Urteil des HessVGH vom 11.09.1991

VGH Kassel: grundstück, rechtskräftiges urteil, aufwand, satzung, sondervorteil, bepflanzung, eigenleistung, beitragspflicht, anfang, genehmigung

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Gericht:
Hessischer
Verwaltungsgerichtshof
5. Senat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
5 UE 3266/90
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 131 Abs 2 S 1 Nr 1 VwGO,
§ 173 VwGO, § 4 Abs 1
ZPO, Art 2 § 4 S 1 Nr 1
VGFGEntlG, Art 21 S 2
VwGOÄndG 4
(Zulassungsbedürftigkeit der Berufung: nachträgliche
Minderung des Beschwerdegegenstandswertes - zur
Berechnungsgrundlage für die Abrechnung von
Erschließungskosten später fertiggestellter
Teileinrichtungen)
Tatbestand
Der Kläger ist Eigentümer der beiden aneinandergrenzenden, 555 qm und 535 qm
großen Hausgrundstücke Gemarkung O-R Flur Nr. und (E Straße und). Die E
Straße (früher D Straße) war 1972 ohne Bürgersteige hergestellt worden. Der
Architekt des Klägers bat die damalige Gemeinde O-R mit Schreiben vom 30. Mai
1972 um die Genehmigung, den Gehweg unter späterer Anrechnung der Kosten
auf die Anliegerbeiträge durch eine Fachfirma im Wege der Selbsthilfe fertigstellen
zu lassen. Unter dem 29. Juni 1972 teilte Bürgermeister R dem Architekten mit,
der Gemeindevorstand und der Bauausschuß hätten sich mit der Sache befaßt.
Eine Genehmigung könne nicht erteilt werden, da von Gesetzes wegen die
Gemeinde verpflichtet sei, die Bürgersteige herstellen zu lassen und die Kosten
auf die Anlieger umzulegen. Außerdem müsse auf einen Beschluß der
Gemeindevertretung verwiesen werden. Dort sei geregelt, daß nach Abschluß der
Arbeiten im alten Ortskern - Befestigung der Gehwege - kein Zuschuß für
selbstverlegte Bürgersteigplatten mehr gewährt werde. Der Kläger ließ dennoch
den Gehweg vor seinen Grundstücken auf eigene Kosten herstellen. - Im O-R
Anzeigeblatt vom 22. Mai 1975 erschien folgende amtliche Bekanntmachung der
Gemeinde:
"Betr.: Erstellung der Bürgersteige als Selbsthilfetätigkeit der Anlieger Aus
gegebener Veranlassung weisen wir unter Bezugnahme auf den Beschluß der
Gemeindevertretung vom 28.4.1971 erneut auf unsere Veröffentlichung vom
10.7.1971 und 26.3.1973 hin, wonach die Selbstverlegung von Gehwegplatten auf
Bürgersteigen als Anliegerleistung nicht zulässig ist. Nach der Rechtsprechung
müssen nämlich die gesamten Kosten der Bürgersteige und Gehwege nach Abzug
des Anteils der Gemeinde auf die Gesamtheit der Eigentümer aller jeweils
erschlossenen Grundstücke umgelegt werden. Es ist deshalb widerrechtlich, wenn
einzelne Eigentümer in Selbsthilfe den Bürgersteig vor ihrem Grundstück erstellt
haben."
Die Grundstücke des Klägers liegen im Baugebiet B, das sich im Südosten von O-R
über eine Fläche von ca. 800 m x 700 m zum Wald hin erstreckt. Alle Grundstücke
werden durch eine Vielzahl von Straßen und Wegen erschlossen, insbesondere
durch den B-ring, der als R-straße das gesamte Baugebiet mit dem übrigen
öffentlichen Straßennetz verbindet. Der Bebauungsplan (5. Änderungsplan) "Im B"
war vom Regierungspräsidenten in D am 2. Januar 1979 genehmigt worden. Sein
Plangebiet grenzt im Südwesten an das Gebiet des in der ersten Fassung im Jahre
1974 genehmigten Bebauungsplans "P", dessen Grundstücke heute ebenfalls über
den B-ring an das öffentliche Straßennetz angebunden werden. Mit den
Straßenbauarbeiten im Baugebiet P war 1975 begonnen worden. Am 13.
