Urteil des HessVGH vom 29.06.1989

VGH Kassel: wiederherstellung des ursprünglichen zustandes, leiter, hauptsache, chef, vertreter, hessen, amt, mitbestimmung, dokumentation, fehlerhaftigkeit

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Gericht:
Hessischer
Verwaltungsgerichtshof
1. Senat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
1 TG 916/89
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 113 Abs 1 S 4 VwGO, §
123 Abs 1 VwGO
(Erledigung der Hauptsache im Einstweiligen-Anordnungs-
Verfahren - Besetzung eines Dienstpostens)
Gründe
Die gemäß §§ 146, 147 VwGO zulässige Beschwerde des Antragsgegners wird
zurückgewiesen, soweit der Antragsteller die Verpflichtung des Antragsgegners
begehrt hat, daß der Beigeladene ihm bei der Besetzung der Stelle des Leiters der
Verbindungsstelle der Landesregierung zu den Kirchen und
Religionsgemeinschaften nicht vorgezogen werde. Insoweit hat sich das Verfahren
in der Hauptsache dadurch erledigt, daß der Antragsgegner im Schriftsatz vom
18.4.1989 (Bl. 269 d.A) verbindlich erklärt hat, daß der Beigeladene von seinen
Aufgaben als Leiter der Verbindungsstelle entbunden und sie auch nach Abschluß
des vorliegenden Verfahrens nicht versehen werde. Nach dieser Erklärung hat der
Antragsteller zu Recht eine diesbezügliche Erledigungserklärung abgegeben.
Dementgegen hat der Antragsgegner in der Entbindung des Beigeladenen keinen
Erledigungstatbestand gesehen und mit Schriftsatz vom 2.6.1989 (Bl. 369 d.A.)
weiterhin in vollem Umfang die Aufhebung des angefochtenen Beschlusses des
Verwaltungsgerichts vom 22.2.1989 sowie die Ablehnung des Antrags auf Erlaß
einer einstweiligen Anordnung beantragt. Entgegen seiner Auffassung hat der
Antragsgegner auch keinen Anspruch auf Feststellung, daß das
Anordnungsbegehren des Antragstellers von Anfang an unbegründet und die
einstweilige Anordnung vom 22.2.1989 rechtswidrig gewesen sind. Im einstweiligen
Anordnungsverfahren ist im Unterschied zum Klageverfahren weder ein
Fortsetzungsfeststellungsantrag entsprechend § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO zulässig
noch kommt, soweit der Antragsgegner die Feststellung erstrebt, in sinngemäßer
Anwendung der vom Bundesverwaltungsgericht entwickelten Grundsätze eine
Aufrechterhaltung des Abweisungsantrages in Betracht (vgl. Hess.VGH, Urteil vom
11.9.1979 -- II OG 36/78 --, ESVGH 30, 27 mit weiteren Nachweisen). Die
einstweilige Anordnung dient der Regelung eines vorläufigen Zustandes oder der
vorläufigen Sicherung eines Rechts. Die Fortsetzungsfeststellungsklage soll
demgegenüber durch eine bindende Entscheidung die materielle Rechtslage
klarstellen. Dies ist nach der Verwaltungsgerichtsordnung nur in einem
Hauptsacheverfahren, nicht aber im Eilverfahren möglich.
Soweit der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt ist, wird die Wirkungslosigkeit
des angefochtenen Beschlusses gemäß § 173 VwGO i.V.m. § 269 Abs. 3 Satz 1
ZPO ausgesprochen.
Im übrigen wird die einstweilige Anordnung des Verwaltungsgerichts vom
22.2.1989 auf die Beschwerde des Antragsgegners aufgehoben und die
Beschwerde des Antragstellers zurückgewiesen; dessen Haupt- und Hilfsanträge
werden in diesem Umfang abgelehnt. Der Antragsteller hat keinen Anspruch auf
Rückumsetzung auf den Dienstposten des Leiters der Verbindungsstelle zu den
Kirchen und Religionsgemeinschaften glaubhaft gemacht. Der Antragsgegner ist
nicht verpflichtet, den Antragsteller in das nunmehr durchzuführende
Stellenbesetzungsverfahren einzubeziehen. Er muß den Antragsteller auch nicht
kommissarisch mit der Leitung der Verbindungsstelle beauftragen.
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Die Umsetzung eines Beamten auf einen anderen Dienstposten steht im
Ermessen des Dienstherrn. Die Rückumsetzung kann daher von den Gerichten
dem Dienstherrn nur aufgegeben werden, wenn sich sein Ermessen auf eine allein
denkbare, fehlerfreie Entscheidung (Ermessensreduktion auf Null) beschränkt (vgl.
