Urteil des HessVGH vom 26.10.2009

VGH Kassel: zahnarztpraxis, genehmigung, wohnung, dachgeschoss, nutzungsänderung, stadt, archiv, wohnfläche, wohnhaus, aufenthalt

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Gericht:
Hessischer
Verwaltungsgerichtshof
3. Senat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
3 A 1771/08
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 34 BauGB, § 13 BauNVO,
§ 4 BauNVO, § 21 SGB 5
(Räume für freiberuflich Tätige im unbeplanten
Innenbereich)
Leitsatz
1. Bei einer nur geringfügigen Flächendifferenz zwischen Wohnnutzung und der Nutzung
für freiberufliche Tätigkeit sind die vom Bundesverwaltungsgericht angeführten
Prozentsätze nicht rechtssatzmäßig anzuwenden, sondern die Prägung des Gebäudes
durch die einzelnen Nutzungsformen insgesamt zu bewerten.
2. In einem im unbeplanten Innenbereich liegenden allgemeinen Wohngebiet sind in der
Regel ausschließlich die die nähere Umgebung tatsächlich prägenden Nutzungen im
Erd- bis Dachgeschoss ins Verhältnis zueinander zu setzen.
3. Einrichtungen zur Verhütung von Zahnerkrankungen (Gruppenprophylaxe) für
Kindergartengruppen sind als Annex zu einer Zahnarztpraxis sowie als Anlagen für
gesundheitliche Zwecke in einem allgemeinen Wohngebiet zulässig.
Tenor
Auf die Berufungen der Beklagten und der Beigeladenen wird das Urteil des
Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main vom 25. September 2007 - 8 E 1594/05 (3)
- aufgehoben.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen einschließlich
der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu tragen.
Die Entscheidung ist im Kostenausspruch vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf
die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der
vollstreckbaren Kosten abwenden, sofern nicht der jeweilige Kostengläubiger vor
der Vollstreckung in entsprechender Höhe Sicherheit leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit von zwei der Beigeladenen
erteilten Genehmigungen für das Anwesen ..., A-Stadt, ..., Flur .., Flurstück ...
(Nutzungsänderungen einzelner Räume für freiberufliche Zwecke - Zahnarztpraxis
– bzw. für einen Demonstrationsraum für Kindergartengruppen), die von der
Klägerin angefochten werden.
Am 21. November 2001 beantragte der vormalige Eigentümer des Grundstücks ...
bei der Beklagten die Genehmigung für eine teilweise Nutzungsänderung im Keller-
, Erd- und ersten Obergeschoss der genannten Liegenschaft. Ausweislich der
eingereichten Baubeschreibung sollten folgende Änderungen durchgeführt werden:
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Der ursprünglich im Bauplan als Keller bezeichnete Raum sollte als Archiv (9,97
qm), der ursprünglich als Wirtschaftskeller bezeichnete Raum als Vorratskeller/
Verbrauchsmaterial für die Zahnarztpraxis (18,70 qm) und der ursprünglich als
Waschküche bezeichnete Raum als Sozialraum genutzt werden (9,6 qm).
Im Erdgeschoss sollte der ursprünglich als Küche bezeichnete Raum als
Sprechzimmer (19,20 qm) und im Obergeschoss der kleinere, nordöstlich
gelegene Bereich des Wohnzimmers als offene Küche genutzt werden (7,90 qm).
Nach Beteiligung u. a. des Regierungspräsidiums Darmstadt hinsichtlich
erforderlicher Lärmschutzauflagen erteilte die Beklagte dem Voreigentümer der
Beigeladenen mit Bescheid vom 21. Oktober 2002 die beantragte
Baugenehmigung. Ausweislich der Behördenakte wurde die Fertigstellung der
Baumaßnahme am 13. Dezember 2002 bescheinigt.
Auf ergänzenden Antrag des Voreigentümers der Beigeladenen erteilte die
Beklagte diesem mit erstem Ergänzungsbescheid vom 25. April 2003 die
Genehmigung zur Änderung des im Keller befindlichen Vorratsraumes in einen
Demonstrationsraum für Kindergartengruppen, wobei ausweislich der
Baubeschreibung dort etwa ein- bis zweimal pro Monat für ca. 30 bis 60 Minuten
Kindergartengruppen betreut werden sollten.
Die Klägerin meldete sich im Verwaltungsverfahren mehrfach zu Wort und erhob
bereits mit Schreiben vom 31. Mai 2002 „Widerspruch“ gegen den Antrag auf
Nutzungsänderung. Mit Schreiben vom 23. Oktober 2002 legte sie Widerspruch
gegen die Verwendung des Lärmgutachtens der DEKRA vom 4. Juli 2002 ein, wobei
sie unter dem 5. November 2002 eine Eingangsbestätigung der Beklagten erhielt,
mit der ihr bestätigt wurde, mit Schreiben vom 23. Oktober 2002 gegen die
Baugenehmigung vom 21. Oktober 2002 Widerspruch eingelegt zu haben.
Nachdem die Beklagte unter dem 30. September 2004 den Bevollmächtigten der
Klägerin darauf hingewiesen hatte, dass die Baugenehmigung vom 21. Oktober
2002 unanfechtbar und der Widerspruch gegen die Änderungsgenehmigung vom
25. April 2003 offensichtlich erfolglos sei, teilte dieser der Beklagten erstmals unter
dem 30. Dezember 2004 mit, die Klägerin habe bereits am 22. November 2002
gegen die Baugenehmigung Widerspruch eingelegt, eine entsprechende Kopie
dieses Schreibens (ohne Eingangsstempel) befindet sich in der Behördenakte.
