Urteil des HessVGH vom 17.07.1987

VGH Kassel: promotion, doktor, dekan, beurteilungsspielraum, auflage, amtsblatt, grenzbereich, maurer, hochschulstudium, examen

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Gericht:
Hessischer
Verwaltungsgerichtshof
6. Senat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
6 UE 2884/86
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Leitsatz
Einzelfall einer im 2. Rechtszug teilweise erfolgreichen Klage eines zum Juristen
ausgebildeten Bewerbers auf Zulassung zur Promotion zum Doktor der theoretischen
Medizin (Bescheidungsurteil).
Tatbestand
Mit Gesuch vom 30.7.1984 bat der Kläger den Fachbereich Humanmedizin der
Beklagten um seine Zulassung zur Promotion zum Doktor der theoretischen
Medizin (Dr.rer.med.) und legte gleichzeitig seine Dissertation mit dem Thema
"Juristische Kontrollmöglichkeiten durch Rechtsgutachten über medizinische
Versuche an Menschen in Abwägung der sozialen und ethischen Verantwortlichkeit
der klinischen Forschung" vor. Über eine medizinische Ausbildung verfügt der
Kläger nicht; vielmehr hatte er 1978 die erste und 1981 die zweite Juristische
Staatsprüfung abgelegt. Seit 1982 war er als Geschäftsführer des Tumorzentrums
Rhein-Main e.V. in Frankfurt. am Main tätig. Unter dem 6.2.1985 bestätigte der
Dekan des Fachbereichs Rechtswissenschaft gegenüber dem Dekan des
Fachbereichs Humanmedizin, daß der Kläger als Doktorand in der
rechtswissenschaftlichen Fakultät angenommen werden könne. Damit war im
Sinne des § 4 Abs. 2 Satz 3 in der durch Erlaß des Hessischen Kultusministers vom
25.9.1979 (Amtsblatt S. 614) genehmigten geänderten Fassung der
Promotionsordnung des Fachbereichs Humanmedizin der Johann-Wolfgang-
Goethe-Universität Frankfurt am Main der Nachweis der Berechtigung zur
Promotion im jeweils zuständigen Fachbereich erbracht. Am 18.4.1985 beschloß
jedoch der Fachbereichsrat des Fachbereichs Humanmedizin der Beklagten, den
Zulassungsantrag des Klägers abzulehnen. Durch Bescheid vom 21.5.1985 teilte
der Dekan des Fachbereichs Humanmedizin dem Kläger mit, daß sein
Zulassungsantrag keine Mehrheit gefunden habe; es bestünden erhebliche Zweifel
daran, daß die in der Promotionsordnung geforderte mindestens zweijährige
Tätigkeit im Bereich der Medizin - worunter eine wissenschaftliche Tätigkeit zu
verstehen sei - vorliege. Es stelle sich auch die Frage, warum von der im
Fachbereich Rechtswissenschaften bestehenden Promotionsmöglichkeit kein
Gebrauch gemacht werde.
Am 19.5.1985 legte der Kläger gegen die Ablehnung seines Antrags Widerspruch
mit der Begründung ein, aus dem Wortlaut des § 4 Abs. 2 der Promotionsordnung
ergebe sich die Anforderung einer wissenschaftlichen Tätigkeit im Bereich der
Medizin nicht; vielmehr stelle erst ein 1985 bekanntgewordener Änderungsentwurf
eine derartige Voraussetzung auf. Im übrigen müsse aber auch die Tätigkeit als
Geschäftsführer eines medizinischen Zentrums als ausreichend dafür angesehen
werden, einem im Grenzbereich von Medizin und Medizinorganisation tätigen
Bewerber die Promotion zum Doktor der theoretischen Medizin zu eröffnen.
Nach erneuter Beratung und Beschlußfassung im Fachbereichsrat wies der Dekan
des Fachbereichs den Widerspruch durch Bescheid vom 19.11.1985, per
Einschreiben zur Post gegeben am 21.11.1985, als unbegründet zurück, da die
geforderte zweijährige Tätigkeit im Bereich der Medizin von Anfang an und
gleichsam selbstverständlich als eine wissenschaftliche Tätigkeit gesehen worden
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gleichsam selbstverständlich als eine wissenschaftliche Tätigkeit gesehen worden
sei, der die Tätigkeit als Generalsekretär des Tumorzentrums Rhein-Main e.V. nicht
genüge.