Senatsbeschluß vom 6.1.1987 -- 1 TG 3035/86 -- unter Hinweis auf OVG Münster,
Beschluß vom 11.4.1984, RiA 1984, 240; OVG Münster, Beschluß vom 7.7.1987,
RiA 1988, 18 und Beschluß vom 12.10.1987, DÖD 1988, 95, jeweils mit weiteren
Nachweisen). Insbesondere wenn die Fehlerhaftigkeit der Umsetzung darauf
beruht, daß verfahrensmäßige Beteiligungsrechte Dritter nicht beachtet worden
sind, wie etwa die gebotene Beteiligung des Personalrats an einer Umsetzung,
kann der Dienstherr durch die Gerichte auch im Wege einer einstweiligen
Anordnung zur (vorläufigen) Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes
verpflichtet werden (vgl. BVerwG, Urteil vom 13.11.1986, DÖD 1987, 76). Ein
derartiger Fall liegt hier jedoch nicht vor, denn die Umsetzung des Antragstellers
im Zuge des Organisationsplans vom 25.1.1989 unterlag nicht der Mitbestimmung
des Personalrats (vgl. § 79 Nr. 1 Buchstabe b HPVG F. 1988). Der
Organisationsplan vom 25.1.1989 ist im übrigen vom Chef der Staatskanzlei am
25.1.1989 mit dem zuständigen Personalrat erörtert worden. Der Personalrat hat
mit Schreiben vom 25.1.1989 (Bl. 46 d.A.) hierzu festgestellt, daß er mit dieser
Erörterung und der Diskussion die Verpflichtung zur
personalvertretungsrechtlichen Mitwirkung als erfüllt ansehe.
Eine Ermessensreduktion auf Null ist hinsichtlich der begehrten Rückumsetzung
auch nicht sonst eingetreten. Die Entbindung des Antragstellers von der Leitung
der Verbindungsstelle zu den Kirchen und Religionsgemeinschaften sowie die
Zuweisung des Aufgabenbereichs "Bürgerhilfe und Petition" durch den
Organisationsplan vom 25.1.1989 sind nicht ermessenswidrig. Die Änderung der
dienstlichen Aufgaben des Antragstellers berührt nicht sein statusrechtliches Amt
und sein funktionelles Amt im abstrakten Sinne (vgl. hierzu BVerwGE 40, 104
(107)). Der Antragsteller, der weiterhin stellvertretender Leiter der Abteilung P und
Leiter der Gruppe P 1 ist, hat keinen Anspruch auf unveränderte und
ungeschmälerte Ausübung des ihm einmal übertragenen konkreten Amtes im
funktionellen Sinne (vgl. hierzu BVerwGE 60, 144 (150); BVerwG, Urteil vom
12.2.1981, DVBl. 1981, 495). Bei einer Umsetzung kann die
Ermessensentscheidung des Dienstherrn im allgemeinen nur darauf überprüft
werden, ob sie durch einen Ermessensmißbrauch maßgebend geprägt ist. Selbst
der Verlust der Chance, auf einem anderen Dienstposten eher befördert zu
werden, schränkt das Ermessen nicht ein (BVerwGE 60, 150 ff.; BVerwG, Urteil vom
12.2.1981, a.a.O.).
Im Fall des Antragstellers ist bei der im Verfahren der einstweiligen Anordnung
gebotenen summarischen Prüfung ein Ermessensfehler nicht erkennbar. Auf
Grund der eidesstattlichen Versicherung des Chefs der Staatskanzlei,
Staatssekretärs Dr. G, geht der Senat davon aus, daß der Antragsteller das
notwendige Vertrauen des Ministerpräsidenten und des Chefs der Staatskanzlei für
die Leitung der Verbindungsstelle zu den Kirchen und Religionsgemeinschaften
nicht mehr besitzt. Laut eidesstattlicher Versicherung Dr. G!'sX! vom 2.6.1989 ist
von seiten der Kirchen und Religionsgemeinschaften wiederholt "Staunen" darüber
geäußert worden, daß der Antragsteller, den sie als langjährigen Vertreter der
Kirchenpolitik sozialdemokratisch geführter Landesregierungen gekannt hätten
und dessen Kompetenz zur Umsetzung der veränderten kirchenpolitischen
Vorstellungen der neuen Landesregierung sie als gering einschätzten, erst nach 2
Jahren als Leiter der Verbindungsstelle abgelöst worden sei. Schon bald nach dem
Regierungswechsel im Frühjahr 1987 sei von den Kirchen und
Religionsgemeinschaften immer wieder die fehlende Nähe des Antragstellers zur
Person des Ministerpräsidenten und zur Politik der Landesregierung beklagt
worden. Während zunächst nur allgemein über den unzulänglichen
Unterrichtungsstand des Antragstellers geklagt worden sei, seien im Laufe der
Zeit konkrete Vorwürfe über "eigenwillige Interpretationen" der Politik der