September 1977 hatte die Gemeindevertretung die Bildung des
Erschließungsbezirks "P - Südlich der Südtangente" beschlossen. Ende 1983 legte
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Erschließungsbezirks "P - Südlich der Südtangente" beschlossen. Ende 1983 legte
die Beklagte die Erschließungskosten einheitlich auf die Grundstückseigentümer
im Abrechnungsgebiet P um und erließ entsprechende Heranziehungsbescheide.
Anläßlich des ersten Ausbaus der Straßen und Wege im Baugebiet B hatte die
Gemeindevertretung von O-R durch Beschlüsse vom 21. Oktober und 18.
November 1974 unter Aufhebung eines früheren Beschlusses zur Bildung einer
Erschließungseinheit B von 1971 die Erschließungsanlagen zu einem
Erschließungsbezirk B neu zusammengefaßt. Nachdem der Gemeindevorstand
am 4. Dezember 1974 die Abrechnung der mit Fahrbahnen einschließlich Rinnen,
Bordsteinen und Entwässerungsanlagen hergestellten Straßen im
Erschließungsbezirk im Wege der Kostenspaltung beschlossen hatte, wurden die
Anlieger Anfang 1975 zu Erschließungsbeiträgen herangezogen.
Nach dem vollständigen Ausbau der Erschließungsanlagen im Erschließungsbezirk
B - durch Bebauungsplanänderung waren zwischenzeitlich die S Straße, P Straße
und B Straße hinzugekommen - hatte die Stadtverordnetenversammlung der
Beklagten - die Gemeinden O-R und U waren mit Wirkung vom 1. Januar 1977 zur
Gemeinde R, seit 1980 Stadt R, zusammengeschlossen worden - am 21.
September 1982 die Beschlüsse der Gemeindevertretung von O-R vom 21.
Oktober und 18. November 1974 bestätigt und ergänzt um die
Erschließungsanlagen S Straße, P Straße und B Straße. Der Erschließungsbezirk
erfaßt nunmehr im wesentlichen die Erschließungsanlagen des gleichnamigen
Bebauungsplangebietes (5. Änderungsplan); ein Teilstück des B-ringes und die Z
Straße (früher Estraße), die sich im Abrechnungsgebiet befinden, liegen im
Geltungsbereich des ebenfalls am 2. Januar 1979 genehmigten Bebauungsplans
"P" (3. Änderungsplan). Der Magistrat der Beklagten stellte am 18. Oktober 1982
die Fertigstellung der Erschließungsanlagen im Erschließungsbezirk mit Gehwegen,
Parkbuchten, Beleuchtungseinrichtungen und der Bepflanzung fest und widmete
die Fahrbahnen, Gehwege und Parkflächen am 9. November 1982 dem
öffentlichen Verkehr. Im Hinblick auf die Tatsache, daß einzelne Straßen und Wege
im Erschließungsbezirk B ohne Gehwege hergestellt worden waren, erließ die
Stadtverordnetenversammlung der Beklagten am 21. Januar 1986 eine Satzung
über die Herstellungsmerkmale für die Erschließungsanlagen im Baugebiet B. -
Alle genannten Beschlüsse der Beklagten waren öffentlich bekanntgemacht
worden.
Bereits Ende 1982 hatte die Beklagte die umlagefähigen Gesamtkosten der
fertiggestellten Teileinrichtungen (Gehwege, Beleuchtungseinrichtungen,
Bepflanzung, Parkflächen) im Erschließungsbezirk B auf die Anlieger umgelegt - die
Höhe des Beitragssatzes pro Quadratmeter Geschoßfläche betrug 4,71 DM - und
den Kläger durch Bescheide vom 4. November 1982 für die Parzellen 625/1 und
625/2 zu Erschließungsbeiträgen in Höhe von 1.307,02 DM und 1.259,92 DM
herangezogen. Hiergegen legte der Kläger am 16. November 1982 Widerspruch
ein, soweit die Bescheide die Erhebung von Aufwendungen für die Gehwege
beträfen. Zur Begründung wurde vorgebracht, er habe die Bürgersteige vor seinen
Grundstücken auf eigene Kosten herstellen lassen. Dabei berufe er sich auf die
mündliche Erklärung des damaligen Bürgermeisters R, der sinngemäß gesagt
habe: Wenn eine Fachfirma die Gehwege herstellt, dann können wir für eine von
ihnen erbrachte Leistung selbstverständlich keine Gebühren erheben, denn wer
keine Leistung erbringt, kann hierfür auch nichts fordern. Da die Gemeinde nach
der Satzung 85% der Kosten auf die Anlieger umlege, bitte er, ihm die
berechneten anteilmäßigen Erschließungskosten von 85% für die Gehwege zu
erlassen. Selbstverständlich werde er dann die Erschließungskosten für
Beleuchtung, Bepflanzung und Parkflächen bezahlen. Der Magistrat der Beklagten
teilte dem Kläger daraufhin durch Schreiben vom 14. April 1983 mit, daß als
einmaliges Entgegenkommen für beide Grundstücke eine Ausgleichsvergütung
von jeweils 150,62 DM (15% Anteil der Stadt bezogen auf den Einheitspreis der
Gehwegherstellung vor 1976) gewährt werde; der Gesamtbetrag von 301,24 DM
wurde an den Kläger ausgezahlt. - Die Beklagte wies den Widerspruch des Klägers
durch gleichlautende Widerspruchsbescheide (ohne Datum), dem Kläger zugestellt
am 5. August 1983, zurück.