Am 17.12.1985 hat der Kläger bei dem Verwaltungsgericht Frankfurt am Main
Klage erhoben, zu deren Begründung er ausgeführt hat: § 4 Abs. 2 der
anzuwendenden Promotionsordnung setze eine w i s s e n s c h a f t l i c h e
Tätigkeit im Bereich der Medizin nicht voraus. Gerade aus den Bestrebungen, in
eine Neufassung der Promotionsordnung eine entsprechende Voraussetzung
aufzunehmen, müsse der Schluß gezogen werden, daß es bisher bei der
Bestimmung der Voraussetzungen zur Zulassung zur Promotion zum Doktor der
theoretischen Medizin auf eine derartige Art der Tätigkeit nicht angekommen sei.
Außerdem habe er sich während seiner Tätigkeit im Tumorzentrum Rhein-Main
e.V. auch wissenschaftlich mit der Organisation und der juristischen
Verantwortlichkeit von Medizin und Medizinern beschäftigt. Die Promotion müsse
ihm schließlich auch deshalb ermöglicht werden, weil in der Vergangenheit auch
andere fachfremde Wissenschaftler, beispielsweise Soziologen, mit
nichtmedizinischen Arbeiten zur Promotion zugelassen worden seien. Als Betreuer
seiner Arbeit. habe er einen Professor der Medizin gefunden, was ihm sicherlich
nicht gelungen wäre, wenn es sich um eine rein juristische Arbeit handeln würde.
Der Kläger hat beantragt,
den ablehnenden Bescheid der Beklagten vom 21. Mai 1985 sowie den
Widerspruchsbescheid vom 19. November 1985 aufzuheben und die Beklagte zu
verpflichten, ihn, den Kläger, zum Promotionsverfahren zum Doktor der
theoretischen Medizin (Dr.rer.med.) zuzulassen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat ausgeführt, daß nach der einschlägigen Promotionsordnung nur derjenige
zur Promotion zugelassen werden könne, der nach Abschluß eines
wissenschaftlichen Hochschulstudiums in einem anderen Fach noch mindestens
zwei Jahre wissenschaftlich im Bereich der Medizin gearbeitet habe. Dies ergebe
sich aus dem mit der Einführung dieses Doktorgrades verfolgten Zweck. Alle
bisher zugelassenen Bewerber seien in einem Grenzgebiet der Medizin zu ihrem
jeweiligen Fachgebiet wissenschaftlich tätig gewesen. Demgegenüber könne die
Tätigkeit des Klägers als Verwaltungsfachmann nicht als eine wissenschaftliche
Tätigkeit im Bereich der Medizin angesehen werden.
Das Verwaltungsgericht hat die Klage durch Urteil vom 20.8.1986 abgewiesen und
sich im wesentlichen dem Rechtsstandpunkt der Beklagten angeschlossen.
Gegen dieses am 26.9.1986 zugestellte Urteil hat der Kläger mit Schriftsatz vom
22.10.1986, der am 23.10.1986 bei Gericht eingegangen ist, Berufung eingelegt,
mit der er sein Begehren weiterverfolgt. Er rügt, daß das Verwaltungsgericht,
indem es auf § 61 Abs. 1 Satz 1 des Hessischen Hochschulgesetzes - HHG - vom
6.6.1978 (GVBl. I S. 319), zuletzt geändert durch Gesetz vom 10.10.1980 (GVBl. I
S. 391) zurückgreife, die an die Zulassung zur Promotion zu stellenden
Anforderungen mit den Qualifikationsnachweisen verwechsele, die erst im
Promotionsverfahren selbst zu erbringen seien. Die Promotion zum Doktor der
theoretischen Medizin sei gerade für solche Bewerber eröffnet worden, die nicht
Humanmedizin studiert hätten. Unter der geforderten Tätigkeit im Bereich der
Medizin dürfe nicht nur eine (natur-)wissenschaftliche verstanden werden; die von
ihm als Organisator von Medizin ausgeübte Tätigkeit reiche vielmehr aus. Der von
ihm in Anspruch genommene Grundsatz der Freiheit der Wissenschaft stehe der
Schaffung verschiedener bürokratischer Voraussetzungen entgegen. Nur
aussichtslose und nicht ernsthafte Bewerbungen sollten durch § 4 Abs. 2 der
Promotionsordnung ausgeschlossen werden. Im übrigen ergebe sich aus den §§ 11
und 12 der Promotionsordnung ausdrücklich, daß auch eine
rechtswissenschaftliche Problemstellung die Promotionsmöglichkeit eröffne.
