
Entscheidungen, Handlungen oder Unterlassungen angefochten werden können.
(3) Was als ausreichendes Interesse und als Rechtsverletzung gilt, bestimmen die
Mitgliedstaaten im Einklang mit dem Ziel, der betroffenen Öffentlichkeit einen
weiten Zugang zu Gerichten zu gewähren. Zu diesem Zweck gilt das Interesse
jeder Nichtregierungsorganisation, welche die in Artikel 1 Abs. 2 genannten
Voraussetzungen erfüllt, als ausreichend im Sinne von Absatz 1 lit. a des Artikels.
Derartige Organisationen gelten auch als Träger von Rechten, die im Sinne von
Absatz 1 lit. b dieses Artikels verletzt werden könnten.“
Befürworter der uneingeschränkten Verbandsklage im Umweltrecht leiten daraus
her, dass eine Beschränkung des Gerichtszugangs für Verbände auf solche Fälle,
in denen Vorschriften verletzt sein können, die Rechte Einzelner begründen, nicht
nur gegen Art. 9 Abs. 2 Aarhus-Konvention, sondern auch gegen die verbindlichen
Vorgaben des Gemeinschaftsrechts verstoße (so beispielsweise: Koch, Die
Verbandsklage im Umweltrecht, in: NVwZ 2007, 369 ff. [378]). Demgegenüber wird
auch die Auffassung vertreten, dass der Mitgliedstaat Deutschland berechtigt sei,
für die europäische Umweltverbandsklage das auf die Prüfung drittschützender
Vorschriften beschränkte Individualrechtsschutzsystem einzuführen und dabei die
Zulässigkeit und die Begründetheit von Rechtsbehelfen davon abhängig zu
machen, dass drittschützende Umweltvorschriften verletzt werden (so
beispielsweise: Schrödter, Aktuelle Entscheidungen zum Umwelt-
Rechtsbehelfsgesetz, in: NVwZ 2009, S. 157 ff. [158]).
Unabhängig von der Beantwortung dieser Streitfrage steht dem Kläger ein Recht
zur Geltendmachung objektiver Rechtssätze des Umweltrechts aus einer
unmittelbaren Anwendung der europarechtlichen Vorgaben jedenfalls nicht zu.
Voraussetzung für die unmittelbare Anwendbarkeit einer Richtlinienvorschrift ist
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Voraussetzung für die unmittelbare Anwendbarkeit einer Richtlinienvorschrift ist
u.a., dass eine der begehrten Rechtsposition entsprechende Vorgabe unbedingt,
klar und präzise sowie ihrem Wesen nach geeignet ist, unmittelbare
Rechtswirkungen zu entfalten (vgl. dazu: Durner, Direktwirkung europäischer
Verbandsklagerechte?, in: ZUR 2005, S. 285 ff. [288] unter Hinweis auf die
gefestigte Rechtsprechung des EuGH). Eine klare und präzise Vorgabe des Inhalts,
dass der nationale Gesetzgeber gezwungen wäre, eine umfassende altruistische
Verbandsklage im Sinne einer sog. Totalprüfung des Umweltrechts zu schaffen,
lässt sich den vorbezeichneten Richtlinien nicht entnehmen (so auch: Durner,
a.a.O., S. 289 f.; Schrödter, a.a.O., S. 159).
Der Senat sieht sich nicht veranlasst, der Anregung des Klägers zu folgen und die
Sache dem Europäischen Gerichtshof gem. Art. 234 EGV zur Entscheidung über
diejenigen Fragen vorzulegen, die auch das OVG Nordrhein-Westfalen zum Anlass
genommen hat, unter dem Datum des 5. März 2009 - 8 D 58/08.AK - (NVwZ 2009,
987) einen Vorlagebeschluss zu erlassen. Da der Senat im vorliegenden Verfahren
nicht in letzter Instanz entscheidet, ist er zu einer Vorlage an den Europäischen
Gerichtshof nicht verpflichtet. Er hält es vielmehr für sachgerecht, die Revision
wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen und damit eine letztinstanzliche
Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts herbeizuführen.
Die Rügebefugnis des Klägers ist damit hinsichtlich sämtlicher von ihm geltend
gemachter Verstöße gegen nicht drittschützende Vorschriften des
Umweltschutzes ausgeschlossen.
Das betrifft vor allem die in der Klagebegründung vom 14. Juli 2008 und ergänzend
im Schriftsatz vom 20. Mai 2009 unter Vorlage einer „Gutachtlichen
Stellungnahme“ geltend gemachten Verstöße gegen den gebotenen Schutz
angrenzender FFH-Gebiete - insbesondere den Vorwurf der fehlenden FFH-
Verträglichkeitsprüfung -, gegen das Gebot der Rücksichtnahme, gegen die IVU-
Richtlinie und gegen den Abfallwirtschaftsplan Hessen.
Bei dem in § 34 BNatSchG bzw. in § 34 HENatG normierten Gebot der
Durchführung einer FFH-Verträglichkeitsprüfung handelt es sich um einen
objektiven Rechtssatz des Umweltrechts, der eine Rügebefugnis Einzelner nicht zu
begründen vermag; soweit - wie bei der streitgegenständlichen
immissionsschutzrechtlichen Genehmigung - eine Vereinsklage nach § 61 Abs. 1
BNatSchG wegen des dort begrenzten Bereichs von naturschutzrechtlich
relevanten Entscheidungen nicht in Betracht kommt, scheidet eine Überprüfung
derartiger objektiver Rechtssätze aus.
Ein über die Vorschriften des Bundes-Immissionsschutzgesetzes hinausreichender
Drittschutz unter dem Gesichtspunkt des baurechtlichen Gebots der
Rücksichtnahme wird ebenfalls nicht gewährt. Das Bundes-
Immissionsschutzgesetz bestimmt die Grenze der Zumutbarkeit von
Umwelteinwirkungen für Dritte und damit das Maß der gebotenen Rücksichtnahme
abschließend (Hess. VGH, Urteil vom 07.08.2007 - 2 A 690/06 -, ZUR 2008, 150 ff.,
und Urteil vom 24.09.2008 - 6 C 1600/07.T -, DVBl. 2009, 186 ff.).
Mit der Rüge eines Verstoßes gegen das aus dem Schutz- und Vorsorgegrundsatz
erwachsende Minimierungsgebot für den Ausstoß von Luftschadstoffen unter
Hinweis auf Art. 9 Abs. 4 der IVU-RL und die sog. BvT-Merkblätter (englisch: BREF)
stützt sich der Kläger auf Betreiberpflichten i. S. d. § 5 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG, die
grundsätzlich keine subjektiv-öffentlichen Rechte vermitteln.
Schließlich bewegt sich auch die Rüge, die streitgegenständliche Genehmigung
verstoße gegen den Abfallwirtschaftsplan Hessen, außerhalb des geschützten
Rechtskreises Einzelner und damit außerhalb der Rügebefugnis des Klägers.
I. Formelle Rechtmäßigkeit des Bescheids
Gegen die formelle Rechtmäßigkeit des angegriffenen Bescheids bestehen -
jedenfalls soweit hiervon Rechtsvorschriften berührt sind, die Rechte Einzelner
begründen - keine Bedenken. Die Genehmigung ist unter Beachtung der
Verfahrensbestimmung für das Genehmigungsverfahren nach § 10 BImSchG
erlassen worden, insbesondere ist die nach § 10 Abs. 6 Satz 1 BImSchG
vorgeschriebene Öffentlichkeitsbeteiligung erfolgt.
Ob sich die Genehmigung vom 29. Februar 2008 - wie der Kläger meint - aus
formellen Gründen als rechtswidrig darstellt, weil im Rahmen des
Genehmigungsverfahrens die Umweltverträglichkeitsprüfung - UVP - nicht
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Genehmigungsverfahrens die Umweltverträglichkeitsprüfung - UVP - nicht
ordnungsgemäß durchgeführt worden ist, ist für den vorliegenden Rechtsstreit
ohne Belang. Es kann letztlich offen bleiben, ob das UVP-Verfahren aus den vom
Kläger in diesem Zusammenhang angeführten Gründen (Unvollständigkeit und
Fehlerhaftigkeit der durchgeführten Umweltverträglichkeitsprüfung durch fehlende
Gesamtbetrachtung mit anderen Anlagen, fehlende Einbeziehung des von der
Anlage verursachten LKW-Verkehrs und falsche Ermittlung der Zusatzbelastung
mit NO
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) tatsächlich fehlerbehaftet ist. Selbst wenn die
Umweltverträglichkeitsprüfung entsprechend der Behauptung des Klägers
fehlerbehaftet wäre, könnte er allein aus diesen Gründen eine Aufhebung des
angefochtenen Genehmigungsbescheids nicht verlangen.
Die Voraussetzungen, unter denen der Kläger die Aufhebung der der Beigeladenen
erteilten immissionsschutzrechtlichen Genehmigung beanspruchen kann, richten
sich nach § 4 Abs. 1 Satz 1 Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz. Danach kann die
Aufhebung einer Entscheidung über die Zulässigkeit eines Vorhabens nach § 1
Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz, d. h. eines Vorhabens, für das
nach Bundes- oder Landesrecht eine Pflicht zur Durchführung einer
Umweltverträglichkeitsprüfung besteht, von einer Umweltschutzvereinigung unter
den Voraussetzungen nach § 2 und § 3 Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz oder einer
nach § 42 Abs. 2 VwGO klagebefugten Privatperson u.a. dann verlangt werden,
wenn die nach dem Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung in der Fassung
vom 25. Juni 2005 (BGBl. I S. 1757), zuletzt geändert durch Art. 2 des Gesetzes
vom 23. Oktober 2007 (BGBl. I S. 2470), erforderliche
Umweltverträglichkeitsprüfung oder die erforderliche Vorprüfung des Einzelfalls
über die UVP-Pflichtigkeit nicht durchgeführt und nicht nachgeholt worden ist. Um
ein UVP-pflichtiges Vorhaben i. S. v. § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Umwelt-
Rechtsbehelfsgesetz handelt es sich bei der streitgegenständlichen Anlage
deshalb, weil es sich um eine solche zur Beseitigung oder Verwertung nicht
gefährlicher Abfälle i. S. v. § 3b UVPG i. V. m. der Anlage 1 Nr. 8.1.2 zum
Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz handelt.
Die Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 Satz 1 Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz für eine
Aufhebung der Entscheidung über die Zulassung eines UVP-pflichtigen Vorhabens
wegen Missachtung der Vorschriften über die Durchführung der
Umweltverträglichkeitsprüfung liegen nicht vor.
Die Genehmigungsbehörde ist davon ausgegangen, dass eine
Umweltverträglichkeitsprüfung durchzuführen ist. Mit der Durchführung der
Umweltverträglichkeitsprüfung als Teil des förmlichen Genehmigungsverfahrens
und der damit verbundenen Öffentlichkeitsbeteiligung (vgl. § 10 Abs. 3, 6 und 7
BImSchG) ist den durch das Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz eingeräumten
Verfahrensrechten der Umweltvereinigungen und der von dem Vorhaben
betroffenen klagebefugten Personen Genüge getan. Für einen weitergehenden
Anspruch auf Aufhebung der Zulassung eines UVP-pflichtigen Vorhabens i. S. v. §
1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz - allein - wegen
Verfahrensmängeln, die der Behörde bei der Vorprüfung oder bei der
Durchführung der Umweltverträglichkeitsprüfung unterlaufen sind, bietet das
Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz keine Grundlage. Ein solcher Anspruch wird durch § 4
Abs. 1 Satz 1 Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz - wie sich nicht nur aus dem
einschränkenden Wortlaut, sondern auch aus der Entstehungsgeschichte der
Vorschrift ableiten lässt - gerade ausgeschlossen. Hierzu hat der Senat in seinem
Urteil vom 24. September 2008 - 6 C 1600/07.T -, Juris, Folgendes ausgeführt:
"§ 4 Abs. 1 Satz 1 Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz hatte in der Fassung des
Gesetzentwurfs der Bundesregierung vom 4. September 2006 (BT-Drucks.
16/2495) folgenden Wortlaut:
Die Aufhebung einer Entscheidung über die Zulässigkeit eines Vorhabens nach § 1
Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 kann verlangt werden, wenn wesentliche Verfahrensvorschriften
verletzt worden sind und der Verfahrensfehler nicht geheilt werden kann.