Dagegen erhob der Kläger am 5. September 1983 beim Verwaltungsgericht
Darmstadt Klage mit der Begründung, er habe die Gehweganlage auf eigene
Kosten erstellt und die Beklagte habe sie ohne Veränderungen an die nachträglich
für die übrigen Anlieger errichteten Gehwege angeschlossen. Insoweit sei also der
Erschließungsaufwand anderweitig gedeckt gewesen und seine, des Klägers,
Inanspruchnahme eine ungerechtfertigte Doppelbelastung. Nachdem die Beklagte
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Inanspruchnahme eine ungerechtfertigte Doppelbelastung. Nachdem die Beklagte
in einer Hilfsberechnung dargelegt hatte, daß der Erschließungsbeitragsanteil
betreffend Beleuchtung, Bepflanzung und Parkflächen sich für die Parzelle auf
254,52 DM und für die Parzelle auf 245,35 DM belaufe, beantragte der Kläger,
die Heranziehungsbescheide der Beklagten vom 4. November 1982 und die
hierauf bezüglichen Widerspruchsbescheide der Beklagten vom 5. August 1983
aufzuheben, soweit er für das Grundstück Flur, Nr. zu einem höheren
Erschließungsbeitrag als 254,52 DM und für das Grundstück Flur, Nr. zu einem
höheren Erschließungsbeitrag als 245,35 DM herangezogen wird.
Die Beklagte beantragte,
die Klage abzuweisen.
Sie war im wesentlichen der Ansicht, die Beitragsbescheide seien bereits teilweise
bestandskräftig, denn der Kläger habe sie nur hinsichtlich der Gehwegkosten
angefochten; der Gehweganteil betrage 1.052,50 DM bzw. 1.014,57 DM. Eine
Genehmigung für die Eigenherstellung des Bürgersteigs sei nie erteilt worden. Eine
vertragliche Kostenübernahme liege ebenfalls nicht vor. Der Bürgermeister habe
auch keine dementsprechende Zusage gegeben. In der Rechtsprechung sei
anerkannt, daß ein Grundstückseigentümer, der vor seinem Grundstück auf
eigene Kosten einen Bürgersteig errichtet habe, auch für den Bürgersteig auf der
anderen Straßenseite aufkommen müsse. Die Zahlung einer Ausgleichsvergütung
sei ohne Anerkennung einer Rechtspflicht erfolgt. - Die Beklagte war weiterhin -
insbesondere im Hinblick auf das Klägervorbringen in Parallelverfahren - der
Auffassung, daß die Erschließungsbezirksbildung und die darauf beruhende
Beitragsabrechnung nicht zu beanstanden seien. Die Gesamtgeschoßfläche habe
sich gegenüber der früheren Abrechnung verringert, weil durch die nachträglichen
Bebauungsplanänderungen in verschiedenen Straßen Geschoßzahlen
herabgesetzt worden seien; außerdem seien zwischenzeitlich
Grundstücksveränderungen eingetreten, z.B. seien die S Straße, die P Straße und
die B Straße ursprünglich Baugelände gewesen. Bei der Parzelle handele es sich
um eine private Parkplatzfläche, die als Privatgrundstück beitragspflichtig sei.
