Urteil des HessVGH vom 28.08.1986

VGH Kassel: abwassergebühr, vorauszahlung, satzung, durchschnitt, aufwand, kläranlage, gegenleistung, ermächtigung, entgeltlichkeit, belastung

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Gericht:
Hessischer
Verwaltungsgerichtshof
5. Senat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
5 TH 1870/86
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Leitsatz
1. Der Grundsatz der speziellen Entgeltlichkeit verpflichtet die Kommunen, bei der
Bemessung einer Gebühr sowohl die Art als auch der Umfang der Inanspruchnahme
der öffentlichen Einrichtung zu berücksichtigen. Der Umfang der Inanspruchnahme
bezieht sich auf quantitative Maßstäbe. Die Art der Inanspruchnahme bezieht sich auf
qualitative Maßstäbe.
2. Die Kombination der nach § 10 Abs. 3 Satz 1 KAG zu berücksichtigenden beiden
Maßstabsgruppen obliegt dem durch das Willkürverbot beschränkten
Satzungsermessen der Kommunen.
3. Die Erhebung eines Zuschlags für Abwässer, die stärker als der Durchschnitt
häuslicher Abwässer verschmutzt sind, ist wegen der besonderen Art der
Inanspruchnahme der Abwasserbeseitigungsanlage nach § 10 Abs. 3 Satz 1 KAG
gerechtfertigt. Die Erhebung eines solchen Zuschlages kann geboten sein, wenn ein
erheblicher Teil der Abwässer deutlich stärker verschmutzt ist als der Durchschnitt.
4. Eine Satzung zur Erhebung von Benutzungsgebühren muß den Zeitpunkt des
Entstehens der Gebührenschuld genau festlegen. Bei Dauerbenutzungsverhältnissen
muß das für die Gebühr maßgebende Zeitintervall durch die Satzung bestimmt sein.
5. Eine Satzung zur Ergebung von Benutzungsgebühren kann die Erhebung von
Vorauszahlungen oder Abschlagszahlungen jedenfalls dann vorsehen, wenn die
Gebühren in einem Dauerbenutzungsverhältnis erhoben werden (gegen OVG Münster,
DVBl 1986, S. 780 <781>).
Gründe
Die zulässige Beschwerde der Antragsgegnerin hat Erfolg, da das
Verwaltungsgericht dem Begehren des Antragstellers auf Anordnung der
aufschiebenden Wirkung seiner Klage zu Unrecht stattgegeben hat. Es bestehen
nämlich keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Heranziehung des
Antragstellers auf Abwassergebührenvorauszahlung für das Jahr 1986 mit
Bescheid vom 31. Januar 1986 in der Fassung des Widerspruchsbescheides der
Antragsgegnerin vom 4. April 1986.
Da sich der Antragsteller lediglich gegen die Berechnung der erhöhten
Abwassergebühr wegen der Einleitung stark verschmutzter gewerblicher Abwässer
wendet, braucht der Senat im vorliegenden Eilverfahren nicht der Frage
nachzugehen, ob die Bestimmung der für die Gebührenhöhe maßgebenden
Abwassermenge nach dem Frischwassermaßstab beim Betrieb einer
Entwässerungsanlage im Mischsystem, wie es vorliegend von der Antragsgegnerin
unterhalten wird, den bundesrechtlichen Anforderungen des Äquivalenzprinzips
und des Gleichheitssatzes nach Art. 3 Abs. 1 GG genügt. Grundsätzliche Einwände
gegen den Frischwassermaßstab bestehen nach der ständigen Rechtsprechung
des Bundesverwaltungsgerichts und des erkennenden Senats nicht.
Das Verwaltungsgericht ist mit dem Antragsteller davon ausgegangen, daß die
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Das Verwaltungsgericht ist mit dem Antragsteller davon ausgegangen, daß die
Regelung der Antragsgegnerin zur Ermittlung der erhöhten Abwassergebühr für
stark verschmutzte gewerbliche Abwässer in sich widersprüchlich sei und damit
gegen das rechtsstaatliche Gebot der Normenklarheit verstoße. Der Senat
vermag dem nicht zu folgen.
§ 8 Abs. 9 der Abwasserbeitrags- und -gebührensatzung (AbwBGS) lautet in dem
hier interessierenden Teil:
"Soweit die Beseitigung gewerblicher, industrieller oder sonstiger nicht häuslicher
Abwässer einschließlich der Schlammbehandlung und Beseitigung einen erheblich
erhöhten Aufwand der Stadt erfordert, wird eine erhöhte Abwassergebühr
festgesetzt. Ein erheblich erhöhter Aufwand liegt vor, wenn
a) der Verschmutzungsgrad des Abwassers dargestellt als CSB (chemischer
Sauerstoffbedarf ermittelt aus der abgesetzten Probe nach der
Dichromatmethode) den Wert von 600 g/m3 übersteigt und/oder
b) die Schädlichkeit des Abwassers durch eine oder mehrere Überschreitung(en)
der in § 10 Abs. 7 der Abwassersatzung festgelegten Grenzwerte festgestellt wird.