Der Kläger beantragt.,
das Urteil des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main vom 20. August 1986
sowie den Bescheid des Dekans des Fachbereichs Humanmedizin vom 21. Mai
1985 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 19. November 1985
aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, den Kläger zum Promotionsverfahren
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aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, den Kläger zum Promotionsverfahren
zum Doktor der theoretischen Medizin (Dr.rer.med.) zuzulassen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen und führt ergänzend aus, daß die
im Gesetz aufgestellten Zulassungsvoraussetzungen einer näheren Ausgestaltung
durch die jeweilige Promotionsordnung zugänglich seien. Deshalb könne - ebenso
wie beispielsweise eine bestimmte Mindestnote im vorausgegangenen Examen -
durch Promotionsordnung eine mindestens zweijährige wissenschaftliche Tätigkeit
im Bereich der Medizin als Voraussetzung der Zulassung zur Promotion zum
Doktor der theoretischen Medizin verlangt werden. Erst hierdurch werde die
erforderliche Qualifikation des Promovenden auf dem Grenzgebiet seines Faches
zur Medizin nachgewiesen. An diesem Nachweis fehle es jedoch im Falle des
Klägers, der im Bereich der Medizin nicht wissenschaftlich, sondern als
Verwaltungsfachmann tätig gewesen sei.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der
Beteiligten wird auf die bei Gericht eingereichten Schriftsätze sowie auf die
Verwaltungsvorgänge der Beklagten (1 Hefter) verwiesen. Der Senat hat die die
streitige Promotionsordnung betreffenden Akten des Hessischen Ministers für
Wissenschaft und Kunst (3 Bände) zum Verfahren beigezogen und ebenso wie die
Verwaltungsvorgänge der Beklagten zum Gegenstand der mündlichen
Verhandlung gemacht.
Entscheidungsgründe
Die in der gesetzlichen Form und Frist eingelegte und auch im übrigen zulässige
Berufung des Klägers ist nur zum Teil begründet. Sie führt unter entsprechender
Abänderung des erstinstanzlichen Urteils zur Aufhebung der die Zulassung des
Klägers zur Promotion zum Doktor der theoretischen Medizin ablehnenden
Bescheide und zur Verpflichtung der Beklagten, den Kläger unter Beachtung der
Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu bescheiden (§ 113 Abs. 4 Satz 2 VwGO),
während sie im übrigen ohne Erfolg bleibt. Dies ergibt sich im einzelnen aus den
nachstehenden Erwägungen:
Der Fachbereich Humanmedizin der Beklagten verleiht seit 1979 Recht und Grad
eines Doktors der theoretischen Medizin (Dr. rer. med.) aufgrund eines
ordentlichen Promotionsverfahrens. Rechtsgrundlage hierfür sind zur Zeit noch die
am 1.12.1977 und 6.4.1978 beschlossenen, durch Erlaß des Hessischen
Kultusministers vom 25.9.1979 genehmigten Änderungen (Amtsblatt 1979 S. 614)
der Promotionsordnung vom 25.5.1961 (Amtsblatt 1961 S. 356). Die dem
Genehmigungserlaß des Hessischen Ministers für Wissenschaft und Kunst vom
26.5.1987 - H I 2 - 424/510 - 66 zugrundeliegende neue Promotionsordnung vom
8.5.1980 in der Fassung vom 17.1.1985 kann demgegenüber schon deshalb keine
Anwendung finden, weil sie bisher noch nicht als Rechtsnorm veröffentlicht worden
ist (vgl. § 6 Abs. 2 des Gesetzes über die Verkündung von Rechtsverordnungen,
Organisationsanordnungen und Anstaltsordnungen vom 2.11.1971, (GVBl. I S.
258, zuletzt geändert durch Gesetz vom 7.3.1983, GVBl. I S. 28, sowie Maurer in
Handbuch des Wissenschaftsrechts Band 1, 1982, S. 836).
Gemäß § 4 Abs. 2 Satz 1 der danach für den vorliegenden Rechtsstreit
maßgeblichen Promotionsordnung ist im Falle der Promotion zum Dr.rer.med. ein
abgeschlossenes wissenschaftliches Hochschulstudium in einem anderen Fach
und eine mindestens zweijährige Tätigkeit im Bereich der Medizin bzw.