Wesentliche Verfahrensvorschriften im Sinne von Satz 1 sind in der Regel verletzt,
wenn nach den Bestimmungen des Gesetzes über die
Umweltverträglichkeitsprüfung, nach der Verordnung über die
Umweltverträglichkeitsprüfung bergbaulicher Vorhaben oder nach entsprechenden
landesrechtlichen Vorschriften
1. eine erforderliche Umweltverträglichkeitsprüfung
oder
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oder
2. eine erforderliche Vorprüfung des Einzelfalls über die UVP-Pflichtigkeit nicht
durchgeführt worden ist.’
Gegen diese Gesetzesfassung wurden vom Bundesrat grundsätzliche Einwände
erhoben. Nach Ansicht des Bundesrates ging die beabsichtigte Einräumung einer
Klagemöglichkeit für Umweltvereinigungen und Privatpersonen gegen
Zulassungsentscheidungen, die unter Verstoß gegen Verfahrensvorschriften der
Umweltverträglichkeitsprüfung zu Stande gekommenen sind, "über das
europarechtlich zwingend Gebotene hinaus und würde zu gravierenden
Verzögerungen volkswirtschaftlich bedeutsamer Planungs- und
Investitionsentscheidungen führen’. Der Bundesrat empfahl deshalb, die
Bestimmung ganz zu streichen (BR-Drucks. 552/06). Die Gesetz gewordene
Fassung geht auf eine die Ansicht des Bundesrats aufgreifende Empfehlung des
federführenden Bundestagsausschusses für Umwelt, Naturschutz und
Reaktorsicherheit zurück (BT-Drucks. 16/3312). In der gemeinsamen Empfehlung
verschiedener Ausschüsse vom 11. September 2006 (BR-Drucks. 552/1/06, S. 12)
wird zur Begründung für diese gegenüber dem Gesetzentwurf eingeschränkte
Fassung Folgendes ausgeführt:
Auch ist die von der Bundesregierung vorgesehene Fassung zu unbestimmt und
damit zu weit gehend. Sie spricht von wesentlichen Verfahrensvorschriften’ und
nennt hierzu beispielhaft die Nichtdurchführung der Umweltverträglichkeitsprüfung
und die Nichtdurchführung der Vorprüfung über die UVP-Pflichtigkeit. Bei der
jetzigen Formulierung bleibt also unklar, ob und welche Verfahrensvorschriften
daneben auch noch als 'wesentlich' anzusehen sind.
Deshalb wird die obige Neuformulierung des § 4 Abs. 1 vorgeschlagen. Sie
konzentriert sich auf die Umweltverträglichkeitsprüfung und auf die Vorprüfung
über die UVP-Pflichtigkeit und ist damit bestimmter gefasst. Mit dieser
Neuformulierung stellt der § 4 eine in sich abgeschlossene Sonderregelung zum
Verwaltungsverfahrensgesetz dar.’
Die von den Ausschüssen empfohlene eingrenzende Fassung wurde von der
Bundesregierung im Interesse einer Verdeutlichung des Regelungsgehaltes
übernommen (vgl. Gegenäußerung zur Stellungnahme des Bundesrates vom 12.
Oktober 2006, BT-Drucks. 16/2931, S. 8). Damit wurde klargestellt, dass -
vorbehaltlich einer späteren Heilung - nur das gänzliche Fehlen einer Vorprüfung
des Einzelfalls oder der Umweltverträglichkeitsprüfung als Verfahrensfehler im
Sinne von § 4 Abs. 1 Satz 1 Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz gerügt werden kann,
nicht aber die fehlerhafte Durchführung der Vorprüfung oder der
Umweltverträglichkeitsprüfung (Schlacke, NuR 2007, 8 [13]; Ziekow, NVwZ 2007,
259 [265]; Kment, NVwZ 2007, 274 [276]: ders. in Hoppe (Hrsg.), UVPG, 3. Aufl.,
Vorbemerkung, Rdnr. 59).
Ob die Begrenzung auf das vollständige Unterlassen einer Einzelfallprüfung oder
der Umweltverträglichkeitsprüfung als relevanter Verfahrensmangel im
Anfechtungsstreit von Drittbetroffenen und Umweltvereinigungen in jeder Hinsicht
den Vorgaben des Europarechts entspricht, bedarf für den vorliegenden Fall keiner
Erörterung.
Die durch die Richtlinie 2003/35/EG des Europäischen Parlaments und des Rates
vom 26. Mai 2003 (ABl. L 156/17) neu in die Richtlinie 85/337/EWG über die
Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten
vom 27. Juni 1985 - UVP-RL - aufgenommene Regelung in Art. 10a, die durch das
Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz umgesetzt wurde, verpflichtet die Mitgliedstaaten
dazu, im Rahmen ihrer innerstaatlichen Rechtsvorschriften Mitgliedern der
betroffenen Öffentlichkeit, die ein ausreichendes Interesse haben oder eine nach
dem innerstaatlichen Recht des Mitgliedstaates erforderliche Rechtsverletzung
geltend machen, Zugang zu einem Überprüfungsverfahren vor einem Gericht oder
einer anderen auf gesetzlicher Grundlage geschaffenen unabhängigen und
unparteiischen Stelle zu verschaffen, um die materiellrechtliche und
verfahrensrechtliche Rechtmäßigkeit von Entscheidungen, Handlungen oder
Unterlassungen anzufechten, für die die Bestimmungen der UVP-RL über die
Öffentlichkeitsbeteiligung gelten. Ob dieser Verpflichtung durch das Umwelt-
Rechtsbehelfsgesetz in ausreichendem Umfang entsprochen wurde, könnte
allenfalls deshalb in Zweifel gezogen werden, weil durch die Begrenzung der
Anfechtbarkeit auf das (vollständige) Unterbleiben der Vorprüfung oder
Umweltverträglichkeitsprüfung ggf. auch schwerwiegende Fehler bei der
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Umweltverträglichkeitsprüfung ggf. auch schwerwiegende Fehler bei der
Durchführung der Vorprüfung oder der Umweltverträglichkeitsprüfung, die die
Rechtsverfolgung der Umweltvereinigungen oder der betroffenen Einzelpersonen in
erheblicher Weise einschränken oder schmälern könnten (vor allem Mängel im
Zusammenhang mit der Öffentlichkeitsbeteiligung im Sinne von § 9 - § 9b UVPG),
von der Anfechtung ausgeschlossen werden (vgl. hierzu Schlacke, a.a.O. S. 14;
Kment, NVwZ 2007, 274 [279, 280] und in Hoppe (Hrsg.), UVPG, 3. Aufl.,
Vorbemerkung, Rdnr. 71). Diese Problematik hat für den vorliegenden Fall keine
Bedeutung."
An diesen für das vorliegende Verfahren in gleicher Weise bedeutsamen
Erwägungen hält der Senat fest.
Mängel, die die Bekanntmachung des Vorhabens nach § 10 Abs. 3 und 4
BImSchG, die Erörterung der Einwendungen nach § 10 Abs. 6 BImSchG und/oder
die Bekanntgabe des Genehmigungsbescheids nach § 10 Abs. 7 und 8 BImSchG
und damit die Öffentlichkeitsbeteiligung im Sinne der oben genannten
Bestimmungen des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung bzw. der
entsprechenden Bestimmungen in Art. 6 Abs. 2 bis 6 und Art. 10a UVP-RL
betreffen, rügt der Kläger lediglich insoweit, als er vorträgt, die amtliche
Bekanntmachung des Vorhabens im Staatsanzeiger vom 27. November 2006
habe sich auf ein anderes Flurstück bezogen als im Genehmigungsbescheid
bezeichnet. Der Beklagte und die Beigeladene haben in diesem Zusammenhang
darauf hingewiesen, dass eine Wiederholung der Öffentlichkeitsbeteiligung wegen
zwischenzeitlicher Änderung der Flurstücksnummerierungen nach
Grundstücksteilung nicht erforderlich gewesen sei, da auch unter Zugrundelegung
der alten Bezeichnung der Anlagenstandort zu erkennen gewesen sei. Der
Standort der EBS-Anlage habe sich tatsächlich nicht geändert; die
Grundstücksbezeichnung sei bereits in der Öffentlichkeitsbeteiligung umfassend
erläutert worden. Da der Kläger dem nicht entgegengetreten ist, liegt ein
schwerwiegender Fehler bei der Öffentlichkeitsbeteiligung, der die
Rechtsverfolgung in erheblicher Weise einschränken oder schmälern konnte, nicht
vor.
Unabhängig von einer entsprechenden Rügebefugnis des Klägers in formeller
Hinsicht liegt auch ein Grund zur Besorgnis der Befangenheit der beteiligten
Mitarbeiter des Hessischen Landesamtes für Umwelt und Geologie (HLUG) nicht
vor.
Einen Grund zur Besorgnis der Befangenheit i. S. d. § 21 Abs. 1 HVwVfG sieht der
Kläger darin, dass die zuständigen Mitarbeiter des HLUG „mit der eigenmächtig
durchgeführten Ausbreitungsrechnung bei verkürzten Eingangsdaten“ alles daran
gesetzt hätten, ein aus ihrer Sicht offenbar bestehendes Genehmigungshindernis -
nämlich die Überschreitung des Irrelevanzwertes der TA Luft für NO
2
- zu Gunsten
der Beigeladenen zu umgehen. Dabei bezieht sich die Rüge des Klägers erkennbar
auf S. 130 ff. des Genehmigungsbescheids vom 29. Februar 2008, wo das
Regierungspräsidium erläutert hat, dass das HLUG entgegen den von der
Beigeladenen eingereichten Antragsunterlagen nicht von einer maximalen
Zusatzbelastung für Stickstoffdioxid von 1,9 μg/m
3
, sondern kleiner als 1 μg/m
3
ausgehe, mit der Folge, dass die Zusatzbelastung irrelevant sei. Dem
Genehmigungsbescheid sowie dem zu Grunde liegenden Schriftverkehr mit dem
HLUG vom 27. März 2007 und 16. April 2007 lässt sich entnehmen, dass die
unterschiedlichen Ergebnisse in der maximalen Zusatzbelastung für
Stickstoffdioxid daraus resultieren, dass in den Antragsunterlagen der
Beigeladenen die NO
2
-Konzentration mit 100 % angesetzt worden ist und das
HLUG demgegenüber entsprechend den ihm üblicherweise vorgelegten
Immissionsprognosen mit einem NO/NO
2
-Verhältnis von 80:20 oder 90:10
gerechnet hat.
Ein Grund, der geeignet ist, Misstrauen gegen eine unparteiische Amtsausübung
der Mitarbeiter des HLUG zu rechtfertigen, kann in dieser Vorgehensweise nicht
gesehen werden. Mit der von der vorgenannten Behörde durchgeführten
Nachberechnung auf der Grundlage der von ihr als realistisch betrachteten
Mengenverhältnisse von NO
2
und NO sind das HLUG und die
Genehmigungsbehörde lediglich ihrer Pflicht zur Sachverhaltsaufklärung nach § 24
HVwVfG nachgekommen, die sich nach § 24 Abs. 2 HVwVfG auch auf für den
Antragsteller günstige Umstände bezieht, die dieser ggf. übersehen oder zu
seinen Ungunsten falsch beurteilt hat.
97
98
99
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101
102
103
II. Materielle Rechtmäßigkeit des Bescheids
Auch in materieller Hinsicht stellt sich die Genehmigung vom 29. Februar 2008 -
jedenfalls soweit dadurch Rechtsvorschriften berührt sind, die Rechte Einzelner
begründen - als rechtmäßig dar.
Eine immissionsschutzrechtliche Genehmigung darf nach § 6 Abs.1 Nr. 1 BImSchG
nur dann erteilt werden, wenn sichergestellt ist, dass die sich aus § 5 BImSchG und
einer auf Grund des § 7 BImSchG erlassenen Rechtsverordnung ergebenden
Pflichten erfüllt werden. Die Vorschrift des § 5 Abs. 1 BImSchG verpflichtet den
Vorhabenträger u.a. dazu, die (genehmigungsbedürftige) Anlage so zu errichten
und zu betreiben, dass zur Gewährleistung eines hohen Schutzniveaus für die
Umwelt insgesamt schädliche Umwelteinwirkungen und sonstige Gefahren,
erhebliche Nachteile und erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit und die
Nachbarschaft nicht hervorgerufen werden können (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG) und
- insbesondere durch die dem Stand der Technik entsprechenden Maßnahmen -
Vorsorge gegen schädliche Umwelteinwirkungen und sonstige Gefahren,
erhebliche Nachteile und erhebliche Belästigungen zu treffen (§ 5 Abs. 1 Nr. 2
BImSchG).