Rührt der erhöhte Aufwand aus der Einleitung von Abwasser mit hoher CSB-
Konzentration her (CSB höher als 600 g/m3), so errechnet sich die höhere
Abwassergebühr pro m3 eingeleitetem Abwasser nach der Formel
G x (0,3 x festgestellter CSB + 0,7) 400
wobei G die Abwassergebühr nach Abs. 8 Buchstabe b) ist.
Bei Überschreitung der aufgrund von § 10 Abs. 7 der Abwassersatzung
festgelegten Grenzwerte (einschließlich der Frachtbegrenzungen), erhöht sich die
Abwassergebühr, wenn die Summe der Überschreitungen der einzelnen
Grenzwerte bei zweimaliger Kontrolle innerhalb von drei Monaten jeweils mehr als
100 v.H. beträgt nach Maßgabe der folgenden Tabelle:
(Es folgt eine Tabelle, die aus technischen Gründen nicht dargestellt werden kann.)
Für jede weitere angefangene 100prozentige Überschreitung erhöht sich die
Abwassergebühr nach Abs. 8 um weitere 10 v.H."
Die Gebühr je m3 Abwasser betrug gem. § 8 Abs. 8 AbwBGS bis 1985 1,45 DM,
seit dem 1. Januar 1986 beträgt sie 1,80 DM.
Die Annahme der Widersprüchlichkeit der Satzungsregelung, wie sie das
Verwaltungsgericht im Anschluß an den Vortrag des Antragstellers dargelegt hat,
verkennt den Unterschied, den die Satzung zwischen der Auslösung der Pflicht zur
Entrichtung des Verschmutzerzuschlags einerseits und der Berechnung dieses
Zuschlags im jeweiligen Einzelfall andererseits macht. Wie die Antragsgegnerin
richtig geltend macht, ist § 8 Abs. 9 Satz 2 lit a AbwBGS dahin auszulegen, daß
damit festgelegt wird, ab welchem Verschmutzungsgrad der eingeleiteten
Abwässer die Antragsgegnerin berechtigt ist, den erheblich erhöhten Aufwand der
Abwasserbeseitigung durch entsprechend höhere Gebühren beim Einleiter geltend
zu machen. Als Grenzwert dafür bestimmt die Satzung den Wert des chemischen
Sauerstoffbedarfs (CSB) mit 600 g/m3. Liegt die Verschmutzung der in die
Städtische Abwasseranlage eingeleiteten Abwässer innerhalb dieses Grenzwertes,
so entfällt die Geltendmachung eines erhöhten Beseitigungsaufwandes; es bleibt
bei der Grundgebühr nach § 8 Abs. 8 AbwBGS. Wird dagegen der Grenzwert in § 8
Abs. 9 Satz 2 lit a AbwBGS überschritten, so muß die erhöhte Abwassergebühr
erhoben werden. Deren Berechnung ergibt sich aus der in § 8 Abs. 9 Satz 3
AbwBGS genannten Formel. Sie beinhaltet allerdings, daß bereits die
Überschreitung des Wertes von 400 g/m3 CSB gebührensteigernd wirkt. Warum
dies jedoch zu einer insgesamt in sich widersprüchlichen Satzungsregelung führen
soll, ist nicht nachvollziehbar. Der Bestimmung über die Auslösung des
Verschmutzungszuschlages dem Grunde nach kommt nach dem
Gesamtzusammenhang der Regelung kein Vorrang gegenüber der
Berechnungsformel des Verschmutzungszuschlags zu, da durch diese Formel
nicht der Grund des Zuschlags, sondern nur dessen Höhe gestaltet wird.
