Urteil des HessVGH vom 24.04.2008

VGH Kassel: russische föderation, politische verfolgung, unhcr, flüchtlingseigenschaft, bundesamt, amnesty international, ausreise, politisches verbrechen, republik, auskunft

Gericht:
Hessischer
Verwaltungsgerichtshof
3. Senat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
3 UE 410/06.A
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 3 Abs 2 AsylVfG 1992, §
60 Abs 1 AufenthG 2004, §
60 Abs 8 AufenthG 2004,
Art 1 EGRL 83/2004, Art 2
EGRL 83/2004
(Flüchtlingseigenschaft tschetschenischer
Volkszugehöriger; Prognosemaßstab bei individueller
Vorverfolgung)
Leitsatz
1. Tschetschenische Volkszugehörige aus Tschetschenien, die unter der Regierung
Maschadow als Zivilangestellte und später als Tschetschenienkämpfer tätig waren und
deshalb von den russischen Sicherheitskräften gesucht wurden, können sich sowohl auf
gruppenbezogene als auch auf individuelle Vorverfolgungsgründe berufen.
2. Bei auch individuell vorverfolgten Flüchtlingen hat im Fall einer gedachten Rückkehr
der höchste Prognosemaßstab zu gelten, den die Qualifikationsrichtlinie in der in Art. 4
Abs. 4 QRL enthaltenen Rückausnahme zum Ausdruck bringt.
3. Bei individuell Vorverfolgten hat auch bei der Prüfung internen Schutzes gemäß Art. 8
Abs. 1 QRL hinsichtlich der Frage, ob von dem Flüchtling vernünftigerweise erwartet
werden kann, dass er sich dort niederlässt, ebenfalls der in Art. 4 Abs. 4 QRL zum
Ausdruck gebrachte Prognosemaßstab zu gelten.
4. Personen, die in der Zivilregierung Maschadows und später als
Tschetschenienkämpfer tätig waren, werden bei Rückkehr nicht nur routinemäßig
behandelt, sondern angefangen bei den Einreiseformalitäten von dem in solchen Fällen
zuständigkeitshalber eingeschalteten FSB einer sorgfältigen Überprüfung und Kontrolle
unterzogen.
5. Bei Personen, die in der Zivilregierung Maschadows und später als Rebellen tätig
gewesen sind, kann nicht mit der gemäß Art. 4 Abs. 4 QRL erforderlichen Sicherheit
angenommen werden, dass sie bei Rückkehr in ihr Heimatland, unabhängig davon, ob
sie sich nach Tschetschenien oder in eine andere Region der Russischen Föderation
begeben, dort nicht erneut von Verfolgung bedroht sein werden.
6. Für auf Seiten Maschadows kämpfende tschetschenische Rebellen, die nicht an
terroristischen Überfällen auf die Zivilbevölkerung beteiligt waren, sondern sich in der
militärischen Auseinandersetzung mit der Russischen Föderation um die Autonomie
Tschetscheniens befunden haben, greift der Ausschluss des § 60 Abs. 8 AufenthG i. V.
m. § 3 Abs. 2 AsylVfG nicht.
Tenor
Die Beklagte wird unter Aufhebung des Urteils des Verwaltungsgerichts Wiesbaden
vom 21. Oktober 2004 - 5 E 2560/01.A - verpflichtet, für beide Kläger die
Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG festzustellen.
Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen zu tragen.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die
Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der festgesetzten Kosten
abwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe
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abwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe
leisten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die nach ihren Angaben 19… in Mesker-Jurt und 19... in Argun geborenen Kläger
sind russische Staatsangehörige tschetschenischer Volkszugehörigkeit und reisten
am 8. Juni 2001 in das Bundesgebiet ein, wo sie ihre Anerkennung als
Asylberechtigte beantragten.
Im Rahmen seiner Anhörung vor dem Bundesamt für die Anerkennung
ausländischer Flüchtlinge trug der Kläger am 27. Juni 2001 zunächst vor, sie hätten
zuletzt in Mesker-Jurt gelebt. Er sei mit der Klägerin verheiratet. Sie hätten 1999
religiös die Ehe geschlossen, standesamtlich seien sie noch nicht verheiratet.
Seine Ehefrau könne heute an der Anhörung nicht teilnehmen, da sie wegen einer
weiteren Fehlgeburt im Krankenhaus sei. Sein Vater heiße ..., seine Mutter ..., sie
wohnten ebenfalls unter der von ihm angegebenen Adresse in Mesker-Jurt.
Außerhalb Tschetscheniens lebe eine Tante von ihm, sie lebe in Deutschland, er
wisse jedoch nicht wo. Zu Hause seien noch neun Tanten und zwei Onkel sowie
zwei Schwestern wohnhaft. In Tschetschenien habe er 10 Jahre lang die Schule
besucht, er habe die Schule mit der Mittleren Reife abgeschlossen, die ersten 8
Jahre habe er in seinem Dorf die Schule besucht, die letzten zwei Jahre in Argun. Er
habe keinen Beruf erlernt, sondern Autoersatzteile verkauft. Den Wehrdienst habe
er nicht abgeleistet. Sie seien am 4. Juni 2001 mit einem Pkw nach Inguschetien
gefahren und von dort aus mit einem Minibus nach Deutschland gereist, einmal
seien sie unterwegs umgestiegen und schließlich am 8. Juni 2001 in Deutschland
angekommen. Sie seien gemeinsam mit seinem Onkel, dessen Ehefrau und deren
beiden Kindern (die Kläger aus dem Verfahren 3 UE 411/06.A) sowie seiner
Schwester ausgereist. Sein Onkel habe für die gesamte Reise ca. 10.000 $
gezahlt. Über welche Länder sie gereist seien, wisse er nicht.
Ein Onkel von ihm sei während des Krieges Kommandant in ihrer Ortschaft
gewesen, nach dem Krieg sei er Gouverneur in ihrem Dorf gewesen, er selbst habe
bei ihm in der Sicherheit gearbeitet. Nachdem der 2. Tschetschenienkrieg
begonnen habe, hätten sie eine Gruppe gebildet, die gegen die Russen gekämpft
habe. Sie seien in Argun tätig gewesen, das etwa 16 km von Grozny entfernt liege.
Als die Russen Grozny besetzt hätten, hätten sie sich nach Argun zurückziehen
müssen. Dies sei ungefähr Ende Dezember 1999/Anfang Januar 2000 gewesen.
Einige von ihnen seien dann in die Berge zum Kämpfen gegangen, so auch sein
Onkel, der ihm gesagt habe, er solle zurückbleiben und sich um die Familie
kümmern. Er sei dann auch zu Hause geblieben, allerdings habe er sich im März
2000 (das Datum wurde von dem Kläger noch während seiner Anhörung von März
2001 in März 2000 korrigiert, Bl. 45 BA) einer Kampftruppe, die aus den Bergen
gekommen sei, angeschlossen. Sie hätten dann auf den Straßen zwischen Grozny,
Schali und Baku Rostow fern zündende Minen verlegt, die sie, wenn dort
irgendwelche Truppenbewegungen gewesen seien, hochgejagt hätten. Dies habe
er bis zu seiner Ausreise gemacht. Ob die russischen Truppen auf ihn persönlich
aufmerksam geworden seien, könne er nicht genau sagen, vielleicht jedoch jetzt,
da er ausgereist sei. Die russischen Truppen hätten gewusst, dass er
tschetschenischen Kämpfern geholfen habe, aber nicht, was er genau gemacht
habe. Dabei halte er für entscheidend, dass er seit März 2000 nur noch selten zu
Hause gewesen sei, so sei er morgens nicht zu Hause gewesen, als die Russen ihr
Haus durchsucht hätten. Im Jahr 2000 sei das Haus dreimal durchsucht worden
und er sei jeweils nicht zu Hause gewesen, im Jahr 2001 sei das Haus einmal
durchsucht worden, dies sei höchstwahrscheinlich im Januar gewesen. Es sei nach
ihm gefragt worden, so sei seine Mutter gefragt worden, wo ihr Sohn sei. Er gehe
davon aus, dass er gesucht werde, da er schon einmal gekämpft habe. Aus
seinem Umkreis seien auch Jungen festgenommen worden. So hätten sie am 22.
Februar einen größeren Angriff auf russische Soldaten verübt. Bei diesem Angriff
sei sein Cousin verletzt worden und dann ins Krankenhaus gebracht worden. Sie
hätten das Krankenhaus umstellt - sie seien ungefähr 300 Mann gewesen - er
selbst sei nicht maskiert gewesen und gehe davon aus, dass er erkannt worden
sei. Er habe nicht an eine Maskierung gedacht, sein Cousin habe im Sterben
gelegen. Aus der Tatsache, dass im Januar 2001 das letzte Mal nach ihm gefragt
worden sei, könne auch nicht geschlossen werden, dass er nicht erkannt oder
verraten worden sei, da es gerade die Taktik der russischen Truppen sei, zwei bis
drei Monate Ruhe zu geben und dann plötzlich wieder zuzuschlagen. Seine Frau sei
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drei Monate Ruhe zu geben und dann plötzlich wieder zuzuschlagen. Seine Frau sei
auch seinetwegen ständig in Angst gewesen. Es sei auch so, dass, wenn die
russischen Soldaten einmal da gewesen seien, man in ständiger Angst lebe, da sie
jederzeit wiederkommen könnten. Die Gruppe, in der er gekämpft habe, habe sich
nicht aufgelöst, er habe nur gesundheitlich nicht mehr mitmachen können. Die
Klägerin trug im Rahmen ihrer Anhörung vor dem Bundesamt am 13. Juli 2001 vor,
sie sei tschetschenische Volkszugehörige, Ausweispapiere könne sie nicht
vorlegen, ihr Inlandspass sei ihr bei Kontrollen durch die Russen im Februar 2001
abgenommen worden. Sie habe in Mesker-Jurt gelebt und habe mit dem Kläger
am 21. Juni 1999 in Argun die Ehe geschlossen. In Argun hätten sie standesamtlich
und in Mesker-Jurt religiös geheiratet. Auf Vorhalt des Einzelbefragers hinsichtlich
der anderslautenden Auskunft ihres Ehegatten erklärte sie, sie hätten sich in
Argun eintragen lassen und dies sei noch von der Russischen Föderation gemacht
worden. Kinder hätten sie keine, ihre Eltern lebten in Argun, in Tschetschenien
lebten noch drei Brüder von ihr. Sie habe in Argun von 1989 bis 1999 die Schule
besucht und sei nach der Schule Hausfrau gewesen. Sie habe noch eine
dreimonatige Ausbildung als medizinische Pflegerin gemacht, sei in diesem
Bereich jedoch nicht berufstätig gewesen. Sie seien am 4. Juni 2001 von
Inguschetien aus mit einem Minibus losgefahren und am 8. Juni 2001 in
Deutschland angekommen. Ihr Mann sei verfolgt worden, er habe sich versteckt
und sei kaum zu Hause gewesen und seinetwegen sei auch sie bedroht worden.
Sie sei durch russische Soldaten belästigt worden, dies sei ab 1999 der Fall
gewesen, da ihr Mann ab diesem Zeitpunkt mit den tschetschenischen Kämpfern
unterwegs gewesen sei. Die Russen hätten immer nach ihm gefragt und ihn
verfolgt. Ihr Mann sei manchmal nachts gekommen und früh morgens wieder
weggegangen, manchmal sei er auch gekommen, bevor die Sonne aufgegangen
sei und dann wieder weggegangen. Auch hätten bei ihnen Hausdurchsuchungen
stattgefunden, dies sei im Winter 2000 gewesen, als die "Reinigungskontrollen"
stattgefunden hätten. Die letzte Hausdurchsuchung sei im Februar 2001 gewesen,
es sei etwa Mitte Februar 2001 gewesen. Sie sei sich allerdings mit den Monaten
nicht sicher, deshalb habe sie Winter gesagt. Ihr sei immer wieder vorgehalten
worden, dass ihr Mann nach Hause komme und man habe von ihr wissen wollen,
wo er sei. Sie hätten ihr gedroht, sie umzubringen, wenn sie es nicht sagen würde.
Die letzte Hausdurchsuchung sei vor etwa 3 Monaten im Winter gewesen. Es sei
unmöglich gewesen, diese Situation auszuhalten und sie hätten sich deshalb
entschlossen wegzugehen. Es sei auch nicht möglich gewesen, sich als
Tschetschene in einer anderen Region der Russischen Föderation niederzulassen,
da Tschetschenen auf dem gesamten Russischen Territorium verfolgt würden. Sie
seien jederzeit bereit, nach Hause zurückzukehren, sobald die russischen Truppen
dort abgezogen seien und die Russen sie in Ruhe ließen.
Mit Bescheid vom 23. Oktober 2001 lehnte das Bundesamt für die Anerkennung
ausländischer Flüchtlinge die Asylanträge der Kläger ab und stellte fest, dass
weder die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG noch Abschiebungshindernisse
nach § 53 AuslG vorliegen. Des Weiteren wurden sie aufgefordert, die
Bundesrepublik Deutschland innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe bzw. im
Falle einer Klageerhebung innerhalb eines Monats nach unanfechtbarem
Abschluss des Asylverfahrens zu verlassen, andernfalls wurde ihnen ihre
Abschiebung in die Russische Föderation oder in einen anderen Staat, in den sie
einreisen dürfen oder der zu ihrer Rückübernahme verpflichtet ist, angedroht.
Gegen den am 29. November 2001 zugestellten Bescheid haben die Kläger am
11. Dezember 2001 Klage vor dem Verwaltungsgericht Wiesbaden erhoben und
zur Begründung im Wesentlichen vorgetragen, der Kläger habe sich bereits im
März 2000 einer Kampftruppe aus den Bergen angeschlossen. In dieser Zeit und
davor sei er nicht zu Hause gewesen, sondern habe bei Freunden und Bekannten
übernachtet und häufig die Wohnung gewechselt. Am 22. Februar habe er dann an
dem bereits beschriebenen Überfall auf russische Soldaten teilgenommen, bei
dem militärisches Gerät zerstört worden sei. Im Zuge dieses Überfalls sei sein
Halbbruder verletzt worden und von ihnen anschließend in ein Krankenhaus in
Argun gebracht worden. Um das Krankenhaus herum seien etwa 300
Widerstandskämpfer postiert gewesen, teilweise in umliegenden Wohnungen.
Zusammen mit dem Verletzten Halbbruder hätten zehn Personen das
Krankenhaus betreten, darunter auch er. Der Verletzte habe jedoch nicht gerettet
werden können. Während des Krankenhausaufenthaltes seien die
Widerstandskämpfer von einem zum Krankenhauspersonal gehörenden
Informanten der russischen Armee erkannt worden. Die Hälfte dieser zehn
Personen, die damals mit in das Krankenhaus gegangen seien, sei mittlerweile tot.
Drei von ihnen seien während einer Razzia von der russischen Armee aufgegriffen
Drei von ihnen seien während einer Razzia von der russischen Armee aufgegriffen
und umgebracht worden. Er sei sich sicher, von dem Informanten erkannt worden
zu sein und befürchte, das gleiche Schicksal erleiden zu müssen wie seine
Mitstreiter. Soweit das Bundesamt seine Aussagen als widersprüchlich und
unsubstantiiert ansehe, könne dem nicht gefolgt werden. Bereits am Ende des
Anhörungsprotokolls sei von ihm klargestellt worden, dass er sich nicht erst im
März 2001, sondern bereits im März 2000 den tschetschenischen Truppen
angeschlossen habe. Die von dem Bundesamt behaupteten Widersprüche ließen
sich teilweise dadurch erklären, dass es in Tschetschenien zwei Kriege gegeben
habe. In der Anhörung sei zwischen diesen beiden Kriegen nicht genau
unterschieden worden. Wie bereits angegeben, habe er sich ab März 2000 einem
Verband aus den Bergen angeschlossen, über Hausdurchsuchungen, die sich nach
dieser Zeit ereignet hätten, könne er daher aus eigenem Erleben keine Angaben
machen (Bl. 39 GA). Wie sich aus dem dem Gericht vorgelegten Militärausweis
ergebe, habe er nach dem 1. Tschetschenenkrieg beim Sicherheitsdienst der
Regierung Maschadows gearbeitet (Bl. 122 GA). Er habe der Rebellengruppe um
Islam "Tschengis" Bataew angehört und sich an Aktionen gegen das russische
Militär beteiligt (Bl. 122 GA). Die traumatischen Zuständige im Krieg sowie das
Leben auf der Flucht in ständiger Angst vor den Behörden hätten bei ihm eine
psychische Erkrankung nach sich gezogen. Insoweit überreichte er ein Attest des
Dr. Christoph Gampe vom 12. Januar 2004 (Bl. 122, 164 GA). In der mündlichen
Verhandlung gab der Kläger zudem an, bei der Aktion auf das Krankenhaus in
Argun seien nicht 300 Kämpfer anwesend gewesen, vielmehr seien dort nur 50 bis
60 Leute gewesen. Die Zahl 300 beziehe sich auf die Gesamtstärke der
Kampftruppe. Der in dem Krankenhaus verstorbene Cousin habe Islam Bataew,
Spitzname "Tschengis" gehießen. Im Juni bzw. Juli 1999 habe er seine Frau
geheiratet, damals habe er noch keiner Kampftruppe angehört. Nachdem der
Krieg zurück nach Tschetschenien gekommen sei, das müsse im Herbst,
wahrscheinlich im November 1999 gewesen sein, habe er sich der Rebellengruppe
angeschlossen. Im Dezember 1999 bzw. Januar 2000 hätten die Kämpfer Grozny
verlassen und seien in die Berge zurückgegangen. Zu diesem Zeitpunkt habe sich
sein Onkel den Kämpfern angeschlossen, er selbst sei noch etwa ein oder zwei
Monate lang zu Hause geblieben und habe sich dann ebenfalls der Kampfgruppe
angeschlossen. Anfang 2000 sei er persönlich zum ersten Mal von russischen
Soldaten gesucht worden, zu dieser Zeit hätten in ihrem Dorf öfters
Säuberungsaktionen stattgefunden. Zunächst sei allgemein nach Waffen und
später gezielt nach Personen gefahndet worden. Er habe sich vorwiegend in Argun
aufgehalten, dort habe es mehrstöckige und auch einstöckige Häuser gegeben,
viele Wohnungen hätten leer gestanden. Sie hätten sich dort in Kellern versteckt,
manchmal seien sie aber auch in anderen Dörfern in der Umgebung gewesen.