Die Schutz- und Gefahrenabwehrpflicht des Vorhabenträgers nach § 5 Abs. 1 Nr. 1
BImSchG äußert zu Gunsten der von der Anlage betroffenen Nachbarn
drittschützende Wirkung. Der Drittschutz erstreckt sich auf sämtliche, die Schutz-
und Abwehrpflicht konkretisierenden Rechts- und Verwaltungsvorschriften,
insbesondere die Bestimmungen in Abschnitt 4 der TA Luft, die die Anforderungen
zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen präzisieren und konkretisieren
(vgl. dazu: Roßnagel in: Gemeinschaftskommentar zum Bundes-
Immissionsschutzgesetz, Stand: Dezember 2007, § 5 BImSchG, Rdnrn. 837 - 839,
m.w.N.). Die Vorsorgepflicht nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG hat demgegenüber
grundsätzlich keinen drittschützenden Charakter; etwas anderes gilt nur dann,
wenn in Rechts- und Verwaltungsvorschriften für bestimmte Stoffe keine die
Schutz- und Abwehrpflicht konkretisierenden Immissionswerte, sondern nur
entsprechende Vorsorgewerte festgelegt sind. Im letzteren Fall können
Drittbetroffene die Einhaltung der Vorsorgewerte als Ersatz für die fehlenden
Schutzwerte fordern (vgl. dazu: Jarass, a.a.O., § 5 BImSchG, Rdnr. 122, m.w.N.).
Unter Berücksichtigung dieser Rechtsgrundsätze kann der Kläger die Aufhebung
der Genehmigung vom 29. Februar 2008 nicht verlangen, denn die Einhaltung dem
Schutz Einzelner (Dritter) dienender Pflichten der Beigeladenen nach den oben
genannten Vorschriften ist sichergestellt.
a) Immissionsprognose
Soweit sich der Kläger unter Bezugnahme auf die von ihm vorgelegte
"Gutachtliche Stellungnahme zur Genehmigung der EBS-Anlage der B. im
Industriepark in Frankfurt" des Ingenieurbüros Umweltschutztechnik XY, ……….
vom 19. Mai 2009 - im Folgenden: Gutachten Y - auf methodische und inhaltliche
Mängel der von der Beigeladenen vorgelegten Immissionsprognose beruft, kann er
hiermit im vorliegenden Klageverfahren nicht mehr gehört werden. Im einzelnen
wird gerügt, bei der Prognose sei eine zu niedrige Jahresbetriebszeit angesetzt und
mit zu geringen Emissionskonzentrationen bei einer Reihe von Schadstoffen,
insbesondere Schwermetallen gerechnet worden (Abschnitt 5.1 des Gutachtens Y),
in der Immissionsprognose seien fehlerhaft vom Genehmigungsantrag
abweichende Emissionswerte angesetzt worden (Abschnitt 5.2) und die bei der
Berechnung mit dem Windfeldmodell AUSTAL2000 zu Grunde gelegte
Bodenrauhigkeit sei nicht nachvollziehbar (Abschnitt 5.3). In Abschnitt 5.4 seiner
Stellungnahme legt der Gutachter dar, es bestünden begründete Zweifel daran,
ob das Ausbreitungsmodell AUSTAL2000, das im Übrigen erheblich die zu
erwartenden Zusatzbelastungen am Standort mit sehr häufigen
Schwachwindwetterlagen und austauscharmen Wetterlagen unterschätze, für ein
Untersuchungsgebiet mit einem Radius von 4.000 m ausreichend validiert sei. Im
Rahmen der Immissionsprognose für den 70 m Schornstein sei unzulässigerweise
mit einer zu geringen Jahresbetriebszeit und zu geringen
Emissionskonzentrationen bei einer Reihe von Schadstoffen, insbesondere
Schwermetallen, gerechnet worden. In Verbindung mit dem zu niedrig angesetzten
Abgasvolumenstrom ergäben sich bei der Berechnung für den 70 m - Schornstein
Zusatzbelastungen, die die laut Genehmigungsbescheid zulässigen
Zusatzbelastungen erheblich unterschritten. Tatsächlich hätten im Rahmen der
104
105
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107
Zusatzbelastungen erheblich unterschritten. Tatsächlich hätten im Rahmen der
Immissionsprognose für den 70 m - Schornstein deutlich höhere
Zusatzbelastungen prognostiziert werden müssen als für den 80 m - Schornstein.
Hinzu komme, dass mit einer Rauhigkeitslänge gerechnet worden sei, die nicht
konservativ im Sinne der TA Luft sei. Insgesamt betrachtet würden die tatsächlich
bei einer maximalen Ausschöpfung der beantragten Emissionsgrenzwerte und der
beantragten Betriebszeit zu erwartenden Zusatzbelastungen unterschätzt.
Mit sämtlichen dieser Einwände ist der Kläger im Gerichtsverfahren gem. § 2 Abs.
3 des Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes ausgeschlossen, denn diese Rügen haben in
den Einwendungen des Klägers gegen das Vorhaben im Schreiben vom 18. Januar
2007 gegenüber der Genehmigungsbehörde keinen Niederschlag gefunden.
Die Vorschrift des § 2 Abs. 3 Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz bestimmt, dass eine
Vereinigung im Verfahren über den Rechtsbehelf mit allen Einwendungen
ausgeschlossen ist, die sie im Verfahren nach § 1 Abs. 1 nicht oder nach den
geltenden Rechtsvorschriften nicht rechtzeitig geltend gemacht hat, aber hätte
geltend machen können, sofern sie im Verfahren nach § 1 Abs. 1 Gelegenheit zur
Äußerung gehabt hat. Darin ist ein Verweis auf die Einwendungsfristen des jeweils
einschlägigen Verwaltungsverfahrens- bzw. Fachrechts zu erblicken (Ewer, Aktuelle
Neuregelungen im Verwaltungsprozessrecht, in: NJW 2007, 3171 [3175]). Nach §
10 Abs. 3 Satz 1 BImSchG hat die zuständige Behörde das Vorhaben in ihrem
amtlichen Veröffentlichungsblatt und außerdem entweder im Internet oder in
örtlichen Tageszeitungen, die im Bereich des Standortes der Anlage verbreitet
sind, öffentlich bekannt zu machen. Der Antrag und die Unterlagen - nach näherer
Maßgabe des § 10 Abs. 3 Satz 2 BImSchG - sind nach der Bekanntmachung einen
Monat zur Einsicht auszulegen; bis zwei Wochen nach Ablauf der Auslegungsfrist
kann die Öffentlichkeit gegenüber der zuständigen Behörde schriftlich
Einwendungen erheben (§ 10 Abs. 3 Satz 4 BImSchG). Mit Ablauf der
Einwendungsfrist sind nach § 10 Abs. 3 Satz 5 BImSchG alle Einwendungen
ausgeschlossen, die nicht auf besonderen privatrechtlichen Titeln beruhen.
In einem Einwendungsverfahren nach § 10 Abs. 3 Satz 4 BImSchG muss der
Einwender, will er sich die Möglichkeit offen halten, seine Rechte notfalls im
Klagewege geltend zu machen, im Rahmen der Betroffenenbeteiligung form- und
fristgerecht Einwendungen erheben (BVerwG, Beschluss vom 24.07.2008 - 7 B
19.08 -, AbfallR 2008, 262). Dabei muss das Vorbringen so konkret sein, dass die
Behörde erkennen kann, in welcher Weise sie bestimmte Belange einer näheren
Betrachtung unterziehen soll (ständige Rechtsprechung des BVerwG, Urteil vom
21.06.2006 - 9 A 28.05 -, BVerwGE 126, 166 [172]; Urteil vom 09.02.2005 - 9 A
62.03 -, NVwZ 2005, 813 m. w. N.). Dies gilt im Immissionsschutzrecht
gleichermaßen wie im Fachplanungsrecht (BVerwG, Beschluss vom 30.01.1995 - 7
B 20.95 -, Buchholz 406.25 § 10 BImSchG Nr. 3) und muss damit ebenso im
Rahmen des Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes gelten.
Eine thematisch begrenzte Äußerung im Rahmen einer Verfahrensbeteiligung
kann einzelne Einwendungen im späteren gerichtlichen Verfahren ausschließen
(Kment in: Hoppe, Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung, a.a.O.,
Vorbemerkung Rdnr. 64 m. w. N.). Ein anerkannter Naturschutzverein kann sich
die spätere Klagemöglichkeit nur insoweit offenhalten, als er im Rahmen seiner
Rügeobliegenheit zumindest Angaben dazu macht, welches Schutzgut durch das
geplante Vorhaben betroffen wird und welche Beeinträchtigungen ihm drohen. Je
umfangreicher und intensiver die vom Vorhabenträger bereits erfolgte
Begutachtung und fachliche Bewertung ausgearbeitet ist, umso intensiver muss
auch die Auseinandersetzung mit dem vorhandenen Material - gerade unter
naturschutzfachlichen Gesichtspunkten - ausfallen (vgl. zum
Einwendungsausschluss gem. § 61 Abs. 3 BNatSchG: BVerwG, Urteil vom
22.01.2004 - 4 A 4.03 -, UPR 2004, 266; Beschluss vom 12.04.2005 - 9 VR 41.04 -;
UPR 2006, 26, und vom 23.11.2007 - 9 B 38.07 -, juris). Dem Vorhabenträger und
der Genehmigungsbehörde muss aufgrund der Einwendungen eines
Naturschutzvereins hinreichend deutlich werden, aus welchen Gründen zu welchen
im Einzelnen zu behandelnden Fragen weiterer Untersuchungsbedarf besteht oder
einer Wertung nicht gefolgt werden kann (BVerwG, Urteil vom 01.04.2004 - 4 C
2.03 -, BVerwGE 120, 276; Urteil vom 22.01.2004 - 4 A 4.03 -, a.a.O.). Auch wenn
ein Verein in seinen Einwendungen Ermittlungsdefizite rügt, ist von ihm zu
verlangen, dass er diesen Vorwurf hinreichend substantiiert; ohne ein
substantiiertes „Gegenvorbringen“ verfehlt die Anhörung der anerkannten
Naturschutzvereine ihren Sinn (so ausdrücklich zum Einwendungsausschluss gem.
§ 61 Abs. 3 BNatSchG: Hess.VGH, Urteil vom 17.06.2008 - 11 C 1975/07.T -, NuR
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112
§ 61 Abs. 3 BNatSchG: Hess.VGH, Urteil vom 17.06.2008 - 11 C 1975/07.T -, NuR
2008, 785).
Ungeachtet der Tatsache, dass der Beklagte und die Beigeladene sich inhaltlich
mit den Einwänden des Klägers befasst haben, erfasst der Einwendungsausschluss
auch die Rügen des Klägers zur Fehlerhaftigkeit der (zwei) in den
Antragsunterlagen enthaltenen Immissionsprognosen bzw. zur fehlenden
Geeignetheit des dort verwendeten Rechenmodells. Diese Rügen hätte der Kläger
bereits im Genehmigungsverfahren erheben können und müssen. Zum Thema
Luftverschmutzung hat der Kläger im Schreiben vom 18. Januar 2007 zwar u.a.
eingewandt, Inversionswetterlagen würden in den Antragsunterlagen nicht
betrachtet. Die in den Antragsunterlagen enthaltenen Immissionsprognosen hat er
im vorbezeichneten Schreiben allerdings nicht substantiiert angegriffen. Die
nunmehr erhobenen Bedenken gegen das verwendete Prognosemodell
AUSTAL2000, die Einstellung zu geringer Jahresbetriebszeiten und
Emissionskonzentrationen sowie die Rechnung mit einer zu geringen
Rauhigkeitslänge finden damit in dem Einwendungsschreiben vom 18. Januar 2007
keine Entsprechung.
Abgesehen davon sind die Einwände des Klägers auch in der Sache nicht
berechtigt.
Die in der von der Beigeladenen überarbeiteten zweiten Immissionsprognose
berücksichtigte verminderte Jahresbetriebszeit von 7.750 Stunden pro Jahr
entspricht, wie der Beklagte in seinem Schriftsatz vom 16. Juni 2009 überzeugend
dargelegt hat, der realistisch zu erwartenden Auslastung der Anlage, die nicht für
den Dauerbetrieb vorgesehen und genehmigt ist und bei der zudem - anders als
im zuvor angenommenen Dauerbetrieb mit 8.760 Stunden pro Jahr - durch
Revisionen oder Betriebsstörungen verursachte Stillstandszeiten zu beachten sind.