Zahnmedizin Voraussetzung für die Zulassung. Von der zuletzt genannten,
zwischen den Beteiligten allein streitigen Zulassungsvoraussetzungen ist nicht mit
Rücksicht auf Vorschriften des höherrangigen Rechts abzusehen. Insbesondere
ergibt sich aus § 61 Abs. 4 Satz 5 HHG kein Verbot des Inhalts, durch
Promotionsordnung andere als durch Gesetz ausdrücklich geregelte
Anforderungen als Voraussetzung für die Zulassung zu einer Promotion
vorzusehen. Zwar kann nach dieser Bestimmung, falls ein (bei der Arbeit an seiner
Dissertation nicht betreuter) Bewerber beim zuständigen Promotionsausschuß die
Zulassung zur Prüfung unter Einreichung einer Dissertation beantragt, die
Zulassung nicht abgelehnt werden, wenn ein Fachbereich für das vom Bewerber
bearbeitete Thema zuständig ist und wenn der Bewerber d i e f ü r d i e Z u l a s s
u n g a l l g e m e i n g e l t e n d e n V o r a u s s e t z u n- g e n erfüllt. Unter
diesen Voraussetzungen, bei deren Vorliegen nach inzwischen ganz überwiegend
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diesen Voraussetzungen, bei deren Vorliegen nach inzwischen ganz überwiegend
vertretener Auffassung ein Rechtsanspruch auf Zulassung besteht. (vgl. Geck,
Promotionsordnungen und Grundgesetz, 2. Auflage 1969, S. 47 f; Leuze/Bender,
Gesetz über die wissenschaftlichen Hochschulen des Landes Nordrhein-Westfalen,
Kommentar, § 94 Rz. 9; Reich, Hochschulrahmengesetz, Kommentar, 3, Auflage
1986, § 10 Rz. 13; Thieme, Deutsches Hochschulrecht, 2. Auflage 1986, S. 380;
VGH Mannheim, KMK-HSchR 1981, S. 152 ff, jeweils mit weiteren Nachweisen),
sind jedoch nicht ausschließlich durch Gesetz geregelte Anforderungen zu
verstehen(- das Gesetzesrecht fordert in § 61 Abs. 1 Satz 2 HHG ohnehin als
einzige "Voraussetzung zur Promotion" in der Regel ein abgeschlossenes
wissenschaftliches Hochschulstudium, das durch ein berufsqualifizierendes
Abschlußexamen nachgewiesen wird -), sondern gerade auch die in den einzelnen
P r o m o - t i o n s o r d n u n g e n jeweils für alle Bewerber gleichermaßen
aufgestellten Zulassungsvoraussetzungen. Dies folgt nicht nur aus dem Umstand,
daß die dem § 61 Abs. 4 Satz 5 HHG entsprechende Fassung des § 61 Abs. 4 Satz
2 des Gesetzentwurfs der Landesregierung für ein Hessisches Hochschulgesetz
(Landtagsdrucks. 8/5749 vom 6.3.1978):
"Die Zulassung kann nicht abgelehnt werden, wenn ein Fachbereich für das vom
Bewerber bearbeitete Thema zuständig ist und wenn der Bewerber die
Voraussetzungen nach § 60 Abs. 2 und 3 erfüllt."
nicht Gesetz geworden ist, wofür wahrscheinlich die mit Rücksicht auf Art. 5 Abs. 3
Satz 1 GG gebotene Wahrung der Hochschulautonomie in ihrem eigentlichen
Bereich wissenschaftlicher Betätigung (vgl. Oppermann, Kulturverwaltungsrecht,
1969, S. 407, sowie Leuze/Bender, a.a.O. § 94 Rz. 2) ausschlaggebend war. Es
ergibt sich vielmehr unmittelbar aus der gesetzlich begründeten Verpflichtung der
Hochschulen, in den von ihnen zu erlassenden Prüfungsordnungen insbesondere
auch die Voraussetzungen für die Zulassung zu den Hochschulprüfungen
(abschließend) zu regeln. Dieser den Hochschulen in Übereinstimmung mit dem
Rahmenrecht (§ 16 Abs, 2 HRG) durch § 57 Abs. 1 Nr. 7 HHG erteilte
Regelungsauftrag - dem eine von § 61 Abs. 4 Satz 5 HHG respektierte
Regelungsbefugnis entspricht. - bezieht sich nicht nur auf diejenigen
Hochschulprüfungen, mit denen ein Studienabschnitt oder ein Studiengang
abgeschlossen wird, sondern entsprechend der überwiegend vertretenen, vom
erkennenden Senat geteilten Auffassung, die sich am Sinn und Zweck der
gesetzlichen Regelung orientiert (vgl. Dallinger/Bode/Dellian,
Hochschulrahmengesetz, Kommentar, 1978, § 15 Rz. 3; Karpen in Handbuch des
Wissenschaftsrechts Band 1, 1982, S. 859; Lennartz in Denninger,
Hochschulrahmengesetz, 1984, § 15 Rz. 5 a.F.; Reich a.a.O. auch auf die
Promotion als Nachweis einer besonderen wissenschaftlichen Qualifikation (§ 61
Abs. 1 Satz 1 HHG).