Während dieser Zeit sei man des Öfteren zu Hause gewesen, aber immer nur
nachts. Den Kampf habe er aufgegeben, da er Magenprobleme gehabt habe und
längere Zeit immer nur bei fremden Leuten gewesen sei. Er habe diese Menschen
nicht in Gefahr bringen wollen und schließlich sei auch der Punkt gekommen, wo er
nicht mehr gekonnt habe. Es habe auch einen gewissen Druck seitens seiner
Familie und seiner Ehefrau gegeben, die ein normales Leben habe führen wollen.
Von der Existenz einer Heiratsurkunde habe er im Übrigen nichts gewusst,
mittlerweile habe er wieder Kontakt zu seinen Eltern und von ihnen eine Kopie der
Heiratsurkunde erhalten. Ausweislich einer in der Gerichtsakte befindlichen Kopie
(Bl. 169 GA), die in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht von
dem dort anwesenden Dolmetscher übersetzt worden ist, haben die Kläger danach
am 14. Dezember 2000 standesamtlich in Argun geheiratet.Auf Nachfrage erklärte
die Klägerin zu 2., die Eheschließung nach muslimischem Recht habe im Jahr 1999
stattgefunden, sie habe damals im Haus ihres Ehemannes gelebt. Ihr
Schwiegervater habe später den Antrag beim Standesbeamten gestellt und
erklärt, dass sie beide, ihr Mann und sie, verheiratet seien. Diese Erklärung des
Schwiegervaters habe ausgereicht, sie hätten nicht vor dem Standesbeamten
erscheinen müssen. Nach ihrer Erinnerung sei es im Jahr 1999 gewesen, als der
Kläger sich den Kampfgruppen angeschlossen habe. Er sei ab diesem Zeitpunkt
nur selten zu Hause gewesen, meist nur nachts. Diese ganze Situation habe bei
ihr zu zwei Fehlgeburten geführt, die Soldaten hätten wissen wollen, wo ihr Mann
sei, ansonsten sei ihr gedroht worden, umgebracht zu werden. Die erste
Fehlgeburt sei im Oktober 2000 gewesen, sie sei damals im 3. Monat schwanger
gewesen. Die zweite Fehlgeburt habe sie hier in Deutschland in Schwalbach
erlitten. Nachdem das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 14. Januar 2002 den
Anspruch der Kläger auf Zuerkennung von Asyl gemäß Art. 16 a GG abgetrennt
und die Klage insoweit mit Gerichtsbescheid vom 25. Februar 2002 als
offensichtlich unbegründet abgewiesen hatte (Az. 5 E 63/02.A), haben die Kläger
beantragt,
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1. den Bescheid des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge
vom 23.10.2001 aufzuheben; 2. die Beklagte zu verpflichten, festzustellen, dass
die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG vorliegen; hilfsweise festzustellen,
dass die Voraussetzungen des § 53 AuslG vorliegen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung trägt sie im Wesentlichen vor, in der Russischen Föderation
unterläge keine Volksgruppe einer an die Volkszugehörigkeit anknüpfenden
staatlichen Verfolgung, im Übrigen stünde tschetschenischen Volkszugehörigen
eine inländische Fluchtalternative in der Russischen Föderation zur Verfügung. Das
Verwaltungsgericht hat durch Einholung einer amtlichen Auskunft des Auswärtigen
Amtes Beweis erhoben hinsichtlich mehrerer von den Klägern vorgelegter
Unterlagen (Bl. 98 ff. GA). Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird
auf Bl. 104, 105 der Gerichtsakte verwiesen.
Mit Urteil vom 21. Oktober 2004 - 5 E 2560/01.A (2) - hat das Verwaltungsgericht
Wiesbaden die Klage abgewiesen. Es hat den Vortrag der Kläger im Wesentlichen
für unglaubhaft gehalten. Auf Antrag des Bevollmächtigten der Kläger vom 11.
November 2004 (Bl. 225 GA) hat der 3. Senat des Hessischen
Verwaltungsgerichtshofs mit Beschluss vom 15. Februar 2006 - 3 UZ 3458/04.A -
(Bl. 242 GA) die Berufung gegen das am 28. Oktober 2004 zugestellte Urteil vom
21. Oktober 2004 zugelassen.
Zur Berufungsbegründung tragen die Kläger im Wesentlichen vor, die
Einschätzung des Verwaltungsgerichts, die Schilderung des Klägers sei nicht
plausibel, da sich im Jahr 2001 keine Rebellen mehr in den Großstädten
aufgehalten hätten, sei falsch. Dem Kläger sei es mittlerweile möglich gewesen,
ein elektronisches Dokument des Feuergefechtes zu beschaffen, das von den
Rebellen aufgezeichnet worden sei. Insoweit werde eine CD-Rom zu den
Gerichtsakten gereicht. Seit ihrer Flucht aus Tschetschenien habe sich die
Situation für die Familie der Kläger weiter verschärft. In den Medien sei berichtet
worden, Angehörige der Familie, namentlich der in Aserbaidschan und nunmehr in
Berlin lebende Onkel ..., seien an dem Anschlag auf den ehemaligen Präsidenten
Tschetscheniens Kadyrow beteiligt gewesen. Bei Rückkehr müsse seine Familie
daher damit rechnen, staatlicherseits verfolgt zu werden. Der neue Präsident
Tschetscheniens habe Rache geschworen und gedroht, jeder, der auch nur
entfernt mit den Attentätern oder Drahtziehern des Anschlags auf seinen Vater in
Verbindung gebracht werden könne, müsse mit dem Tod rechnen. Obwohl die
Kläger sich bereits seit einigen Jahren in Deutschland aufhielten, werde immer
noch nach ihnen gesucht, so seien ehemalige Nachbarn befragt und beobachtet
worden. Bei Rückkehr nach Tschetschenien drohe ihnen auch wegen Blutrache
Lebensgefahr. Im Übrigen könnten sie auch nicht auf eine inländische
Fluchtalternative verwiesen werden, da für Tschetschenen die Versorgungslage in
der Russischen Föderation im Übrigen sehr schlecht sei und es dem Kläger nicht
möglich sei, seine schwangere Gattin nebst beiden Kindern zu ernähren. Auch
habe der Krieg ihm stark gesundheitlich zugesetzt, er leide noch immer an einer
chronischen Gastritis, einem Reizdarm und posttraumatischen
Belastungsstörungen mit reaktiven Depressionen, die ärztlich behandelt würden
(Bl. 258 GA).
Die Kläger beantragen,
die Beklagte unter Aufhebung des Urteils des Verwaltungsgerichts Wiesbaden
vom 21. Oktober 2004 - 5 E 2560/01.A - zu verpflichten, in ihrer Person die
Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG,
hilfsweise,
die Voraussetzungen der §§ 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG festzustellen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Beteiligte trägt unter Verweis auf verschiedene obergerichtliche
Rechtsprechung vor, es sei ganz überwiegende obergerichtliche Spruchpraxis, für
tschetschenische Volkszugehörige eine zumutbare inländische Fluchtalternative in
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tschetschenische Volkszugehörige eine zumutbare inländische Fluchtalternative in
der Russischen Föderation anzunehmen. Dem Umstand einer möglichen
Registrierung bzw. Fähigkeit, sich gegen die Verweigerung einer Registrierung
wirksam zu wehren, komme danach keine letztendlich maßgebende Rolle zu (Bl.
266 GA).
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die in der
Gerichtsakte befindlichen Schriftstücke, die von den Klägern eingereichte CD, den
Verwaltungsvorgang der Beklagten (1 Aktenheft), den Verwaltungsvorgang des
Landrates des Landkreises Limburg-Weilburg (3 Aktenhefte) sowie auf die den
Beteiligten mitgeteilten Erkenntnisse zur Situation in der Russischen Föderation
(Erkenntnisquellenliste Russische Föderation - Tschetschenien - Stand: März 2008)
Bezug genommen. Hinsichtlich der informatorischen Befragung der Kläger in der
mündlichen Verhandlung vor dem Senat wird auf den Inhalt der
Verhandlungsniederschrift verwiesen. Die genannten Unterlagen sind insgesamt
zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Beratung gemacht worden.
Entscheidungsgründe
Die Berufung der Kläger, mit der sie unter Abänderung des Urteils des
Verwaltungsgerichts Wiesbaden vom 21.Oktober 2004 - 5 E 2560/01.A - die
Verpflichtung der Beklagten begehren, ihnen die Flüchtlingseigenschaft gemäß §
60 Abs. 1 AufenthG zuzuerkennen, ist aufgrund der Zulassung durch den Senat
und auch sonst zulässig und auch begründet.
Das Verwaltungsgericht hat die Klage auf Feststellung der Voraussetzungen des §
51 Abs. 1 AuslG, der gemäß Art. 15 Abs. 3 des Gesetzes zur Steuerung und
Begrenzung der Zuwanderung und zur Regelung des Aufenthalts der Integration
von Unionsbürgern und Ausländern (Zuwanderungsgesetz) vom 30. Juli 2004 seit
dem 1. Januar 2005 durch § 60 Abs. 1 AufenthG abgelöst worden ist, zu Unrecht
abgewiesen; denn die Ablehnung der Feststellung von Flüchtlingsschutz gemäß §
60 Abs. 1 AufenthG in der Fassung des Gesetzes zur Umsetzung aufenthalts- und
asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union vom 19. August 2007 (BGBl. I
Nr. 41 S. 1970 ff.) - AufenthG - stellt sich im maßgeblichen Zeitpunkt der
gerichtlichen Entscheidung (§ 77 Abs. 1 AsylVfG) als rechtswidrig dar, die Kläger
haben Anspruch auf Zuerkennung von Flüchtlingsschutz.
Gemäß § 60 Abs. 1 AufenthG darf ein Ausländer in Anwendung des Abkommens
über die Rechtsstellung der Flüchtlinge vom 28. Juli 1951 (BGBl. 1953 II S. 559)
nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit
wegen seiner Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, seiner Zugehörigkeit zu einer
bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht
ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die
Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen
Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen
oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem
Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt wurden. Eine
Verfolgung wegen der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe kann
auch dann vorliegen, wenn die Bedrohung des Lebens, der körperlichen
Unversehrtheit oder der Freiheit allein an das Geschlecht anknüpft.
Eine Verfolgung im Sinne des Satzes 1 kann ausgehen von
a. dem Staat, b. Parteien oder Organisationen, die den Staat oder wesentliche
Teile des Staatsgebietes beherrschen oder c. nichtstaatlichen Akteuren, sofern die
unter Buchstabe a) und b) genannten Akteure einschließlich internationaler
Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, Schutz
vor der Verfolgung zu bieten, und dies unabhängig davon, ob in dem Land ein
staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht, es sei denn, es besteht eine
innerstaatliche Fluchtalternative. Für die Feststellung, ob eine Verfolgung nach
Satz 1 vorliegt, sind Art. 4 Abs. 4 sowie die Art. 7 bis 10 der Richtlinie 2004/83/EG
des Rates vom 29. April 2004 über Mindestnormen für die Anerkennung und den
Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als
Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt
des zu gewährenden Schutzes vom 29. April 2004 (ABl. EU L 304 S.12, ber. ABl.
2005 L 204 S. 24 - Qualifikationsrichtlinie/QRL -) ergänzend anzuwenden.
Der Senat hat sich in seinem Grundsatzurteil vom 21. Februar 2008 - 3 UE
191/07.A - mit den Veränderungen, die sich aus der Umsetzung bzw. dem
Inkrafttreten der QRL sowie der Sicherheitslage tschetschenischer Flüchtlinge aus
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Inkrafttreten der QRL sowie der Sicherheitslage tschetschenischer Flüchtlinge aus
Tschetschenien befasst und ausgeführt:
"Nach der nunmehr in § 60 Abs. 1 AufenthG in Bezug genommenen und im
Übrigen aufgrund des Ablaufs ihrer Umsetzungsfrist zum 10. Oktober 2006
ohnehin in weiten Teilen unmittelbar geltenden Qualifikationsrichtlinie (vgl. zur
unmittelbaren Geltung von Richtlinien EuGH, Urteil vom 19. 01. 1982 - Rs. 8 /81 -,
EuGHE 1982, 53 Rz 21 ff. und vom 20. 09. 1988 - Rs 190/87 -, EuGHE 1988, 4689
Rz 22 ff.; Herdegen, Europarecht, 8. Aufl., 2006, § 9 Rdn 44 ff.) haben sich die
vorwiegend richterrechtlich entwickelten Prüfungsmaßstäbe hinsichtlich der
Zuerkennung von Flüchtlingsschutz unmittelbar am Wortlaut der QRL und des
AufenthG zu messen, wobei dies teils zu gravierenden Änderungen, teils jedoch
zur Beibehaltung auch bisher geltender Prüfmaßstäbe führt. Dabei ist bei der
Auslegung der von dem deutschen Gesetzgeber so formulierten "ergänzenden"
Anwendung der Vorschriften der QRL - § 60 Abs. 1 Satz 5 AufenthG - zu beachten,
dass gem. Art. 1 QRL die Richtlinie verbindliche Mindestnormen für die
Mitgliedstaaten festschreibt, die durch den nationalen Gesetzgeber nicht
unterschritten werden dürfen. Wesentliches Ziel der Richtlinie ist nämlich die
Schaffung einer gemeinsamen Asylpolitik einschließlich eines "Gemeinsamen
Europäischen Asylsystems". Die Richtlinie soll auf "kurze Sicht zur Annäherung der
Bestimmungen über die Zuerkennung und Merkmale der Flüchtlingseigenschaft
führen" (vgl. Marx, Handbuch zur Flüchtlingsanerkennung, Erläuterungen zur
Richtlinie 2004/83/EG, 2005, Vorwort zur Neugestaltung des Handbuchs, III).
Bei der Frage, welcher Maßstab an die zu prüfende Verfolgungswahrscheinlichkeit
unter Geltung der QRL anzulegen ist, ist zunächst auf Art. 4 Abs. 3 QRL zu
verweisen, nach dem stets eine individuelle Prüfung zu erfolgen hat, mithin eine
rein generalisierende Sichtweise nicht mehr mit dem Wortlaut der Richtlinie zu
vereinbaren wäre (vgl. Hruschka/Löhr, Der Prognosemaßstab für die Prüfung der
Flüchtlingseigenschaft nach der Qualifikationsrichtlinie, ZAR 2007, S. 180 ff.)
Soweit nach der bisherigen Rechtsprechung für die Beurteilung der Frage, ob
einem Flüchtling nach den Maßstäben des § 60 Abs. 1 AufenthG Schutz zu
gewähren ist, unterschiedliche Maßstäbe anzulegen waren, je nach dem, ob dieser
seinen Heimatstaat auf der Flucht vor eingetretener oder unmittelbar drohender
politischer Verfolgung verlassen hat oder ob er unverfolgt in die Bundesrepublik
Deutschland gekommen ist (vgl. BVerfGE 80, 315 = NVwZ 1990, 151 = NJW 1990,
974), nimmt zwar die QRL eine entsprechende Unterscheidung ebenfalls auf,
allerdings mit Verschiebungen des Prüfungsumfangs hinsichtlich der vorverfolgt
ausgereisten Personen sowie hinsichtlich des anzustellenden Prüfungsumfangs im
Zeitpunkt der Ausreise.Nach den bisher richterrechtlich entwickelten Maßgaben
durfte ein - landesweit - vorverfolgt ausgereister Flüchtling grundsätzlich nur dann
in sein Heimatland zurückgeschickt werden, wenn er dort hinreichend sicher vor -
erneuter politischer - Verfolgung war (sog. herabgestufter
Wahrscheinlichkeitsmaßstab), wobei hinreichende Sicherheit in diesem
Zusammenhang bedeutete, dass aufgrund der bereits einmal erlittenen
Verfolgung hohe Anforderungen an die Wahrscheinlichkeit eines Ausschlusses
erneuter Verfolgung zu stellen waren. Es musste mehr als überwiegend
wahrscheinlich sein, dass keine erneute Verfolgung droht (BVerwGE 70, 169
<171>). Demgegenüber konnte ein unverfolgt Ausgereister bei zu
berücksichtigenden objektiven Nachfluchtgründen auf sein Heimatland verwiesen
werden, wenn ihm dort nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung
drohte, was anzunehmen war, wenn er in absehbarer Zeit dort nicht mit
Verfolgungsmaßnahmen ernsthaft zu rechnen hatte (vgl. BVerwGE 68, 106
<109>).
Auch die QRL nimmt bei der anzustellenden Verfolgungsprognose eine
Differenzierung vor, indem sie in Art. 4 Abs. 4, auf den § 60 Abs. 1 Satz 5 AufenthG
ausdrücklich Bezug nimmt, ausführt, dass die Tatsache, dass ein Antragsteller
bereits verfolgt wurde oder einen sonstigen ernsthaften Schaden erlitten hat bzw.
von solcher Verfolgung oder einem solchen Schaden unmittelbar bedroht war, ein
ernsthafter Hinweis darauf ist, dass die Furcht des Antragstellers vor Verfolgung
begründet ist bzw. dass er tatsächlich Gefahr läuft, ernsthaften Schaden zu
erleiden, es sei denn, stichhaltige Gründe sprechen dagegen, dass er erneut von
solcher Verfolgung oder einem solchen Schaden bedroht wird.