§ 8 Abs. 9 AbwBGS verstößt auch nicht aus anderen Gründen gegen das
rechtsstaatliche Bestimmtheitsgebot. So ergibt sich aus § 8 Abs. 9 Satz 2 AbwBGS
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rechtsstaatliche Bestimmtheitsgebot. So ergibt sich aus § 8 Abs. 9 Satz 2 AbwBGS
durch die Verwendung der Worte "und/oder" zwischen den Buchstaben a und b,
daß die beiden Tatbestände zur Auslösung des Verschmutzungszuschlages auch
kumulativ zur Anwendung kommen können. Für die Berechnung der Höhe des
Verschmutzungszuschlages bedeutet dies, daß ausgehend von der Menge des
eingeleiteten Abwassers die erhöhten Abwassergebühren ggfs. nebeneinander zu
berechnen sind (§ 8 Abs. 9 Satz 3 bzw. 4 AbwBGS) und aus beiden Beträgen die
Summe zu bilden ist, wobei natürlich die Grundgebühr nach § 8 Abs. 8 AbwBGS
nicht doppelt veranschlagt werden darf.
§ 8 Abs. 9 AbwBGS begegnet auch keinen anderen Bedenken. Die Erhebung eines
sogenannten Starkverschmutzerzuschlags hält der Senat für zulässig. § 10 Abs. 3
Satz 1 Kommunalabgabengesetz (KAG) vom 17. März 1970, zuletzt geändert
durch Gesetz vom 21. Dezember 1976 (GVBl. 1976 I S. 532) schreibt ausdrücklich
vor, daß die Benutzungsgebühr nach Art und Umfang der Inanspruchnahme der
gemeindlichen Einrichtung zu bemessen ist. Damit hat der Gesetzgeber dem
kommunalen Satzungsgeber die zwingende Pflicht auferlegt, den Grundsatz der
speziellen Entgeltlichkeit bei der Bemessung der Gebühren für die
Inanspruchnahme öffentlicher Einrichtungen zu verwirklichen (vgl. Beschluß des
Senats vom 28. September 1976 - V N 3/75 - ESVGH 27, 117 <123> = NJW
1977 S. 452 = DGStZ 1977 S. 40). Wurde dieser Grundsatz in der früheren
Rechtsprechung vor allem dahin verstanden, die Berücksichtigung des
Umstandes, daß die Gebühr eine Gegenleistung für eine besondere Leistung der
Kommune ist, verlange die Bemessung dieser Gegenleistung des Bürgers nach
dem "Maß" bzw. "dem Umfang der Benutzung oder Inanspruchnahme im Einzelfall"
(vgl. Hess. VGH, Urteil vom 10. September 1958 - OS IV 78/56 - , ESVGH 9, 44
<46> = KStZ 1958 S. 186 = DÖV 1959 5. 463 = NJW 1958 S. 2035; Urteil
vom 19. März 1964 - OS V 377/62 - ESVGH 15, 47 <48>; Urteil vom 21. April
1970 - V OE 18/69 - HessVGRspr. 1971 S. 17 <18>), so verlangt § 10 Abs. 3
Satz 1 KAG auch die Berücksichtigung der Art der Inanspruchnahme. Dies
bedeutet, daß die dem Bürger aus der Benutzung der kommunalen Einrichtung
entstehenden Vorteile nicht allein nach quantitativen Maßstäben bestimmt werden
dürfen. Vielmehr muß der Satzungsgeber im Rahmen seines gesetzgeberischen
Ermessens die dem Benutzer zugute kommenden Vorteile auch nach qualitativen
Gesichtspunkten beurteilen und zwischen den quantitativen und den qualitativen
Bemessungsgrundlagen einen willkürfreien Ausgleich herbeiführen.
Die Einleitung von Abwässern, die deutlich stärker als der Durchschnitt häuslicher
Abwässerverschmutzung sind, wird allgemein als verstärkte Inanspruchnahme der
Abwasserbeseitigungsanlage angesehen (vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschluß
vom 11. November 1982 - 2 S 1104/82 -, abgedruckt bei Kübler/Fröhner/Faiß, Das
Kommunalabgabenrecht in Baden-Württemberg, Gebühren 91 Nr. 7 S. 3; OVG
Lüneburg, Urteil vom 10. April 1980 - 3 A 258/75 - KStZ 1980 S. 190 <192 f.>;
BayVGH, Urteil vom 26. Mai 1976 - Nr. 125 IV 72 - KStZ 1976 S. 196; OVG
Münster, Urteil vom 14. Mai 1969 - II A 687/67 - KStZ 1969 S. 160 <166>; VG
Darmstadt, Beschluß vom 31. Juli 1978 - IV H 31/78 - HSGZ 1980 S. 97 <98>;
Urteil vom 22. Mai 1979 - IV E 957/76 - HSGZ 1980 S. 96 <99>; Beschluß
vom 20. Mai 1985 - IV/1 H 150/85 - HSGZ 1985 S. 304 <305>;
Kübler/Fröhner/Faiß § 9 KAG-BW Rdn 34 b; Knobloch KStZ 1975 S. 186