Hinsichtlich der Aufwandsermittlung habe eine erneute Prüfung ergeben, daß
fälschlicherweise die Kosten für die Herstellung des Buswendeplatzes sowie für
Änderungsarbeiten an den Fahrbahnrinnenplatten, Bordsteinen und
Entwässerungsanlagen in einer Gesamthöhe von 92.740,93 DM miteinbezogen
worden seien. Der beitragsfähige Erschließungsaufwand müsse um diesen Betrag
gemindert werden. - In einer Vergleichsberechnung für die E Straße (einschließlich
des südlichen, östlichen und nördlichen Stichweges) kam die Beklagte zum
Ergebnis, daß der Kläger im Falle der Einzelabrechnung für die Parzelle nur 904,65
DM und für die Parzelle nur 872,05 DM zu zahlen hätte.
Nachdem sich die Beteiligten mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung
einverstanden erklärt hatten, hob das Verwaltungsgericht durch Urteil, beraten am
18. November 1986, die angefochtenen Bescheide insoweit auf, als der Kläger für
das Flurstück zu einem höheren Erschließungsbeitrag als 904,65 DM und für das
Flurstück zu einem höheren Erschließungsbeitrag als 872,05 DM herangezogen
werde; im übrigen wurde die Klage abgewiesen. Das Gericht war der Meinung, die
Teil-Rechtswidrigkeit der Bescheide folge aus der Tatsache, daß der
Erschließungsaufwand für die Herstellung der hier streitigen Teileinrichtungen zu
Unrecht im Rahmen einer Erschließungseinheit abgerechnet worden sei. Wenn es
auch grundsätzlich zulässig sei, in einem Erschließungsbezirk den Aufwand für
Teileinrichtungen im Wege der Kostenspaltung umzulegen, so setze dies doch
voraus, daß für jede der abzurechnenden Teileinrichtungen ein beitragsfähiger
Erschließungsaufwand überhaupt entstanden sei. Stimmten die zu einer
Erschließungseinheit zusammengefaßten Erschließungsanlagen in den zur
Abrechnung stehenden Teileinrichtungen nur teilweise überein, so dürften sie nicht
zusammen, sondern nur einzeln abgerechnet werden. Andernfalls werde die der
Beitragsgerechtigkeit dienende Abrechnung als Erschließungseinheit dem
Vorteilsgedanken nicht mehr gerecht. Bei der Abrechnung als Erschließungsbezirk
werde nämlich der durch die Straßengesamtheit vermittelte Vorteil in gewisser
Weise pauschaliert. Die in dieser Pauschalierung liegende Modifizierung des
Vorteilsgedankens rechtfertige sich dadurch, daß der Vorteil für alle durch den
Erschließungsbezirk erschlossenen Grundstücke der gleiche sei. Dies setze aber
voraus, daß alle Straßen im Erschließungsbezirk in gleicher Weise, d.h. mit den
gleichen Teileinrichtungen ausgestattet seien. Im vorliegenden Fall habe die
Beklagte jedoch auf die Herstellung von Bürgersteigen z.B. in der Rstraße, der S
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Beklagte jedoch auf die Herstellung von Bürgersteigen z.B. in der Rstraße, der S
Straße und der Tstraße verzichtet. Gleichwohl würden die Anlieger dieser Straßen
zu Erschließungsbeiträgen auch für die Herstellung von Gehwegen herangezogen,
die für sie im Verhältnis zu den Anliegern an Straßen mit Bürgersteigen nur einen
mittelbaren und für sie spürbar geminderten Vorteil hätten. Der Vorteilsgedanke
gebiete es daher, den Aufwand für die Teileinrichtungen einzeln abzurechnen. Dies
habe hier zur Folge, daß die Beitragspflicht für die E Straße mit dem Erlaß der
Abweichungssatzung vom 21. Januar 1986 entstanden sei und auf das klägerische
Grundstück nach der vorgelegten Vergleichsberechnung nur ein Beitrag in Höhe
von 904,65 DM und 872,05 DM entfalle. - Auf den so ermittelten
Erschließungsbeitrag könne die vom Kläger erbrachte Eigenleistung in Form der
selbst hergestellten Gehwege nicht angerechnet werden. Denn es handele sich
hierbei weder um ersparte Aufwendungen, die dem Kläger zugute kämen, noch
um Vorausleistungen im Sinne des Gesetzes. Sie müßten deshalb
unberücksichtigt bleiben.