Zwar ist zutreffend, dass Art. 4 Abs. 4 QRL damit lediglich eine Prognoseregelung
für den Fall trifft, dass eine Person verfolgt wurde oder eine Verfolgung unmittelbar
bevorstand, nicht jedoch eine Vermutungsregel für unverfolgt ausgereiste
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bevorstand, nicht jedoch eine Vermutungsregel für unverfolgt ausgereiste
Flüchtlinge enthält (vgl. Hruschka/Löhr, a.a.O., S.181). Nach der Systematik des
Art. 4 Abs. 4 QRL stellt für den erstgenannten Personenkreis die stattgefundene
bzw. unmittelbar drohende Vorverfolgung den ernsthaften Hinweis auf eine auch
im Fall der Rückkehr zu erwartende Verfolgung dar, während bei nicht vorverfolgten
Flüchtlingen der in Art. 4 Abs. 4 QRL so bezeichnete "ernsthafte Hinweis" auf zu
erwartende Gefährdungen entfällt, es im Übrigen aber bei der Prüfung bleibt, ob
der Flüchtling heute bei Rückkehr in sein Heimatland erwartbar
Verfolgungsmaßnahmen oder einen sonstigen ernsthaften Schaden erleiden wird
oder hiervon unmittelbar bedroht ist. Insoweit kann auch auf die
Begriffsbestimmung des Art. 2 c) QRL zurückgegriffen werden, wonach "Flüchtling"
im Sinne der QRL einen Drittstaatsangehörigen bezeichnet, der aus der
begründeten Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion,
Staatsangehörigkeit, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer
bestimmten sozialen Gruppe sich außerhalb des Landes befindet, dessen
Staatsangehörigkeit er besitzt, und den Schutz dieses Landes nicht in Anspruch
nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will, oder einen
Staatenlosen, der sich aus denselben vorgenannten Gründen außerhalb des
Landes seines vorherigen gewöhnlichen Aufenthalts befindet und nicht dorthin
zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht dorthin zurückkehren will und
auf den Art. 12 keine Anwendung findet. Der letztgenannte Maßstab entspricht
dabei dem in der Rechtsprechung entwickelten Maßstab der "beachtlichen
Wahrscheinlichkeit" in Anlehnung an die britische Rechtsprechung des "real risk",
wobei auch ein Verfolgungsrisiko von unter 50% als beachtlich wahrscheinliches
Risiko angesehen werden kann.
Der von der Rechtsprechung entwickelte Maßstab der "hinreichenden Sicherheit"
bei vorverfolgt ausgereisten Flüchtlingen wird demgegenüber nunmehr durch die in
Art. 4 Abs. 4 QRL enthaltene Rückausnahme abgelöst, wonach eine erfolgte oder
unmittelbar drohende Vorverfolgung den ernsthaften Hinweis nach sich zieht, dass
die Furcht des Antragsteller vor Verfolgung begründet ist bzw. dass er Gefahr läuft,
ernsthaften Schaden zu erleiden, es sei denn, stichhaltige Gründe sprechen
dagegen, dass der Antragsteller erneut von solcher Verfolgung oder einem
solchen Schaden bedroht sein wird (a.A. Bay. VGH, Urteil vom 31. 08. 2007, 11 B
02.31774, Rdn 29, in juris online, der davon ausgeht, dass es auch unter Geltung
der QRL bei beiden bisher richterrechtlich entwickelten Prognosemaßstäben
bleibt). Bei der Auslegung des Art. 4 Abs. 4 QRL können zwar die in der
Rechtsprechung entwickelten Kriterien der "hinreichenden Sicherheit vor
Verfolgung" mit herangezogen werden, da auch der Richtliniengeber davon
ausgeht, dass der bereits einmal verfolgte Flüchtling einen erhöhten
Schutzstandard genießt, stellt doch die Vorverfolgung einen ernsthaften Hinweis
auf eine auch bei Rückkehr zu befürchtende Verfolgung dar, es sei denn es greift
die Rückausnahme des Art. 4 Abs. 4 a.E. QRL. Allerdings sollte sich die
Rechtsanwendung nunmehr den neuen - europaweit gültigen - Begrifflichkeiten
zuwenden, die als Rechtsnormen die richterrechtlich entwickelten Begriffe ablösen
und sich auch einer europaweiten Vergleichbarkeit werden stellen müssen.
Unter zeitlichen und tatsächlichen Gesichtspunkten hat der relevante
Prüfungsumfang der Verfolgungssituation des Flüchtlings durch die Regelungen
der QRL maßgebliche Änderungen, insbesondere hinsichtlich der richterrechtlich
entwickelten Kriterien einer örtlich oder regional begrenzten Verfolgung (vgl.
BVerwGE 105, 204; BVerwG Buchholz 402.25 § 1 AsylVfG Nr. 231; BVerwGE 105,
204; BVerwG, Beschluss vom 04.01.2007, 1 B 47.06) erfahren, da es auf diese
Differenzierungen nach Inkrafttreten der QRL nicht mehr ankommt. Insoweit folgt
der Senat der gegenteiligen Auffassung des Beteiligten (SS vom 22.02.2007, Bl.
301 GA) sowie der Beklagten (SS vom 05.03.2007, Bl. 307 GA) nicht, worauf weiter
unten noch eingegangen wird.
Die Differenzierung zwischen örtlich und regional begrenzter Gruppenverfolgung,
die zur Konsequenz hatte, dass Flüchtlinge, die "lediglich" einer örtlich begrenzten
Gruppenverfolgung ausgesetzt waren, mit Verlassen des Verfolgungsgebiets,
spätestens aber mit Rückkehr aus dem Ausland, mangels Orts- bzw. Gebietsbezug
voraussetzungsgemäß nicht mehr von Verfolgung betroffen seien und ihnen daher
eine Rückkehr in andere Gebiete des Heimatstaates ohne weitere asyl- bzw.
flüchtlingsrechtliche Prüfung einer inländischen Fluchtalternative zuzumuten war
(BVerwG, Beschluss vom 04.01.2007, 1 B 47.06, Rdnr. 5), ist mit den Vorgaben der
QRL nicht - mehr - zu vereinbaren.
Maßgeblich ist dabei, welche zeitlichen und inhaltlichen Vorgaben insbesondere
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Maßgeblich ist dabei, welche zeitlichen und inhaltlichen Vorgaben insbesondere
Art. 8 QRL für die Prüfung der Voraussetzungen einer inländischen
Fluchtalternative bzw. eines internen Schutzes vorgibt und welche Veränderungen
sich hieraus zu den bisherigen Maßstäben ergeben.
Aufgrund der Tatsache, dass auch Art. 8 QRL - eine nach ihrem Wortlaut nicht
grundsätzlich umsetzungspflichtige Norm - durch § 60 Abs. 1 Satz 5 AufenthG in
Bezug genommen worden ist und das Institut der inländischen
Fluchtalternative/des internen Schutzes zudem ausdrücklich in § 60 Abs. 1 Satz 4
a. E. AufenthG gesetzliche Erwähnung erfährt, sind nunmehr das Vorliegen einer
inländischen Fluchtalternative/internen Schutzes und die in diesem
Zusammenhang anzustellenden rechtlichen Erwägungen ausschließlich an den
Maßstäben und dem Wortlaut der Art. 8 QRL und Art. 4 Abs. 4 QRL zu messen.Art.
8 QRL bestimmt, dass bei der Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz die
Mitgliedsstaaten feststellen können, dass ein Antragsteller keinen internationalen
Schutz benötigt, sofern in einem Teil des Herkunftslandes keine begründete Furcht
vor Verfolgung bzw. keine tatsächliche Gefahr, einen ernsthaften Schaden zu
erleiden, besteht und von dem Antragsteller vernünftigerweise erwartet werden
kann, dass er sich in diesem Landesteil aufhält (Abs. 1). Bei der Prüfung der Frage,
ob ein Teil des Herkunftslandes die Voraussetzungen nach Abs. 1 erfüllt,
berücksichtigen die Mitgliedsstaaten die dortigen allgemeinen Gegebenheiten und
die persönlichen Umstände des Antragstellers zum Zeitpunkt der Entscheidung
über den Antrag (Abs. 2). Schließlich kann Abs. 2 auch dann angewandt werden,
wenn praktische Hindernisse für eine Rückkehr in das Herkunftsland bestehen
(Abs. 3). Art. 8 QRL trägt unterschiedslos der Tatsache Rechnung, dass sich
Verfolgungssituationen innerhalb eines Staates für einzelne Personen oder
Personengruppen unterschiedlich darstellen können, mit anderen Worten, der
Staat bestimmte Personen und/oder Gruppen von Personen in einem Teil seines
Staatsgebietes verfolgt, während er sie anderenorts mehr oder weniger
unbehelligt lässt. Der von dem Bundesverfassungsgericht so bezeichneten
"Zwiegesichtigkeit des Staates" (BVerfGE 80, 315 ff.) trägt Art. 8 QRL Rechnung,
indem dem Flüchtling ohne Differenzierung nach regional oder örtlich begrenzter
Verfolgung eine Rückkehr in einen anderen Landesteil seines Heimatstaates nur
dann, und zwar im Zeitpunkt der Entscheidung über seinen Antrag, zugemutet
wird, wenn dort für ihn keine begründete Furcht vor Verfolgung bzw. keine
tatsächliche Gefahr, einen ernsthaften Schaden zu erleiden, besteht und von ihm
vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich in diesem Landesteil aufhält,
wobei sich nach Art. 8 Abs. 2 QRL eine rein generalisierende Prüfung verbietet.
Vielmehr ist bei Auslegung des Tatbestandsmerkmals "vernünftigerweise erwartet
werden kann" (Art. 8 Abs. 1 QRL) unter Anlegung objektiver Maßstäbe zu prüfen,
wie sich ein durchschnittlich vernünftiger Mensch in der Situation des Flüchtlings
verhalten würde und bei der Frage, ob dieses vernünftige Verhalten von dem
konkreten Flüchtling auch tatsächlich erwartet werden kann, seine persönlichen
Besonderheiten zu berücksichtigen sind.
War nach bisheriger Rechtsprechung bei der Prüfung der Flüchtlingseigenschaft
insbesondere zur Ermittlung der anzuwendenden Wahrscheinlichkeitsmaßstäbe
unter zeitlichen Gesichtspunkten grundsätzlich eine doppelte Prüfung
vorzunehmen, nämlich ob die Flüchtlingseigenschaft sowohl im Zeitpunkt der
Ausreise als auch im Zeitpunkt der gedachten Rückkehr landesweit anzunehmen
war bzw. ist, stehen dem nunmehr der Wortlaut von Art. 8 Abs. 2 QRL sowie seine
systematische Stellung zu Art. 4 Abs. 4 QRL entgegen. Art. 4 Abs. 4 QRL stellt
ausschließlich darauf ab, dass der Antragsteller - im Zeitpunkt der Ausreise -
bereits verfolgt wurde oder einen sonstigen ernsthaften Schaden erlitten hat bzw.
von solcher Verfolgung oder einem solchen Schaden unmittelbar bedroht war,
ohne hierbei das Institut des internen Schutzes - mit der Konsequenz der
Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (Art. 13 QRL) - mit in den Blick zu
nehmen. Ob eine angenommene Vorverfolgung bei regional oder örtlich
begrenzten Verfolgungsmaßnahmen auch zur Zuerkennung der
Flüchtlingseigenschaft führt, ist gemäß Art. 8 Abs. 2 QRL nach Prüfung der
Voraussetzungen des internen Schutzes zum Zeitpunkt der Entscheidung über
den Antrag zu entscheiden. Mit anderen Worten, es reicht für die Anwendbarkeit
des Art. 4 Abs. 4 QRL die Tatsache, dass der Antragsteller im Zeitpunkt der
Ausreise, und sei es nur in einem Teil seines Heimatstaates, verfolgt war oder
unmittelbar von Verfolgung bedroht war, während für die Beantwortung der Frage,
ob dies auch zur Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft führt, im Zeitpunkt der
Entscheidung über den Antrag, im gerichtlichen Verfahren also in der Regel im
Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung (§ 77 Abs. 1 AsylVfG), gemäß den von Art.
8 QRL angelegten Vorgaben zu prüfen ist, ob eine interne Schutzmöglichkeit für
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8 QRL angelegten Vorgaben zu prüfen ist, ob eine interne Schutzmöglichkeit für
den Verfolgten besteht oder nicht.
Da Art. 8 Abs. 2 QRL, wie bereits ausgeführt, hinsichtlich der Prüfung der
Voraussetzungen des internen Schutzes auf den Zeitpunkt der Entscheidung über
den Antrag abstellt, ohne hierbei bei der Frage der Vorverfolgung (Art. 4 Abs. 4
QRL) Differenzierungen nach örtlich oder regional begrenzten
Verfolgungssituationen vorzunehmen, verbietet bereits dieser systematische
Zusammenhang eine Beibehaltung der richterrechtlich entwickelten
Differenzierungen, die zur Konsequenz hatten, dass bei lediglich örtlich begrenzter
Gruppenverfolgung die Prüfung internen Schutzes gerade im Fall der Rückkehr aus
dem Ausland entfiel, da der Flüchtling voraussetzungsgemäß nicht - mehr - zu der
verfolgten Gruppe gehörte.
Darüber hinaus stehen kompetenzrechtliche Gründe der Beibehaltung der
genannten Differenzierungen zwischen örtlich und regional begrenzter
Gruppenverfolgung entgegen, da ihre Beibehaltung entgegen den Vorgaben der
QRL (Art. 4 Abs. 4, Art. 8 QRL) zu einer Schlechterstellung der "nur" einer örtlich
begrenzten Gruppenverfolgung ausgesetzten Flüchtlinge führen würde - in ihrem
Fall würde das Vorliegen der Vorraussetzungen des Art. 8 QRL im Zeitpunkt der
Rückkehr gerade nicht geprüft - und dies dem Ziel der QRL, verbindliche
Mindestnormen für den Flüchtlingsschutz festlegen zu wollen (Art. 1 QRL),
entgegenstünde.
Eine weitere Änderung nach Inkrafttreten der QRL stellt der Prüfungsumfang der
existentiellen Gefährdungen am Ort des internen Schutzes dar. Unter Geltung der
QRL entfällt nämlich bei der Prüfung des internen Schutzes hinsichtlich der dort zu
beachtenden existentiellen Gefährdungen die bisher von der Rechtsprechung
geforderte vergleichende Betrachtung - eine inländische Fluchtalternative konnte
bisher bei Vorliegen existentieller Gefährdungen dort nur dann angenommen
werden, wenn diese so am Herkunftsort nicht bestünden (BVerfGE 80, 315 ff.) -, da
eine derartige vergleichende Betrachtung Art. 8 QRL fremd ist. Dementsprechend
gehen auch sowohl die amtliche Begründung zu dem Gesetz zur Umsetzung
aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union vom 3. Januar
2006 als auch die Vorläufigen Anwendungshinweise des Bundesministeriums des
Innern vom 13. Oktober 2006 davon aus, dass der Flüchtling am Zufluchtsort eine
ausreichende Lebensgrundlage vorfinden muss, d.h., es muss zumindest das
Existenzminimum gewährleistet sein, und dies auch dann gilt, wenn im
Herkunftsgebiet die Lebensverhältnisse gleichermaßen schlecht sind."
Zu dieser Einschätzung hinsichtlich der anzuwendenden Prognosemaßstäbe, des
mutmaßlichen Zeitpunkts der Entscheidung sowie des für das Vorliegen eines
internen Schutzes anzulegenden Prüfprogramms gelangt der Senat auch unter
Berücksichtigung der Ausführungen des Bundesverwaltungsgerichts in seiner
Entscheidung vom 4. Januar 2007 - 1 B 47.06 - sowie unter Auseinandersetzung
der von dem Beteiligten in seinem Schriftsatz vom 11. April 2006 (Bl. 266 GA)
angeführten Entscheidungen anderer Oberverwaltungsgerichte. Zwar ist der
Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 4. Januar 2007 - 1 B 47.06 - nach
Ablauf der Umsetzungsfrist für die Qualifikationsrichtlinie ergangen, gleichwohl liegt
er vor Inkrafttreten des Aufenthaltsgesetzes in der Fassung vom 19. August 2007,
das für sich in Anspruch nimmt, die Qualifikationsrichtlinie in nationales Recht
umzusetzen. Nach Auffassung des Senats kann aus den Ausführungen des
Bundesverwaltungsgerichts in seinem Beschluss vom 4. Januar 2007 - 1 B 47.06 -
nicht zwingend geschlussfolgert werden, die Qualifikationsrichtlinie habe zu
keinerlei rechtlichen Änderungen hinsichtlich der anzuwendenden
Prüfungsmaßstäbe im Flüchtlingsschutz geführt, da sich der Beschluss hierzu nicht
ausdrücklich verhält.
Hinsichtlich der von dem Beteiligten angeführten anderen obergerichtlichen
Entscheidungen, die sich mit den Differenzierungen zwischen örtlich und regional
begrenzter Gruppenverfolgung, den danach anzuwendenden Prüfungsmaßstäben
sowie allgemein mit der Situation tschetschenischer Binnenvertriebener in der
Russischen Föderation befassen, sieht der Senat von einer differenzierten
Ausführung zu den dort gemachten Feststellungen ab, da sich, wie bereits
dargestellt, durch Umsetzung bzw. unmittelbare Anwendung der QRL die
Prüfungskriterien für das Vorliegen einer inländischen Fluchtalternative/des
internen Schutzes und der Zuerkennung von Flüchtlingsschutz maßgeblich
verändert haben und die von der Beklagten aufgeführten Entscheidungen anderer
Obergerichte daher für den Senat nicht mehr von entscheidender Bedeutung sind.
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Obergerichte daher für den Senat nicht mehr von entscheidender Bedeutung sind.
Gleiches hat für die tatsächlichen Verhältnisse in der Russischen Föderation und
dort insbesondere in Tschetschenien zu gelten, die nach dem Ergebnis der
Beweisaufnahmen in den Verfahren 3 UE 455/06.A, 3 UE 457/06.A sowie 3 UE
191/07.A - die im Rahmen der Beweisaufnahmen eingeholten Stellungnahmen
sind auch zum Gegenstand dieses Verfahrens gemacht worden - entscheidende
Veränderung erfahren haben.Unter Zugrundelegung der oben genannten
Prüfungsmaßstäbe sind die Kläger vorverfolgt im Sinne des Art. 4 Abs. 4 QRL aus
ihrer Heimatregion Tschetschenien ausgereist, da dort ihr Leben und ihre Freiheit
im Zeitpunkt der Ausreise im Juni 2001 allein wegen ihrer tschetschenischen
Volkszugehörigkeit unmittelbar bedroht war (§ 60 Abs. 1 Satz 1 AufenthG, Art. 4
Abs. 4 QRL).