Mit Bescheid vom 13. April 2005 wies das Regierungspräsidium Darmstadt die
Widersprüche zurück, wobei es sich bei den Widersprüchen gegen die
Baugenehmigung vom 21. Oktober 2002 teils um unzulässige, teils um keine
wirksamen bzw. hinsichtlich des Schreibens vom 22. November 2002 um nicht
nachweisbar erhobene Widersprüche handele. Hinsichtlich des
Ergänzungsbescheides vom 25. April 2003 wies das Regierungspräsidium den
Widerspruch der Klägerin zurück, da sie keine nachbarschützenden Belange
benannt habe, die durch den Ergänzungsbescheid verletzt sein könnten.
Am 17. Mai 2005 hat die Klägerin Klage erhoben, wobei sie das Schreiben vom 22.
November 2002 mit Schriftsatz vom 17. Juni 2005 zunächst ohne
Eingangsstempel und mit Schriftsatz vom 3. August 2005 sodann mit
Eingangsstempel in Kopie eingereicht hat.
Die Klägerin hat beantragt,
die Genehmigung der Beklagten vom 21. Oktober 2002 (B/2001/2639/5) und
den Ergänzungsbescheid der Beklagten vom 25. April 2003 zur Baugenehmigung
vom 21. Oktober 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides des
Regierungspräsidiums Darmstadt vom 13. April 2005, Aktenzeichen: III.31.4-64a
Niederrad 1/05, aufzuheben.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beigeladene hat ebenfalls beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das Verwaltungsgericht Frankfurt am Main hat mit Urteil vom 25. September 2007
- 8 E 1594/05 (3) - die Baugenehmigung B/2001/2639/5 vom 21. Oktober 2002 in
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- 8 E 1594/05 (3) - die Baugenehmigung B/2001/2639/5 vom 21. Oktober 2002 in
der Fassung des Ergänzungsbescheids vom 25. April 2003 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides des Regierungspräsidiums Darmstadt vom 13. April 2005
aufgehoben.
Auf den Zulassungsantrag des Beklagten sowie der Beigeladenen hat der
Hessische Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 20. August 2008 - 3 UZ
2334/07 - (Bl. 324 GA) die Berufung wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit
der erstinstanzlichen Entscheidung zugelassen.
Zur Begründung der Berufung trägt die Beklagte im Wesentlichen vor, sie halte
den Rechtsbehelf gegen die Baugenehmigung vom 21. Oktober 2002 nach wie vor
für unzulässig, da der Eingang des Widerspruchsschreibens nicht bewiesen sei. Der
Widerspruch sei jedoch auch unbegründet, da sich das Vorhaben gemäß § 34 Abs.
1 BauGB ohne weiteres in seine Umgebung einfüge. Die nähere Umgebung zu
dem Baugrundstück lasse sich nicht ohne weiteres in eines der Baugebiete der
Baunutzungsverordnung gemäß § 34 Abs. 2 BauGB einordnen, vielmehr sei das
Gebiet nach § 34 Abs. 1 BauGB geprägt durch Wohn- und nicht wohnliche
Mischgebietsnutzungen. In diese nähere Umgebung füge sich die Zahnarztpraxis
ohne weiteres ein, deren Zulassung verstoße auch nicht gegen das Gebot der
Rücksichtsnahme. Die Gedanken des Gebietserhaltungsanspruches ließen sich auf
Vorhaben im unbeplanten Bereich gemäß § 34 Abs. 1 BauGB nicht übertragen,
nachbarschützende Vorschriften seien nicht berührt. Hinsichtlich der
Genehmigung vom 25. Mai 2003 stehe der Klägerin ebenfalls kein öffentlich-
rechtlicher Abwehranspruch zu, da sich auch diese Nutzung gemäß § 34 Abs. 1
BauGB in die näher beschriebene bauliche Umgebung spannungsfrei einfüge.
Die Beklagte beantragt,
unter Aufhebung des Urteils des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main vom
25. September 2007 - 8 E 1594/05 (3) - die Klage abzuweisen.
Die Beigeladene trägt zur Begründung ihrer Berufung im Wesentlichen vor, auch
sie halte die Klage gegen die Baugenehmigung vom 21. Oktober 2002 für
unzulässig, da ein förmlicher Widerspruch nicht nachweisbar eingelegt worden sei.
Die Klage sei jedoch auch unbegründet, da selbst gegenüber der vom
Verwaltungsgericht (zu klein) ermittelten Wohnfläche die in dem angegriffenen
Bescheid genehmigte Fläche für die Zahnarztpraxis tatsächlich kleiner und daher
nicht zu beanstanden sei. Die erst später beantragte Genehmigung eines
Demonstrationsraumes sei bereits deshalb nicht zu beanstanden, da sich dieser
problemlos in die Umgebung einfüge. Es bestehe auch ein Bedarf der unmittelbar
in der Umgebung vorhandenen Kindertagesstätten an einer Betreuung durch
einen Patenschaftszahnarzt, die Beigeladene betreue fünf Kindergärten aus der
Umgebung. Im Übrigen sei darauf hinzuweisen, dass das Dachgeschoss
tatsächlich - abweichend von den eingereichten Bauantragsunterlagen - eine
mindestens 20 qm größere Wohnfläche, nämlich 43,76 qm, aufweise, worauf das
Verwaltungsgericht mit Schriftsatz vom 26. September 2007 (Bl. 169 Gerichtsakte
– GA) hingewiesen worden sei. Die Angaben in den Bauantragsunterlagen seien
insoweit fehlerhaft.