Durch die Reduzierung der Jahresbetriebszeit werden auch die in der zweiten
Immissionsprognose für den 70 m-Schornstein angesetzten niedrigeren
Emissionswerte und die hierin prognostizierten geringeren Zusatzbelastungen
verständlich, auf die im Gutachten Y aufmerksam gemacht wird (Abschnitte 5.2
und 5.5, Seiten 22, 31). Die Rüge, bei der Verwendung von AUSTAL2000 sei mit
einer der gemischten Industrie-, Gewerbe- und Wohnbebauung nicht
entsprechenden Bodenrauhigkeit gerechnet worden (Abschnitt 5.3, S. 22 f.),
entbehrt der Grundlage. Die erhöhte Rauhigkeit aufgrund der Gebäude in
Anlagennähe wurde - wie von dem Beklagten in seinem Schriftsatz vom 16. Juni
2009 überzeugend ausgeführt - auf der Basis einer Rauhigkeitslänge von 0,5 m
durch die explizite Berücksichtigung dieser Gebäude bei der Immissionsprognose
berücksichtigt. Die weiteren Einwände gegen die ausreichende Validierung von
AUSTAL2000 und seiner Eignung zur Bewältigung von Ausbreitungsrechnungen bei
höher gelegenen Emissionsquellen mit größerem Einwirkungsbereich beschränken
sich auf allgemein gehaltene Bedenken gegen die Tauglichkeit des eingesetzten
Rechenmodells, mit dem die Richtigkeit der durchgeführten Berechnungen nicht in
Zweifel gezogen werden kann. Der Betreiber genügt seiner Verpflichtung zur
prognostischen Abschätzung der von der Anlage ausgehenden Immissionen
grundsätzlich durch die Verwendung eines den technischen und rechtlichen
Anforderungen der TA Luft entsprechenden und anerkannten
Ausbreitungsmodells. Zum Einsatz eines bestimmten Modells ist er ebenso wenig
verpflichtet wie zur Überprüfung der bei der Berechnung mit Hilfe eines Modells
gewonnenen Ergebnisse durch ein anderes Modell (Hess. VGH, Urteil vom
07.05.2009 - 6 C 1142/07.T -, juris).
b) Einhaltung von NO
2
-Immissions- und Grenzwerten
Soweit mit der Klage geltend gemacht wird, von der genehmigten Anlage gingen
unzulässig hohe Zusatzbelastungen mit Stickstoffdioxid aus, ist der Kläger mit
diesem Vorbringen in gleicher Weise präkludiert wie mit seinen gegen die
Immissionsprognose der Beigeladenen erhobenen (allgemeinen) Einwänden. In
seinem Schreiben vom 18. Januar 2007 an die Genehmigungsbehörde hat sich der
Kläger im Kapitel "B. Luftverschmutzung" unter Nr. 1 lediglich pauschal auf die
nach seiner Auffassung in den Antragsunterlagen nicht ausreichend beachtete
Vorbelastung des geplanten Standorts mit Schadstoffen berufen und hat darauf
hingewiesen, das Vorhaben stehe den Forderungen des Luftreinhalteplans für den
Ballungsraum Rhein-Main nach Reduktion der Luftbelastung entgegen. Die
nunmehr auf der Basis der in der Immissionsprognose der Beigeladenen
berechneten maximalen NO
2
- Zusatzbelastung erhobene Rüge, die mit dem
Ausstoß von Stickstoffdioxid durch die Anlage verbundene dauerhafte
113
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115
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117
Ausstoß von Stickstoffdioxid durch die Anlage verbundene dauerhafte
Überschreitung des in § 3 Abs. 4 der 22. BImSchV enthaltenen
Immissionsgrenzwertes von 40 μg/m
3
NO
2
im Einwirkungsbereich der Anlage sei
ebenso unzulässig wie die Überschreitung des NO
2
-Immissionswertes nach Nr.
4.2.1 TA Luft, lässt sich den Ausführungen im Schreiben vom 18. Januar 2007 nicht
einmal andeutungsweise entnehmen. Die an späterer Stelle (Abschnitt B, Nr. 2)
formulierte Forderung, dass bei NO
2
nicht der nach der 22. BImSchV für 2006
geltende Grenzwert, sondern der für 2007 geltende niedrigere Grenzwert
heranzuziehen sei, hat zu den mit der Klage erstmals erhobenen Rügen bezüglich
einer überhöhten Zusatzbelastung mit Stickstoffdioxid keinen unmittelbaren
Bezug.
Selbst wenn man aber davon ausginge, dass mit dem Vorbringen im Schreiben
vom 18. Januar 2007 den Anforderungen an eine ausreichende Substantiierung
der oben genannten Einwendungen (noch) entsprochen würde, wären diese
Einwände jedenfalls in der Sache unberechtigt. Entgegen der Ansicht des Klägers
steht der Erteilung der Genehmigung weder die Verletzung der Schutzpflicht nach
§ 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG durch schädliche Umwelteinwirkungen in Form
überhöhter Belastungen mit Stickstoffoxiden entgegen noch die Missachtung des
Immissionsgrenzwerts für Stickstoffdioxid nach § 3 Abs. 4 der 22. BImSchV.
Für eine unzulässige, weil den Jahres-Immissionswert der TA Luft zum Schutz der
menschlichen Gesundheit nach Nr. 4.2.1, Tabelle 1, von 40 μg/m
3
überschreitende und als solche nicht genehmigungsfähige Belastung mit
Stickstoffdioxid (NO
2
) ist nichts ersichtlich. Nach der für den Senat erkennbaren
Sachlage unterschreitet die NO
2
-Zusatzbelastung des Beurteilungsgebiets die
Grenze, die in Nr. 4.2.2, Satz 1 Buchst. a) TA Luft für irrelevante Zusatzbeiträge
luftverunreinigender Stoffe nach Nr. Nr. 4.2.1, Tabelle 1 TA Luft bestimmt ist.
Die oben genannte Bestimmung schreibt vor, dass trotz der Überschreitung eines
Immissionswertes nach Tabelle 1 durch die Gesamtbelastung (Nr. 4.7.1 TA Luft)
mit einem in Nr. 4.2.1 genannten luftverunreinigenden Stoff an einem
Beurteilungspunkt die Genehmigung wegen dieser Überschreitung nicht versagt
werden darf, wenn hinsichtlich dieses Schadstoffs die Kenngröße für die
Zusatzbelastung durch die Emissionen der Anlage an diesem Beurteilungspunkt
3,0 v.H. des Immissions-Jahreswertes nach Tabelle 1 nicht überschreitet und durch
eine Auflage sichergestellt ist, dass weitere Maßnahmen zur Luftreinhaltung,
insbesondere Maßnahmen, die über den Stand der Technik hinausgehen,
durchgeführt werden. Ergibt die Immissionsprognose bei einem Luftschadstoff für
das gesamte Beurteilungsgebiet eine irrelevante Zusatzbelastung, entfällt für
diesen Stoff im Regelfall die Verpflichtung zur Ermittlung der Kenngrößen für die
Vor- und die Gesamtbelastung (Nr. 4.1 Satz 4 Buchst. c) TA Luft). In diesen Fällen
wird grundsätzlich davon ausgegangen, dass eine Überschreitung der
Immissionswerte durch den Betrieb der Anlage auszuschließen ist bzw. dass von
der Anlage kein relevanter Beitrag zur Immissionsbelastung geleistet wird (Nr. 4.1
Satz 5 TA Luft).
Die Voraussetzungen, unter denen nach den vorgenannten Bestimmungen der TA
Luft die Ermittlung der Gesamtbelastung durch einen Luftschadstoff unterbleiben
kann und die Zusatzbelastung mit diesem Stoff durch den Betrieb der Anlage
ungeachtet einer womöglich hohen Vorbelastung für die Erteilung der
immissionsschutzrechtlichen Genehmigung ohne Bedeutung ist, liegen bezüglich
der zu erwartenden Einträge mit Stickstoffdioxid vor. Der für NO
2
geltende
(Jahres-) Irrelevanzwert von 1,2 μg/m
3
(3 % von 40 μg/m
3
) wird nach den
vorliegenden Gegebenheiten im gesamten Beurteilungsgebiet deutlich
unterschritten.
Zwar wurde durch die von der Beigeladenen mit dem Antrag vorgelegte
Immissionsprognose vom 11. Oktober 2006 (vgl. Tabelle auf Seite 13) eine
Zusatzbelastung von 1,9 μg/m
3
(Schornsteinhöhe: 80 m) bzw. 1,8 μg/m
3
(Schornsteinhöhe: 70 m) berechnet. Dieser Wert wurde durch die
Genehmigungsbehörde ohne erkennbaren Rechtsfehler außer Betracht gelassen,
denn die Ersteller der Immissionsprognose sind bei der Berechnung von der
Annahme ausgegangen, dass durch die Anlage Stickoxide ausschließlich in Form
von Stickstoffdioxid emittiert werden. Dies entspricht nicht dem in der
Immissionsprognose (vgl. Seite 7, letzter Absatz) selbst gewählten Ansatz, den in
die Ausbreitungsrechnung einfließenden Emissionswert (höchstmöglich) mit den
118
119
120
die Ausbreitungsrechnung einfließenden Emissionswert (höchstmöglich) mit den
bei Ausnutzung des Grenzwertes in § 5 Abs. 1 Nr. 1 der 17. BImSchV
entstehenden Emissionen zu berücksichtigen. Der in der vorgenannten
Bestimmung geregelte Grenzwert knüpft an die Gesamtmasse der emittierten
Stickoxide (NO
x
) an, nicht an die Emission von Stickstoffdioxid. Im Hinblick hierauf
geht auch der in der Klagebegründung und in dem Gutachten Y (Abschnitt 6.2
Seite 33, vorletzter Absatz) erhobene Einwand, es müsse, weil der
Genehmigungsbescheid "eine Emission von 100% NO
2
am Schornstein zulasse",
mit diesem Wert gerechnet werden, fehl. Durch die Nebenbestimmung in Nr. 8.3.2
des Genehmigungsbescheides, dass die Emissionsgrenzwerte gemäß § 5 Abs. 1
der 17. BImSchV immer einzuhalten sind, wird der Beigeladenen eine
Gesamtemission von Stickoxiden (NO
x
) von im Tagesmittel maximal 200 mg/m
3
ermöglicht. Der vorgenannte Grenzwert bezieht sich folglich nicht auf
Stickstoffdioxid. Ein 100%-Ausstoß von NO
2
ist im Übrigen weder als
Berechnungsparameter von der TA Luft vorgegeben - diese enthält bezüglich des
anzusetzenden Anteils von NO
2
bzw. des Mischungsverhältnisses zwischen NO,
NO
2
und anderen Stickoxiden (NO
x
) keine Vorgaben -, noch entspricht die
Emission von Stickoxiden vollständig in der Form von NO
2
dem üblichen
Betriebszustand bei Großfeuerungsanlagen der vorliegenden Art.
Wie das HLUG in seiner Stellungnahme vom 23. März 2007 dargelegt hat, liegen
Stickstoffoxide an der Schornsteineinmündung regelmäßig nicht als (reines) NO
2
,
sondern als NO-NO
2
-Gemisch vor. Erst durch den Zutritt weiteren Sauerstoffs
nach dem Ausstoß vergrößert sich der Anteil des Stickstoffdioxids, wobei sein
Anteil in Immissionsberechnungen der hier maßgeblichen Art auf 10 % bis 20 %
angesetzt werde.