Die Bedrohung der Kläger ging dabei unmittelbar aus von staatlichen Stellen (§ 60
Abs. 1 Satz 4 a AufenthG), nämlich den dort stationierten russischen Einheiten
und Sicherheitskräften, die in der Bekämpfung der tschetschenischen Rebellen
bzw. Separatisten weit über das hinaus gegangen sind, was unter dem
Gesichtspunkt einer legitimen Terrorismusbekämpfung bzw. der legitimen
Bekämpfung von Separatismusbestrebungen eines Staates hingenommen werden
kann (BVerfG, Beschluss vom 15.2.2000, 2 BvR 752/97, in juris-online; BVerwG,
Urteil vom 25.7.2007, 9 C 28/99, in juris-online), wobei die tschetschenische
Zivilbevölkerung gezielten Drangsalierungen, willkürlichen Verhaftungen,
Verschleppungen, Verfolgungen bis hin zu Mord, Folterungen und
Vergewaltigungen ausgesetzt war (vgl. auch AA, Ad hoc-Bericht über die asyl- und
abschiebungsrelevante Lage in der Russischen Föderation (Tschetschenien) vom
15.11.2000; ebenso AA, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in
der Russischen Föderation vom 28. August 2001). Hierbei hält der Senat auch
nach erneuter Überprüfung an seiner Einschätzung der Situation in
Tschetschenien im Zeitpunkt der Ausreise der Kläger fest. Hierzu hatte der Senat
in dem durch Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 4. Januar 2007 - 4 B
47.06 - aufgehobenen Urteil vom 2. Februar 2006 - 3 UE 3021/03.A - ausgeführt:
"Aus Anlass des Einfalls tschetschenischer Rebellengruppen in Dagestan und der
Ausrufung eines islamischen Staates dort sowie Bombenattentaten auf ein
Einkaufszentrum und ein Wohnhaus in Moskau, die von Seiten der russischen
Regierung tschetschenischen Rebellen zugeschrieben wurden, aber auch im
Hinblick auf den Präsidentschaftswahlkampf in der Russischen Föderation setzte
die Führung der Russischen Föderation ab September 1999 Bodentruppen,
Artillerie und Luftwaffe in Tschetschenien ein mit dem erklärten Ziel, die
tschetschenischen Rebellengruppen zu vernichten, die das Ziel der
Unabhängigkeit Tschetscheniens und die Errichtung eines islamischen Staates
anstrebten. Im Verlauf der Kämpfe brachte die russische Armee Anfang des Jahres
2000 Grozny, das dabei fast völlig zerstört worden ist, und im Frühjahr des Jahres
2000 große Teile Tschetscheniens unter ihre Kontrolle. Die Rebellengruppen zogen
sich in die südlichen Bergregionen zurück; sie sind seitdem zum Partisanenkrieg
und zu terroristischen Anschlägen übergegangen (vgl. Auswärtiges Amt,
Lagebericht vom 24.04.2001; Bundesamt, Der Tschetschenienkonflikt, Januar
2001; UNHCR, Stellungnahme über Asylsuchende aus der Russischen Föderation
im Zusammenhang mit der Lage in Tschetschenien, Januar 2002). Die russische
Armee ihrerseits ging unter dem Vorwand der Terroristenbekämpfung mit
äußerster Brutalität auch gegen die Zivilbevölkerung in Tschetschenien vor, die
zum damaligen Zeitpunkt nach Schätzungen bereits im Wesentlichen aus
tschetschenischen Volkszugehörigen bestand (vgl. UNHCR, Stellungnahme über
Asylsuchende aus der Russischen Föderation im Zusammenhang mit der Lage in
Tschetschenien, Januar 2002). Schon zu Beginn des zweiten
Tschetschenienkrieges im September 1999 ist es zu großen Fluchtbewegungen
gekommen. Aufgrund des Einmarschs der russischen Armeeeinheiten und der
Bombardierung der Städte flohen große Teile der Bevölkerung aus ihren
Wohnorten in Tschetschenien. Die russische Armee hinderte die Flüchtlinge zum
Teil bereits am Verlassen des Kampfgebietes, teilweise am Übertritt in die
Nachbarrepubliken wie Inguschetien (Auswärtiges Amt, Lagebericht vom 15.
Februar 2000). Dabei wurden auch Flüchtlingstrecks von der russischen Luftwaffe
angegriffen. Insgesamt ist davon auszugehen, dass von den zu Beginn des
zweiten Tschetschenienkrieges in Tschetschenien lebenden 450.000 Einwohnern
350.000 gewaltsam aus ihren Wohnorten vertrieben worden sind, davon 160.000
an andere Orte in Tschetschenien und die übrigen in andere Teile der Russischen
Föderation und das Ausland (UNHCR, Stellungnahme über Asylsuchende aus der
Russischen Föderation im Zusammenhang mit der Lage in Tschetschenien, Januar
2002; Bundesamt, Russische Föderation, Checkliste Tschetschenien, August
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2002; Bundesamt, Russische Föderation, Checkliste Tschetschenien, August
2003). Die russischen Armeeeinheiten haben, wie schon im ersten
Tschetschenienkrieg, an vielen Orten in Tschetschenien sogenannte
Filtrationslager eingerichtet. In diese Lager wurden wahllos tschetschenische
Einwohner gebracht, wo nach den Erklärungen der russischen Stellen Terroristen
aufgespürt werden sollten. In den Lagern wurden die tschetschenischen
Volkszugehörigen systematisch misshandelt, vergewaltigt, gefoltert und getötet
(ai, Stellungnahme vom 08.10.2001; Stellungnahme des Europäischen Parlaments
zur Lage in Tschetschenien vom 08.03.2001). Internationale und russische
Menschenorganisationen (z.B. Human Right Watch-Bericht vom 18. Februar 2000,
ai Bericht vom 22. Dezember 1999 sowie Nachforschungen der Russischen
Menschenorganisation "Memorial") gingen aufgrund von Augenzeugenberichten
zunächst von dem Betreiben mindestens eines solchen russischen
"Filtrationslagers" an der Grenze zwischen Inguschetien und Tschetschenien aus.
Dort soll es abgeschirmt von der Öffentlichkeit zu Folterungen (z.B.
Elektroschocks, Schläge u.a. auf den Kopf und den Rücken mit Metallhammer)
durch russische Spezialkräfte gekommen sein. Durch Augenzeugenberichte und
aufgrund von Filmaufnahmen musste dann jedoch davon ausgegangen werden,
dass es in und um Grozny weitere Filtrationslager gab, in denen auch systematisch
gefoltert wurde, u.a. in dem Gefängnis Tschernokosowo, nördlich von Grozny. Der
Menschenrechtskommissar des Europarates, Gil-Robles, konnte bei seinem
Besuch in Tschetschenien zwar auch Haftanstalten besuchen, ihm wurden jedoch
ausschließlich frisch gestrichene Zellen gezeigt und Gespräche mit Gefangenen
nur in Anwesenheit von russischen Bewachern erlaubt. Die Foltervorwürfe konnten
dadurch nicht widerlegt werden (vgl. Auswärtiges Amt, Lagebericht vom 22. Mai
2000). Auf der Suche nach Terroristen überfielen russische Militäreinheiten ganze
Dörfer, nahmen deren Bewohner willkürlich fest und misshandelten sie (ai vom
20.02.2002 an VG Braunschweig). Gespräche mit Flüchtlingen in den Lagern
Inguschetiens haben die Greueltaten der russischen Armee bestätigt. Die
zahlreichen Menschenrechtsverletzungen waren gravierend. Es kam zu
willkürlichen Racheakten an der Zivilbevölkerung. Bei einer Explosion auf einem
belebten Markt in Grozny am 21. Oktober 1999 kamen nach
Augenzeugenberichten 140 Menschen ums Leben, 400 wurden zum Teil schwer
verletzt. Widersprüchliche Angaben gibt es über die Täter und deren Motive.
Recherchen von internationalen Menschenrechtsorganisationen (Human Rights
Watch, Bericht vom 20.01.2000) und Äußerungen von Angehörigen russischer
Spezialkräfte legen die Vermutungen sehr nahe, dass es sich bei dieser Tat um
eine "Sonderkommandoaktion" russischer Spezialkräfte handelte, die auf dem
Marktplatz Waffen und Sprengstoff tschetschenischer Rebellen vermuteten. Frauen
berichteten gegenüber Vertreterinnen von internationalen Hilfsorganisationen von
Vergewaltigungen seitens russischer Soldaten bei der Eroberung von Ortschaften
in Tschetschenien, so z.B. bei der Einnahme der Ortschaft Alkhan-Yurt, südwestlich
von Grozny im Dezember 1999 durch russische Verbände. Dabei soll es auch
Exekutionen (41 Opfer), Plünderungen und Brandstiftungen unter der
Zivilbevölkerung gegeben haben (vgl. Auswärtiges Amt, Lagebericht vom 22. Mai
2000). Kriegsverbrechen und Massaker blieben ungesühnt, da die russische
Führung kein Interesse an einer Aufklärung und strafrechtlichen Verfolgung zeigte
(Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge, Russische Föderation,
der Tschetschenienkonflikt, Stand Januar 2001). Im Zusammenhang mit dem
Militäreinsatz der russischen Armee in Tschetschenien berichteten internationale
(z.B. Human Rights Watch) und russische (z.B. Memorial)
Menschenrechtsorganisationen über massive Rechtsverletzungen (willkürliche
Tötungen von Zivilisten, Folter, zahlreiche Vergewaltigungen, Geiselnahme und
Plünderungen) durch die russischen Streitkräfte, aber auch durch die
tschetschenischen Partisanen. Bestand der Verdacht, dass sich in einem Dorf
Rebellen versteckt halten, fanden Säuberungsaktionen durch russische Soldaten
statt. Die Männer wurden auf körperliche Spuren von Kampfhandlungen
untersucht, der Ort geplündert und oftmals kam es zu Gewaltanwendungen
gegenüber der Bevölkerung (vgl. Bundesamt, Russische Föderation, der
Tschetschenienkonflikt, Januar 2001).
Angesichts dieses trotz der weitgehenden Behinderung unabhängiger
Berichterstattung durch die Behörden in vielen Einzelheiten dokumentierten
Vorgehens gegen die Zivilbevölkerung in Tschetschenien und der dabei
erfolgenden massenhaften und massiven Verletzung asylrechtlich geschützter
Rechtsgüter ist davon auszugehen, dass tschetschenische Volkszugehörige in
Tschetschenien unabhängig davon, ob bei ihnen der konkrete Verdacht der
Unterstützung von separatistischen Gruppierungen bestand, unmittelbar und
jederzeit damit rechnen mussten, selbst Opfer der Übergriffe der russischen
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jederzeit damit rechnen mussten, selbst Opfer der Übergriffe der russischen
Armeeeinheiten zu werden, weshalb davon auszugehen ist, dass sie im Zeitpunkt
der Ausreise der Kläger einer gegen sie als tschetschenische Volkszugehörige
gerichteten - örtlich begrenzten - Gruppenverfolgung unterlagen (ebenso OVG
Bremen, Urteil vom 23. März 2005 Az.: 2 A 116/03.A; VG Kassel, Urteil vom
15.04.2003 Az.: 2 E 802/02.A unter Hinweis auf weitere erstinstanzliche
Rechtsprechungen; die Frage der Vorverfolgung offen lassend Bay. VGH, Urteil
vom 31.01.2005 Az.: 11 B 02.31597; OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom
12.07.2005 Az.: 11 A 2307/03.A; OVG des Saarlands, Urteil vom 23.06.2005 Az.: 2
R 17.03; anderer Auffassung insoweit auch das Vorliegen einer regionalen
Gruppenverfolgung verneinend: Thüringer OVG, Urteil vom 16.12.2004 - 3 KO
1003/04 -).
Der Senat hält hierbei in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des
Oberverwaltungsgerichts Bremen (Urteil vom 23. März 2005 - 2 A 116/03.A -) auch
das für die Annahme einer Gruppenverfolgung erforderliche Kriterium der
Verfolgungsdichte für gegeben. Er legt zugrunde, dass aufgrund der in den
bezeichneten Berichten seit Beginn des zweiten Tschetschenienkrieges
geschilderten unzähligen und durchgehenden und ihrer Intensität nach
asylerheblichen Vorkommnisse gegenüber der tschetschenischen Zivilbevölkerung
eine derartige Verfolgungsdichte besteht, dass jeder Tschetschene und jede
Tschetschenin im Alter der Kläger ein den genannten Vergleichsfällen
entsprechendes Verfolgungsschicksal für sich befürchten musste (vgl. BVerwG,
Urteil vom 05.07.1994 - 9 C 185.94 - NVwZ 95, 175) und es den Tschetschenen
bei objektiver Betrachtung der in Tschetschenien aus den genannten
Vorkommnissen herzuleitenden Gefährdungslage nicht zumutbar war, dort zu
verbleiben (vgl. BVerwG, Urteil vom 23.07.1991 - 9 C 154.80 - NVwZ 92, 578;
BVerfG, Beschluss vom 23.01.1991 - 2 BvR 902/85, 518.89, BVerfGE 83, 219; OVG
Bremen, Urteil vom 23.03.2005 - 2 A 116/03.A - in juris-online). Dabei hat das OVG
Bremen in der bereits zitierten Entscheidung zutreffend darauf hingewiesen, dass
die Zahl der von den asylerheblichen Eingriffen der genannten Art in
Tschetschenien Betroffenen nicht exakt beziffert werden kann. Nach der
geschätzten Bevölkerungsentwicklung in Tschetschenien und unter Abzug der von
den Eingriffen nicht betroffenen jüngeren Kinder dürfte sie sich auf unter 400.000
Personen belaufen. Bei der Volkszählung 1998 wurden in der noch ungeteilten
Republik 734.000 Tschetschenen gezählt (UNHCR, Januar 2002). Anfang 2002
lebten wegen des nur durch eine dreijährige Pause unterbrochenen jahrelangen
Krieges in Tschetschenien schon aus der Zeit vor dem neuerlichen
Tschetschenienkrieg ca. 600.000 der insgesamt 1.000.000 Tschetschenen nicht in
Tschetschenien, sondern in anderen russischen Regionen bzw. GUS-Staaten (vgl.
Auswärtiges Amt, Ad hoc-Bericht vom 07.05.2002). Die Volkszählung im Oktober
2002 ergab nach offiziellen Angaben zwar eine Zahl von über 1.000.000 in
Tschetschenien, der aber nicht gefolgt werden kann, nachdem unabhängige
Beobachter und Nichtregierungsorganisationen diesem Ergebnis sehr kritisch
gegenüberstehen und teilweise von einer Mehrfachregistrierung von Personen
ausgehen, deren Gründe in finanziellen Anreizen der Registrierung und in der
Furcht vor Säuberungsaktionen bei zu geringer Zahl in Tschetschenien liegen
könnten. Vorherige Schätzungen waren von einer durch Flüchtlinge, Auswanderung
und Kriegsopfer erheblich gesunkenen Einwohnerzahl für Tschetschenien
ausgegangen und hatten zwischen 450.000 bis 800.000 Tschetschenen in
Tschetschenien geschwankt (vgl. Auswärtiges Amt, Lageberichte vom 27.11.2002,
16.02.2004, 13.12.2004, 30.08.2005; OVG Bremen, Urteil vom 23. März 2005,
a.a.O.). Im Zeitpunkt der Ausreise der Kläger musste die in Tschetschenien
verbliebene Zivilbevölkerung davon ausgehen, jederzeit in die oben beschriebenen
Verfolgungsmaßnahmen der russischen Sicherheitskräfte verwickelt zu werden,
sodass die für die Annahme einer örtlich begrenzten Gruppenverfolgung
geforderte Verfolgungsdichte zu bejahen ist."
Den Klägern drohte jedoch zusätzlich zu den soeben beschriebenen
gruppenrelevanten Verfolgungsmaßnahmen auch aus individuellen Gründen
Verfolgung. Dabei war der Kläger unmittelbar von Verhaftung bedroht, wobei in
diesem Zusammenhang die unmittelbare Gefahr flüchtlingsrelevanter Übergriffe
durch die russischen Sicherheitskräfte bestand, die Klägerin war unmittelbar von
Übergriffen seitens der russischen Sicherheitskräfte bedroht, die anlässlich
mehrerer Hausdurchsuchungen, bei denen versucht wurde, des Klägers habhaft zu
werden, der Klägerin gedroht haben, sie umzubringen, falls sie nicht den
Aufenthaltsort ihres Ehemannes preisgebe.
Dabei hält der Senat die Aussagen der Kläger im Gegensatz zu der Beklagten
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Dabei hält der Senat die Aussagen der Kläger im Gegensatz zu der Beklagten
sowie im Gegensatz zu den Ausführungen des Verwaltungsgerichts nicht für
unglaubhaft.
Die Kläger sind in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat nochmals
informatorisch angehört worden, hinsichtlich der Ergebnisse der Befragung wird auf
den Inhalt der Verhandlungsniederschrift verwiesen.
Zwar ist dem Verwaltungsgericht beizupflichten, dass die Kläger teilweise nicht
zusammenpassende Daten, insbesondere hinsichtlich ihrer Heirat, benannt
haben, dies rechtfertigt jedoch nach Auffassung des Senats nicht die Annahme,
ihre Aussagen seien insgesamt unglaubhaft.