Die Beigeladene beantragt,
das Urteil des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main vom 25. September
2007 - 8 E 1594/05 (3) - aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufungen der Beklagten und der Beigeladenen zurückzuweisen.
Die Baugenehmigung vom 21. Oktober 2002 sei nicht bestandskräftig geworden,
da sie - die Klägerin - nachweisbar mit Schreiben vom 22. November 2002
Widerspruch gegen diese eingereicht habe. Dies ergebe sich aus dem
Empfangsbekenntnis der Beklagten vom 25. November 2002, das Original des
Schreibens vom 22. November 2002 mit Originaleingangsstempel der Bauaufsicht
vom 25. November 2002 hat die Klägerin mit Schriftsatz ihres Bevollmächtigten
vom 18. August 2009 zu den Gerichtsakten gereicht. Hinsichtlich der genehmigten
Nutzungsänderung sei darauf hinzuweisen, dass das Haus ... vormals nicht als
Arztpraxis, wie von der Beigeladenen behauptet, sondern vielmehr als reines
Wohnhaus genutzt worden sei. Bei der maßgeblichen Umgebung nach § 34 BauGB
handele es sich um ein allgemeines Wohngebiet, die Nutzung der Zahnarztpraxis
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handele es sich um ein allgemeines Wohngebiet, die Nutzung der Zahnarztpraxis
füge sich unter Anlegung der Maßstäbe des § 13 BauNVO nicht ein. Das gesamte
Erdgeschoss sowie praktisch das gesamte Kellergeschoss würden für die
Gemeinschaftspraxis mit mehreren Zahnärzten genutzt, im Vorgarten seien
zudem Tische und Stühle aufgestellt, um einen zusätzlichen Wartebereich zu
schaffen. Die wohnliche Nutzung im ersten Obergeschoss trete demgegenüber
zurück, zumal auch das Dachgeschoss mit der Nutzung "Arbeiten/Gäste" der
freiberuflichen Nutzung des Gebäudes für die Zahnarztpraxis zuzuordnen sei.
Nach wie vor sei die Lärmproblematik nicht gelöst, insbesondere reiche das von
der Beigeladenen eingereichte Lärmgutachten nicht aus, um eine substantiierte
Lärmprognose vornehmen zu können.
Der Senat hat zur Aufteilung der unterschiedlichen Nutzungen in dem Gebäude ...
sowie zum planungsrechtlichen Charakter der näheren Umgebung Beweis durch
richterlichen Augenschein erhoben. Hinsichtlich des Ergebnisses der
Beweisaufnahme wird auf die in der Gerichtsakte befindliche Sitzungsniederschrift
verwiesen.
Die Behördenakte der Beklagten sowie der Inhalt der Gerichtsakten sind zum
Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Beratung gemacht worden. Auf den
Inhalt dieser Unterlagen wird ebenso wie auf die gewechselten Schriftsätze der
Beteiligten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Auf die zulässigen und begründeten Berufungen der Beklagten sowie der
Beigeladenen ist das verwaltungsgerichtliche Urteil vom 25. September 2007 – 8 E
1594/05 (3) - aufzuheben und die Klage insgesamt abzuweisen.
Soweit hinsichtlich der Genehmigung einer Nutzungsänderung mit Bescheid der
Beklagten vom 21. Oktober 2002 streitig ist, ob der Widerspruch der Klägerin vom
22. November 2002 nachweisbar fristgerecht eingegangen ist, kann dahinstehen,
ob dem Erfolg des Berufungsverfahrens bereits die Bestandskraft des Bescheides
vom 21. Oktober 2002 entgegensteht - wovon der Widerspruchsbescheid
ausgegangen ist - . Die Unklarheiten über den Zugang des Schreibens der
Klägerin vom 22. November 2002 können im Ergebnis dahinstehen, da weder der
Bescheid vom 21. Oktober 2002 noch der vom 25. April 2003 in der Fassung des
Widerspruchsbescheides vom 13. April 2005 rechtswidrig ist und die Klägerin nicht
in ihren Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Dabei sind beide angefochtenen Genehmigungsbescheide einer getrennten
rechtlichen Bewertung zu unterziehen, da sie eigenständige Verwaltungsakte mit
eigenständigen Regelungen enthalten.
Der Bescheid vom 21. Oktober 2002 in der Fassung des Widerspruchsbescheides
vom 13. April 2005 ist selbst unter Berücksichtigung der zwischen den Beteiligten
strittigen Annahme der Klägerin, bei der maßgeblichen Umgebung gemäß § 34
BauGB handele es sich um ein allgemeines Wohngebiet im Sinne des § 4 der
Verordnung über die bauliche Nutzung der Grundstücke (Baunutzungsverordnung
- BauNVO -) in der Fassung der Bekanntmachung vom 23. Januar 1990 (BGBl. I S.
132) rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Allerdings geht
auch der Senat nach der durchgeführten Beweisaufnahme davon aus, dass die
maßgeblich Umgebung, die durch die Bebauung in der ... selbst geprägt wird,
derjenigen eines allgemeinen Wohngebietes entspricht. Die Baugenehmigung ist
gemäß § 64 der Hessischen Bauordnung (HBO) vom 18. Juni 2002 (GVBl. I S. 274)
zu erteilen, da ihr keine öffentlich-rechtlichen Vorschriften entgegenstehen, die im
Baugenehmigungsverfahren zu prüfen sind.