Das HLUG hat, wie von ihm in einer weiteren Stellungnahme vom 16. April 2007 im
Einzelnen dargelegt wird, auf der Basis des von ihm als wirklichkeitsnah
betrachteten Mischungsverhältnisses von 10 % NO
2
und 90 % NO - dies
entspricht bei der nach Nr. 8.3.2 des Bescheides in Verbindung mit § 5 Abs. 1 Nr. 1
Buchst. f) der 17. BImSchV genehmigten Gesamtemission von 200 mg/m
3
NO
x
einer Masse von 117 mg NO und 20 mg NO
2
- eine Zusatzbelastung von 0,3 μg/m
3
errechnet. Für das gleichfalls in der Bandbreite der wahrscheinlichen
Zusammensetzung liegende Mischungsverhältnis von 20 % NO
2
und 80 % NO -
hierbei handelt es sich um die beim bestimmungsgemäßem Betrieb für die
Luftreinhaltung ungünstigsten Betriebsbedingungen im Sinne der im Gutachten Y
an der oben genannten Stelle zitierten Bestimmung in Anhang 3 Nr. 2 Abs. 2 der
TA Luft - wird in der erwähnten Stellungnahme vom 16. April 2007 zwar noch kein
konkreter Rechenwert genannt, die im gerichtlichen Verfahren nachgereichten
Testrechnungen des HLUG ergeben aber für das Mischungsverhältnis 20 % NO
2
und 80 % NO eine maximale Zusatzbelastung von 0,44 μg/m
3
. Gegen diese von
der Genehmigungsbehörde in ihrem Bescheid (vgl. S. 130 f.) vollinhaltlich
übernommene Bewertung bestehen keine rechtlichen Bedenken. Das
Erfahrungswissen beteiligter Fachbehörden ist, auch wenn dieses sich nicht in der
TA Luft, VDI-Richtlinien oder sonstigen Vorschriften niedergeschlagen hat, bei der
Prüfung der Genehmigungsvoraussetzungen nach § 5 Abs. 1 BImSchG zu
beachten (vgl. BVerwG, Urteil vom 14. 02.1978 - 1 C 102.76 -, NJW 1978, 1450
[1451]).
Dass der von dem HLUG auf der Basis eines Mischungsverhältnisses von 20 % NO
2
und 80 % NO ermittelte Wert der Zusatzbelastung mit NO
2
von 0,44 μg/m
3
einen Anteil von 1 v.H. des NO
2
-Immissionswertes von 40 μg/m
3
nach Tabelle 1
der TA Luft überschreitet, ist entgegen der Rechtsauffassung des Klägers ohne
rechtliche Bedeutung. Der Kläger zielt mit seinem dementsprechenden Hinweis
auf die Empfehlung des Länderausschusses für Immissionsschutz (LAI) -
Unterausschüsse Luft/Technik und Luft/Überwachung - vom 21./22. September
2004 ab. Danach kann bei der Anwendung von Nr. 4.2.2 TA Luft grundsätzlich "bei
der Verhältnismäßigkeitsüberprüfung davon ausgegangen werden, dass bei einer
Zusatzbelastung von maximal 1 % des Immissions-Jahreswertes keine über den
Stand der Technik hinausgehenden Maßnahmen zur Luftreinhaltung mehr
gefordert werden können, da dann der Aufwand für die sich dann ergebende
Minderung des Massenstroms nicht mehr verhältnismäßig ist". Die Regelung in Nr.
4.2.2 TA Luft ist indessen im vorliegenden Fall bezüglich der zu erwartenden
Stickstoffdioxidbelastung nicht anwendbar, denn die NO
2
- Zusatzbelastung
121
122
123
Stickstoffdioxidbelastung nicht anwendbar, denn die NO
2
- Zusatzbelastung
bewegt sich im gesamten Beurteilungsgebiet unterhalb der Irrelevanzschwelle.
Nach Nr. 4.1 Satz 4 Buchst. c TA Luft ist der Belastungsbeitrag folglich ohne
Rücksicht auf die Ermittlung der Kenngrößen für die Vor- und Gesamtbelastung
irrelevant, da davon ausgegangen wird, dass durch diese durchgängig irrelevante
Zusatzbelastung per se kein relevanter Beitrag zur Luftbelastung im
Beurteilungsgebiet geleistet wird (Nr. 4.1 Satz 5 TA Luft).
Der angegriffenen Genehmigung steht zudem nicht - wie vom Kläger unter Punkt
3.2.1. der Klagebegründung vom 14. Juli 2008 gerügt - eine Überschreitung des in
§ 3 Abs. 4 der 22. BImSchV festgelegten Immissionsgrenzwertes von 40 μg/m
3
NO
2
entgegen. Dieser Grenzwert ist für das hier vorliegende Verfahren schon
deshalb nicht von Bedeutung, weil der in der vorgenannten Bestimmung zum
Schutz der menschlichen Gesundheit festgelegte Immissionsgrenzwert erst ab 1.
Januar 2010 einzuhalten ist und die Regelung in Bezug auf die Erteilung
immissionsschutzrechtlicher Genehmigungen keine rechtlichen Vorwirkungen
äußert (Hess. VGH, Urteil vom 24.09.2008 - 6 C 1600/07.T -, DVBl. 2009, 186
[189]). Für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des angefochtenen
Genehmigungsbescheides - maßgeblicher Zeitpunkt ist der der behördlichen
Entscheidung am 29. Februar 2008 (vgl. BVerwG, Beschluss vom 11.01.1991 - 7 B
102.90 -, Buchholz 406.25 § 4 BImSchG Nr. 5) - könnte folglich allenfalls der
gemäß § 3 Abs. 5 in Verbindung mit Abs. 4 der 22. BImSchV für das Jahr 2008
geltende Grenzwert von 44 μg/m
3
NO
2
bedeutsam sein.Dieser
Immissionsgrenzwert wurde im Jahre 2007 in dem hier maßgeblichen
Ballungsraum Rhein-Main (vgl. § 9 Abs. 2 Satz 1 der 22. BImSchV) an
verschiedenen Messstationen, darunter auch an der Messstation Frankfurt-Höchst,
mit einem Jahresmittelwert von 47 μg/m
3
NO
2
, überschritten (vgl.
Lufthygienischer Jahresbericht 2007 des Hessischen Landesamtes für Umwelt und
Geologie, S. 6). Diese Überschreitung des Immissionsgrenzwertes ist für die
Rechtmäßigkeit der erteilten Genehmigung indessen nicht relevant.
Der Kläger weist zwar zu Recht darauf hin, dass weder die Richtlinie 96/62/EG des
Rates vom 27. September 1996 über die Beurteilung und die Kontrolle der
Luftqualität (ABl. L. 296 vom 21.11.1996, S. 55) noch die hierzu ergangene
„Tochterrichtlinie“ 1999/30/EG des Rates vom 22. April 1999 über Grenzwerte für
Schwefeldioxid, Stickstoffdioxid und Stickstoffoxide, Partikel und Blei in der Luft
(ABl. L. 163 vom 29.06.1999, S. 41) oder die zur Umsetzung der vorgenannten
Richtlinien erlassene 22. BImSchV Ausnahmen von den Grenzwerten für die
vorgenannten Luftschadstoffe vorsehen. Die Einhaltung der Grenzwerte der 22.
BImSchV ist indessen keine Voraussetzung für die Erteilung einer
immissionsschutzrechtlichen Genehmigung für eine Anlage, die - wie die
vorliegende - durch ihre Emissionen zu der Schadstoffbelastung in dem durch die
Überschreitung des Grenzwertes betroffenen Gebiet beitragen wird.
Die oben genannten Luftqualitätsrichtlinien der EG und die 22. BImSchV richten
sich nicht an die Anlagenbetreiber, sondern an die Mitgliedstaaten bzw. an die
Behörden, denen zur Erreichung bestimmter Ziele zur Luftreinhaltung Pflichten
auferlegt werden. Zu diesem Zweck werden Immissionsgrenzwerte,
Toleranzmargen und Alarmschwellen festgelegt. Um zu erreichen, dass die
Immissionsgrenzwerte und Alarmschwellen nicht überschritten werden, müssen
die Mitgliedstaaten bzw. die zuständigen Behörden Luftreinhalte- und Aktionspläne
aufstellen oder andere Maßnahmen ergreifen. Ein auf die Verminderung von
Stickstoffoxiden oder Stickstoffdioxid im Ballungsraum Rhein-Main oder im Gebiet
der Stadt B-Stadt abzielender Aktionsplan nach § 47 Abs. 2 BImSchG bestand zu
dem hier maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses des Genehmigungsbescheides
nicht. Der Aktionsplan für die Stadt B-Stadt vom 25. Oktober 2005 beinhaltete -
anders als der im August 2008 erlassene Aktionsplan B-Stadt 2008 - lediglich
konkrete Maßnahmen zur Reduzierung des Feinstaubs (PM10). Es besteht
entgegen der Rechtsauffassung des Klägers aber keine Verpflichtung der Behörde,
in Ermangelung eines Aktionsplans die Einhaltung der Grenzwerte
vorhabenbezogen durch Versagung einer immissionsschutzrechtlichen
Genehmigung sicherzustellen. Die Grenzwerte stehen in unmittelbarem
Zusammenhang mit dem in Umsetzung der gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben
normierten System der Luftreinhalteplanung in Form eines abgestuften
Regelungsmechanismus, der Grenzwertüberschreitungen
immissionsquellenunabhängig begegnen soll. Zwar werden hierdurch - wie die
Formulierung des § 45 Abs. 1 Satz 2 BImSchG zeigt - auf Einhaltung der
Grenzwerte gerichtete Maßnahmen außerhalb der Luftreinhalteplanung nicht
124
125
126
Grenzwerte gerichtete Maßnahmen außerhalb der Luftreinhalteplanung nicht
ausgeschlossen, auf die in Ermangelung eines Aktionsplans zur Abwehr von
Gesundheitsgefahren ggf. auch ein Anspruch Dritter bestehen kann. Die durch das
Gemeinschaftsrecht gewährte Freiheit der Wahl zwischen den zur Einhaltung der
Grenzwerte geeigneten Mitteln, die auch durch die Regelungen des Bundes-
Immissionsschutzgesetzes und der 22. BImSchV nicht beschränkt wird, gilt jedoch
auch insoweit und schließt eine Verpflichtung der Behörde, die Einhaltung der
Grenzwerte vorhabenbezogen zu garantieren, aus (BVerwG, Urteile vom
26.05.2004 - 9 A 6.03 -, BVerwGE 121, 57 [61] und vom 27.09.2007 - 7 C 36.07 -,
BVerwGE 129, 296).
Ein Zusammenhang zwischen den EG-Luftreinhalterichtlinien bzw. der 22.
BImSchV und den Genehmigungsvorschriften des nationalen Rechts einschließlich
der diese Bestimmungen konkretisierenden Regelungen der TA Luft besteht
lediglich insoweit, als auf dieser Grundlage keine Luftverunreinigungen zugelassen
werden dürfen, deren Vermeidung nach den EG-Richtlinien und der 22. BImSchV
gerade sicherzustellen ist. Deshalb darf zwischen den Immissionswerten der TA
Luft und den Grenzwerten der Richtlinien und der 22. BImSchV kein Widerspruch
auftreten. Ein solcher Widerspruch besteht auch nicht, denn die Grenzwerte aus
den oben genannten Luftqualitätsrichtlinien wurden - mit Ausnahme des Wertes
für Kohlenmonoxid - in gleicher Höhe, mit denselben Bezugszeiträumen und mit
denselben zulässigen Überschreitungshäufigkeiten in die TA Luft übernommen
(vgl. dazu: Hansmann in Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Band II, Stand: August
2002, 3.2 TA Luft Vorb. Rdnr. 17; derselbe in: NVwZ 2003, 266 [267]; Jarass,
Luftqualitätsrichtlinien der EU und die Novellierung des Immissionsschutzrechts, in:
NVwZ 2003, 257 [263]). Durch die Kongruenz der Immissionswerte der TA Luft und
der Grenzwerte der 22. BImSchV ist grundsätzlich sichergestellt, dass durch die
Erteilung der Genehmigung das mit den EG-Richtlinien und der 22. BImSchV
verfolgte Ziel der Einhaltung der Immissionsgrenzwerte nicht gefährdet wird. Dies
gilt auch für die Anwendung der in der TA Luft enthaltenen Irrelevanz- und
Bagatellgrenzen. Bedenken gegen die Europarechtskonformität dieser
Irrelevanzgrenzen bestehen mit Rücksicht darauf, dass durch die EG-
Luftreinhalterichtlinien nur signifikante Luftverunreinigungen erfasst werden sollen,
nicht. Damit ist für die Beurteilung der Genehmigungsvoraussetzungen für
immissionsschutzrechtlich genehmigungsbedürftige Anlagen nach wie vor - allein -
auf die Genehmigungsvorschriften des Bundes-Immissionsschutzgesetzes
einschließlich der normkonkretisierenden Bestimmungen der TA Luft und damit
grundsätzlich auch auf die darin geregelten Bagatell- und Irrelevanzregelungen
abzustellen (Hess. VGH, Urteil vom 24.09.2008 - 6 C 1600/07.T -, a.a.O., mit
weiteren Nachweisen).