<189>). Diese verstärkte Inanspruchnahme rechtfertigt die Erhebung eines
Starkverschmutzerzuschlags wegen der besonderen Art der Inanspruchnahme der
Abwasserbeseitigungsanlage ohne weiteres. Zwar stellt der höhere
Verschmutzungsgrad im allgemeinen keine besonderen Anforderungen an die
Abwasserleitungen. Verändert wird aber der Grad der Inanspruchnahme einer
biologischen Kläranlage, da die Kapazität dieser Anlagen sich nach dem
biochemischen Sauerstoffbedarf bestimmt. Dieser kann bei gewerblichen oder
industriellen Abwässern deutlich höher sein als bei häuslichen Abwässern. Wird
daher eine kommunale Abwasserbeseitigungsanlage aus diesen Gründen in einer
besonderen Art in Anspruch genommen und tritt diese besondere
Inanspruchnahme nicht nur vereinzelt auf, ist der Satzungsgeber nach § 10 Abs. 3
Satz 1 KAG grundsätzlich gehalten, diesen Umstand neben den zur Bemessung
des Umfangs der Inanspruchnahme maßgebenden Gesichtspunkten bei der
Bestimmung des Gebührenmaßstabes sachgerecht zu berücksichtigen. In welcher
Weise er die beiden Umstände (Art und Umfang) gegeneinander abwägt und zur
Lösung des gesetzlich gebotenen Interessenausgleichs Maßstäbe zur
Gebührenbemessung entwickelt, ist grundsätzlich seinem Ermessen überlassen.
Es besteht jedenfalls keine Verpflichtung, aus dem Gesichtspunkt der durch
unterschiedliche Verschmutzungsgrade entstehenden unterschiedlichen
Kostenbelastung der Kommune in jedem denkbaren Einzelfall eine
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Kostenbelastung der Kommune in jedem denkbaren Einzelfall eine
Gebührendifferenzierung vorzunehmen (vgl. dazu Senatsurteile vom 28. Juli 1977 -
V OE 34/70 - HSGZ 1979 S. 84 <85> und 17. Oktober 1974 - V OE 14/73 -).
Weist der größte Teil der der Abwasserbeseitigungsanlage zugeführten Abwässer
im Durchschnitt keine wesentlich verschiedenen Verschmutzungsgrade auf, so
kann es sachgerecht sein, auf eine Differenzierung nach dem
Verschmutzungsgrad überhaupt zu verzichten. Weist dagegen ein erheblicher Teil
der Abwässer einen deutlich höheren Verschmutzungsgrad als der Durchschnitt
auf, so wird der Satzungsgeber diesem Umstand gegebenenfalls gem. § 10 Abs. 3
Satz 1 KAG in angemessener Zeit Rechnung zu tragen haben (vgl. auch OVG
Münster, KStZ 1969 S. 166; BayVGH KStZ 1976 S. 196).
Die von der Antragsgegnerin vorgesehene Berechnung des
Starkverschmutzerzuschlags genügt den Erfordernissen des § 10 Abs. 3 Satz 1
KAG. Die Bemessung der Abwassergebühr in ihrer Gesamtheit nach dem Umfang
der Inanspruchnahme wird durch die Ausrichtung an der Menge der zugeführten
Abwässer gewahrt. Die Berücksichtigung der besonderen Inanspruchnahme durch
stark verschmutzte Abwässer setzt ein, wenn der für häusliche Abwässer
angenommene und nach dem chemischen Sauerstoffbedarf (CSB) bestimmte
durchschnittliche Verschmutzungsgrad um mehr als 50 % überschritten wird oder
die nach § 10 Abs. 7 der Abwassersatzung der Antragsgegnerin festgelegten
Einleitungsgrenzwerte in der Summe der Überschreitungen zweimal innerhalb von
3 Monaten um mehr als 100 % überschritten werden. Daß der Antragsgegnerin
mit der Verbindung der beiden in § 10 Abs. 3 Satz 1 KAG vorgesehenen
Gesichtspunkte Art" und "Umfang" in der hier vorliegenden Form eine
offensichtliche Fehlbeurteilung unterlaufen wäre, ist nach dem derzeitigen
Sachstand zu verneinen.
Der Maßstab für die Zuschlagsberechnung verstößt auch nicht gegen das
Äquivalenzprinzip. Es besteht zwischen der Höhe des Zuschlags und der
Gegenleistung kein auffälliges Mißverhältnis.
Die Berechnung des Zuschlags für stark verschmutzte Abwässer verstößt
schließlich nicht gegen den Grundsatz der Gebührenberechtigkeit als
Konkretisierung des allgemeinen Gleichheitssatzes nach Art. 3 Abs. 1 GG und Art.