Inhalt der angefochtenen Genehmigung vom 21. Oktober 2002 ist die
Nutzungsänderung der in den Bauantragsunterlagen näher genannten
Räumlichkeiten des Gebäudes ... in eine Zahnarztpraxis bzw. andere wohnliche
Nutzungen (Küche 1. OG). Dabei kann die Beantwortung der ebenfalls zwischen
den Beteiligten strittigen Frage, welche Nutzung vormals in dem Gebäude ...
anzutreffen war – eine reine Wohnnutzung oder eine Nutzung auch als
Allgemeinpraxis – unbeantwortet bleiben, da streitgegenständlich allein die
angefochtene Baugenehmigung ist und nicht die Frage, ob darüber hinaus auch
andere Räumlichkeiten in der Arztpraxis einer weiteren Genehmigung bedurften
und bedürfen.
Die Baugenehmigung/Nutzungsänderungsgenehmigung der als Zahnarztpraxis
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Die Baugenehmigung/Nutzungsänderungsgenehmigung der als Zahnarztpraxis
genutzten Räume steht in Einklang mit den planungsrechtlichen Vorschriften des §
34 Abs. 2 BauGB, §§ 4, 13 BauNVO, da die freiberufliche Tätigkeit der Klägerin die
Prägung des Gebäudes zu Zwecken der Wohnnutzung ebenso wahrt wie die der
näheren Umgebung.
Gemäß § 13 BauNVO sind für die Berufsausübung freiberuflich Tätiger und solcher
Gewerbetreibender, die ihren Beruf in ähnlicher Art ausüben, in den Baugebieten
nach den §§ 2 bis 4 BauNVO Räume, in den Baugebieten nach §§ 4a bis 9 BauNVO
auch Gebäude zulässig.
Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, der der Senat folgt, ist
entscheidend, ob bei der Nutzung von "Räumen" durch freie oder ähnliche Berufe
der Charakter des Plangebiets verloren geht. Die Nutzungsänderung müsse den
jeweiligen Gebietscharakter wahren. Mit der Beschränkung der freiberuflichen
Nutzung auf Räume wolle der Verordnungsgeber verhindern, dass in einem reinen
Wohngebiet durch eine zu starke freiberufliche Nutzungsweise - generell - die
planerisch unerwünschte Wirkung einer Zurückdrängung der Wohnnutzung und
damit einer zumindest teilweisen Umwidmung des Plangebiets eintreten könne.
Deshalb dürfe die freiberufliche Nutzung in Mehrfamilienhäusern nicht mehr als die
halbe Anzahl der Wohnungen und nicht mehr als 50 % der Wohnfläche in Anspruch
nehmen (vgl. BVerwG, Urteil vom 18.05.2001 - 4 C 8.00 - juris-online; BVerwG,
Urteil vom 25.01.1985 - 4 C 34.81 - juris-online).
In seiner Entscheidung vom 18. Mai 2001 führt das Bundesverwaltungsgericht –
bezogen auf ein reines Wohngebiet - weiter aus:
"Der Senat hat das vorliegende Revisionsverfahren zum Anlass genommen,
seine Rechtsprechung zu § 13 BauNVO zu überprüfen. Er hält an ihr im
Wesentlichen fest. Der Zweck der Beschränkung der freiberuflichen Nutzung auf
"Räume" liegt darin, die Prägung der Wohngebäude in den Wohngebieten durch
ihre Wohnnutzung zu erhalten. Diesem Ziel dient der Grundsatz, dass die
Büronutzung regelmäßig nicht mehr als die Hälfte der Wohnungen und auch nicht
mehr als die Hälfte der Wohnfläche umfassen darf. Die Beschränkung der
Büronutzung des freiberuflich Tätigen auf eine einzige Wohnung dient demselben
Ziel. In einem Wohngebäude in einem Wohngebiet erwartet man keine
Büroeinheiten, die größer sind als die in dem Hause und in dem Gebiet
vorhandenen Wohnungen. Büros, die größer als eine Wohnung sind, drängen die
Wohnnutzung übermäßig zurück und lassen das Gebäude als ein gewerblich
genutztes Gebäude erscheinen. Zwar trifft es zu, dass § 13 BauNVO in
Wohngebieten nicht nur "kleine" Praxen zulässt (wie § 3 Abs. 3 Nr. 1 BauNVO, nach
dem nur "kleine" Beherbergungsbetriebe zulässig sind, [so zutreffend Stock, in:
König/Roeser/Stock, BauNVO § 13 Rn. 23]), sondern von "Räumen" spricht. Der
Charakter eines Wohngebäudes geht aber verloren, wenn in ihm Büros vorhanden
sind, die größer sind als die für Wohnhäuser typische Nutzungseinheit, die
Wohnung. "Großbüros" sind geeignet, den Wohnhauscharakter des Gebäudes zu
beseitigen, auch wenn die 50 %-Grenze noch nicht erreicht ist (a. A. Stock, a. a.
O., der aber über § 15 BauNVO zu ähnlichen Ergebnissen gelangt).