Soweit das Verwaltungsgericht den Klägern bzw. dem Kläger vorhält, er habe bei
seiner Anhörung vor dem Bundesamt angegeben, ihm persönlich sei bis zum März
2001 nichts passiert, erst zu diesem Zeitpunkt habe er sich einer Kampfgruppe
angeschlossen, die aus den Bergen gekommen sei, demgegenüber habe er in der
mündlichen Verhandlung erklärt, sich schon früher, wahrscheinlich bereits im
November 1999, der Rebellengruppe angeschlossen zu haben, beim Bundesamt
habe er das Datum wahrscheinlich nur falsch ausgesprochen, generell habe er
Schwierigkeiten mit Zahlen und Daten, und dass schließlich diese Einlassung des
Klägers durch ein "objektiv vorliegendes Beweismittel" widerlegt sei (S. 9
Urteilsabdruck), kann der Senat dem nicht folgen.Bereits die von dem
Verwaltungsgericht zum Beweis eines widersprüchlichen klägerischen Vortrags
herangezogene Aussage während der Anhörung des Klägers vor dem Bundesamt
hat so, wie von dem Verwaltungsgericht verwertet, nicht stattgefunden. Zwar ist
zutreffend, dass der Kläger ausweislich des Anhörungsprotokolls zunächst
angegeben hat, er habe sich im März 2001 einer Kampfgruppe, die aus den
Bergen gekommen sei, angeschlossen, diese Aussage hat er im Rahmen der
Rückübersetzung jedoch selbst sogleich korrigiert und ausgeführt, es sei im März
2000 und nicht im März 2001 gewesen, als er sich der Gruppe aus den Bergen
angeschlossen habe (Bl. 45 BA). Weiter hat der Kläger in seiner Anhörung
angegeben, nach Ausbruch des 2. Tschetschenienkrieges gemeinsam mit anderen
aus seiner Familie, dem Dorf und den Nachbardörfern gegen die Russen gekämpft
zu haben, dies sei Ende Dezember 1999, Anfang Januar 2000 gewesen. Insoweit ist
der Vorhalt des Verwaltungsgerichts, seine Angaben seien von der zeitlichen
Abfolge her widersprüchlich, nicht gerechtfertigt.
Gerechtfertigt ist allerdings zunächst der Vorhalt des Verwaltungsgerichts, die
Daten hinsichtlich der angeblich stattgefundenen Eheschließung seien in sich
widersprüchlich und nicht nachvollziehbar. Dem Verwaltungsgericht kann aber
nicht darin gefolgt werden, dass es sich bei der von den Klägern in der mündlichen
Verhandlung überreichten Kopie einer vorgeblichen Heiratsurkunde um ein
"objektiv vorliegendes Beweismittel" handelt, das ihre Aussagen im Übrigen als
unglaubhaft erscheinen lässt. Ausweislich der in der mündlichen Verhandlung vor
dem Verwaltungsgericht angefertigten Übersetzung der auf Bl. 169 GA
befindlichen Kopie haben die Kläger am 14. Dezember 2000 in Argun
standesamtlich geheiratet, einem Datum, das bis zu diesem Zeitpunkt von
keinem der Kläger genannt worden war. Während der Kläger bei seiner Anhörung
vor dem Bundesamt angegeben hatte, seine Frau 1999 religiös geheiratet zu
haben und noch nicht standesamtlich verheiratet zu sein, gab die Klägerin im
Rahmen ihrer Anhörung an, den Kläger am 21. Juni 1999 in Argun standesamtlich
und in Mesker-Jurt religiös geheiratet zu haben. Auf entsprechenden Vorhalt des
Bundesamtes führte sie aus, sie hätten sich in Argun eintragen lassen und dies sei
noch von der Russischen Föderation gemacht worden. Erst im Rahmen der
mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht überreichten sie sodann die
vorgebliche Kopie ihrer Heiratsurkunde (Bl. 169 GA), nach der sie am 14.
Dezember 2000 in Argun standesamtlich geheiratet haben wollen. Auf
entsprechende Nachfrage gab die Klägerin hierzu an, die Eheschließung nach
muslimischem Recht habe im Jahr 1999 stattgefunden, sie habe damals im Haus
ihres Ehemannes gelebt. Ihr Schwiegervater habe später den Antrag beim
Standesbeamten gestellt und erklärt, dass sie verheiratet seien. Diese Erklärung
ihres Schwiegervaters habe ausgereicht, sie hätten nicht vor dem
Standesbeamten erscheinen müssen. Zwar ist mit dem Verwaltungsgericht davon
auszugehen, dass eine standesamtliche Heirat mit Erscheinen beider Eheleute
dort im Dezember 2000 tatsächlich dagegen spräche, dass nach dem Kläger in
seinem Heimatland gesucht wurde. Allerdings beweist die in Kopie eingereichte
angebliche Heiratsurkunde ebenso viel oder wenig wie die weiteren von dem Kläger
eingereichten Schriftstücke, wie etwa sein auf Bl. 96 GA befindlicher Ausweis der
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eingereichten Schriftstücke, wie etwa sein auf Bl. 96 GA befindlicher Ausweis der
Tschetschenischen Republik Ischkeria, der ihn als Leibwächter des
Administrationsvorsitzenden in Mesker-Jurt ausweist. Sämtliche eingereichte
Unterlagen können dabei nur im Zusammenhang mit dem sonstigen Vortrag der
Kläger einer Bewertung und Glaubhaftigkeitsprüfung unterzogen werden.
Hinsichtlich ihrer Eheschließung haben die Kläger bei alledem in der mündlichen
Verhandlung vor dem Senat die Existenz der angeblichen Heiratsurkunde vom
Dezember 2000 plausibel erklären können, indem sie erklärt haben, der Vater des
Klägers und Schwiegervater der Klägerin habe sich beim Standesamt in Argun eine
Heiratsurkunde von ihnen "besorgt", da er die Anwesenheit der Klägerin bei
Hausdurchsuchungen bzw. Nachforschungen habe erklären müssen, dies jedoch
aufgrund der Tatsache, dass die Klägerin dort nicht gemeldet gewesen sei, nicht
ohne weiteres habe tun können. Die Vorlage einer Urkunde, aus der sich ergebe,
dass die Kläger verheiratet seien, sei dabei hilfreich gewesen. Die Urkunde habe
der Vater bzw. Schwiegervater als Hausherr bzw. Familienoberhaupt einbehalten,
da bei Nachforschungen durch die russischen Sicherheitskräfte zunächst er über
die in dem Haus anwesenden Personen befragt worden sei. Der Vortrag der
Kläger, sie hätten ohne selbst bei dem Standesamt erscheinen zu müssen, eine
derartige Urkunde über den Vater bzw. Schwiegervater erhalten, erscheint dem
Senat dabei nach deren Vortrag plausibel, insbesondere da dem Senat auch
bekannt ist, dass es in der Russischen Föderation problemlos möglich ist,
Personenstandsurkunden zu kaufen, wie z. B. Staatsangehörigkeitsausweise,
Geburts- und Heiratsurkunden, Vorladungen, Haftbefehle und Gerichtsurteile (vgl.
Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der
Russischen Förderation, 13.01.2008). Dabei ist nicht entscheidend, ob die Kläger
tatsächlich standesamtlich geheiratet haben oder nicht - nach Auswertung ihrer
Aussagen spricht überwiegend viel dafür, dass dies zwar religiös, nicht aber
standesamtlich geschehen ist -, da die Vorlage der vorgeblichen Heiratsurkunde
vom 14. Dezember 2000 ihren Vortrag nicht unglaubhaft bzw. sie selbst nicht
unglaubwürdig macht.
Für den Senat stellt sich auch der weitere Vortrag des Klägers hinsichtlich seiner
Tätigkeit für die Rebellen nach Dezember 2000 durchaus als nachvollziehbar dar,
wobei der von dem Kläger geschilderte Sachverhalt den dem Senat vorliegenden
Erkenntnissen entspricht. Nach seinem Vortrag hat er nach Ende des ersten
Tschetschenienkrieges bei seinem Onkel, der unter Maschadow "Gouverneur" in
ihrem Dorf gewesen ist, gearbeitet - er habe ihn als Personenschützer begleitet -
und sich nach Ausbruch des zweiten Tschetschenienkrieges einer Gruppe
angeschlossen, die gegen die Russen gekämpft hat. Sie seien zunächst in Argun
tätig gewesen, dies sei, nachdem die Russen Grozny besetzt hätten, etwa Ende
Dezember 1999/Anfang Januar 2000 gewesen. Einige von ihnen seien in die Berge
gegangen, er sei jedoch zunächst zu Hause geblieben und habe sich dann ab März
2000 der Kampfgruppe, die aus den Bergen gekommen sei, angeschlossen, wobei
sie zwischen Grozny, Schali und Baku Rostow fern zündende Minen verlegt und bei
Truppenbewegungen gezündet hätten. Dabei ist die von dem Kläger beschriebene
Abfolge der Ereignisse gemessen an den dem Senat vorliegenden
Erkenntnismitteln nicht, wie das Verwaltungsgericht meint, unglaubhaft, sondern
entspricht der allgemeinen Auskunftslage. Dem Verwaltungsgericht kann dabei
insbesondere nicht darin gefolgt werden, aufgrund der Tatsache, dass bis zum
Frühjahr 2000 fast das gesamte Territorium und alle größeren Städte
Tschetscheniens unter Kontrolle der Föderalen Russischen Streitkräfte gestanden
hätten, könne ihm nicht geglaubt werden, sich nach Ausbruch des zweiten
Tschetschenienkrieges noch Ende 2000 und bis zum Zeitpunkt seiner Ausreise im
Juni 2001 in der Umgebung von Argun aufgehalten und dort gekämpft zu haben.
Aus den dem Senat vorliegenden Erkenntnisquellen, die auch dem
Verwaltungsgericht vorgelegen haben dürften, ergibt sich, dass sich die
kriegerischen Auseinandersetzungen in Tschetschenien insbesondere auch in den
Jahren 2000 und 2001 gerade durch Guerillaaktionen der tschetschenischen
Kämpfer gegen die dort stationierten russischen Sicherheitskräfte und das
Zurückschlagen dieser ausgezeichnet haben, wobei die Zivilbevölkerung stark in
Mitleidenschaft gezogen worden ist. So führt das Bundesamt in seiner
Informationsschrift "Der Tschetschenienkonflikt, Erkenntnisse des Länderseminars
vom Januar 2001" aus, die Zahl der Rebellen werde auf insgesamt 5000 bis 6000
geschätzt, meist handele es sich um keine "Berufskämpfer". Sie hätten oftmals
Aufenthaltsberechtigungen für Grozny, wo sie tagsüber ihren Geschäften
nachgingen und nachts kämpften (Bundesamt, Russische Föderation, Der
Tschetschenienkonflikt, Januar 2001). Nach dem Lagebericht des Auswärtigen
Amtes vom 24. April 2001 ist der massive großflächige Kriegseinsatz durch einen
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Amtes vom 24. April 2001 ist der massive großflächige Kriegseinsatz durch einen
nach wie vor mit großer Härte geführten Partisanenkrieg abgelöst worden, der vor
allem die Zivilbevölkerung in Mitleidenschaft ziehe. Die tschetschenische Seite
führe weiterhin landesweit - in Einzelfällen auch in Nachbarregionen -
Feuerüberfälle sowie Minen- und Bombenattentate gegen föderale Einrichtungen
und mit ihnen kooperierende Tschetschenen durch. Den föderalen
Sicherheitskräften gelinge es bisher nicht, die Kontrolle über Tschetschenien
herzustellen. Sie reagierten auf tatsächliche oder vermutete Bedrohungen und
Angriffe mit zum Teil massivem Gewalteinsatz, darüber hinaus rissen Berichte
über Ausschreitungen, "Verschwindenlassen" von Zivilisten und Übergriffe gegen
die Zivilbevölkerung bei sogenannten "Säuberungen" oder an Straßensperren
nicht ab. Ein Ende der Gewalt von beiden Seiten sei bisher nicht absehbar
(Auswärtiges Amt, ad hoc Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage
in der Russischen Föderation "Tschetschenien" 24.04.2001). In den von russischen
Truppen kontrollierten Gebieten Tschetscheniens sei die Sicherheit der
Zivilbevölkerung wegen immer wieder neu aufflammender Kampfhandlungen,
Guerillaaktivitäten, Geiselnahmen, Plünderungen und Übergriffen (auch durch
russische Soldaten) nicht gewährleistet. In den von den tschetschenischen
Rebellen und Feldkommandeuren kontrollierten Gebieten gebe es keine
einheitliche Staatsgewalt, die Zivilbevölkerung sei der Willkür eines ungeordneten,
an die Scharia angelehnten Rechtssystems und Übergriffen krimineller Banden
ausgesetzt (Auswärtiges Amt, ad hoc Bericht über die asyl- und
abschiebungsrelevante Lage in der Russischen Föderation "Tschetschenien"
24.04.2001). Diese Aussagen entsprechen den Aussagen des Lageberichts des
Auswärtigen Amtes vom 28. August 2001, so dass davon auszugehen ist, dass in
der Zeit bis zur Ausreise der Kläger keine relevanten Veränderungen der
Sicherheitslage sowie der Aktivitäten der Guerillas zu verzeichnen waren.
Hierbei kann dahinstehen, ob der von dem Kläger zu den Gerichtsakten gereichte
Ausweis der Republik Ischkeria echt ist oder nicht, dies konnte auch von dem
Auswärtigen Amt in seiner Stellungnahme vom 15. Juni 2004 (Bl. 104 GA) weder
bestätigt noch verneint werden. Nach dieser Auskunft ist der vorgelegte
Dienstausweis aus offizieller russischer Sicht von illegalen Vertretern der
separatistischen Regierung Maschadow ausgestellt worden, wobei derartige
Dokumente, die zudem relativ leicht zu beschaffen seien, höchstens begrenzten
offiziellen Charakter hätten. Allein aus der Vorlage des Ausweises kann mithin
weder geschlussfolgert werden, seine Behauptung, während des Bestandes der
Tschetschenischen Republik Ischkeria für seinen Onkel in Mesker-Jurt als
Leibwächter gearbeitet zu haben, sei zutreffend, noch dass dies nicht der Fall ist.
Allerdings sprechen die Tatsache, dass die Kläger gemeinsam mit den Klägern des
Verfahrens 3 UE 411/06.A in das Bundesgebiet eingereist sind und ihre direkten
familiären Beziehungen zu dem mittlerweile in Berlin lebenden Onkel des Klägers,
der unter Maschadow in Argun eine herausgehobene Stellung inne gehabt haben
soll, sowie die detailreichen Schilderungen des Klägers über seine Tätigkeiten vor
und während des 2. Tschetschenienkrieges dafür, dass er vor Ausbruch des 2.
Tschetschenienkrieges in diesem Umfeld Arbeit und Brot gefunden hat und nach
Ausbruch des Krieges auf Seiten der Rebellen gekämpft hat. Dafür spricht auch die
Aussage der Klägerin, nach der ihr Haus im Jahr 2000 dreimal durchsucht worden
sei und im Jahr 2001 einmal und jeweils nach dem Kläger gefragt worden sei, wobei
die Klägerin ausgeführt hat, ihr sei gedroht worden, umgebracht zu werden, wenn
sie den Aufenthaltsort des Klägers nicht preisgebe.
Auch nach Auswertung der Aussagen der Kläger in der mündlichen Verhandlung
vor dem Senat ergibt sich kein anderes Bild hinsichtlich ihrer Glaubhaftigkeit. Beide
haben detailreich und ohne dass der Eindruck entstand, sie hätten sich in ihren
Aussagen abgesprochen und diese gleichsam auswendig gelernt, über ihre
Erlebnisse in ihrem Heimatland berichtet. So hat der Kläger nachvollziehbar
geschildert, dass er als junger Mann seinen mittlerweile in Berlin lebenden Onkel,
der quasi als "Gouverneur" unter Maschadow in ihrem Dorf tätig war, bewundert
und sich zur Unterstützung in dessen Umfeld aufgehalten habe. Er selbst habe
dann den Personenschutz für ihn übernommen und, als er alt genug gewesen sei,
bei Ausbruch des zweiten Tschetschenienkrieges selbstverständlich auf Seite der
Tschetschenen gekämpft. Auch hinsichtlich seiner Befürchtung, bei diesen
Tätigkeiten durch die russischen Sicherheitskräfte erkannt worden zu sein, hat er
plausibel erläutert, einer seiner Mitkämpfer namens Sultan sei zu den russischen
Sicherheitskräften übergelaufen und nunmehr die zweite Hand von Kadyrow in
Argun. Auch die Kampfhandlungen und Ereignisse anlässlich des Todes seines
Cousins hat er detailreich geschildert. Insbesondere hat er die unterschiedlichen
Zahlen der vor dem Krankenhaus in Argun anwesenden Kämpfer dem Senat
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Zahlen der vor dem Krankenhaus in Argun anwesenden Kämpfer dem Senat
plausibel dahingehend erläutern können, dass sie jederzeit in der Lage gewesen
wären über Funk bis zu 300 in der Umgebung anwesende Kämpfer herbeirufen zu
können, tatsächlich aber mit wesentlich weniger Kämpfern im Krankenhaus
gewesen sind. Im Übrigen kann auf den Inhalt der Verhandlungsniederschrift
verwiesen werden. Gleiches hat für die Klägerin zu gelten, die mit sichtlicher
innerer Betroffenheit von den Erlebnissen in ihrem Heimatland berichtet hat. Auch
insoweit wird auf den Inhalt der Verhandlungsniederschrift verwiesen.
Glaubt der Senat mithin den Klägern, dass der Kläger unter Maschadow und nach
Ausbruch des 2. Tschetschenienkrieges als Tschetschenienkämpfer tätig war und
die Klägerin mehrfach anlässlich von Hausdurchsuchungen, bei denen nach dem
Kläger gesucht wurde, von den russischen Sicherheitskräften bedroht worden ist,
drohte dem Kläger im Zeitpunkt seiner Ausreise unmittelbar Verhaftung und in
diesem Zusammenhang menschenrechtswidrige Behandlung durch die russischen
Sicherheitskräfte, da mit vermeintlichen oder tatsächlichen Mitgliedern der
Rebellen bzw. der Regierung Maschadows im Zweifelsfall kurzer Prozess gemacht
wurde. Der Klägerin drohte demgegenüber menschenrechtswidrige Behandlung,
zumal sie schon mehrfach von den russischen Sicherheitskräften anlässlich der
Hausdurchsuchungen bedroht worden war.