1 HV. Die unterschiedliche Belastung der Gebührenschuldner überschreitet nicht
die durch das Willkürverbot gezogenen Grenzen. Zwar ist dem Antragsteller
zuzugeben, daß der Tatbestand, der nach § 8 Abs. 9 Sätze 1, 2 AbwBGS die
Erhebung des Starkverschmutzerzuschlags dem Grunde nach auslöst, die
Einleitung von Abwässern bis zu einem den durchschnittlichen
Verschmutzungsgrad häuslicher Abwässer um 50 % übersteigenden Umfang
zuläßt, ohne daß damit die Verpflichtung zur Entrichtung eines Zuschlags auf die
allein mengenmäßig zu berechnende Gebühr verbunden ist. Demgegenüber wird
für Abwasser, das den durchschnittlichen Verschmutzungsgrad um mehr als 50 %
überschreitet, der Zuschlag auch für denjenigen Anteil erhoben, der innerhalb der
Toleranzzone von 50 % liegt. Es kann jedoch nicht als schlechthin sachwidrig
erachtet werden, wenn der Satzungsgeber eine aus seiner Sicht hinnehmbare
Toleranzzone für stärker verschmutzte Abwässer schafft und erst an deutlichere,
unübersehbare Überschreitungen die Zulässigkeit der Erhebung des Zuschlags
knüpft, diesen allerdings dann voll noch der aus seiner Sicht vorliegenden
besonderen Art der Inanspruchnahme berechnet. Der dabei im Grenzbereich der
Überschreitung des durchschnittlichen Verschmutzungsgrades um 50 %
entstehende Gebührensprung durch die ab einer 51prozentigen Überschreitung
eingreifende Kombination von "normaler" Gebühr und Zuschlagserhebung ist nicht
so erheblich, daß schon dadurch die Gleichbehandlung der Gebührenschuldner
gefährdet wäre. Die Verschonung der Einleiter nur wenig überdurchschnittlich
verschmutzter Abwässer von der Zuschlagserhebung kann die durchaus sinnvolle
Aufgabe haben, die Benutzer der Abwässerbeseitigungsanlage auch bei stärkerer
Verschmutzung der eingeleiteten Abwässer zur Vermeidung höherer
Schadstoffkonzentrationen und damit erhöhter Belastungen der Kläranlage
anzuhalten und ein entsprechendes Verhalten durch eine Toleranzzone für die
Zuschlagserhebung zu belohnen. Der dadurch angestrebte Schutz der Kläranlage
vor hochverschmutzten und hochkonzentrierten Abwässern vermag die erfolgte
Satzungsgestaltung durch die Antragsgegnerin durchaus zu rechtfertigen. Denn je
stärker verdünnt die Abwässer sind, desto eher wird die biologische Kläranlage in
der Lage sein, die Verarbeitung zu gewährleisten, ohne daß die Gefahr von
Funktionsstörungen entsteht.
Die von der Antragsgegnerin vorgesehene Toleranzzone rechtfertigt sich weiter
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Die von der Antragsgegnerin vorgesehene Toleranzzone rechtfertigt sich weiter
aus der Überlegung, die Gebührenerhebung kostengünstig zu gestalten und eine
weitestmögliche Verwaltungsvereinfachung zu erreichen. Denn durch die
Anhebung der Schwelle, ab der ein Starkverschmutzerzuschlag erhoben wird,
erspart sich die Antragsgegnerin den Aufwand, durch eine Vielzahl von
Untersuchungen möglichst viele Überschreitungen des durchschnittlichen
Verschmutzungsgrades. häuslicher Abwässer zu erfassen, sofern die Erhöhung
des Verschmutzungsgrades innerhalb des Wertes von 50 % liegt. Die
Nichterhebung des Starkverschmutzerzuschlags in diesen Fällen gestattet es der
Antragsgegnerin, ihre Überwachung auf diejenigen Einleiter zu beschränken, von
denen typischerweise der Starkverschmutzerzuschlag zu erheben ist. Damit
werden gleichzeitig Verwaltungskosten in erheblichem Umfang eingespart, die
anderenfalls auf die Gebührenschuldner umzulegen waren und dadurch zu einer
Erhöhung ihrer wirtschaftlichen Belastung führten. Daß die Antragsgegnerin dies
vermeiden will, kann als sachgerecht angesehen werden.