Allerdings dürfen die vom Senat aufgestellten Regeln nicht rechtssatzartig
angewendet werden... Werden beispielsweise in einem Gebäude mit Wohnungen
unterschiedlicher Größe zwei Einzimmerwohnungen zu einem Büro
zusammengelegt, so wird das Büro immer noch kleiner sein als einzelne andere
Wohnungen. Bei einer rechtssatzartigen Anwendung der Rechtsprechung des
Bundesverwaltungsgerichts würde ferner verkannt, dass es in erster Linie Aufgabe
der Tatsachengerichte - nicht des Revisionsgerichts - ist, im konkreten Fall zu
beurteilen, ob sich die Büronutzung noch auf die Nutzung von "Räumen"
beschränkt. Als "Faustregel" bleibt die Begrenzung der Büronutzung auf eine
einzige Wohnung, wie sie vorgefunden worden ist, aber richtig. Denn bei einer
Zusammenlegung von zwei Wohnungen wird regelmäßig eine Nutzungseinheit
entstehen, die über die in dem Gebäude vorhandenen Wohnungsgrößen
hinausgeht und deshalb geeignet ist, den Wohnhauscharakter des Gebäudes und
damit zugleich den Wohnfrieden in ihm zu beeinträchtigen. Insofern kommt der
Zusammenlegung von zwei Wohnungen zu einem Büro eine gewisse
(widerlegbare) Indizwirkung zu, dass der vorgegebene Rahmen überschritten wird."
Unter Anlegung dieser Kriterien, denen der Senat folgt, steht die angefochtene
Baugenehmigung im Einklang mit der Vorschrift des § 13 BauNVO.
Zunächst hat der Senat anlässlich der Beweisaufnahme jenseits einer detaillierten
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Zunächst hat der Senat anlässlich der Beweisaufnahme jenseits einer detaillierten
Quadratmeterberechnung den Eindruck gewonnen, dass die wohnmäßige Nutzung
des Gebäudes ... überwiegt und die freiberufliche Nutzung als Zahnarztpraxis in
diese Nutzung in untergeordnetem Ausmaß integriert ist. Das Gebäude, das im
unbeplanten Innenbereich der Stadt A-Stadt gelegen ist, und dessen maßgebliche
Umgebung der eines allgemeinen Wohngebietes entsprechen dürfte, wirkt von
seiner prägenden, nach außen hin wahrnehmbaren Gestalt als Wohnhaus, in dem
auch eine Zahnarztpraxis angesiedelt ist. Dabei befindet sich als Hinweis auf die
Zahnarztpraxis straßenseitig ein entsprechendes Schild, die beiden oberen
Stockwerke des Gebäudes werden auch nach ihrem äußeren Eindruck zu
Wohnzwecken genutzt und fallen insoweit nicht aus dem im Übrigen im
maßgeblichen Umfeld vorfindlichen Rahmen heraus. Vor dem Gebäude befanden
sich mehrere Mülltonnen, die auch von ihrer Anzahl her nicht auf eine gewerbliche
bzw. nicht wohnliche Nutzung hindeuten. Des Weiteren befanden sich im
Vorgartenbereich Fahrräder sowie eine Sitzgelegenheit mit einer kleinen Bank, die
selbst dann, wenn sie teilweise auch von Patienten genutzt werden sollten, den
Charakter einer Wohnnutzung nicht verändern. Bei einer nur geringfügigen
Flächendifferenz zwischen Wohnnutzung und Nutzung für freiberufliche Tätigkeit –
wie von dem Verwaltungsgericht ermittelt - sind die vom
Bundesverwaltungsgericht angeführten Prozentsätze nicht rechtssatzmäßig
anzuwenden, sondern die Prägung des Gebäudes für die einzelnen
Nutzungsformen insgesamt zu bewerten. Bei einem im unbeplanten Innenbereich
liegenden Vorhaben sind dabei in der Regel nur die die nähere Umgebung
tatsächlich prägenden Nutzungen vom Erdgeschoss bis zum Dachgeschoss ins
Verhältnis zueinander zu setzen, Kellerräume können in der Regel bereits mangels
Wahrnehmbarkeit zu keiner anderen Prägung des Umfelds führen. Nach diesen
Maßstäben überwiegt nach den Feststellungen des Senats im Rahmen der
Beweisaufnahme die wohnliche Nutzung des Gebäudes ..., sodass bereits von
seinem äußeren Erscheinungsbild der angefochtenen Genehmigung § 13 BauNVO
nicht entgegensteht.
Doch auch bei einer differenzierteren Betrachtungsweise steht § 13 BauNVO der
streitigen Genehmigung nicht entgegen.
Zunächst nutzt die Klägerin nach Auswertung der dem Gericht vorliegenden
Bauvorlagen sowie nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme in dem Gebäude ...
lediglich eine Wohnung, und zwar die Erdgeschosswohnung, für freiberufliche
Zwecke. Der Senat hat im Rahmen der Beweisaufnahme sämtliche Räumlichkeiten
des Gebäudes ... in Augenschein genommen und dabei festgestellt, dass sowohl
im ersten Obergeschoss als auch im Dachgeschoss des Anwesens ...
ausschließlich Wohnnutzung stattfindet. Das Erdgeschoss des Gebäudes wird mit
Ausnahme des Flures, der sowohl Wohn- als auch freiberuflichen Zwecken dient,
für die von der Beigeladenen betriebene Zahnarztpraxis genutzt. Hinsichtlich des
Dachgeschosses, für dessen Nutzung nachrichtlich in den Bauantragsunterlagen
„Arbeiten/Gäste“ angegeben worden war, woraus die Klägerin die Schlussfolgerung
gezogen hatte, auch dieser Raum sei der freiberuflichen Tätigkeit der
Zahnarztpraxis zuzurechnen, steht nach Durchführung der Beweisaufnahme fest,
dass die dortigen Räumlichkeiten zumindest nunmehr zu Wohnzwecken genutzt
werden. Dort ist ein einheitlicher größerer Wohnraum eingerichtet, der mit
Teppichboden ausgelegt ist und in dem sich ein Doppelbett, Wandschränke, eine
Sofaecke, ein Sessel, eine Arbeitsplatte sowie ein Wandspiegel und eine Kommode
befanden. Ebenfalls steht nach der Durchführung der Beweisaufnahme fest, dass
das Dachgeschoss nunmehr nach Ausbau der Gauben nicht mehr die in den
Bauantragsunterlagen nachrichtlich aufgenommene Größe von 21,70 qm, sondern
eine Grundfläche von 40 bis 45 qm hat, wobei offenbleiben kann, wie viel
Quadratmeter aufgrund der vorhandenen Schrägen hiervon abzuziehen wären.