Gegen das ihr am 9. Januar 1987 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 29. Januar
1987 Berufung eingelegt (Aktenzeichen 5 UE 305/87). Auf den übereinstimmenden
Antrag beider Beteiligter hat der Senat durch Beschluß vom 29. April 1987 das
Ruhen des Verfahrens bis zur rechtskräftigen Entscheidung in einem
Parallelprozeß angeordnet. Inzwischen ist in einem ähnlich gelagerten Verfahren
durch rechtskräftiges Senatsurteil vom 4. April 1990 - 5 UE 292/87 - der Berufung
der Beklagten stattgegeben und die Klage in vollem Umfang abgewiesen worden.
Der Kläger hat daraufhin seine Klage hinsichtlich der Bescheide bezüglich des
Grundstückes (E Straße) mit Zustimmung der Beklagten zurückgenommen; das
Verfahren ist insoweit durch Senatsbeschluß vom 13. November 1990 eingestellt
worden.
Soweit sich die Klage des Klägers und die Berufung der Beklagten auf ihren
Erschließungsbeitragsbescheid vom 4. November 1982 betreffend das Flurstück
Nr. (E Straße) in der Fassung des Widerspruchsbescheides (ohne Datum)
beziehen, hat der Senat das Verfahren abgetrennt; es bildet den Gegenstand des
vorliegenden Rechtsstreits. - Die Beklagte hält ihre Berufung, obwohl der Wert des
Beschwerdegegenstandes inzwischen unter 500,-- DM gesunken sei, weiterhin für
zulässig. Die nachträgliche Teil-Klagerücknahme des Berufungsbeklagten habe
keinen Einfluß auf die Zulässigkeit der Berufung. In der Sache selbst müsse die
Berufung Erfolg haben. Dies ergebe sich aus dem Senatsurteil vom 4. April 1990
im Parallelverfahren 5 UE 292/87.
Die Beklagte beantragt sinngemäß,
unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Darmstadt vom 18.
November 1986 die Klage, soweit sie noch anhängig ist, abzuweisen.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
die Berufung zurückzuweisen.
Er ist der Ansicht, die Berufung der Beklagten erreiche jetzt nicht mehr die
Berufungssumme.
Beide Beteiligte haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung
einverstanden erklärt.
Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der zwischen den
Beteiligten gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, auf den Inhalt der
Behördenvorgänge (1 Hefter Verwaltungsunterlagen "Heranziehungsbescheid"; 2
Hefter Satzungsunterlagen; Satzung über die Herstellungsmerkmale vom 21.
Januar 1986; 1 Hefter Rechnungsunterlagen; 1 Hefter Verteilungsunterlagen;
Bebauungsplan "Im B" in der Urfassung und 5. Änderungsplan nebst einem Hefter
Aufstellungsunterlagen; Bebauungsplan "P", 3. Änderungsplan; 2 Flurkarten; 1
Stadtplan) und auf den Inhalt der Gerichtsakten 5 UE 290/87, 292/87 und 305/87,
die zum Gegenstand der Senatsberatung gemacht worden sind, verwiesen.
Entscheidungsgründe
Nachdem beide Beteiligte gemäß § 101 Abs.2 VwGO auf mündliche Verhandlung
verzichtet hatten, konnte der Senat im schriftlichen Verfahren entscheiden.
Entgegen der Auffassung des Klägers ist die von der Beklagten zulässig eingelegte
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Entgegen der Auffassung des Klägers ist die von der Beklagten zulässig eingelegte
Berufung auch im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung noch zulässig.
Die Beklagte hatte am 29. Januar 1987 gegen das ihr am 9. Januar 1987
zugestellte Urteil form- und fristgerecht Berufung eingelegt. Eine ausdrückliche
Zulassung des Rechtsmittels im erstinstanzlichen Urteil gemäß Art.2 § 4 Abs.1
Satz 1 Nr.1 EntlG - nach dieser Vorschrift ist die Berufung zulassungsbedürftig,
wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes bei einer Klage, die eine Geldleistung
oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 500,-- DM nicht übersteigt -
war nicht erforderlich, denn der Wert des Beschwerdegegenstandes lag mit 790,24
DM über der gesetzlichen 500,-- DM-Grenze. Dies ergibt sich hier aus dem
Umstand, daß zwei Heranziehungsbescheide in objektiver Klagehäufung
Gegenstand der Klage waren, so daß neben dem Gegenstandswert auch der Wert
des Beschwerdegegenstandes zusammengerechnet wurde (vgl. BVerwG, Beschluß
vom 20. August 1986 - NVwZ 1987,219). Durch die Teil-Stattgabe der Klage in
Höhe von 402,37 DM (Bescheid über 1.307,02 DM, Klagabweisung in Höhe von
904,65 DM) und in Höhe von 387,87 DM (Bescheid über 1.259,92 DM,
Klagabweisung in Höhe von 872,05 DM) war die Beklagte damals in Höhe der
Gesamtsumme beschwert.