Der Senat hält deshalb die von der Antragsgegnerin vorgesehene Art der
Erhebung eines Starkverschmutzerzuschlags für grundsätzlich bedenkenfrei. Im
Rahmen des Hauptsacheverfahrens könnte allerdings die Frage aufzuwerfen sein,
ob die Abwasserbeseitigungsanlage der Antragsgegnerin kostendeckend betrieben
wird und aufgrund dessen die Schlußfolgerung gerechtfertigt sein kann, daß die
den Zuschlag entrichtenden Gebührenschuldner damit teilweise für Kosten der
Abwasserbeseitigung aufkommen, die wegen der Beseitigung derjenigen Abwässer
entstehen, die mehr als durchschnittlich verschmutzt sind, für die aber kein
Zuschlag erhoben wird.
Die Abwasserbeitrags- und -gebührensatzung enthält im übrigen eine den
Erfordernissen des § 2 Abs. 1 Satz 2 KAG genügende Bestimmung des
Zeitpunktes, in dem die Abwassergebühr entsteht. Entgegen der Wortwahl des
Satzungsgebers läßt sich eine diesbezügliche Regelung allerdings nicht aus § 9
Abs. 1 AbwBGS entnehmen. Danach entsteht die Gebührenpflicht mit dem
Benutzen des betriebsfertigen Anschlusses des Grundstücks an die öffentliche
Abwasserbeseitigungsanlage. Daraus folgt aber nicht, ob die Gebühr täglich,
wöchentlich, monatlich, vierteljährlich oder jährlich entsteht. Eine Bestimmung
dieses Zeitintervalls ist jedoch unverzichtbar, um die Bestimmungen über die
Festsetzungsverjährung (§169, 171 AO i.V.m. § 4 Abs. 1 Nr. 4 b) KAG) genau
anwenden zu können. Werden Gebühren für die laufende Inanspruchnahme einer
öffentlichen Einrichtung erhoben, muß die kommunale Satzung genau festlegen,
nach welchen, Zeitablauf oder aufgrund welches einmaligen Ereignisses die
Gebühr als entstanden gelten soll. Denn in den Fällen einer Dauerbenutzung kann
der Entstehenszeitpunkt nicht nach der Natur der Leistung und ihrer vollständigen
Erbringung bestimmt werden.
Eine ausreichende Festlegung des Entstehenszeitpunkts der Abwassergebühr
sieht der Senat jedoch in § 11 Abs. 2 AbwBGS. Danach verlangt die
Antragsgegnerin die laufenden Abwassergebühren grundsätzlich ganzjährlich. Die
Gebühr entsteht also jährlich. Daß damit das Kalenderjahr gemeint ist, ergibt sich
aus § 11 Abs. 3 AbwBGS, da das dort angesprochene Benutzungsjahr unter
Berücksichtigung der Verwaltungspraxis das Kalenderjahr ist.
Der Bestimmtheit des Entstehungszeitpunktes der Gebührenschuld steht nicht
entgegen, daß § 11 Abs. 2, 2. Halbsatz AbwBGS dem Benutzer einen Anspruch auf
Abrechnung an bestimmten Tagen verwehrt. Diese Regelung betrifft nur die
Ermittlung der Gebührenhöhe, ändert aber nichts an dem kalenderjährlichen
Entstehen der Gebührenschuld. Wenn § 11 Abs. 2, 1. Halbsatz AbwBGS das
ganzjährliche Verlangen laufender Gebühren "nur" im Grundsatz vorsieht, so führt
auch dies nicht dazu, daß die Verwaltung frei darüber bestimmen könnte, wann die
Gebühr entsteht. Die Satzungsregelung verweist damit lediglich auf
Ausnahmefälle, in denen die Benutzung erst im Verlaufe des Kalenderjahres
beginnt oder die Benutzer wechseln, so daß eine abschnittsweise
Gebührenerhebung unter Bezug auf § 10 Abs. 2 AbwBGS in Betracht kommt.
Die Erhebung von Abschlagszahlungen begegnet ebenfalls keinen Bedenken. § 11
Abs. 3 AbwBGS sieht ausdrücklich vor, daß die Antragsgegnerin zweimonatlich
Abschlagszahlungen anfordern kann, um am Ende des Benutzungsjahres eine
Jahresabrechnung durchzuführen. Dieser Satzungsregelung steht nach der
Auffassung des Senats nicht entgegen, daß das KAG die Erhebung von Abschlags-
oder Vorauszahlungen auf Benutzungsgebühren nicht ausdrücklich vorsieht. Der
gegenteiligen Auffassung des OVG Münster (vgl. Urteil vom 6. Februar 1986 - 2 A
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gegenteiligen Auffassung des OVG Münster (vgl. Urteil vom 6. Februar 1986 - 2 A
3373/83 - DVBl. 1986 S. 780 <781>) folgt der Senat nicht, sondern bejaht die
Zulässigkeit einer satzungsrechtlichen Regelung zur Erhebung von
Abschlagszahlungen jedenfalls dann, wenn diese Zahlungen im Rahmen eines
laufenden Dauerbenutzungsverhältnisses erhoben werden und mit dem künftigen
Entstehen der Gebührenschuld zu rechnen ist (vgl. auch VG Kassel., Urteil vom 26.