Von der danach kraft Verfassungs- und Gesetzesrechts bestehenden Befugnis, die
für die Zulassung zur Promotion allgemein geltenden Voraussetzungen durch
entsprechende Promotionsordnungen selbst festzulegen (eingehend Geck a.a.O.
S. 15 ff, 28 ff, 47 ff; vgl. auch Lennartz a.a.O. § 15 Rz. 10; Maurer a.a.O. S. 836,
842; Thieme a.a.O. S. 379 f), hat die Beklagte durch Erlaß des § 4 Abs. 2 Satz 1
der hier anzuwendenden Promotionsordnung in rechtlich nicht zu beanstandender
Weise Gebrauch gemacht. Der Senat hat diesbezüglich bereits in seinem Beschluß
vom 5.11.1981 - VI TG 1139/81 - (KMK-HSchR 1982 S. 352, 356) ausgeführt, es
erscheine sachlich vertretbar, die Promotion zum Doktor der theoretischen
Medizin vorrangig für solche Bewerber vorzusehen, die beispielsweise ein natur-
oder geisteswissenschaftliches Studium abgeschlossen, sodann aber längere Zeit
im Grenzgebiet ihres Faches zur Medizin wissenschaftlich gearbeitet haben und
nunmehr eine Promotionsmöglichkeit - als Voraussetzung für eine weitere
wissenschaftliche Laufbahn im jeweiligen interdisziplinären Bereich - suchen. An
dieser Einschätzung wird festgehalten. Allerdings läßt sich die Frage, ob ein in
einem nichtmedizinischen Fach wissenschaftlich vorgebildeter Bewerber die
Zulassungsvoraussetzung einer "mindestens zweijährigen Tätigkeit im Bereich der
Medizin" erfüllt, im Wege der Auslegung nur insoweit beantworten, als die streitige
Vorschrift nach Entstehungsgeschichte und Normzweck jedenfalls eine
untergeordnete Tätigkeit - etwa als Krankenhausgärtner oder -kraftfahrer -
offenkundig nicht ausreichen läßt, sondern eine zumindest in Teilbereichen auf w i
s s e n s c h a f t l i c h e r Grundlage auszuübende Tätigkeit fordert, die eine
Beziehung zur Medizin aufweisen muß. Auch ein - zu Auslegungszwecken
naheliegender - Rückgriff auf § 61 Abs. 1 Satz 1 HHG, wonach durch die Promotion
eine b e s o n d e r e w i s s e n s c h a f t l i c h e Q u a l i f i k a t i o n
nachgewiesen wird, ergibt. für die weitergehende Konkretisierung der als
nachgewiesen wird, ergibt. für die weitergehende Konkretisierung der als
Zulassungsvoraussetzung konzipierten "Tätigkeit im Bereich der Medizin"
allenfalls, daß es sich mindestens zum Teil um eine wissenschaftlichen Ansprüchen
genügende Tätigkeit handeln muß; denn der Verzicht auf den (auch)
wissenschaftlichen Charakter der vom fachfremden Bewerber geforderten Tätigkeit
würde die streitige Zulassungsvoraussetzung ihrer Funktion entkleiden, nämlich
zum einen zu gewährleisten, daß der Bewerber den Anforderungen der Promotion
zu entsprechen vermag, zum anderen aber auch bis zu einem gewissen Grad als
vorweggezogener Teil der Promotionsprüfung selbst zu dienen ( vgl . Maurer a.a.O.
S. 842) . Welcher Art: und Intensität im übrigen die von der Beklagten verlangte
"wissenschaftliche Tätigkeit" (so jetzt ausdrücklich § 4 Abs. 2 Buchst. e der neuen,
noch nicht veröffentlichten Promotionsordnung) sein muß, entzieht sich mangels
näherer, normativer Anhaltspunkte und angesichts der Offenheit des
Wissenschaftsbegriffs (vgl. BVerfGE 35 S. 79, 113) einer exakten rechtlichen
Einordnung; insbesondere ist in § 4 Abs. 2 Satz 1 der hier anzuwenden
Promotionsordnung offengelassen, ob - und gegebenenfalls in welchem Ausmaß -
der fachfremde Bewerber für seine Zulassung zur Promotion zum Dr.rer.med.