Ein Anspruch des Betreibers auf Genehmigungserteilung besteht nach § 6 Abs. 1
BImSchG unter der Voraussetzung, dass sichergestellt ist, dass die sich aus § 5
BImSchG und einer auf Grund des § 7 BImSchG erlassenen Rechtsverordnung
ergebenden Pflichten erfüllt werden, und andere öffentlich-rechtliche Vorschriften
und Belange des Arbeitsschutzes der Errichtung und dem Betrieb der Anlage nicht
entgegenstehen. Da die Vorschriften der 22. BImSchV keine Pflichten des
Anlagenbetreibers normieren und vorhabenbezogene Anforderungen aus einem
Luftreinhalte- oder Aktionsplan nach § 47 Abs. 1 bzw. 2 BImSchG als sonstige
öffentlich-rechtliche Vorschriften im Sinne von § 6 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG fehlen,
richtet sich die Erfüllung der Schutz- und Vorsorgepflichten des Anlagenbetreibers
allein nach § 5 BImSchG und nach den zur Konkretisierung dieser Pflichten
erlassenen Bestimmungen der TA Luft. Ist den dort geregelten Anforderungen -
wie im vorliegenden Fall - genügt, hat die zuständige Behörde die Genehmigung
auch dann zu erteilen, wenn durch den Betrieb der Anlage ein zusätzlicher Beitrag
zu der überhöhten Belastung des Gebiets durch einen von der 22. BImSchV
erfassten Schadstoff geleistet wird.
Für die weitergehende, letztlich zu einem vollständigen Genehmigungsstopp
führende Forderung des Klägers, bei festgestellten Überschreitungen des
Immissionsgrenzwertes dürften keinerlei weitere Zusatzbelastungen mit dem
betreffenden Schadstoff zugelassen werden, besteht folglich auch mit Blick auf das
Europarecht keine Grundlage. Die Sichtweise des Klägers entspricht auch nicht der
Auffassung der Europäischen Kommission. Diese hat in einer Antwort auf die
schriftliche Anfrage von Abgeordneten der Fraktion Verts/ALE (E-2866/07DE) - Bl.
1345 ff. der Behördenakten - betont, dass sie in der beabsichtigten Zulassung
weiterer Belastungen mit Stickstoffdioxid durch Anlagen in Frankfurt-Höchst keine
Zuwiderhandlung gegen das Minimierungsgebot in der Richtlinie 1999/30/EG sieht.
Im Einzelnen wird hierzu ausgeführt:
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"Eine weitere Verschmutzung lässt sich bisweilen nicht vermeiden, weil der
sozioökonomische Fortschritt und sogar Maßnahmen zur Verbesserung des
betrieblichen Umweltschutzes neue Emissionen erzeugen können (so kann die
Verbrennung von Abfällen die Umweltbelastung durch Geländeauffüllung
wesentlich verringern und als Energiequelle genutzt werden)."
Eine strengere Behandlung minimaler Belastungsbeiträge im nationalen Recht
anderer Mitgliedstaaten - wie sie der Kläger unter Hinweis auf eine Entscheidung
des niederländischen Staatsrats für die Niederlande behauptet - ist, da allein auf
das deutsche Recht abzustellen ist, ohne Relevanz.
Über eventuelle nachträgliche Anforderungen an den Betrieb der Anlage ist ggf.
nach Erlass eines Aktionsplanes im Rahmen eines integrierten, den
Verursachungsbeiträgen der verschiedenen Emittenten entsprechenden Konzepts
zu entscheiden. Dem hat die Genehmigungsbehörde durch die Bedingung in Nr.
8.3.1 des Bescheides hinreichend Rechnung getragen.
c) Nichteinhaltung des Benzo(a)pyren
Die mit der Klage erhobene weitere Rüge, durch die von der Anlage ausgehenden
Schadstoffbelastungen werde der Zielwert für Benzo(a)pyren gem. § 15 der 22.
BImSchV von 1 ng/m
3
als über ein Kalenderjahr gemittelter Gesamtgehalt in der
PM10-Fraktion verfehlt, ist ebenfalls von dem Einwendungsausschluss nach § 2
Abs. 3 Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz umfasst. In dem Schreiben des Klägers vom
18. Januar 2007 an die Genehmigungsbehörde findet der jetzt beanstandete
Verstoß gegen die Zielwertbestimmung in § 15 der 22. BImSchV durch überhöhten
Schadstoffeintrag mit Benzo(a)pyren keine Erwähnung, obwohl sich die von dem
Kläger zur Begründung seiner diesbezüglichen Beanstandungen herangezogenen
Daten vollständig aus der mit dem Genehmigungsantrag vorgelegten
Immissionsprognose ergeben.
Im Übrigen hätte die Rüge des Klägers auch in der Sache keinen Erfolg.
Für die Rechtmäßigkeit des Genehmigungsbescheides ist die von dem Kläger
(Punkt 3.2.2 der Klagebegründung vom 14.07.2008) problematisierte Einhaltung
des Zielwertes nach § 15 der 22. BImSchV irrelevant. Es kommt deshalb nicht
entscheidend darauf an, ob die Genehmigungsbehörde auf der Basis der
vorgelegten Immissionsprognose zu Recht eine maximale Zusatzbelastung für
Benzo(a)pyren von 0,39 ng/m
3
zu Grunde gelegt und auf Grund der
Vorbelastungssituation eine Gesamtkonzentration von 1,09 ng/m
3
errechnet hat.
Ebenso wenig muss der Frage nachgegangen werden, ob dieser Wert durch
Rundung entsprechend Nr. 2.9 der TA Luft auf einen dem Zielwert der 22.
BImSchV entsprechenden Wert zu reduzieren ist.
Abgesehen davon, dass § 16 Abs. 1 der 22. BImSchV die Einhaltung der Zielwerte
erst ab dem 31. Dezember 2012 vorschreibt, werden durch § 15 der 22. BImSchV
keine für die Errichtung und den Betrieb immissionsschutzrechtlich
genehmigungsbedürftiger Anlagen verbindlichen Grenz- oder Richtwerte normiert.
Die Festlegung der Zielwerte für verschiedene Schadstoffe in der vorgenannten
Bestimmung erfolgte durch die Erste Änderungsverordnung vom 27. Februar 2007
(BGBl. I S. 241) zur Umsetzung der Richtlinie 2004/107/EG des Europäischen
Parlaments und des Rates vom 15. Dezember 2004 über Arsen, Kadmium,
Quecksilber, Nickel und polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe in der Luft
(ABl. 2005 L 23 S. 3). In den Erwägungsgründen 5 und 6 der vorgenannten
Richtlinie wird darauf hingewiesen, dass es sich bei den Zielwerten um
ausschließlich an die Mitgliedsstaaten gerichtete Vorgaben mit der Verpflichtung
handelt, sämtliche unter Kostengesichtspunkten verhältnismäßige und effiziente
Maßnahmen zur Erreichung der Belastungsgrenzen zu ergreifen, nicht jedoch um
Umweltqualitätsnormen im Sinne von Art. 2 Nr. 7 der Richtlinie 96/61/EG, die nach
Art. 10 dieser Richtlinie strengere Auflagen als die erfordern, die unter Einsatz der
besten verfügbaren Techniken zu erfüllen sind. In der Begründung zur Ersten
Änderungsverordnung zur 22. BImSchV (BT-Drucks. 16/574, S. 17) wird unter
Bezug auf die erwähnten Erwägungen ergänzend klargestellt, dass es sich bei den
Zielwerten nicht um durch Richtlinien der Europäischen Gemeinschaften
bestimmte Grenzwerte zum Schutz der menschlichen Gesundheit u.a. für
Polyzyklische Aromatische Kohlenwasserstoffe handelt, die nach Nr. 4.2.1 Satz 2
TA Luft mit Umsetzung in deutsches Recht als Immissionswerte im Sinne von Nr.
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TA Luft mit Umsetzung in deutsches Recht als Immissionswerte im Sinne von Nr.
4.2.1 TA Luft gelten. Wie die Immissionsgrenzwerte nach §§ 3 bis 7 der 22.
BImSchV sind auch die Zielwerte gemäß § 15 der 22. BImSchV in das in
Umsetzung der gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben normierte System der
Luftreinhalteplanung eingebettet, das dem Grundsatz nach nicht
vorhabenbezogen, sondern quellenunabhängig ausgerichtet ist. Auch insoweit gibt
es grundsätzlich keine Verpflichtung der zuständigen Behörden, die Erreichung der
Zielwerte durch auf bestimmte Vorhaben bezogene Maßnahmen oder durch
Versagung einer Genehmigung zu garantieren.
Für den Betreiber einer Abfallverbrennungsanlage sind bezüglich seiner für die
Erteilung der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung nach § 6 BImSchG
maßgeblichen Pflichten nach § 5 BImSchG in Folge dessen allein die
Emissionsgrenzwerte der 17. BImSchV als Ausfluss der Forderung nach Einsatz der
nach gegenwärtigem Stand zur Reduzierung von Schadstoffen verfügbaren besten
Technik maßgeblich. Wird dem Betreiber einer Abfallverbrennungsanlage - wie hier
in Nr. 8.3.2 des Genehmigungsbescheides geschehen - die Einhaltung der
Grenzwerte nach der 17. BImSchV aufgegeben, ist grundsätzlich nicht nur dem
Vorsorgegebot nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG, sondern in aller Regel auch der
Schutzpflicht des Betreibers nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG genügt (vgl. BVerwG,
Beschluss vom 10.06.1998 - 7 B 25.98 -, Buchholz 406.25 § 5 BImSchG Nr. 24).
Bedenken daran, dass der für die vorliegende Anlage festgelegte, u.a. für
Benzo(a)pyren geltende Summengrenzwert nach § 5 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. c) der
17. BImSchV eingehalten werden wird, sind von dem Kläger nicht vorgetragen
worden und sind auch im Übrigen nicht ersichtlich.
Ihrer aus § 16 Abs. 2 der 22. BImSchV folgenden Verpflichtung zur Ergreifung
geeigneter Maßnahmen zur Verhinderung einer Überschreitung der Zielwerte nach
der 22. BImSchV ist die Genehmigungsbehörde durch Beifügung der
Nebenbestimmung in Nr. 8.2.26 des Genehmigungsbescheides hinreichend
nachgekommen.
d) Sonderfallprüfung für Chrom VI
Mit seinem unter Bezug auf Punkt 9 des Gutachtens Y erhobenen Vorwurf, die im
Rahmen der Immissionsprognose in der Umweltverträglichkeitsuntersuchung für
den 80 m-Schornstein angegebene Zusatzbelastung mit Chrom VI sei nicht
nachvollziehbar und es sei - mit der Notwendigkeit einer Sonderfallprüfung - zu
befürchten, dass bei einer korrekten Berechnung der Zusatzbelastungen die
Irrelevanzschwelle des LAI für Chrom VI von 0,051ng/m
3
überschritten werde, ist
der Kläger präkludiert. Seine diesbezüglichen auf den Inhalt der Antragsunterlagen
bezogenen Einwendungen hätte der Kläger bereits im Verlauf der Einwendungsfrist
gelten machen können und müssen; da sie sich thematisch den mit Schreiben
vom 18. Januar 2007 erhobenen Einwendungen nicht zuordnen lassen, ist der
Kläger damit im Gerichtsverfahren ausgeschlossen.