Soweit hinsichtlich der Nutzung des Dachgeschosses auf den maßgeblichen
Zeitpunkt der Entscheidung abzustellen ist, der in Anbetracht der Tatsache, dass
es sich um eine Anfechtungssituation handelt, derjenige des Erlasses des
Widerspruchsbescheides am 13. April 2005 ist, ist der Senat davon überzeugt,
dass auch zu diesem Zeitpunkt die Nutzung des Dachgeschosses wohnlichen
Zwecken gedient hat. Die Beigeladene hat dabei überzeugend dargelegt, dass es
sich bei der Dachgeschossnutzung um eine Nutzung wie nahezu in jedem
Wohnhaus üblich handelt. Es dürfte allgemeinen Gepflogenheiten entsprechen, in
einem Wohnhaus einen Bereich für Gäste/ Arbeiten vorzuhalten, ohne dass diese
Nutzung ohne Hinzutreten besonderer Anhaltspunkte einer in demselben Haus
vorhandenen freiberuflichen Tätigkeit zuzuordnen wäre. Dabei erscheint es auch
dem Senat lebensfremd, dass einzelne Bereiche der Praxis nur nach Durchqueren
des gesamten Wohnbereichs der Beigeladenen bzw. deren Mieter zu erreichen
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des gesamten Wohnbereichs der Beigeladenen bzw. deren Mieter zu erreichen
sein sollen. Jenseits der in den Planunterlagen nachrichtlich aufgenommenen
Bezeichnung „Arbeiten/Gäste“ hat die Klägerin substantiiert keine Tatsachen
vorgetragen, die auf eine freiberufliche Nutzung dieser Räumlichkeiten hindeuten
könnten.
Wird von der Beigeladenen nur eine Wohnung für freiberufliche Zwecke genutzt,
überwiegt auch bei einem auf die die jeweilige Nutzungsart entfallenden Vergleich
der jeweils in Anspruch genommenen Quadratmeter der Anteil der Wohnnutzung,
so dass auch insoweit § 13 BauNVO der angefochtenen Genehmigung nicht
entgegensteht.
Dabei neigt der Senat dazu, die Nutzflächen des Hauses insgesamt auf die
jeweilige Nutzungsarten aufzuteilen und nicht, wie von dem Verwaltungsgericht
unter Bezugnahme auf die Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs
vom 14. Mai 2001 (1 B 99.652 in juris-online) nur die zum dauernden Aufenthalt für
Menschen geeignete Räume ins Verhältnis zueinander zu setzen. § 13 BauNVO
spricht insoweit nur von „Räumen“, ohne dies auf Aufenthaltsräume zu
beschränken. So ist etwa denkbar, dass freiberuflich Tätige größere Lagerflächen
benötigen, etwa Steuerberatungsbüros oder ähnliche Einrichtungen, die zwar nicht
zum dauernden Aufenthalt von Menschen bestimmt sind, gleichwohl jedoch das
Gepräge des Gebäudes beeinflussen können. Derartige Flächen unberücksichtigt
zu lassen, erscheint dem Senat nicht sachgerecht.
Da es sich bei den Kellerräumen nicht um eine Wohnung handelt, ist deren
Nutzung bei einer nach Quadratmetern vergleichenden Betrachtung in den Blick
zu nehmen. Die Kellerräume werden ausweislich der Beweisaufnahme teils für
freiberufliche, teils für gesundheitliche und teils für Wohnzwecke genutzt. In dem in
den Bauantragsunterlagen zu der Baugenehmigung vom 21. Oktober 2002
enthaltenen Plänen als „Vorratskeller/Verbrauchsmaterial“ bezeichneten Raum
befindet sich nunmehr der mit Bescheid der Beklagten vom 25. April 2003
genehmigte „Demonstrationsraum für Kindergartengruppen“, in dem mit „Archiv“
bezeichneten Raum befindet sich heute das Archiv der Zahnarztpraxis sowie der
Sozialraum, der sich im Wesentlichen durch Wandschränke für das Personal
auszeichnet, in dem als „Heizung“ bezeichneten Raum befindet sich heute eine
Sauna sowie eine Waschküche, die Heiztherme ist nunmehr im Dachgeschoss
untergebracht. In dem als „Sozialraum“ in den Bauantragsunterlagen
bezeichneten Kellerraum befindet sich heute ein Schreibtisch mit PC-Arbeitsplatte,
nach Auskunft der Beigeladenen wird er als Relaxraum genutzt, in dem als „Keller“
bezeichneten Raum befinden sich ein Kompressor sowie private
Lebensmittelvorräte.