Dabei sind die den Klägern unmittelbar drohenden Maßnahmen auch nicht durch
legitime Terrorismusbekämpfungsmaßnahmen auf Seiten des russischen Staates
gerechtfertigt.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts sowie des
Bundesverfassungsgerichts ist eine Verfolgung dann eine politische, wenn sie dem
Einzelnen in Anknüpfung an asylerhebliche Merkmale gezielt Rechtsverletzungen
zufügt, die ihn ihrer Intensität nach aus der übergreifenden Friedensordnung der
staatlichen Einheit ausgrenzen. Geht es dabei um Beeinträchtigungen der
körperlichen Unversehrtheit, so stellt generell jede derartige, nicht ganz
unerhebliche Maßnahme staatlicher Stellen, die an asylerhebliche Merkmale,
insbesondere die politische Überzeugung oder Betätigung eines Betroffenen
anknüpft, politische Verfolgung dar, ohne dass es noch auf eine besondere
Intensität oder Schwere des Eingriffs ankommt (BVerfG, Beschluss vom
15.02.2000, 2 BvR 752/97, in juris-online; BVerwG, Urteil vom 25.07.2000, 9 C
28/99, in juris-online). Auch Maßnahmen der staatlichen Selbstverteidigung
können asylrechtsbegründend sein. Da die betätigte politische Überzeugung im
Schutzbereich des Asylgrundrechts liegt, kann eine staatliche Verfolgung von
Taten, die aus sich heraus eine Umsetzung politischer Überzeugung darstellen,
grundsätzlich politische Verfolgung sein. Es bedarf einer besonderen Begründung,
um sie gleichwohl aus dem Bereich politischer Verfolgung herausfallen zu lassen.
Hierfür kommt der Rechtsgüterschutz in Betracht, sofern die staatlichen
Maßnahmen einer in den Taten zum Ausdruck gelangenden, über die Betätigung
der politischen Überzeugung hinaus gehenden zusätzlichen kriminellen
Komponente gelten. Auch eine danach nicht asylerhebliche Strafverfolgung kann
freilich in politische Verfolgung umschlagen, wenn objektive Umstände darauf
schließen lassen, dass der Betroffene wegen eines asylerheblichen Merkmals eine
härtere als die sonst übliche Behandlung erleidet. Auch unmenschliche
Behandlung, insbesondere Folter, kann sich dann als asylrelevante Verfolgung
darstellen, wenn sie wegen asylrelevanter Merkmale oder im Blick auf diese in
verschärfter Form eingesetzt wird (BVerfG, Beschluss vom 15.02.2000, 2 BvR
752/97, juris-online). Insoweit hat nichts anderes für die Frage
flüchtlingsrechtsbegründender Maßnahmen im Rahmen des § 60 Abs. 1 AufenthG
zu gelten.
Auch unter Anlegung dieser Kriterien stellt die drohende Behandlung des Klägers
anlässlich einer Verhaftung bzw. der Klägerin anlässlich weiterer
Sicherheitskontrollen, bei denen nach ihrem Ehemann gefragt worden wäre,
politische Verfolgung in dem oben beschriebenen Sinne dar. Zwar konnte und
kann den russischen Sicherheitskräften nicht die Berechtigung zu auch
flächendeckenden Fahndungsmaßnahmen nach den in Tschetschenien tätigen
Terroristen, die Tschetschenien von der Russischen Föderation abspalten und dort
einen islamischen Staat ausrufen wollten, abgesprochen werden. Die unter dem
Vorbehalt der Terrorismusabwehr durchgeführten Maßnahmen der russischen
Sicherheitskräfte stellten sich jedoch zu einem sehr hohen Anteil als
flüchtlingsbegründende Maßnahmen dar, da sie wahllos die dort lebenden
Kaukasier ins Visier nahmen, und es anlässlich der - grundsätzlich gerechtfertigten
- Sicherheitskontrollen in ganz erheblichen Umfang zu menschenrechtswidrigen
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- Sicherheitskontrollen in ganz erheblichen Umfang zu menschenrechtswidrigen
Behandlungen, oft einhergehend mit massiven körperlichen Übergriffen,
gekommen ist, die eindeutig über das hinausgingen, was einem Staat als legitime
Selbstverteidigungsmaßnahme gegen separatistische Bestrebungen zugebilligt
werden kann.
Dabei ist zu berücksichtigen, dass es nach den bereits oben ausgewerteten
Auskünften zur Sicherheitslage in Tschetschenien im Zeitpunkt der Ausreise der
Kläger in großer Zahl zu menschenrechtswidrigen Übergriffen auf vermeintliche
oder tatsächliche Terroristen oder auch Zivilisten gekommen ist, die von Seiten
der russischen Verantwortlichen weder gesühnt noch sonst irgendwie geahndet
wurden. Vielmehr gehörte es offensichtlich zu der Einschüchterungspolitik der
russischen Sicherheitskräfte, dem russischen Militär bzw. den vor Ort tätigen
Sicherheitskräften freie Hand zu lassen und Übergriffe gegenüber der
Zivilbevölkerung aber gerade und besonders auch gegenüber unter
Terrorismusverdacht festgenommenen Personen letztendlich durch die völlige
Straflosigkeit der jeweiligen Täter zu befördern, wenn nicht gar als gezieltes Mittel
zur Einschüchterung zu benutzen (vgl. amnesty international, Länder und Asyl,
08.10.2001; Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante
Lage in der Russischen Föderation, 28.08.2001; Bundesamt, Informationszentrum
Asyl, Russische Föderation, Tschetschenien-Konflikt, Januar 2001).Bei den danach
vorverfolgt ausgereisten Klägern entfällt nach den oben gemachten Ausführungen
im Zeitpunkt ihrer Ausreise die - zusätzliche - Prüfung des Vorliegens einer
internen Schutzmöglichkeit, da für Artikel 4 Abs. 4 QRL allein ausschlaggebend die
unmittelbar drohende bzw. eingetretene Verfolgung - und sei es nur in einem Teil
des Heimatlandes - ist, die im Fall der Kläger sowohl aus gruppengerichteten als
auch aus individuellen Gründen zu bejahen ist.
Zur Überzeugung des Senats steht fest, dass die Kläger im Zeitpunkt der
maßgeblichen Entscheidung einer gedachten Rückkehr (§ 77 AsylVfG, Art. 8 Abs. 3
QRL) weder in ihre Heimatregion Tschetschenien zurückkehren können, da gemäß
Art. 4 Abs. 4 QRL keine stichhaltigen Gründe dagegen sprechen, dass sie nicht
erneut von Verfolgung oder einem Schaden bedroht sein werden (vgl. zur
allgemeinen Sicherheitslage in Tschetschenien heute sowie zu den
Rückkehrmöglichkeiten ethnischer Tschetschenen aus Tschetschenien in ihr
Heimatland, soweit sie ohne Bezug zu den Rebellen sind, rechtskräftiges Urteil des
Senats vom 21.02.2008, 3 UE 191/07.A) und ihnen nach den Maßstäben des Art. 8
QRL auch keine Möglichkeit internen Schutzes in anderen Regionen der Russischen
Föderation zur Verfügung steht. Zwar mag für tschetschenische Volkszugehörige,
die in Tschetschenien geboren worden sind und dort bis zu ihrer Ausreise gelebt
haben, die jedoch nicht in das Fadenkreuz der russischen Sicherheitskräfte
geraten sind, eine Rückkehr nach Tschetschenien möglich sein, wie der Senat in
seiner Grundsatzentscheidung vom 21. Februar 2008 (3 UE 191/07.A) ausgeführt
hat. Dies hat jedoch nicht für die Kläger zu gelten.
Bei dem Kläger ist davon auszugehen, dass sowohl seine Tätigkeit in der
Verwaltung unter der Regierung Maschadow als auch seine Tätigkeit als
Tschetschenienkämpfer den russischen Sicherheitskräften bekannt geworden ist
und er daher als "Terrorist" in seinem Heimatland gesucht wird, so dass ihm bei
Rückkehr in sein Heimatland flüchtlingsrelevante Übergriffe drohen. Hinsichtlich
der Klägerin ist davon auszugehen, dass sie bei Rückkehr nach Tschetschenien
oder andere Gebiete der Russischen Föderation als Familienangehörige eines
Tschetschenienkämpfers mit entsprechenden Maßnahmen zu rechnen hat. Dabei
ist davon auszugehen, dass der Föderale Sicherheitsdienst (FSB) Listen der
Tschetschenienkämpfer führt (vgl. VGH München, Urteil vom 24.10.2007, 11 B
03.30710, in juris-online unter Verweis auf Auswärtiges Amt an VG Braunschweig
vom 18.02.2003) und eine Rückkehr in ein normales Leben nur für Personen
möglich ist, die nicht aktiv an Kampfhandlungen teilgenommen haben
(Auswärtiges Amt an Hess. VGH vom 06.08.2007), und mögliche
Tschetschenienkämpfer von den russischen Strafverfolgungsbehörden gesucht,
befragt und ggf. verurteilt werden (vgl. VGH München, Urteil vom 24.10.2007, 11 B
03.30710, in juris-online). Kann unter Berücksichtigung dieser Sachlage nicht
ausgeschlossen werden, dass der Kläger nach wie vor als "Terrorist" von den
russischen Sicherheitskräften erfasst ist und von diesen gesucht wird, kann nicht
im Sinne des Art. 4 Abs. 4 QRL davon ausgegangen werden, dass stichhaltige
Gründe dagegen sprechen, dass die Kläger erneut von Verfolgung bedroht sein
werden. Auch unter Geltung der Qualifikationsrichtlinie hat bei nicht nur aus
gruppenbezogenen Gründen, sondern darüber hinaus individuellen Gründen
vorverfolgten Flüchtlingen der höchste Prognosemaßstab zu gelten, den die
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vorverfolgten Flüchtlingen der höchste Prognosemaßstab zu gelten, den die
Qualifikationsrichtlinie in der in Art. 4 Abs. 4 QRL enthaltenen Rückausnahme zum
Ausdruck bringt und der zudem bei Anwendung der in Art. 8 Abs. 1 QRL
enthaltenen Zumutbarkeitsschranke, ob nämlich von dem Flüchtling
vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich am Ort des internen
Schutzes niederlässt, zu berücksichtigen ist.
Dabei ist nach der gesetzlichen Wertung im Regelfall davon auszugehen, dass bei
einem vorverfolgt ausgereisten Flüchtling seine Furcht vor Verfolgung begründet
ist und nur bei Vorliegen besonderer stichhaltiger Gründe dieser Regelfall
durchbrochen werden kann, wobei das Regel- Ausnahmeverhältnis desto
restriktiver zu Gunsten des Flüchtlings zum Tragen kommen muss, je mehr er
nicht "nur" vor gruppengerichteten Verfolgungsmaßnahmen, sondern zudem vor
individueller Verfolgung geflohen ist. Auch das Auswärtige Amt, das grundsätzlich
eine Rückkehr von Tschetschenen nach Tschetschenien für möglich hält, geht
davon aus, dass die Rückkehr in ein normales Leben nur für Personen möglich ist,
die nicht aktiv an Kampfhandlungen teilgenommen haben (Auswärtiges Amt,
06.08.2007 an Hess. VGH in 3 UE 191/07.A). Der Gutachter Prof. Dr. Luchterhandt
führt aus, es sei nicht nur wahrscheinlich, sondern selbstverständlich, dass
bekannte oder gar prominente Funktionäre oder Parteigänger Präsident
Maschadows und der "Tschetschenischen Republik Ickeria" im Falle einer Rückkehr
aus der Diaspora nach Russland und speziell nach Tschetschenien nicht nur
routinemäßig behandelt, sondern angefangen bei den Einreiseformalitäten von
dem in solchen Fällen zuständigkeitshalber eingeschalteten FSB, also von dem
Inlandsgeheimdienst, einer sorgfältigen Überprüfung und Kontrolle unterzogen
würden (vgl. Prof. Dr. Luchterhandt, 08.08.2007 an Hess. VGH in 3 UE 191/07.A).
Bei vermuteter oder unterstellter Tätigkeit für die tschetschenische Republik noch
im zweiten Tschetschenienkrieg werde die betreffende Person von den
Strafverfolgungsbehörden Russlands mehr noch als der "normale" Tschetschene
ohne Rebellenbezug als "Terrorist" eingestuft. Dies ergebe sich auch und gerade
daraus, dass der zweite Tschetschenienkrieg von offizieller russischer Seite von
Anfang an als eine quasi polizeiliche Terrorbekämpfungsmaßnahme hingestellt
und gerechtfertigt worden sei. Es sei nicht der Ausnahmezustand verhängt, was
wegen des Einsatzes der Streitkräfte verfassungsrechtlich geboten gewesen wäre,
stattdessen sei das Gesetz über die Terrorbekämpfung vom 25.07.1998
angewandt worden (vgl. Prof. Dr. Luchterhandt an Hess. VGH, 09.05.07 in 3 UE
455/06.A). Als besonders rückkehrgefährdet sieht dabei der UNHCR in
Übereinstimmung mit Menschenrechtsorganisationen insbesondere Flüchtlinge
und Asylsuchende an, die als frühere Mitglieder illegaler bewaffneter Formationen
und deren Angehörige gelten, Personen, die offizielle Positionen (inkl. sehr
niedriger Positionen) im Regime Maschadows innehatten, Personen die
offensichtlich von den Positionen der gegenwärtigen Regierung abweichende
politische Ansichten haben, sowie Personen, die möglicherweise für ihre vor der
Flucht erfolgte, nichtmilitärische Unterstützung der Rebellentruppen strafrechtlich
zur Verantwortung gezogen werden könnten. Eine Amnestie, die von der
Staatsduma der Russischen Föderation im September 2006 beschlossen worden
sei, sei für einige Personen in den oben genannten Kategorien anwendbar
gewesen, die Amnestiefrist sei jedoch im Januar 2007 abgelaufen und daher für
zukünftig zurückkehrende Personen nicht anwendbar (UNHCR an Hess. VGH,
08.10.2007 in u. a. 3 UE 191/07.A).
Ist mithin davon auszugehen, dass der Kläger aufgrund seiner Tätigkeit bei dem
Sicherheitsdienst Maschadows sowie bei den tschetschenischen Rebellen als
terrorverdächtige Person zu den besonders gefährdeten Rückkehrergruppen
gehört, kann nicht mit der gemäß Art. 4 Abs. 4 QRL erforderlichen Sicherheit
angenommen werden, dass er bei Rückkehr in sein Heimatland, unabhängig
davon, ob er sich nach Tschetschenien oder in eine andere Region der Russischen
Föderation begibt, dort nicht wieder erneut von solcher Verfolgung oder solchem
Schaden bedroht sein wird. Gleiches hat für die Klägerin als direkte Angehörige
eines unter Terrorismusverdacht stehenden Flüchtlings zu gelten.
Bei Festsetzung durch den FSB als Terrorismusverdächtiger kann nämlich nicht
mit der erforderlichen Sicherheit ausgeschlossen werden, dass es dort nicht wieder
zu Übergriffen der Sicherheitsbehörden kommt, im Fall einer Rückkehr nach
Tschetschenien und Bekanntwerden der unterstellten Tätigkeit des Klägers für die
tschetschenischen Rebellen muss sogar davon ausgegangen werden, dass er dort
mit Verfolgungsmaßnahmen durch die Kadyrow-Truppen zu rechnen hat. Der
Senat hat dabei zur allgemeinen Sicherheitslage für rückkehrende Tschetschenen
in seiner Entscheidung vom 21. Februar 2008 - 3 UE 191/07.A - im Wesentlichen
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in seiner Entscheidung vom 21. Februar 2008 - 3 UE 191/07.A - im Wesentlichen
ausgeführt:
"Vor diesem Hintergrund einer sowohl in autoritären als auch willkürlichen
Machtstrukturen gefangenen Gesellschaft wird die Sicherheitslage insbesondere
zurückkehrender Tschetschenen von den im Rahmen der Beweisaufnahme
beauftragten sachverständigen Stellen nicht einheitlich bewertet:
Während das Auswärtige Amt in seiner Stellungnahme an den Senat vom 6.
August 2007 (AA an Hess. VGH vom 06.08.2007, Bl. 517 ff. GA) in deutlicher
Abweichung zu den noch in seinem Lagebericht vom 17. März 2007 gemachten
Äußerungen(vgl. AA, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der
Russischen Föderation "einschließlich Tschetschenien" vom 17.03.2007, dort S. 22
unten) zu dem Ergebnis kommt, dass sich die allgemeine Sicherheitslage in der
tschetschenischen Republik im Wesentlichen normalisiert und die Zahl illegaler
Verhaftungen und Entführungen von Personen stark abgenommen habe sowie
sogenannte "Säuberungen" schon seit mehreren Monaten nicht mehr
durchgeführt worden seien, kann nach amnesty international von einer
Normalisierung der Situation in Tschetschenien nach wie vor keine Rede sein, es
komme im geringen Umfang weiterhin zu bewaffneten Auseinandersetzungen
zwischen russischen und tschetschenischen Sicherheitskräften auf der einen und
bewaffneten Oppositionsgruppen auf der anderen Seite (vgl. ai an Hess. VGH vom
27.04.2007, Bl. 376 ff. GA). Auch nach Auskunft der Heinrich-Böll-Stiftung droht
Rückkehrern eine erhöhte Gefahr, da sie im Verdacht stünden, vor ihrer Ausreise
bei den Rebellen gewesen zu sein. Sie würden oft Opfer von Erpressungen, von
offiziellen tschetschenischen Stellen würden sie beschuldigt, bei den Rebellen
gewesen zu sein, wobei ihnen angeboten werde, diese Beschuldigungen gegen
auch wiederholte oder regelmäßige Geldzahlungen fallen zu lassen (vgl. Heinrich-
Böll-Stiftung an Hess. VGH vom 20.04.2007, Bl. 370 ff. GA). Gleichlautend kommt
Frau Svetlana Gannuschkina, Vorsitzende der Menschenrechtsorganisation
"Memorial", in ihrer Auskunft vom 17. Mai 2007 zu dem Ergebnis, dass Rückkehrer
nach Tschetschenien besonders gefährdet seien, da man sie verdächtige, bei den
Aufständigen gewesen zu sein, außerdem würden sie Opfer von
Erpressungsversuchen, da man davon ausgehe, dass sie über Geld verfügten.