e) Abfallinput
Erfolglos macht der Kläger unter Bezug auf die Ausführungen seines
sachverständigen Beistands unter Punkt 2.1.1 seines Gutachtens geltend, der
Genehmigungsbescheid lege im Vergleich zu anderen EBS-Verbrennungsanlagen,
z. B. in Korbach oder Rheinberg, extrem hohe Schadstoffgehalte fest. Die Rüge
des Gutachters bezieht sich auf die auf Seite 6 des Genehmigungsbescheides
enthaltene tabellarische Aufstellung, in der der größte Gehalt an Schadstoffen in
den zur Verbrennung zugelassenen Abfällen bestimmt wird. Der Einwand des
Gutachters zielt damit entgegen der Überschrift des betreffenden Abschnitts 2.1.1
nicht nur auf Schwermetalle, sondern auf sämtliche in der erwähnten Tabelle
aufgeführten Schadstoffe, d.h. auch auf das in Abschnitt 2.1.2 gesondert
behandelte Chlor bzw. Chlorid. Durch die Wiedergabe der Werte in der genannten
Tabelle hat die Genehmigungsbehörde ihrer Verpflichtung nach § 21 Abs. 3 Nr. 5
der 9. BImSchV entsprochen, auf der Grundlage der entsprechenden Daten in den
Antragsunterlagen (vgl. § 4a der 9. BImSchV) Angaben über den größten Gehalt
an Schadstoffen in den zur Verbrennung zugelassenen Abfällen in den Bescheid
aufzunehmen. Da weder in den vorgenannten Bestimmungen der 9. BImSchV
noch an anderer Stelle Regelungen über Höchstgrenzen des Abfallinputs enthalten
sind, können entgegen der im Gutachten Y vertretenen Auffassung allein aus der
Höhe der Festsetzungen zum Höchstgehalt an Schadstoffen in den
angenommenen Abfällen im Genehmigungsbescheid keine Anhaltspunkte für die
Rechtswidrigkeit dieser Regelung hergeleitet werden. Maßgeblich ist vielmehr, ob
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Rechtswidrigkeit dieser Regelung hergeleitet werden. Maßgeblich ist vielmehr, ob
durch die Verbrennung von Abfällen in der genehmigten Größenordnung
schädliche Umwelteinwirkungen ausgehen und ob hierdurch den Anforderungen an
die Vorsorge vor Schadstoffbelastungen genügt werden kann. In welcher Höhe der
Schadstoffgehalt in Abfällen bei anderen Verbrennungsanlagen zugelassen wurde,
ist für die hier in Frage stehende Anlage im Übrigen bedeutungslos. Der weitere
Einwand des Gutachters, im Genehmigungsbescheid fehle es an zureichenden
Bestimmungen für den Fall der Anlieferung eines mit verschiedenen
Schwermetallen belasteten Abfalls, so dass - entgegen der Zulassung nur für nicht
gefährliche Abfalle - theoretisch Ersatzbrennstoffe mit mehreren der in der Tabelle
des Genehmigungsbescheides genannten Stoffe mit ihrem jeweiligen
Höchstgehalt verwendet werden könnten, geht fehl. In dem Bescheid ist durch eine
der Tabelle beigefügte Fußnote ausdrücklich bestimmt, dass Abfälle, die mit einem
Maximalgehalt der in der Tabelle durch * gekennzeichneten Schadstoffparameter
angeliefert werden, dann keine - zugelassenen - ungefährlichen Abfälle mehr sind,
wenn andere gefährlichkeitsrelevante Parameter im Ersatzbrennstoff enthalten
sind. Mit Rücksicht hierauf konnte sich die Genehmigungsbehörde darauf
beschränken, die gefährlichen Abfälle durch Rückgriff auf die Bestimmungen der
Abfallverzeichnis-Verordnung vom 10. Dezember 2001, BGBI. I S. 3379 - AVV -,
und den Abfallschlüssel in Anlage zu § 2 Abs. 1 AVV (vgl. Nr. 6.2.1 des Bescheides)
von der Verbrennung auszuschließen. Damit sind die vom sachverständigen
Beistand des Klägers geäußerten Bedenken gegen die Bestimmtheit bzw.
Vollziehbarkeit des Genehmigungsbescheids in Bezug auf die Höhe der
Schwermetallkonzentrationen des Abfallinputs - auch unter Berücksichtigung der
Ausführungen des Klägers im Schriftsatz vom 20. Juli 2009 - ausgeräumt.
Soweit im Gutachten Y schließlich gerügt wird, in den Antragsunterlagen hätten
notwendige Angaben nach § 4a Abs. 3 Nr. 4 der 9. BImSchG zum größten Gehalt
an Schadstoffen in den zur Verbrennung vorgesehenen Abfällen gefehlt und die
Behörde sei insoweit ihren Prüfungspflichten nicht nachgekommen, da sie die
Beigeladene um eine Ergänzung ihres Genehmigungsantrags hätte bitten
müssen, ist der Kläger mit diesem Einwand ausgeschlossen. Die Rüge der
fehlenden Angaben hätte der Kläger bereits im Verlauf der Einwendungsfrist -
erforderlichenfalls unter Einschaltung des sachverständigen Beistands bereits zu
diesem Zeitpunkt - geltend machen können und müssen; da sich die Rüge
thematisch den mit Schreiben vom 18. Januar 2007 erhobenen Einwendungen
nicht zuordnen lässt, ist der Kläger damit auch im Gerichtsverfahren
ausgeschlossen.
Bei seinem im Gutachten unter Punkt 2.1.2 geäußerten Vorbehalt, Chlor eigne sich
wegen seines Aggregatzustandes und seiner Giftigkeit nicht zur Verbrennung in
einer Abfallverbrennungsanlage, wird nicht berücksichtigt, dass Chlor in Abfällen
nicht in seiner gasförmigen Ausgangsform, sondern in Form von chemischen
Verbindungen enthalten ist. In entsprechenden Behältnissen angeliefertes
gasförmiges Chlor ist demgegenüber, worauf der Beklagte zu Recht hinweist, als
gefährlicher Abfall als Input in der EBS-Verbrennungsanlage nicht zugelassen.
Einer besonderen Klarstellung im Genehmigungsbescheid bedurfte es insoweit
nicht.
Unter Punkt 2.1.3 des Gutachtens Y wird Kritik an dem Vorgehen der Behörde im
Genehmigungsverfahren und zum Inhalt des Genehmigungsbescheides bezüglich
des Verbrennungsdurchsatzes geübt. Mit der Rüge, der Betriebsbereich der
Feuerungsanlage sei nicht hinreichend bestimmt, weil die Genehmigungsbehörde
es unterlassen habe, im Genehmigungsverfahren von der Beigeladenen ein
Feuerungsleistungsdiagramm (FLD) anzufordern, das Angaben zu den maximalen
und minimalen Heizwerten sowie zu den maximalen und minimalen stündlichen
Durchsätzen einer Verbrennungsanlage enthalte und hierdurch die in § 4a Abs. 3
Nr. 2 und 3 der 9. BImSchV geforderten Angaben konkretisiere, ist der Kläger im
Gerichtsverfahren wiederum ausgeschlossen, da auch diese Rüge nicht mit den im
Schreiben vom 18. Januar 2007 erhobenen Einwendungen korrespondiert.
Soweit der Gutachter in dem vorgenannten Abschnitt 2.1.3 ferner beanstandet, in
dem Genehmigungsbescheid sei unter Nr. 3 ein gänzlich unrealistischer und damit
fehlerhafter Mindestdurchsatz von 0 t/h festgelegt, werden die besonderen
Verhältnisse der genehmigten EBS-Verbrennungsanlage außer Betracht gelassen.
Wie der Beklagte auf den Hinweis des Gutachters, der Betrieb einer
Abfallverbrennungsanlage sei erst ab einem bestimmten Mindestdurchsatz an
Abfällen möglich, überzeugend erläutert hat, ist die vorliegende Anlage nicht als
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Abfällen möglich, überzeugend erläutert hat, ist die vorliegende Anlage nicht als
Kraftwerk im Dauerbetrieb mit strikten Energielieferpflichten ausgelegt, sondern
dient als zusätzliche Anlage der preisgünstigen, autarken Energieversorgung des
Industrieparks Höchst, insbesondere für Ausfallzeiten. Die EBS-Anlage könne, etwa
wenn Grenzwerte nicht eingehalten würden oder keine Ersatzbrennstoffe zur
Verfügung stünden, außer Betrieb gesetzt werden. Zum (Wieder)-Anfahren und
zur Warmhaltung des Kessels müsse die Verbrennungsanlage in einem reinen
Gasbetrieb (Erdgas) gefahren werden, da die Beschickung der
Verbrennungsanlage mit Ersatzbrennstoffen erst bei Erreichen der
Mindesttemperatur möglich sei. Ebenso könne eine Beschickung nur so lange
erfolgen, wie die Mindesttemperatur aufrecht erhalten werde, und die Beschickung
sei zu unterbrechen, wenn es in Folge eines Ausfalls oder einer Störung von
Rauchgasreinigungseinrichtungen zur Überschreitung eines kontinuierlich
überwachten Emissionsgrenzwertes kommen könne. Insofern sei der Betrieb der
Anlage mit einem Abfalldurchsatz von null Tonnen pro Stunde formal zulässig und
opportun. Die Nebenbestimmungen 8.2.10, 8.2.17 bis 8.2.22 sowie 8.6.2 bis 8.6.8
im Genehmigungsbescheid vom 29. Februar 2008 regelten in diesem Sinne die
Umsetzung der materiellen Anforderungen aus der 17. BImSchV. Diesen
nachvollziehbaren und überzeugenden Ausführungen ist der Kläger nicht entgegen
getreten.
Zu Unrecht wirft der Gutachter der Behörde darüber hinaus vor (Abschnitt 2.1.4
des Gutachtens), sie habe in der Regelung über die Heizwerte der zur
Verbrennung zugelassenen Abfälle (Nr. 4 des Bescheides) und in der
Nebenbestimmung in Nr. 8.2.7 unter Missachtung der Forderung in § 21 Abs. 3 Nr.
3 (gemeint ist offenbar Nr. 4) der 9. BImSchV, die kleinsten und größten Heizwerte
der zur Verbrennung zugelassenen Abfalle anzugeben, eine eindeutige Festlegung
auf ein bestimmtes Heizwertband vermieden. Dies ist unrichtig, denn die oben
genannte Regelung über die minimalen und maximalen Heizwerte ist ungeachtet
des Wortes "können" als konkrete Festlegung auf die dort genannte Werte zu
verstehen.
Soweit der Gutachter in seinen Ausführungen zu den Eingangskontrollen (Punkt
2.2 des Gutachtens) die Erarbeitung eines Qualitätssicherungssystems schon im
Genehmigungsverfahren vermisst, ist der Kläger mit dieser Rüge im vorliegenden
gerichtlichen Verfahren ausgeschlossen. Da die Beigeladene mit den
Antragsunterlagen kein entsprechendes Konzept vorgelegt hatte, hätte der Kläger
die Genehmigungsbehörde vor Ablauf der Einwendungsfrist auf diesen aus seiner
Sicht bestehenden Mangel hinweisen müssen. Die Forderung des Klägers nach
einer bereits bei Genehmigung fertig ausgestalteten Qualitätskontrolle ist auch in
der Sache unberechtigt. Das Erfordernis einer ausreichenden Inputkontrolle wird
durch die entsprechenden allgemeinen Bestimmungen in Nr. 6.3.1 und 6.3.2 und
die Auflage zur Vorlage eines Qualitätssicherungskonzepts in Nr. 6.3.3
ausreichend gewährleistet. Die Notwendigkeit, schon vor Inbetriebnahme jedes
erdenkliche Risiko durch eine fehlerhafte Annahmekontrolle auszuschließen,
besteht nicht (vgl. Thüringer OVG, Beschluss vom 22.02.2006 -1 EO 708/05 -, Juris,
Rdnr. 96).
In Bezug auf die vom Gutachter des Weiteren geforderten Radioaktivitätskontrollen
führt der Beklagte in seiner Erwiderung überzeugend aus, eine Untersuchung des
Inputs auf Radioaktivität werde im BvT-Merkblatt (Merkblatt über beste verfügbare
Techniken für Großfeuerungsanlagen, in teilweiser deutscher Übersetzung
veröffentlicht vom Umweltbundesamt, Juli 2006) nicht generell empfohlen, sondern
nur für gemischte Siedlungsabfälle, Krankenhausabfälle und in Anlagen zur
Verbrennung von gefährlichen Abfällen; auf eine Anlage zur Verbrennung von
vorbehandelten und qualitätsgeprüften, nicht gefährlichen Abfällen könne diese
Empfehlung nicht übertragen werden. Mindestens unter derzeitigen Verhältnissen
bestehe keine Veranlassung, in EBS-Verbrennungsanlagen grundsätzlich die
Einrichtung von Detektoren für Radioaktivität vorzusehen.
Der Kläger ist diesen Ausführungen zwar entgegengetreten (vgl. S. 10 des
Schriftsatzes vom 20. Juli 2009); die Beigeladene hat indessen zu Recht darauf
hingewiesen, dass der Kläger auch mit dieser Einwendung im Gerichtsverfahren
ausgeschlossen ist, da er sie im Schreiben vom 18. Januar 2007 nicht erhoben hat.