Das Verwaltungsgericht ist in dem angefochtenen Urteil zu einem Verhältnis von
94,56 qm Praxis zu 91,18 qm Wohnen gelangt und damit zu einer überwiegend
freiberuflichen Nutzung. Abgesehen von der Frage, ob eine derart geringe
Flächendifferenz nach den nicht rechtssatzmäßig anzuwendenden
Abgrenzungskriterien des Bundesverwaltungsgerichts allein die Annahme zu
rechtfertigen vermag, die freiberufliche Tätigkeit überwiege, teilt der Senat die von
dem Verwaltungsgericht vorgenommene Berechnung nicht in allen Punkten. Nach
der Berechnung des Senats überwiegt die wohnliche Nutzung des Gebäudes selbst
dann, wenn man die anlässlich der Beweisaufnahme festgestellte Größe des
Dachgeschossraumes, der ausschließlich zu Wohnzwecken genutzt wird, außer
Betracht lässt und auf die der Beklagten im maßgeblichen Zeitpunkt der
Entscheidung bekannten Angaben in den Bauantragsunterlagen von 21,70 qm
abstellt. Es kann daher offenbleiben, ob die von der Beigeladenen in ihrem
Schriftsatz vom 26. September 2007 (Bl. 169 GA) genannten 43,76 qm nunmehr
zu veranschlagen wären, da dies an dem von dem Senat gefundenen Ergebnis
nichts ändern würde.
Stellt man unter Berücksichtigung dieser Vorgaben die Nutzungen bezogen auf die
Baugenehmigung vom 21. Oktober 2002 ins Verhältnis, entfällt bei hälftiger
Anrechnung des Flures im Erdgeschoss, der ausweislich der Beweisaufnahme
sowohl der freiberuflichen als auch der Wohnnutzung dient und unter
ausschließlicher Zugrundelegung der in den Bauantragsunterlagen genannten
Angaben, mithin unter Nichtberücksichtigung der von dem Senat festgestellten
Veränderungen zugunsten der Wohnnutzung, errechnet sich ein Verhältnis von
104,22 qm Praxisnutzung zu 106,24 qm Wohnnutzung (Praxisnutzung: Keller:
Archiv 9,97 qm, Vorratskeller 19,52 qm, Sozialraum 8,73 qm, 1/2 Heizung 4,675
qm, 1/2 Flur 4,375 qm; Erdgeschoss: Wartezimmer 19,89 qm, Sprechzimmer
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qm, 1/2 Flur 4,375 qm; Erdgeschoss: Wartezimmer 19,89 qm, Sprechzimmer
19,31 qm, Sprechzimmer 9,17 qm, 1/2 Flur 4,68 qm, 1/2 Windfang 1,3 qm, WC 2,6
qm entsprechend 104,22 qm. Wohnen: Keller: 5,575 qm, 1/2 Heizung 4,675 qm,
1/2 Flur 4,375 qm, Erdgeschoss: 1/2 Windfang 1,3 qm, 1/2 Flur 4,86 qm,
Obergeschoss: Wohnzimmer 19,88 qm, Schlafzimmer 20,03 qm, Bad 6,00 qm,
Flur 10,31 qm, Küche 7,72 qm, Dachgeschoss 21,70 qm entsprechend 106,24
qm).
Demgegenüber hat sich das Verwaltungsgericht in seiner Flächenberechnung an
die Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 14. Mai 2001,
a.a.O., angelehnt und ist dabei zu einem Verhältnis von 94,96 qm Praxisnutzung
zu 91,18 qm Wohnen gelangt. Dabei hat das Verwaltungsgericht jedoch zunächst
zu Unrecht die beiden angefochtenen Genehmigungen vom 21. Oktober 2002 und
vom 25. April 2003 keiner getrennten rechtlichen Beurteilung zugeführt, was in der
Sache jedoch geboten gewesen wäre. Bei beiden Genehmigungen handelt es sich
um selbständige Verwaltungsakte, die ein selbständiges rechtliches Schicksal
haben und deren Rechtmäßigkeit einer getrennten Überprüfung zu unterziehen ist.
Nimmt man dabei zunächst die Genehmigung vom 21. Oktober 2002 in den Blick,
wäre im Kellergeschoss unter Anlegung der von dem Verwaltungsgericht
herangezogenen Berechnungskriterien allenfalls der Sozialraum, der sich
ausweislich der durchgeführten Beweisaufnahme jedoch ebenfalls nicht als
Aufenthaltsraum, sondern allenfalls als Aufbewahrungsraum für Garderobe und
Taschen der Zahnarzthelferinnen dargestellt hat, als Aufenthaltsraum zu
veranlagen gewesen, nicht jedoch der ebenfalls im Keller befindliche
Vorratskeller/Verbrauchsmaterial, da dieser nach seiner Bezeichnung in den
Bauvorlagen für die Baugenehmigung vom 21. Oktober 2002 offensichtlich nicht
den dauernden Aufenthalt von Menschen dienen sollte. Dies hätte zur Folge
gehabt, dass das Verwaltungsgericht unter Anlegung der von ihm
herangezogenen Berechnungskriterien hinsichtlich der Praxisnutzung die 19,52 qm
betragende Fläche des Vorratskellers hätte abziehen müssen, so dass ein
Verhältnis von 75,04 qm Praxisnutzung zu 91,18 qm Wohnnutzung zu errechnen
gewesen wäre, mithin der Genehmigung auch insoweit § 13 BauNVO nicht
entgegen gestanden hätte.