Oktober 1981 - II E 369/78 - HSGZ 1985 S. 301 <304>; Ermel, § 10 KAG Anm.
24; Ludwig-Odenthal, Das Recht der öffentlichen Wasserversorgung, Teil Il S. 69).
Die in § 1 Abs. 1, § 2 Abs. 1 KAG enthaltene allgemeine Ermächtigung an die
Kommunen zum Erlaß von Gebührensatzungen nach Maßgabe des KAG hält der
Senat auch im Hinblick auf die Erfordernisses des Gesetzesvorbehalts nach Art. 20
Abs. 3 GG und Art. 2 Abs. 2 HV für ausreichend, um im Rahmen von
Dauerbenutzungsverhältnissen die Erhebung von Abschlagszahlungen
vorzusehen. Dem steht nicht entgegen, daß die Erhebung von Vorausleistungen
auf künftig entstehende Beiträge durch § 11 Abs. 10 KAG ausdrücklich für zulässig
erklärt ist. Dabei handelt es sich um eine Sonderregelung für Beiträge, deren
besondere Bedeutung daraus folgt, daß der Beitrag grundsätzlich eine einmalige
Leistung des Pflichtigen darstellt und seine Grundlage nicht in einem laufenden
Benutzungsverhältnis mit starker Ähnlichkeit zu einem Dauerschuldverhältnis
findet. Der Umstand, daß § 10 KAG eine § 11 Abs. 10 KAG vergleichbare Vorschrift
nicht ausdrücklich enthält, sagt deshalb noch nichts darüber aus, ob und unter
welchen Voraussetzungen die Erhebung von Abschlagszahlungen auf künftige
Gebühren zulässig sein kann.
Geht man davon aus, daß die Kommunen ihre Angelegenheiten gem. Art. 137 HV
im Rahmen der Gesetze in eigener Verantwortung regeln, so steht ihnen ein
Regelungsspielraum grundsätzlich überall dort zu, wo gesetzliche Schranken nicht
bestehen. § 1 Abs. 1 KAG erklärt diesen Grundsatz irr Bereich des kommunalen
Abgabenrechts ausdrücklich für anwendbar und stellt klar, daß sich das
Selbstverwaltungsrecht auch auf den Erlaß von Abgabensatzungen bezieht. Die
Frage kann daher nur lauten, ob das KAG die Erhebung von Abschlagszahlungen
ausschließt. Dies ist jedenfalls dort nicht der Fall, wo solche Zahlungen im Rahmen
von Dauerbenutzungsverhältnissen erhoben werden. Daß § 4 KAG nicht auf § 164
AO verweist, wonach die Festsetzung einer Vorauszahlung stets eine
Steuerfestsetzung unter Vorbehalt ist, steht dem nicht entgegen. Denn
Abschlagszahlungen auf künftige Gebühren stellen sich schon ihrer Natur nach
nicht als Gebührenfestsetzungen unter dem Vorbehalt der späteren Änderung,
sondern als vorläufige Abgeltung desjenigen Nutzens dar, den der Pflichtige aus
der lautenden Benutzung der Einrichtung hat. Den Rechtsgrund für das dauerhafte
Verbleiben von Abschlagszahlungen bei der Kommune kann nur der nach Eintritt
des Entstehenszeitpunkts zu erlassende Gebührenbescheid bilden. Ein Bescheid
über Vorauszahlungen begründet nur ein Recht auf vorläufige Einziehung und
vorläufiges Behaltendürfen.
Soweit das OVG Münster demgegenüber unter Berufung auf den BayVGH (vgl.