Unter Punkt 3 seines Gutachtens beschäftigt sich der sachverständige Beistand
des Klägers mit der Leistungsfähigkeit der Rauchgasreinigung und kommt mittels
Schwermetallbilanzierungen anhand einiger ausgewählter Szenarien zu dem
Ergebnis, dass sowohl bei hohen Gehalten an Quecksilber als auch bei hohen
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Ergebnis, dass sowohl bei hohen Gehalten an Quecksilber als auch bei hohen
Gehalten an Cadmium und Arsen Einzel- bzw. Summengrenzwerte der 17.
BImSchV überschritten würden. Die Rauchgasreinigung wäre - so der Gutachter -
nicht in der Lage, beim Auftreten von hohen Gehalten dieser Stoffe im Abfallinput -
wie in der Bilanzierung angenommen - die im Genehmigungsbescheid
festgelegten Grenzwerte einzuhalten. Die Genehmigungsbehörde sei in diesem
Punkt ihrer Prüfpflicht nicht in ausreichendem Maße nachgekommen.
Der Kläger hätte auch diese - in der mündlichen Verhandlung nochmals bekräftigte
- Rüge bereits während der Einwendungsfrist geltend machen können und müssen.
Er orientiert sich dabei zwar an der Nebenbestimmung 8.3.2 des
Genehmigungsbescheids vom 29. Februar 2008. Dass die geplante Anlage anhand
ausgewählter Szenarien nicht in der Lage sein wird, die in § 5 Abs. 1 der 17.
BImSchV enthaltenen Emissionsgrenzwerte einzuhalten, hätte der Kläger jedoch
auch ohne Kenntnis des Genehmigungsbescheids fristgerecht einwenden können.
Da sich diese Rüge thematisch den mit Schreiben vom 18. Januar 2007 erhobenen
Einwendungen nicht zuordnen lässt, ist der Kläger damit auch im
Gerichtsverfahren ausgeschlossen.
Unabhängig davon ist die Rüge auch in der Sache unberechtigt. Der Beklagte hat
den Einwand des Gutachters Y, die Rauchgasreinigung werde nicht in der Lage
sein, beim Auftreten hoher Gehalte an Schwermetallen im Abfallinput die im
Genehmigungsbescheid festgelegten Grenzwerte einzuhalten, mit überzeugenden
Argumenten entkräftet. Er hat zum einen darauf hingewiesen, dass es sich bei den
gewählten Inputbeschränkungen um Maximalwerte im Sinne von Grenzwerten
handele, nicht um Betriebswerte. Als Betriebswerte seien auf Grund von
Literaturangaben Werte zu erwarten, welche die im Genehmigungsbescheid
festgelegten Höchstwerte für Schadstoffgehalte weit unterschritten. Zum anderen
hat er dargelegt, dass es für die geplante und genehmigte EBS-Anlage der
Beigeladenen keine Referenzanlage gebe, die in gleicher verfahrenstechnischer
Ausführung errichtet und betrieben werde. Die im Gutachten Y aufgeführten
Bilanzierungen seien daher für die Anlage der Beigeladenen auch nur
eingeschränkt bzw. bedingt aussagekräftig. Dass die Genehmigungsbehörde in
einer solchen Situation empirische Untersuchungen in der Phase der warmen
Inbetriebnahme zur Emissionsoptimierung der Fahrweise der EBS-
Verbrennungsanlage bevorzugt, die sowohl die Anlagentechnik als auch die
Betriebsführung der konkreten Anlage berücksichtigt, ist aus der Sicht des Senats
nicht zu beanstanden. Die Behörde hat zu diesem Zweck die
Nebenbestimmungen 8.2.5 und 8.2.17 in den Genehmigungsbescheid
aufgenommen, die im Rahmen des Anfahr- und Probebetriebs (Phase der warmen
Inbetriebnahme) gewährleisten sollen, dass die im Genehmigungsbescheid
festgelegten Emissionsgrenzwerte sicher eingehalten werden.
Der sachverständige Beistand des Klägers nimmt unter Punkt 4 des Gutachtens
ferner Bezug auf die Nebenbestimmung 8.2.4 des Genehmigungsbescheids und
weist darauf hin, dass das geforderte An- und Abfahrprogramm schon vor
Erteilung der Genehmigung von der Beigeladenen hätte vorgelegt und im
Genehmigungsverfahren hätte geprüft werden müssen. Genau dies sei auch von
einer Fachbehörde des Regierungspräsidiums Darmstadt, Abteilung Umwelt
Frankfurt, mit Schreiben vom 29. November 2006 unter Hinweis auf einen Bericht
des Bayerischen Landesamtes für Umweltschutz über PCDD/F-Emissionen bei
Anfahrvorgängen von Müllverbrennungsanlagen gefordert worden. Auch mit dieser
Rüge ist der Kläger - ungeachtet der Erwiderungen des Beklagten auf S. 11 des
Schriftsatzes vom 16. Juni 2009 und der Beigeladenen auf S. 5 des Schriftsatzes
vom 17. Juli 2009 - im Gerichtsverfahren ausgeschlossen, da sie mit den im
Schreiben vom 18. Januar 2007 geltend gemachten Einwendungen nicht
korrespondiert.
f) LKW-Verkehr
Schließlich rügt der sachverständige Beistand des Klägers unter Punkt 10 des
Gutachtens - wie bereits im Einwendungsschreiben des Klägers vom 18. Januar
2007 geltend gemacht -, dass im Rahmen der Immissionsprognose die
Emissionen des LKW-Verkehrs nicht berücksichtigt worden seien. Es sei nicht
nachvollziehbar, wie der Beklagte zu der Auffassung komme, die vom
Anlagenverkehr auf dem Werksgelände verursachten LKW-Emissionen seien selbst
im Nahbereich irrelevant. Die Regelung der TA Luft, dass bei der Ermittlung der
Massenströme die Emissionen im Abgas der gesamten Anlage einzubeziehen
seien, ergebe nur dann einen Sinn, wenn auch bei der Berechnung der
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seien, ergebe nur dann einen Sinn, wenn auch bei der Berechnung der
Immissionsprognose alle Emissionsquellen berücksichtigt würden. Dies bedeute,
dass auch Orte mit zu berücksichtigen seien, an denen Menschen im näheren
Umfeld der Anlage außerhalb des Betriebsgeländes beispielsweise beruflich tätig
seien. Durch die Nichtberücksichtigung des LKW-Verkehrs im Nahbereich der
Anlage sei die Genehmigungsbehörde ihrer Prüfpflicht nicht in ausreichendem
Umfang nachgekommen. Der Beklagte hat darauf erwidert, dass die von den an-
und abtransportierenden Lastkraftwagen ausgehenden Luftschadstoffemissionen
für die im Industriepark Frankfurt-Höchst gelegenen Betriebe einschließlich der in
der näheren Nachbarschaft gelegenen Betriebe bzw. für dort beschäftigte
Personen keine schädlichen Umwelteinwirkungen hervorrufe. Anders als bei direkt
in wenigen Metern Abstand von öffentlichen Verkehrswegen wohnenden Personen
seien insbesondere Beschäftigte in Anlagen, die in 50, 100 oder mehr Metern
Entfernung von der streitgegenständlichen Anlage lagen, keinen relevanten NO2-
Emissionen mehr ausgesetzt. LKW-Abgase zögen zwar nicht direkt, aber nach
einer relativ schmalen seitlichen Ausbreitung nach oben weg. Hinzu komme, dass
sich Arbeitnehmer in Fremdbetrieben der hier vorliegenden Art eher selten in
offenen Anlagenbereichen aufhielten, sondern überwiegend in geschlossenen
Räumen (Steuerungsräume, Messwarten etc.). Überschneidungen der
Schornsteinemissionen mit denen aus dem LKW-Verkehr lägen nicht vor. Im
Übrigen weist er darauf hin, dass der in der Richtlinie 1999/30/EG des Rates über
Grenzwerte u.a. für Stickstoffdioxid und Stickstoffoxide vom 22. April 1999
verwendete Begriff der „Luft" zwar grundsätzlich die Außenluft der Troposphäre
umfasst, hiervon aber die Luft an Arbeitsplätzen ausdrücklich ausgenommen
werde (Art. 2 Nr. 1). Ergänzend dazu hat die Beigeladene auf die Rüge des Klägers
erwidert, der LKW-Verkehr sei aufgrund der Geringfügigkeit nicht berücksichtigt
worden. Der durch die EBS-Anlage induzierte Verkehr liege im Promillebereich des
bestehenden Verkehrs-Gesamtaufkommens am Kelsterbacher Knoten und im
Prozentbereich des im Bereich des Südwerks stattfindenden Verkehrs. Nach den
Planfeststellungsunterlagen zum Ausbau des Flughafens Frankfurt am Main hätten
bei der Ist-Aufnahme im Jahr 2000 ca. 59.000 Verkehrsbewegungen von und zum
Kelsterbacher Knoten stattgefunden. Die ca. 480 täglichen LKW-Fahrten von und
zur EBS-Anlage machten daran gemessen 0,8 % aus; bezogen auf die 18.800
Verkehrsbewegungen am Tor Süd des Industrieparks Höchst liege ihr Anteil bei 2,5
%. Die Messstation Süd der X..., an der der Großteil des nach Norden fahrenden
Schwerlastverkehrs obligatorisch vorbeifahren müsse, weise langjährig keine
erhöhten, verkehrsinduzierten Immissionswerte für den bereits bestehenden
Verkehr auf. Darüber hinaus würden durch LKW-Verkehr nur bodennahe
Emissionen verursacht. Diese wirkten sich nur im unmittelbaren Nahbereich der
Verkehrswege aus und seien aufgrund des geringen Anteils des EBS-induzierten
Verkehrs am Verkehrsaufkommen selbst im Nahbereich irrelevant. Im Hinblick auf
Gefährdungen der Nachbarbetriebe fänden die geplanten Verkehrsbewegungen
auf der Südseite der EBS-Verbrennungsanlage statt, während sich die
Nachbarbetriebe nord-westlich der Anlage befänden, so dass keine unmittelbare
räumliche Nähe zu den Nachbarbetrieben oder zu einer Wohnbebauung gegeben
sei.
Unabhängig davon, welche tatsachlichen und rechtlichen Schlussfolgerungen aus
den Erwiderungen des Beklagten und der Beigeladenen zu ziehen sind, lassen sich
dem Vorbringen des Klägers, insbesondere dem Gutachten Y, jedenfalls keine
substantiierten Angaben dazu entnehmen, inwieweit der LKW-Verkehr im
Nahbereich der Anlage zu einer Überschreitung der Irrelevanzschwelle für
bestimmte Immissionswerte führen könnte.
C.
Nach alledem kann der Kläger auch mit seinem Hilfsantrag, bis zur Behebung der
vom Gericht festgestellten Mängel des Genehmigungsbescheids vom 29. Februar
2008 die Vollziehung dieses Bescheids auszusetzen, nicht durchdringen.
D.
Der Kläger hat als Unterlegener die Kosten des Verfahrens zu tragen (§ 154 Abs. 1
VwGO). Es entspricht der Billigkeit, dem Kläger gem. § 162 Abs. 3 VwGO auch die
außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen aufzuerlegen, denn diese hat sich
durch ihren Klageabweisungsantrag einem Kostenrisiko ausgesetzt (vgl. § 154 Abs.
3 VwGO).
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit wegen der Kosten beruht
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit wegen der Kosten beruht
auf § 709 Satz 1 und 2 ZPO i. V. m. § 167 VwGO.
Gründe für die Zulassung der Revision gem. § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO liegen vor.
Beschluss:
Der Streitwert wird auf 30.000,00 € festgesetzt.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 1 GKG. Im vorliegenden Verfahren
entspricht es der für die Festsetzung des Streitwertes maßgebenden, sich aus
dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache, den Streitwert
auf 30.000,- Euro festzusetzen.
Der Streitwertkatalog für die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der Fassung vom 7./8.
Juli 2004 (NVwZ 2004, 1327) sieht bei Verbandsklagen die Festsetzung von
mindestens 15.000,- Euro vor (Nr.1.2). Der Senat orientiert sich - ebenso wie das
OVG Lüneburg im Beschluss von 17. Dezember 2008 -12 OA 347/08 - (NVwZ-RR
2009, 406) - an der Streitwertpraxis des Bundesverwaltungsgerichts, das den
Streitwert in Verfahren von Naturschutzverbänden üblicherweise mit 30.000,- Euro
bemisst (vgl. dazu: BVerwG, Beschl. v. 31.01.2006 - 4 B 49/05 -, NVwZ 2006, 823).
Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 68 Abs. 1 Satz 5 i. V. m. § 66 Abs. 3 Satz 3
GKG).
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.