Jeder, der nach Tschetschenien reise, begebe sich in Lebensgefahr, wobei
rückkehrgefährdet insbesondere junge Männer seien, die man verdächtige, sich
bewaffneten Banden angeschlossen zu haben. Wer auch nur zur Passbeantragung
nach Tschetschenien zurückkehre, könne sich den Terrorismusvorwurf einhandeln,
wer altersbedingt noch keinen Pass habe oder wer seinen sowjetischen Pass
verloren habe, könne auf keinen Fall nach Tschetschenien reisen; bei jedem
Versuch, einen der Checkpoints zu passieren, werde er unweigerlich
festgenommen. In der tschetschenischen Republik gebe es nicht einmal ein
Mindestmaß an Sicherheit, Menschen würden auch weiterhin unter fabrizierten
Vorwürfen angeklagt und verurteilt, Folter sei ein übliches Mittel, um Geständnisse
und Beschuldigungen zu erzwingen (vgl. Memorial an Hess. VGH vom 17.05.2007,
Bl. 453 GA sowie der Vortrag von Frau Gannuschkina vom 25.11.2006, Bl. 469 ff.
GA). Diese Ausführungen von Frau Gannuschkina werden jedoch durch den
aktuellsten Bericht von "Memorial" aus dem Oktober 2007 relativiert. Dort ist
beschrieben, dass sich in dem Berichtszeitraum von August 2006 bis Oktober
2007 für die Menschen der Republik bedeutsame Veränderungen ergeben haben.
So hätten die Entführungen und Morde bis Ende 2006 schrittweise abgenommen,
seit Januar 2007 hätten die Entführungen sogar stark abgenommen. Dabei
vermute man, dass Ramsan Kadyrow den Chefs der ihm unterstehenden
Strukturen klar gesagt habe, dass Entführungen nicht mehr geduldet würden.
Besorgniserregend bleibe jedoch, dass Strafprozesse mit fabrizierten
Anschuldigungen geführt würden, wobei zentraler Bestandteil der Beweislage
Geständnisse seien, wie sie aus der Stalinzeit als "Königin der Beweise" bekannt
seien. Allerdings bleibt "Memorial" bei seiner Einschätzung, dass besonders
gefährdet Rückkehrer aus dem Ausland seien, da man bei ihnen viel Geld vermute
(vgl. Oktober 2007, Memorial, Zur Lage der Bewohner Tschetscheniens in der
Russischen Föderation, August 2006 - Oktober 2007).Demgegenüber vertreten die
sachverständigen Stellen UNHCR sowie Prof. Dr. Luchterhandt, Universität
Hamburg, eine differenziertere Position.
Nach Auskunft von UNHCR hat sich die Sicherheitslage in Tschetschenien graduell
verbessert, unrechtmäßige Handlungen und Gewaltakte stellten jedoch weiterhin
eine Bedrohung für die ortsansässige Bevölkerung dar. Von lokalen und
internationalen Menschenrechtsorganisationen würden insbesondere die
Straffreiheit bei Menschenrechtsverletzungen und das Versagen der Behörden bei
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Straffreiheit bei Menschenrechtsverletzungen und das Versagen der Behörden bei
der Untersuchung und strafrechtlichen Verfolgung von
Menschenrechtsverletzungen beklagt, außerdem die Anwendung von Folter und
unrechtmäßiger Inhaftierung sowie die Nichtbeachtung des Prinzips der
Rechtmäßigkeit durch die Exekutivorgane sowie die fehlende Unabhängigkeit der
Rechtsprechungsorgane. Auch wenn sie im Vergleich zu den früheren Jahren stark
abgenommen haben, seien weiterhin Entführungen und das "Verschwindenlassen"
von Personen zu verzeichnen (vgl. UNHCR an Hess. VGH, 08.10.07, Bl. 565 ff. GA).
Nach den von Memorial gesammelten Daten seien im Jahr 2006 195 Personen in
Tschetschenien entführt worden, 98 von ihnen seien nach Zahlung eines
Lösegeldes freigelassen, 15 Personen seien getötet worden. 15 Fälle würden
derzeit noch untersucht, während der Verbleib von 69 Personen weiterhin
ungeklärt sei. Für die ersten 7 Monate des Jahres 2007 sei über die Entführung von
24 Personen berichtet worden, 15 Personen seien freigelassen oder freigekauft
worden und eine Person sei tot aufgefunden worden. 6 Fälle würden derzeit noch
untersucht, während der Verbleib von 2 Personen weiterhin ungeklärt sei. Die
Zahlen, die von den Behörden für die genannten Zeiträume angegeben worden
seien, seien wesentlich geringer (vgl. UNHCR an Hess. VGH vom 08.10.2007,
a.a.O.). Für Rückkehrer lägen dem UNHCR keine umfassenden Untersuchungen
vor, es lägen allerdings Berichte vor, wonach der föderale Sicherheitsgeheimdienst
(FSB) Rückkehrer aus dem Ausland unter Beobachtung stelle und diese zu
Befragungen einbestelle. UNHCR sei bekannt, dass Rückkehrer aus Georgien zu
den FSB-Büros gebracht und dort befragt würden. Es lägen jedoch keine Berichte
darüber vor, dass Rückkehrer neben der Befragung zusätzlichen Problemen
ausgesetzt waren und seien. Vielmehr scheine es so, dass die Probleme, denen
Rückkehrer möglicherweise ausgesetzt seien, eher davon abhingen, ob sie eine
"saubere" Akte hätten oder nicht, als von der Tatsache, dass sie für einige Jahre in
einem GUS-Staat gelebt hätten (vgl. UNHCR an Hess. VGH vom 08.10.2007,
a.a.O.). Junge männliche Rückkehrer, die dem Rekrutierungsalter nahe seien,
könnten allerdings von den Behörden als potentielle Gefahr für die Regierung
angesehen werden, wenn sie Rebellenkämpfer unter ihren Familienangehörigen
(im weiten Sinne) hätten bzw. gehabt hätten. Alleinstehende Frauen ohne
männlichen Schutz oder Schutz durch ihre Familie seien potentiell stärker
gefährdet, geschlechtsspezifischer Gewalt durch die Gemeinschaft oder im
häuslichen Bereich ausgesetzt zu sein. Dies gelte besonders für
nichttschetschenische Frauen, da Tschetscheninnen möglicherweise bis zu einem
gewissen Grad von ihrer "Großfamilie" Schutz erhielten, auch wenn sie keine
direkten männlichen Familienangehörigen - mehr - haben (vgl. UNHCR an Hess.
VGH vom 08.10.2007, a.a.O.). Als besonders rückkehrgefährdet seien (frühere)
Mitglieder illegaler, bewaffneter Formationen und deren Angehörige einzuschätzen
sowie Personen, die offizielle Positionen (inkl. sehr niedriger Positionen) im Regime
Maschadow inne gehabt hätten, Personen, die offensichtlich von den Positionen
der gegenwärtigen Regierung abweichende politische Ansichten hätten sowie
Personen, die möglicherweise für ihre vor der Flucht erfolgte, nichtmilitärische
Unterstützung der Rebellentruppen strafrechtlich zur Verantwortung gezogen
werden könnten (vgl. UNHCR an Hess. VGH vom 08.10.2007, a.a.O.).
Auch Prof. Dr. Luchterhandt kommt zu dem Ergebnis, dass die heutige Lage im
Vergleich zu den Verhältnissen, die bis etwa 2005 auf dem Gebiet der öffentlichen
Sicherheit und Ordnung, also zunächst nach 1999 unter der direkten Herrschaft
der föderalen Sicherheits- bzw. Streitkräfte, dann ab etwa 2004 unter dem immer
mächtiger hervortretenden Ramsan Kadyrow in Tschetschenien geherrscht haben,
heute, wenige Monate nach der Erhebung Ramsan Kadyrows zum Präsidenten der
Republik (02.03.2007) - bei allen Vorbehalten - eine deutlich andere, d.h. bessere
sei. Nach übereinstimmender Einschätzung aller Beobachter Tschetscheniens
unter Einschluss auch der Menschenrechtsorganisationen seien die Fälle von Mord,
Folterungen, Misshandlungen, Menschenraub und Freiheitsberaubung signifikant
zurückgegangen. Halte dieser Zustand an, werde man bald von einer auch
qualitativ neuen Lage der inneren Verhältnisse Tschetscheniens sprechen könnten
(vgl. Prof. Dr. Luchterhandt an Hess. VGH vom 08.08.2007, a.a.O.). Diese
graduelle Verbesserung lasse sich auch an den von Memorial
zusammengestellten Zahlen ablesen, nach denen sich die Situation von 2002 bis
2007 wie folgt entwickelt habe:
Auch die weitere Auswertung der mit Beweisbeschluss vom 16. März 2007
gestellten Beweisfragen 2 bis 8 (Bl. 316, 317 GA), mit denen detailliert die
Sicherheitslage tschetschenischer Volkszugehöriger aus Tschetschenien, die im
Zuge des 2. Tschetschenienkrieges ihre Heimatregion verlassen haben und
nunmehr dorthin zurückkehren, ermittelt worden ist, ergibt eine unterschiedliche
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nunmehr dorthin zurückkehren, ermittelt worden ist, ergibt eine unterschiedliche
Bewertung durch die sachverständigen Auskunftsstellen:
Nach Auskunft des Auswärtigen Amtes leben tschetschenische Volkszugehörige,
die nach Abschluss der Kampfhandlungen in die tschetschenische Republik
zurückgekehrt seien, in der Regel ein normales Lebens, wobei sich "normales
Leben" nicht am deutschen Standard, sondern an dem Standard Tschetscheniens
von noch vor einem Jahr orientiere. Anfeindungen von Seiten der
tschetschenischen und föderalen Sicherheitskräfte, aber auch von Nachbarn aus
möglichen Neidmotiven, seien im Einzelfall nicht auszuschließen. Über
Drangsalierungen durch tschetschenische Rebellen lägen dem Auswärtigen Amt
keine Erkenntnisse vor. Die Rückkehr in ein normales Leben sei allerdings nur für
Personen möglich, die nicht aktiv an Kampfhandlungen teilgenommen hätten (vgl.
Auswärtiges Amt an Hess. VGH vom 06.08.2007, a.a.O.). Russische oder
tschetschenische Sicherheitskräfte stellten derzeit keine Gefahrenquelle für die
männlichen Jugendlichen dar, da sie unter Berücksichtigung des Alters, in dem sie
die tschetschenische Republik verlassen hätten, nicht in dem Verdacht stünden,
zu Kämpfern zu werden. Traditionell hätten sie zudem bei Verlust des Vaters eine
wichtige Rolle innerhalb des Familienverbandes zu übernehmen. Von möglichem
Interesse sei allerdings diese Altersgruppe für die tschetschenischen Kämpfer, die
durch agitatorische Arbeit unter Jugendlichen versuchten, ihnen ihre ideologischen
Wertvorstellungen zu vermitteln und sie auf ihre Seite zu ziehen (vgl. Auswärtiges
Amt an Hess. VGH vom 06.08.2007, a.a.O.). Tschetschenen würden seit 2001 auf
freiwilliger Basis in die russische Armee aufgenommen, aber bislang nur in
geringer Zahl und in Spezialfunktionen in Tschetschenien eingesetzt.
Tschetschenische Wehrpflichtige würden auf Befehl des Verteidigungsministers aus
dem Jahr 2005 nicht einberufen, es bestehe jedoch die Absicht, 2007 einen
Beschluss zu fassen, der die Einberufungspraxis aus der Region neu regeln werde
(vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in
der Russischen Föderation, 13.01.2008). Soweit es gleichwohl zu Übergriffen
komme, könnten diese in Erpressung von Geld, Drohungen, im Einzelfall aber auch
in Entführung oder Folter bestehen. Eine geschlechtsspezifische Unterscheidung
der Übergriffsmethoden und Intensität lasse sich nicht feststellen. Im Übrigen
gebe es in der tschetschenischen Republik kaum alleinstehende Frauen, da sie
auch als Witwen in der Familie der Verwandten lebten (vgl. Auswärtiges Amt an
Hess. VGH vom 06.08.2007, a.a.O.). Personen, die Opfer von Übergriffen von
russischen oder tschetschenischen Sicherheitskräften geworden seien, könnten
sich an die zuständigen Rechtsschutzorgane und Gerichte wenden, jedoch seien
die Erfolgsaussichten immer noch gering (Auswärtiges Amt an Hess. VGH vom
06.08.2007, a.a.O.).
Dagegen weist die Gesellschaft für bedrohte Völker darauf hin, dass bei den jüngst
veröffentlichten Statistiken, nach denen sich in den Städten die Lage verbessert
habe und die Zahl der Gewaltverbrechen zurückgegangen sein solle, zu
berücksichtigen sei, dass sich viele Menschen aus Angst vor Repressalien davor
fürchteten, eine Anzeige über Gewaltverbrechen durch die tschetschenischen
Sicherheitskräfte zu erstatten (Gesellschaft für bedrohte Völker an Hess. VGH vom
18.06.2007, Bl. 492 GA). Hierauf weist auch Prof. Dr. Luchterhandt in seiner
Auskunft vom 08.08.2007 (Bl. 525 GA) hin, wonach vor allem zwei Faktoren, welche
die Einschätzung der Sicherheitslage wesentlich erschwerten, zu benennen seien,
nämlich erstens die tief sitzende Furcht und Angst einer durch die beiden
Tschetschenienkriege traumatisierten Bevölkerung und zweitens die Diskrepanz
zwischen öffentlich - durchaus von verschiedenen Seiten, staatlichen Institutionen
und gesellschaftlichen Organisationen - verbreiteten Zahlen über schwere und
schwerste Menschenrechtsverletzungen und deren Opfer. Sowohl die Heinrich-Böll-
Stiftung als auch Memorial gehen dabei davon aus, dass für Rückkehrer
Bedrohungen von russischen und/oder tschetschenischen Sicherheitskräften bzw.
diesen nahestehenden Verbänden ausgehen, wobei genaue Zahlen zu Übergriffen
nicht genannt werden könnten, Referenzfälle jedoch von der Vorsitzenden der
Menschenrechtsorganisation Memorial in ihrem Vortrag vom 25. November 2006
(Anmerkung: allerdings für den dort relevanten Berichtszeitraum) genannt worden
seien (vgl. Heinrich-Böll-Stiftung an Hess. VGH vom 20.04.2007, Bl. 370 GA und
Memorial an Hess. VGH vom 17.05.2007, Bl. 453 GA).
Laut UNHCR gibt es keine Hinweise darauf, dass zurückkehrende Personen bei
ihrer Rückkehr allein aufgrund der Tatsache verfolgt werden, dass sie im Ausland
gelebt haben, oder deshalb, weil sie einer ethnischen Minderheit angehörten.
Maßgeblich für eine Verfolgungsgefahr im Falle einer Rückkehr sei insbesondere
die tatsächliche oder unterstellte - frühere - Mitwirkung bzw. Einbindung bei den
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die tatsächliche oder unterstellte - frühere - Mitwirkung bzw. Einbindung bei den
Rebellengruppen oder im Regime Maschadow (vgl. UNHCR an Hess. VGH vom
08.10.2007, a.a.O.). In diesem Zusammenhang verweist UNHCR auch auf die
bereits oben benannten besonders gefährdeten Rückkehrergruppen.
Nach Auskunft von Prof. Dr. Luchterhandt ist die Gefahr, Opfer von russischen
Sicherheitseinheiten, sei es von Soldaten oder Omonovcy (Omon = russische
Milizverbände mit Sonderaufgaben des föderalen Innenministeriums) zu werden,
für die Bevölkerung zwar weiterhin vorhanden, aber aus den genannten Gründen -
Tschetschenisierung des Tschetschenenkonflikts und quantitativ begrenzte
Einsätze - heute nur noch als gering einzustufen (vgl. Prof. Dr. Luchterhandt an
Hess. VGH vom 08.08.2007, Bl. 525 ff. 535, 536 GA).
Anders verhält es sich nach Einschätzung des Gutachters Prof. Dr. Luchterhandt
jedoch mit den föderalen Verbänden tschetschenischer Sicherheitskräfte, also mit
den Kadyrovcy, Jamadaevcy, Kakivci, wobei die beiden zuletzt genannten nicht der
Kommandogewalt von Ramsan Kadyrow unterstehen. Hier sei die Gefahr, Opfer
schwerer Angriffe auf Freiheit, Leben und Leib zu werden, noch immer als relativ
hoch einzuschätzen, obgleich sie im Vergleich zu früheren Jahren deutlich geringer
geworden sei (vgl. Prof. Dr. Luchterhandt an Hess. VGH vom 08.08.2007, Bl. 525,
536 GA). Dabei lägen keine Angaben über Fälle vor, welche Rückschlüsse auf eine
höhere Gefährdung oder gar Sonderbehandlung von Rückkehrern zuließen. So
habe im Oktober 2006 der Leiter des tschetschenischen Memorialbüros unter
Berufung auf Anna Politkovskaja festgestellt, dass 85 % der Entführungen in
Tschetschenien auf das Konto der Ramsan Kadyrow unterstehenden Verbände
gingen. Dieser Prozentsatz könne auf die Verantwortlichkeit für
menschenrechtswidrige Repressionsmaßnahmen der Sicherheitskräfte im
Allgemeinen ausgedehnt werden (vgl. Prof. Dr. Luchterhandt an Hess. VGH vom
08.08.2007, a.a.O.). Abstrakt betrachtet sei es nicht nur wahrscheinlich, sondern
selbstverständlich, dass bekannte oder gar prominente Funktionäre oder
Parteigänger Präsident Maschadows und der "tschetschenischen Republik Ickerija"
im Falle ihrer Rückkehr aus der Diaspora nach Russland und speziell nach
Tschetschenien nicht - nur - routinemäßig behandelt, sondern angefangen bei den
Einreiseformalitäten von dem in solchen Fällen zuständigkeitshalber
eingeschalteten FSB, also dem Inlandsgeheimdienst, einer sorgfältigen
Überprüfung und Kontrolle unterzogen würden (Prof. Dr. Luchterhandt an Hess.