Beschluß vom 9. November 1984 - Nr. 23 CE A. 2449 - BayVBl. 1985 S. 691
<692>) eine spezialgesetzliche Ermächtigung für die Erhebung von
Abschlagszahlungen auf künftige Gebühren verlangt, kann der Senat dem nicht
folgen, da damit die Anforderungen an die Delegation der Satzungsautonomie an
die Kommunen überspannt werden. Denn die Ermächtigungsgrundlage für den
Erlaß autonomen Satzungsrechts muß nicht nach Inhalt, Zweck und Ausmaß oder
dem Gegenstand nach so bestimmt sein, daß das zu verwirklichende Programm
genau erkennbar ist. Diese Maßstäbe gelten für den Erlaß von
Verordnungsermächtigungen, nicht aber für die Ermächtigung an die Kommunen
zum Erlaß von Satzungsrecht (vgl. BVerwG, Urteil vom 7. März 1958 - VII C 84.57 -
BVerwGE 6, 247 <251 f.>; Urteil vom 4. Juli 1969 - VII C 29.67 - BVerwGE 32,
308 <311>; BVerfG; Beschluß vom 2. Mai 1961 - 1 BvR 203/53 - BVerfGE 12,
319 <325>; Urteil vom 14. Dezember 1965 - 1 BvR 571/60 - BVerfGE 19, 253
<266 f.>; Beschluß vom 21. Dezember 1966 - 1 BvR 33/64 - BVerfGE 21, 54
<62f.>; Beschluß vom 23. Februar 1972 - 1 BvL 36/71 - BVerfGE 32, 346
<361>; Beschluß vom 9. Mai 1972 - 1 BvR 518/62 und 308/64 - BVerfGE 33,
125 <157 ff.>; BayVerfGH - Entscheidung vom 7. Dezember 1951 - Vf. 11 - VII
- 51 - VGHE n.F. 4/II, 219 <249>). Für die Bestimmtheit der
Satzungsermächtigung genügt vielmehr die durch § 10 KAG vorgenommene
Bezeichnung des Gegenstandes, der der autonomen Regelung beantwortet wird.
Es ist daher unbedenklich, wenn die Kommune bei laufender Inanspruchnahme
ihrer Einrichtungen darauf verzichtet, in kurzen Zeitabständen die Gebühren zu
erheben. Sie kann stattdessen zur Vereinfachung des Verwaltungsablaufs und zur
Verminderung der Kosten der Einrichtung zur Erhebung von im voraus
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Verminderung der Kosten der Einrichtung zur Erhebung von im voraus
festgelegten Abschlagszahlungen übergehen und die endgültige Abrechnung in
einem für einen längeren Zeitraum ergehenden Gebührenbescheid vornehmen.
Die Intensität des damit verbundenen Eingriffs in die Freiheitsrechte des Benutzers
ist gering und bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise geringer als eine
kostenträchtige Gebührenerhebung in kurzen Zeitabständen.
§ 11 Abs. 3 AbwBGS kann auch nicht als die - unzulässige - Erfindung einer Abgabe
eigener Art angesehen werden. Die Vorschrift trägt vielmehr denjenigen
Erfordernissen Rechnung, die sich gerade aus der Natur von
Dauerbenutzungsverhältnissen ergeben. Ob und in welchen Fällen demgegenüber
eine Vorauszahlung für eine künftige Gebühr vorgesehen werden kann, wenn der
Gebühr nur eine zeitlich eng begrenzte Inanspruchnahme der öffentlichen
Einrichtung zugrundeliegt , also eine einmalige Leistung an den Pflichtigen erfolgt,
läßt der Senat offen (vgl. insoweit BayVGH a.a.O.).
§ 11 Abs. 3 AbwBGS genügt den sich aus § 2 Abs. 1 KAG ergebenden
Erfordernissen, da sowohl der Zeitpunkt des Entstehens der Vorauszahlung als
auch der Maßstab der Vorauszahlung hinreichend bestimmt sind. Aus dem Zweck
der Vorauszahlung, einerseits den laufenden Nutzen des Pflichtigen abzugelten,
andererseits die spätere Gebührenabrechnung vorzubereiten, ergibt sich, daß die
Festsetzung der Vorauszahlung am Jahresanfang die voraussichtliche Entwicklung
der Inanspruchnahme der Einrichtung durch den Pflichtigen zu berücksichtigen hat
und die Antragsgegnerin verpflichtet ist, unter Beachtung der bisherigen
Benutzung die Vorauszahlungen nach pflichtgemäßem Ermessen festzusetzen.
Der gegenüber dem Antragsteller erlassene Vorauszahlungsbescheid für das Jahr
1986 begegnet auf dieser Grundlage keinen Bedenken. Die Ermessensausübung
der Antragsgegnerin wird vom Antragsteller nur bezüglich der seiner Ansicht nach
unzutreffenden Berechnung des Starkverschmutzerzuschlags angegriffen. Im
übrigen werden keine Einwände erhoben.
Da der Antragsteller unterliegt, hat er gem. § 154 Abs. 1 VwGO die
Verfahrenskosten zu tragen.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf den §§ 20 Abs. 3, 13 Abs. 2, 14 Abs. 1 GKG.
Der Beschluß ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 Satz 1 VwGO, § 25 Abs. 2 Satz 2
GKG).
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.