gerade auf dem Gebiet der Medizin (wissenschaftlich) tätig gewesen sein muß -
falls er hierzu trotz fehlender ärztlicher Ausbildung in der Lage sein sollte - oder ob
es ausreicht, wenn er auf seinem eigenen Fachgebiet mit einem Sachbezug zur
Medizin bzw. in einem interdisziplinären Grenzbereich - gegebenenfalls mit für die
Medizin verwertbaren Ergebnissen - (wissenschaftlich) gearbeitet hat, oder ob
schließlich die eine wie die andere Art einer wissenschaftlichen Tätigkeit
gleichermaßen zur Erfüllung der Zulassungsvoraussetzung in Betracht kommt. Die
Vorschrift leidet jedoch deswegen nicht an einer inhaltlichen Unbestimmtheit, die
zu ihrer Unwirksamkeit führen müßte. Sie trägt vielmehr nach Auffassung des
erkennenden Senats dem Charakter der Promotion als einer typischen, inhaltlich
wie kompetenziell der Wissenschaftsfreiheit des Art. 5 Abs. 3 GG unterstehenden
und zum verfassungsfesten Kern einer wissenschaftlichen Hochschule gehörenden
Wissenschaftsangelegenheit (vgl. Leuze/Bender a.a.O. § 94 Rz. 2) Rechnung,
indem sie - wiederum rechtlich unbedenklich - bereits die Zulassung eines
fachfremden Bewerbers zur Promotion zum Doktor der theoretischen Medizin von
einer ausschließlich an fachwissenschaftlichen Maßstäben zu messenden
mindestens zweijährigen "Tätigkeit im Bereich der Medizin" auf wissenschaftlicher
Grundlage abhängig macht und insoweit dem für die Zulassungsentscheidung
zuständigen Organ einen fachwissenschaftlichen Beurteilungsspielraum zubilligt.
Daß eine Promotionsordnung dem zuständigen Organ bei der Erstscheidung über
die Zulassung eines Bewerbers zur Promotion hinsichtlich bestimmter
Anforderungen - etwa der Frage der Eignung und Befähigung - einen pädagogisch-
wissenschaftlichen Beurteilungsspielraum einräumt., verstößt nach der
Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Beschluß vom 23.1.1984 - 7 B
43.83 -, KMK-HSchR 1984 S . 652) nicht gegen Bundesrecht und - wie für den
Bereich des Landesrechts zu ergänzen ist - auch nicht gegen dieses. Hieran
ändert sich nichts dadurch, daß § 4 Abs. 2 Satz 1 der Promotionsordnung den
einer näheren rechtlichen Festlegung verschlossenen, gerichtlich nur
eingeschränkt überprüfbaren Beurteilungsspielraum hinsichtlich eines
Tätigkeitserfordernisses und nicht hinsichtlich eines persönlichen Eignungs- oder
Befähigungsmerkmals einräumt; denn die vom fachfremden Bewerber für die
Zulassung zur Promotion zum Doktor der theoretischen Medizin geforderte
mindestens zweijährige "Tätigkeit im Bereich der Medizin" tritt hier nur mangels
sonstiger geeigneter Entscheidungskriterien an die Stelle der personenbezogenen
Merkmale, bezüglich deren im Regelfall einer Promotion im eigenen Fachbereich
ein vom zuständigen Hochschulorgan auszufüllender Beurteilungsspielraum durch
Promotionsordnung eingeräumt sein kann. Ob die vom - zum Juristen
ausgebildeten - Kläger während eines Zeitraums von jedenfalls mehr als zwei
Jahren für das Tumorzentrum Rhein-Main e.V. ausgeübte (Angestellten-)Tätigkeit
zumindest auch als (wissenschaftliche) "Tätigkeit im Bereich der Medizin" im Sinne
des § 4 Abs. 2 Satz 1 der Promotionsordnung anzusehen ist, entscheidet somit.
letztverbindlich - unter Zugrundelegung fachwissenschaftlicher Kriterien - der
hierfür zuständige Fachbereichsrat des Fachbereichs Humanmedizin der
Beklagten aufgrund der ihm normativ erteilten Beurteilungsermächtigung. Die
gerichtliche Überprüfung beschränkt sich dementsprechend im wesentlichen
darauf, ob der Fachbereichsrat seiner Entscheidung einen richtig und vollständig
ermittelten Sachverhalt zugrundegelegt, ob er einschlägige Verfahrensvorschriften
beachtet und ob er von der ihm zugestandenen Beurteilungsermächtigung in einer
dem Sinn und Zweck des § 4 Abs. 7 Satz 1 der Promotionsordnung
entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat; sie führt im vorliegenden Fall zur
Verpflichtung der Beklagten, über das Zulassungsgesuch des Klägers vom
31.7.1984 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu
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31.7.1984 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu
entscheiden (§ 113 Abs. 4 Satz 2 VwGO).