VGH vom 08.08.2007, Bl. 525 GA, 538)."Bei alledem ist zu berücksichtigen, dass
nach der vor Ort über die meisten Informationen verfügenden Frau Svetlana
Gannuschkina (Menschenrechtszentrum Memorial) nach wie vor als besonders
gefährdet Rückkehrer aus dem Ausland gelten, die sowohl von den
Sicherheitskräften dort als auch den dort ansässigen Personen besonders beäugt
werden. So führt auch das Auswärtige Amt aus, dass, soweit der
Tschetschenienkonflikt nicht endgültig gelöst sei, davon auszugehen sei, dass
abgeschobene Tschetschenen besondere Aufmerksamkeit durch russische
Behörden erführen. Dies gelte insbesondere für solche Personen, die sich in der
Tschetschenienfrage engagiert hätten bzw. denen die russischen Behörden ein
solches Engagement unterstellten (vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl-
und abschiebungsrelevante Lage in der Russischen Föderation, 13.01.2008, Stand:
Dezember 2007). Dabei finden nach Auskunft des Auswärtigen Amtes in
Tschetschenien die schwersten Menschenrechtsverletzungen in der Russischen
Föderation statt. Nichtregierungsorganisationen, internationale Organisationen
und Presse berichteten, dass sich auch nach Beginn des von offizieller Seite
festgestellten "politischen Prozesses" erhebliche Menschenrechtsverletzungen
durch russische und pro-russische tschetschenische Sicherheitskräfte gegenüber
der tschetschenischen Zivilbevölkerung fortgesetzt hätten (Auswärtiges Amt,
Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Russischen
Föderation, 13.01.2008).
Generell auf die Russische Föderation bezogen wird von dem
Menschenrechtsbeauftragten Lukin moniert, dass es bei Verhaftungen,
Polizeigewahrsam und Untersuchungshaft immer wieder zu Folter und grausamer
oder erniedrigender Behandlung durch Polizei und Ermittlungsbehörden kommt.
Besonders kritisch sieht der Menschenrechtsbeauftragte die Situation vor Beginn
von Strafverfahren im Rahmen der sogenannten "operativen Ermittlungstätigkeit"
(Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der
Russischen Föderation, 13.01.2008). In Anbetracht der Tatsache, dass nach den
dem Senat vorliegenden Erkenntnissen Kaukasier ohnehin einer Art
Generalverdacht unterliegen, sie in den übrigen Regionen der Russischen
Föderation eher als unerwünscht angesehen werden und bei Hinzutreten eines
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Föderation eher als unerwünscht angesehen werden und bei Hinzutreten eines
unterstellten oder vermuteten Terrorismusverdachts die Gefahr erneuter Folter
und menschenrechtswidriger Übergriffe besteht, sind die Voraussetzungen der
Rückausnahme des Art. 4 Abs. 4 QRL im Fall der Kläger nicht gegeben.
Die Zuerkennung von Flüchtlingsschutz gemäß § 60 Abs. 1 AufenthG ist im Fall
des Klägers auch nicht gemäß § 60 Abs. 8 AufenthG ausgeschlossen. Danach
findet Abs. 1 keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden
Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland
anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines
Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer
Freiheitsstrafe von mindestens 3 Jahren verurteilt worden ist. Das gleiche gilt, wenn
der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylverfahrensgesetzes
erfüllt. Danach ist ein Ausländer nicht Flüchtling nach Abs. 1, wenn aus
schwerwiegenden Gründen die Annahme gerechtfertigt ist, dass er
1. ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen
gegen die Menschlichkeit begangen hat im Sinne der internationalen
Vertragswerke, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich
dieser Verbrechen zu treffen,
2. vor seiner Aufnahme als Flüchtling eine schwere nichtpolitische Straftat
außerhalb des Bundesgebietes begangen hat, insbesondere eine grausame
Handlung, auch wenn mit ihr vorgeblich politische Ziele verfolgt wurden oder
3. den Zielen und Grundsätzen den Vereinten Nationen zuwider gehandelt hat.
Dabei gilt Satz 1 auch für Ausländer, die andere zu den darin genannten
Straftaten oder Handlungen angestiftet oder sich in sonstiger Weise daran beteiligt
haben.
Die Voraussetzungen des § 60 Abs. 8 Satz 1 AufenthG sind im Fall des Klägers
offensichtlich nicht erfüllt, da nichts dafür bekannt ist, dass er im Bundesgebiet
sicherheitsrelevant aktiv geworden ist und deshalb verurteilt worden wäre.
Auch die Voraussetzungen des § 60 Abs. 8 Satz 2 AufenthG i. V. m. § 3 Abs. 2
AsylVfG sind auf Grund seiner Tätigkeit bei den tschetschenischen Rebellen, wobei
er nach seinem eigenen Vortrag während des 2. Tschetschenienkrieges Anschläge
auf die vor Ort stationierten russischen Einheiten verübt habt, nicht erfüllt.
Dabei setzt § 60 Abs. 8 Satz 2 AufenthG i. V. m. § 3 Abs. 2 AsylVfG Art. 12 Abs. 2
QRL in nationales Recht um, der wiederum seine Entsprechung in Art. 1 F. a) der
Genfer Flüchtlingskonvention vom 28. Juni 1951 (BGBl. 2 1953 S. 559,
Bekanntmachung vom 28.04.1954, BGBl. 2 S. 619 - GK -) hat.
Zur Auslegung der in § 60 Abs. 8 Satz 2 AufenthG/§ 3 Abs. 2 AsylVfG genannten,
die Anerkennung der Flüchtlingseigenschaft ausschließenden Delikte kann dabei
auf die Richtlinien des UNHCR zur Anwendung von Art. 1 F. GK zurückgegriffen
werden (vgl. Hailbronner, AuslR, Kommentar, § 60 Rdnr. 186; VGH München, Urteil
vom 24.10.2007, 11 B 03.30710, in juris-online). Danach sind die Voraussetzungen
des § 60 Abs. 8 Satz 2 AufenthG/§ 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AsylVfG trotz Teilnahme
des Klägers an den kriegerischen Auseinandersetzungen in seinem Heimatland
nicht erfüllt. Bei der Erwähnung der Verbrechen gegen den Frieden, der
Kriegsverbrechen oder der Verbrechen gegen die Menschlichkeit bezieht sich das
Abkommen ganz allgemein auf "internationale Vertragswerke, die ausgearbeitet
wurden, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen zu treffen". In den Jahren
nach dem 2. Weltkrieg hat es eine beträchtliche Anzahl solcher Verträge gegeben,
in all diesen Vertragswerken finden sich Definitionen zu der Frage, was als
"Verbrechen gegen den Frieden, als Kriegsverbrechen oder Verbrechen gegen die
Menschlichkeit" anzusehen ist, wobei sich die umfassendste Definition in dem
Londoner Abkommen und der Charta des Internationalen Militärgerichtshofs von
1945 befindet (vgl. UNHCR, Handbuch für Verfahren und Kriterien zur Feststellung
der Flüchtlingseigenschaft, Dezember 2003, Rdnr. 150). Nach der Charta des
Internationalen Militärtribunals von 1945 versteht die Charta unter Verbrechen
gegen den Frieden die Planung, Vorbereitung, das Anstiften zu oder Führen eines
Angriffskrieges oder eines Krieges, durch den internationale Verträge, Abkommen
oder Zusicherungen verletzt werden oder die Teilnahme an einer Verschwörung
zum Zweck der Erfüllung eines der vorgenannten Ziele. Bei Kriegsverbrechen
handelt es sich insbesondere um die Verletzung von geschriebenem oder
ungeschriebenem Kriegsrecht. Solche Verletzungen sollen folgende Verbrechen
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ungeschriebenem Kriegsrecht. Solche Verletzungen sollen folgende Verbrechen
einschließen, aber nicht auf sie beschränkt sein: Mord, Misshandlung oder
Deportation der Zivilbevölkerung des besetzten Gebietes oder der sich auf diesem
Gebiet befindenden Bevölkerung zum Zweck der Zwangsarbeit oder zu einem
anderen Zwecke, Ermordung oder Misshandlung von Kriegsgefangenen oder
Personen auf See, das Töten von Geiseln, das Plündern öffentlichen oder privaten
Eigentums, die mutwillige Zerstörung von Städten oder Dörfern oder Akte der
Verwüstung, die nicht durch militärische Notwendigkeit gerechtfertigt sind. Bei
Verbrechen gegen die Menschlichkeit handelt es sich insbesondere um Mord,
Ausrottung, Versklavung, Deportation und andere Akte der Unmenschlichkeit
gegenüber der Zivilbevölkerung vor oder während des Krieges (vgl. insgesamt:
Auszug aus der Charta des Internationalen Militärtribunals vom 3. März 1949 in
UNHCR, Handbuch über Verfahren und Kriterien zur Feststellung der
Flüchtlingseigenschaft, Anhang V).
Der Kläger hat sich zwar nach seiner eigenen Auskunft an der Tötung russischer
Soldaten beteiligt, hierbei handelte sich jedoch zum einen nicht um Maßnahmen
gegen die Zivilbevölkerung, zum anderen um die Teilnahme an kriegerischen
Auseinandersetzungen zweier Kriegsparteien, die die Voraussetzungen des § 60
Abs. 8 Satz 2 AufenthG/§ 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AsylVfG nicht erfüllt.
Der Kläger hat auch die Voraussetzungen des § 60 Abs. 8 Satz 2 AufenthG/§ 3
Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AsylVfG nicht erfüllt. Dabei wird für die Schwere des in dieser
Norm genannten nichtpolitischen Delikts auf internationale Standards abgestellt,
wobei zu berücksichtigen sind die Art der Handlung, der tatsächlich zugefügte
Schaden, die Art des zur strafrechtlichen Verfolgung des Verbrechens
eingeleiteten Verfahrens, die Form der Strafe sowie die Frage, ob das Verbrechen
in den meisten Rechtsordnungen ein schweres Verbrechen darstellen würde (vgl.
Hailbronner, Aufenthaltsgesetz, § 60 Rdnr. 188; UNHCR, Handbuch über Verfahren
und Kriterien zur Feststellung der Flüchtlingseigenschaft, a. a. O., Rdnr. 154, 155).
Nichtpolitisch ist das Verbrechen, wenn es überwiegend aus anderen Motiven
begangen wird. Besteht keine eindeutige Verbindung zwischen dem Verbrechen
und einem angeblichen politischen Ziel oder ist die betreffende Handlung in Bezug
zu dem behaupteten politischen Ziel unverhältnismäßig, kann das Verbrechen als
unpolitisch qualifiziert werden. Beurteilungsfaktoren sind Motivation, der
Zusammenhang, die Verbrechensmethoden und die Verhältnismäßigkeit des
Verbrechens zum angestrebten Ziel. Darüber hinaus sollen die politischen Ziele
eines Verbrechens, wenn es als politisch motiviert gelten soll, im Einklang mit
menschenrechtlichen Grundsätzen stehen. In der neuen Staatenpraxis werden
durchweg terroristische Akte und willkürliche Tötungen oder andere physische
Angriffe gegenüber der Bevölkerung als nichtpolitisch qualifiziert (vgl. Hailbronner,
§ 60 AufenthG, Rdnr. 188). Dabei besteht, soweit ersichtlich, Einigkeit darüber,
dass ein nicht politisches Verbrechen auch dann zu bejahen ist, wenn zwar alle
Voraussetzungen für ein politisches Verbrechen sprächen, die begangene Straftat
aber in grobem Missverhältnis zu den behaupteten Zielen steht, namentlich in
besonders grausamer bzw. unmenschlicher Weise, insbesondere auch gegen
Unbeteiligte begangen wurde (vgl. GK-AsylVfG, Band 2, September 2007, § 2 Rdnr.
65 m. w. N.). Weiter ist in diesem Zusammenhang zu beachten, dass im Fall eines
weitgehenden Konsenses in der Völkergemeinschaft und den entsprechenden
Kodifizierungen auch durch diese in gewissem Umfang eine Klarstellung und "Ent-
bzw. Depolitisierung" erfolgen kann. Hierunter werden - allen politischen
Rechtfertigungsmustern der Täter zum Trotz - klassische terroristische Akte fallen
(z. B. Bombenattentate gegenüber Zivilpersonen, aber auch staatlichen
Hoheitsträgern, insbesondere wenn hierdurch Unbeteiligte einbezogen werden,
Geiselnahmen mit Flugzeugentführungen etc.) (vgl. GK-AsylVfG, a. a. O., § 2 Rdnr.
65, 66 m. w. N.).
Zwar können die von dem Kläger beschriebenen Überfalle auf die in
Tschetschenien stationierten russischen Sicherheitskräfte durchaus als
verbrecherische Handlungen qualifiziert werden, ihnen kann jedoch weder der
politische Hintergrund abgesprochen werden, noch richteten sie sich nach den
dem Senat vorliegenden Erkenntnismaterials gegen die Zivilbevölkerung, sondern
stellten sich wiederum als Teil der militärischen Auseinandersetzungen zwischen
den tschetschenischen Rebellen und den russischen Streitkräften dar. Dabei ist
auch zu berücksichtigen, dass Ende Januar 1997 Präsident Maschadow aus den
Parlaments- und Präsidentschaftswahlen als Staatschef Tschetscheniens
hervorgegangen war, dem der Kläger nach eigener Auskunft gedient hat. Am 12.
Mai 1997 unterzeichneten Jelzin und Maschadow einen formellen Friedensvertrag,
der umstrittene politische Status Tschetscheniens wurde allerdings in diesem
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der umstrittene politische Status Tschetscheniens wurde allerdings in diesem
Vertrag nicht geklärt, sondern die Klärung auf den 31. Dezember 2001
verschoben. Vor diesem Hintergrund glaubten sich die tschetschenischen Rebellen
- zumindest diejenigen, die, wie der Kläger, "lediglich" die "Autonomie
Tschetscheniens" verteidigen und nicht als Terroristen durch terroristische
Anschläge einen islamischen Staat auch in Nachbarregionen Tschetscheniens
herbeikämpfen wollten - in einer Selbstverteidigungslage gegenüber den
russischen Einheiten, die sie als Besatzer empfanden und vertreiben wollten. Im
Übrigen fehlt es im Fall der von dem Kläger beschriebenen militärischen
Auseinandersetzungen, selbst wenn dies die von den tschetschenischen
Verbänden verübten Terrorakte nicht rechtfertigen kann, an dem in § 60 Abs. 8
Satz 2 AufenthG/§ 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AsylVfG geforderten Bezug zu einer
besonderen verbrecherischen Haltung gegenüber der Zivilbevölkerung. Der Kläger
erfüllt mit seiner Teilnahme am 2. Tschetschenienkrieg auch nicht die
Voraussetzungen des § 60 Abs. 8 Satz 2 AufenthG/§ 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 AsylVfG,
wobei der Begriff der Handlungen, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten
Nationen zuwider laufen, naturgemäß Auslegungsschwierigkeiten bereitet (vgl.
Hailbronner, § 60 Abs. 8 Rdnr. 89). Der Begriff wird nur selten angewandt und wird
allgemein als unklar bezeichnet. Die UNHCR-Richtlinien weisen darauf hin, dass
eine Berufung auf Art. 1 F. c) GK nur unter "extremen Umständen im Falle von
Handlungen vorkommt, die einen Angriff auf die Grundlagen der Koexistenz der
internationalen Staatengemeinschaft" darstellen (Hailbronner, a. a. O., § 60 Rdnr.
189; UNHCR, Handbuch über Verfahren und Kriterien zur Feststellung der
Flüchtlingseigenschaft, a. a. O., Rdnr. 163). Solche Handlungen müssen eine
internationale Dimension haben. Einbezogen sind Verbrechen, die den Weltfrieden,
die internationale Sicherheit oder die friedlichen Beziehungen zwischen Staaten
erschüttern können, sowie schwere anhaltende Verletzungen der Menschenrechte
(vgl. Hailbronner, a. a. O., § 60 Rdnr. 189). Auch diese Voraussetzungen erfüllen
die Kampfhandlungen des Klägers nicht.
Unter Anlegung dieser Kriterien sind im Fall des Klägers, der zunächst in der
Sicherheitsverwaltung unter der Regierung Maschadow tätig war und sich sodann
im Zuge des zweiten Tschetschenienkrieges den Rebellen angeschlossen hat, die
Voraussetzungen der Ausschlussklausel des § 60 Abs. 8 AufenthG/§ 3 Abs. 2
AsylVfG nicht gegeben.
Da die Berufung der Kläger Erfolg hat, hat die Beklagte die Kosten des Verfahrens
zu tragen (§ 154 Abs. 1 VwGO). Gerichtskosten werden jedoch gemäß § 83 b
AsylVfG nicht erhoben.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708 Nr.
10, 711 Satz 1 ZPO, 167 VwGO.
Die Revision ist gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zuzulassen, da nach Inkrafttreten
des Gesetzes zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der
Europäischen Union vom 19. August 2007 sowie der dort in Bezug genommenen
Richtlinie 2004/83/EG vom 29. April 2004 - Qualifikationsrichtlinie - (ABl. EU L 304
S. 12, ber. ABl. 2005 L 204 S.24) die Frage der anzuwendenden
Wahrscheinlichkeitsmaßstäbe bei Prüfung der Flüchtlingseigenschaft gemäß § 60
Abs. 1 AufenthG, die Frage der Beibehaltung der richterrechtlich entwickelten
Differenzierungen zwischen örtlich begrenzter und regionaler Gruppenverfolgung,
die Frage des maßgeblichen Zeitpunkts für die Prüfung internen Schutzes im
Sinne des Art. 8 QRL sowie der dort anzuwendenden Prüfungsmaßstäbe von
grundsätzlicher Bedeutung sind.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.