Auch die Genehmigung vom 25. April 2003 in der Fassung des
Widerspruchsbescheides vom 13. April 2005, mit der die Nutzungsänderung des
Vorratsraumes im Keller in einen Demonstrationsraum für Kindergartengruppen
genehmigt worden ist, ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren
Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Dabei ist bereits fraglich, ob die Genehmigung des Demonstrationsraums für
Kindergartengruppen den Anforderungen des § 13 BauNVO unterliegt, da es sich
insoweit nicht um freiberufliche Tätigkeit, sondern um eine Anlage für
gesundheitliche Zwecke handeln dürfte, die gemäß § 4 Abs. 2 Nr. 3 BauNVO in
allgemeinen Wohngebieten zulässig ist. Doch selbst wenn man den
Demonstrationsraum für Kindergartengruppen als Annex zu der Zahnarztpraxis
der Beigeladenen ebenfalls den Anforderungen des § 13 BauNVO unterwirft und
diesen Raum mit 19,52 qm ebenso wie den hälftigen Kellerflur mit 4,68 qm der
freiberuflichen Tätigkeit zurechnet, ergibt dies unter Berücksichtigung der
Tatsache, dass der Flur im Erdgeschoss ausweislich der durchgeführten
Beweisaufnahme sowohl der Praxis als auch dem Wohnen dient, ein Verhältnis von
89,88 qm Praxisnutzung zu 91,62 qm Wohnnutzung. Auch insoweit überwiegt nach
der 50 %-Betrachtung der Wohnanteil entsprechend dem vor Ort gewonnenen
tatsächlichen Eindruck.
Soweit sich die Klägerin durch die Betreuungsleistungen der Beigeladenen für
Kindergartenkinder in ihrer Ruhe gestört fühlt, ist auf Folgendes hinzuweisen: Der
Aufenthalt von Kindern im Vorgartenbereich des Hauses ... ist weder von der
Baugenehmigung vom 21. Oktober 2002 noch von der vom 25. April 2003 erfasst.
Die Betreuung der Kindergartengruppen erfolgt im Rahmen von § 21 SGB V, der
Maßnahmen zur Verhütung von Zahnerkrankungen (Gruppenprophylaxe) vorsieht.
Es handelt sich hierbei um Maßnahmen, die überwiegend in Kindergärten und
Schulen, jedoch zum Teil auch in Zahnarztpraxen vor Ort durchgeführt werden und
die Teil eines modernen, vom Gesetzgeber vorgesehenen und sozial
wünschenswerten Gesundheitssystems sind. Die Anwesenheit von Kindern sowie
deren Lebensäußerungen sind im Übrigen in einem allgemeinen Wohngebiet, in
dem sich zudem Schulen und Kindertagesstätten befinden, wünschenswert und
hinzunehmen. Die Berufungsführer haben in diesem Zusammenhang zutreffend
darauf hingewiesen, die Klägerin habe insoweit eine Verletzung
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darauf hingewiesen, die Klägerin habe insoweit eine Verletzung
nachbarschützender Rechte nicht belegt. Dem folgt der Senat.
Die Baugenehmigung ist entgegen der Auffassung der Klägerin auch nicht wegen
der von ihr behaupteten nicht bewältigten Lärmproblematik durch den Betrieb der
Zahnarztpraxis rechtsfehlerhaft. Ausweislich der Baugenehmigung vom 21.
Oktober 2002 sind die beiliegenden Auflagen, Bedingungen und Hinweise des
Regierungspräsidiums Darmstadt - Abteilung Staatliches Umweltamt Frankfurt -,
Aktenzeichen: B 272/2002, vom 25. September 2002, zu beachten und
einzuhalten (Auflage B 00302 der Baugenehmigung B/2001/2639/5). Danach
dürfen die von der Zahnarztpraxis verursachten Geräuschübertragungen innerhalb
von Gebäuden und bei Körperschallübertragungen in Wohnräumen (hier Wohn-
und/oder Schlafräume der nachbarlichen Wohnung in der A-Straße, A-Stadt),
mithin dem Wohngebäude der Klägerin, folgende festgesetzte Immissionswerte
nicht überschreiten:
Von 06.00 bis 22.00 Uhr 35 dB(A)
von 22.00 bis 06.00 Uhr 25 dB(A).
Kurzzeitige Geräuschspitzen bei Geräuschübertragungen innerhalb von Gebäuden
und Körperschallübertragungen (Wohn- und/oder Schlafräume der nachbarlichen
Wohnung in der A-Straße, A-Stadt) dürfen folgende Immissionswerte nicht
überschreiten in der Zeit
von 06.00 bis 22.00 Uhr 45 dB(A)
von 22.00 bis 06.00 Uhr 35 dB(A).
Diese Werte entsprechen den unter Nr. 6.2 der TA Lärm festgelegten
Immissionsrichtwerten innerhalb von Gebäuden von tags 35 dB(A) und nachts 25
dB(A), wobei einzelne kurzfristige Geräuschspitzen die Immissionsrichtwerte um
nicht mehr als 10 dB(A), wie in der Baugenehmigung angeordnet, überschreiten
dürfen. Die Frage, ob diese Werte tatsächlich eingehalten werden, betrifft nicht die
Rechtmäßigkeit der Baugenehmigung, sondern allein die Frage, ob die
bauaufsichtlich angeordneten Nebenbestimmungen von dem Bauherrn
eingehalten werden. Derartige, die Bauüberwachung betreffende Fragen sind
jedoch nicht streitgegenständlich. Dem von dem Bevollmächtigten der Klägerin in
der mündlichen Verhandlung gestellten Beweisantrag musste der Senat daher
mangels Entscheidungserheblichkeit nicht nachgehen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, der Ausspruch über die
vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO
entsprechend.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision gemäß § 132 Abs. 2 VwGO
liegen nicht vor.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.