Aufgrund des Ergebnisses der mündlichen Verhandlung vor dem erkennenden
Senat ist nämlich davon auszugehen, daß der Fachbereichsrat bei seiner
Entscheidung von unvollständigen Sachverhaltsannahmen ausgegangen ist und
im übrigen verkannt hat, daß auch ein nicht im Fachbereich Humanmedizin der
Johann-Wolfgang-Goethe-Universität Frankfurt am Main beschäftigter Jurist die
Zulassungsvoraussetzung der mindestens zweijährigen (wissenschaftlichen)
"Tätigkeit im Bereich der Medizin" grundsätzlich zu erfüllen vermag.
Daß der angefochtenen Entscheidung u.a. die Vorstellung zugrundelag, die vom
Kläger in seiner Eigenschaft als "Generalsekretär des Tumorzentrums Rhein-Main
e.V." entfaltete Tätigkeit bestehe in der Erledigung von Verwaltungsaufgaben (-
und könne schon deshalb nicht den Charakter einer wissenschaftlichen Tätigkeit
beanspruchen -), ergibt sich aus dem Widerspruchsbescheid vom 19.11.1985
(letzter Absatz). Demgegenüber hat der Kläger - insoweit unwidersprochen -
vorgetragen, er verwende lediglich den geringeren Teil seiner Arbeitskraft. und -
zeit auf reine Verwaltungstätigkeiten; vielmehr sei er überwiegend mit der
Betreuung und Koordination wissenschaftlicher Symposien und anderer
Veranstaltungen sowie auch mit der Moderierung im Rahmen derartiger
Wissenschaftsveranstaltungen betraut. Dabei sei er auch selbst als Referent in den
Bereichen Ethik und Datenschutz tätig geworden, wozu auch entsprechende
wissenschaftliche Veröffentlichungen über Themen aus dem Grenzbereich von
Medizin und Rechtswissenschaft gehörten. Angesichts dieser jedenfalls in den
Einzelheiten bisher nicht hinreichend bekannt gewesenen,, im übrigen auch nicht
von vornherein eines wissenschaftlichen Anspruchs entbehrenden Arbeitsbereiche
des Klägers wird es Aufgabe des Fachbereichsrates sein, die letztverantwortlich
von ihm zu treffende Zulassungsentscheidung nunmehr auf eine hinreichende
tatsächliche Grundlage zu stellen. Hierfür wird es erforderlich sein, sich ein
vollständiges und zutreffendes Bild des gesamten Arbeitsbereichs des Klägers,
speziell aber desjenigen Tätigkeitsfeldes zu verschaffen, für das der Anspruch
einer interdisziplinär-wissenschaftlichen Bearbeitung erhoben wird. Da der mit dem
Land Hessen abgeschlossene Arbeitsvertrag allein allenfalls ein gewisses Indiz
hinsichtlich der Tätigkeitsstruktur des Klägers darstellt (- dieser ist. allerdings
entgegen seiner eigenen ursprünglichen Einschätzung nicht als "wissenschaftlicher
Mitarbeiter" im Fachbereich Humanmedizin der Beklagten angestellt -), wird der
Fachbereichsrat den Kläger sowie gegebenenfalls den Direktor des
Tumorzentrums Rhein-Main e.V. persönlich anzuhören haben.
Ob der Fachbereichsrat von der ihm durch § 4 Abs. 2 Satz 1 der
Promotionsordnung erteilten Beurteilungsermächtigung in einer dem Sinn und
Zweck der Vorschrift entsprechenden Weise Gebrauch gemacht. hat, läßt sich
nicht durch einen Rückgriff auf die gegenüber dem Kläger erlassenen Bescheide
überprüfen; denn obwohl die Behörde im Rahmen der Beurteilungsermächtigung
im einzelnen erläutern muß, von welchem Begriffsinhalt sie ausgegangen ist (vgl.
Redeker-von Oertzen, Verwaltungsgerichtsordnung, 8. Auflage 1985, § 114 Rz.