Landesregierung durch den Antragsteller hinzugetreten. So habe er diesen
Informationen zufolge in mehreren Hintergrundsgesprächen mit Kirchenvertretern
zum Streit des Bistums L gegen das Land Hessen über den Diplomstudiengang
"Katholische Theologie" an der J.-Universität in F. die Haltung der früheren
Landesregierung vertreten und dadurch die Meinungsverschiedenheiten zwischen
den Mitgliedern der gegenwärtigen Regierungskoalition verschärft. Außerdem
hätten ihm, dem Chef der Staatskanzlei, verschiedene kirchliche
Gesprächspartner berichtet, der Antragsteller beschränke sich als Folge seiner
langjährigen Befassung nicht auf die Wahrnehmung seiner fachlichen Aufgaben,
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langjährigen Befassung nicht auf die Wahrnehmung seiner fachlichen Aufgaben,
sondern mische sich in innerkirchliche Meinungsverschiedenheiten ein, ergreife
dort für Auffassungen und Personen Partei und versuche, nach seinen eigenen
Vorstellungen Einfluß auszuüben, ganz unabhängig von den Zielen und Absichten
der Landesregierung, in deren Interesse solche Verstrickungen des Leiters ihrer
Verbindungsstelle nicht lägen und die sie daher auch nicht gutheißen könne. Die
geschilderten Beanstandungen seien etwa seit der Jahresmitte 1987 wiederholt
und mit zunehmender Häufigkeit und Intensität erhoben worden und hätten sich
bis in die letzten Tage hinein fortgesetzt. Es habe sich also nicht etwa um nur
gelegentliche und eher beiläufige Mitteilungen, sondern um nachdrücklich
vorgetragene und wiederholte Beschwerden gehandelt.
Der Antragsteller hat in seinem umfangreichen Vorbringen die ihn betreffenden
Vorwürfe energisch bestritten. Er hat in diesem Zusammenhang u.a. auf
verschiedene Schreiben von Vertretern von Kirchen und Religionsgemeinschaften
hingewiesen, in denen seine Arbeit als Leiter der Verbindungsstelle positiv
gewürdigt wurde. Er hat verständlicherweise aber nichts dazu sagen können, ob
Vertreter von Kirchen und Religionsgemeinschaften gegenüber dem Chef der
Staatskanzlei Vorbehalte in bezug auf seine Person und die Art und Weise seiner
Leitung der Verbindungsstelle geäußert haben. Auf Grund der eidesstattlichen
Versicherung des Chefs der Staatskanzlei geht der Senat im vorliegenden
Verfahren gemäß § 123 Abs. 1 VwGO davon aus, daß von seiten der Kirchen und
Religionsgemeinschaften tatsächlich erhebliche Bedenken hinsichtlich der
Wahrnehmung der Aufgaben der Verbindungsstelle durch den Antragsteller
vorgebracht worden sind. Es ist einleuchtend, daß die Leitung der Staatskanzlei
wegen der geltend gemachten Vorbehalte zu dem Antragsteller nicht mehr das
Vertrauen hat, das für den Leiter der Verbindungsstelle, also für den
Repräsentanten der Landesregierung im Verhältnis zu den Kirchen und
Religionsgemeinschaften, unbedingt erforderlich ist. Wegen der geäußerten
Vorbehalte muß die Leitung der Staatskanzlei davon ausgehen, daß der
Antragsteller nicht das notwendige uneingeschränkte Vertrauen seiner sämtlichen
kirchlichen Gesprächspartner genießt. In diesem Zusammenhang kommt es nicht
darauf an, ob die Vorwürfe gegen den Antragsteller berechtigt sind; ausreichend
ist, daß die Vorbehalte geäußert worden sind. Eine Überprüfung der Vorwürfe im
einzelnen würde dem Ziel der vertrauensvollen Zusammenarbeit zwischen der
Landesregierung einerseits sowie den Kirchen und Religionsgemeinschaften
andererseits zuwiderlaufen. Da sowohl die Leitung der Staatskanzlei wie auch die
Vertreter der Kirchen und Religionsgemeinschaften wissen oder doch zumindest
davon ausgehen müssen, daß das Vertrauensverhältnis der jeweiligen anderen
Seite zu dem Antragsteller beeinträchtigt ist, kann es gerichtlich nicht
beanstandet werden, daß der Antragsteller von der Leitung der Verbindungsstelle
zu den Kirchen und Religionsgemeinschaften entbunden worden ist.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.