151, fehlen derartige Erläuterungen des Begriffs der (wissenschaftlichen) "Tätigkeit
im Bereich der Medizin" in den angefochtenen Bescheiden völlig. Zu deren
Aufhebung muß jedenfalls führen, daß der Fachbereichsrat entsprechend den vom
Dekan des Fachbereichs Humanmedizin in der mündlichen Verhandlung
abgegebenen Erklärungen - an deren Richtigkeit zu zweifeln kein Anlaß besteht -
bei seiner Entscheidung davon ausging, der Kläger habe als Angestellter des
Tumorzentrums Rhein-Main e.V. - selbst bei Vorliegen einer wissenschaftlichen
Tätigkeit - nicht zur Promotion zugelassen werden können, weil dieses Zentrum
kein medizinisches Zentrum darstelle und - abgesehen von einer weitgehenden
Personenidentität - weder mit dem Fachbereich Humanmedizin noch mit dem
Universitätsklinikum organisatorisch verbunden sei. Umgekehrt. müsse nach
Auffassung des Fachbereichsrats ein im Fachbereich oder in einem zugeordneten
akademischen Lehrkrankenhausangestellter (wissenschaftlicher) Mitarbeiter weder
ausschließlich noch auch nur überwiegend gerade auf medizinischem Gebiet
(wissenschaftlich) tätig gewesen sein, um nach zweijähriger Beschäftigungsdauer
seine Zulassung zum Doktor der theoretischen Medizin begehren zu können;
vielmehr reiche eine Tätigkeit beispielsweise als Pharmakologe, Biologe, Chemiker
oder Physiker aus. Hieraus folgt, daß das für die Zulassungsentscheidung in Fällen
der vorliegenden Art zuständige Hochschulorgan Inhalt und Grenzen der ihm
erteilten Beurteilungsermächtigung verkannt hat. Deren Reichweite bestimmt sich
nach dem objektiven Regelungsgehalt der zugrundeliegenden Norm und nicht
nach der möglicherweise abweichenden subjektiven Vorstellung des Normgebers.
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nach der möglicherweise abweichenden subjektiven Vorstellung des Normgebers.
Daß nur die im Fachbereich Humanmedizin der Beklagten oder in einem
zugeordneten akademischen Lehrkrankenhaus beschäftigten fachfremden
Bewerber die Zulassungsvoraussetzung des § 4 Abs. 2 Satz 1 der
Promotionsordnung sollen erfüllen können, bringt die Vorschrift nicht. zum
Ausdruck. Sie stellt ohne Rücksicht auf Art und Ausgestaltung des
Arbeitsverhältnisses des Bewerbers - anders als § 4 Abs. 2 Buchst. e Satz 1 der
hier noch nicht anzuwendenden neuen Promotionsordnung - ausschließlich auf den
Nachweis einer mindestens zweijährigen (wissenschaftlichen) "Tätigkeit im Bereich
der Medizin" ab und verlangt insoweit - wie bereits dargelegt - eine ausschließlich
an fachwissenschaftlichen Maßstäben orientierte i n h a l t l i c h e Überprüfung, zu
der der hier zuständige Fachbereichsrat nach Überzeugung des erkennenden
Senats bisher infolge eines rechtsfehlerhaften Prüfungsansatzes nicht
vorgedrungen ist.
Nach alledem ist auf die Berufung des Klägers das erstinstanzliche Urteil
abzuändern, der Bescheid des Dekans des Fachbereichs Humanmedizin vom
21.5.1985 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 19.11.1985
aufzuheben und, da die Sache mit Rücksicht auf die vom Fachbereichsrat
nunmehr erneut auszuübende Beurteilungsermächtigung noch nicht spruchreif ist,
die Beklagte zu verpflichten, über das Zulassungsgesuch des Klägers vom
31.7.1984 unter Beachtung der vorstehend dargelegten Rechtsauffassung des
Gerichts erneut zu entscheiden, während zugleich der weitergehende, auf die
Verpflichtung der Beklagten zur Zulassung des Klägers zur Promotion gerichtete
Berufungsantrag zurückzuweisen ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Nach dem
Verhältnis des jeweiligen Obsiegens und Unterliegens sind die Verfahrenskosten
den Beteiligten nach Auffassung des Senats je zur Hälfte aufzuerlegen.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der außergerichtlichen
Kosten folgt aus § 167 Abs. 1 Satz 1 VwGO in Verbindung mit. §§ 708 Nr. 10 und
711 ZPO.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§ 137. Abs. 2 VwGO), liegen
nicht vor.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.