Zwar hat der Kläger in November 1990 - während des Berufungsverfahrens - seine
Klage bezüglich des Beitragsbescheides für sein Grundstück Nr.
zurückgenommen, so daß das stattgebende Urteil in Höhe von 402,37 DM
unwirksam wurde und sich die Beschwer der Beklagten auf 387,87 DM, das heißt
unter die 500,-- DM-Grenze verringerte. Dies änderte jedoch nichts an der
Zulässigkeit der Berufung; sie wurde nicht zulassungsbedürftig.
Zur Bestimmung des Wertes des Beschwerdegegenstandes im Sinne des Art.2 § 4
Abs.1 Satz 1 Nr.1 EntlG sind gemäß § 173 VwGO die §§ 3 ff ZPO sinngemäß
heranzuziehen. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Berechnung des Wertes des
Beschwerdegegenstandes ist danach grundsätzlich der Zeitpunkt der Einlegung
des Rechtsmittels (§ 4 Abs.1 ZPO; vgl. Redeker/von Oertzen, VwGO, 9.Aufl., § 131
Rdnr.12). Wie bereits dargelegt, war damals - 1987 - die Berufung der Beklagten
ohne weiteres zulässig. An dieser Rechtslage ändert sich auch dann nichts, wenn
der Wert des Beschwerdegegenstandes nachträglich unter die gesetzliche Grenze
sinkt, es sei denn, der Rechtsmittelführer hat die Minderung der Beschwer selbst
"willkürlich" herbeigeführt. Diese Einschränkung soll einer unzulässigen Umgehung
der Rechtsmittelgrenzen vorbeugen. In einem solchen Fall wird im Zivilprozeß das
Rechtsmittel - zum Beispiel die Berufung gemäß § 511a Abs.1 ZPO - in der Regel
unzulässig (vgl. BGH, Urteil vom 16. Januar 1951 - NJW 1951,274;
Rosenberg/Schwab, Zivilprozeßrecht, 14.Aufl., § 137 II 4 c; Stein/Jonas, ZPO,
20.Aufl., Allgemeine Einleitung II vor § 511, Rdnr.18 ff; Wieczorek/Rössler, ZPO, 2.
Aufl., § 511a Anm.B I ff) und im Verwaltungsprozeß die Berufung bezüglich einer
Klage, die eine Geldleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft,
zulassungsbedürftig (vgl. OVG Lüneburg, Urteil vom 24. Januar 1990 - NVwZ-RR
1990,386). Im vorliegenden Fall geht aber die Minderung des Wertes des
Beschwerdegegenstandes auf das Verhalten des Berufungsbeklagten
(Rechtsmittelgegners) zurück, der seine Klage nachträglich teilweise
zurückgenommen hat. Wenn der Rechtsmittelführer dem durch eine
Verminderung seines Antrages - wie hier - Rechnung trägt, berührt dies die
Zulässigkeit der Berufung nicht (vgl. insbesondere die oben genannten Nachweise
in der zivilprozessualen Literatur; zu undifferenziert Redeker/von Oertzen, aaO.).
Die Berufung ist auch nicht dadurch nachträglich zulassungsbedürftig geworden,
daß gemäß § 131 Abs.2 Satz 1 Nr.1 VwGO in der Fassung des am 1. Januar 1991
in Kraft getretenen Vierten Gesetzes zur Änderung der VwGO vom 17. Dezember
1990, BGBl.I S.2809 - der Nachfolgevorschrift des Art.2 § 4 Abs.1 Satz 1 Nr.1 EntlG
- die "Berufungssumme" auf 1.000,-- DM angehoben worden ist. Zwar ergreifen
Änderungen des Prozeßrechts in zeitlicher Hinsicht grundsätzlich auch noch
anhängige Verfahren, soweit nicht Übergangsbestimmungen etwas anderes
vorschreiben oder sich Abweichendes aus Sinn und Zweck der Vorschrift oder aus
dem Zusammenhang mit anderen Grundsätzen ergibt (vgl. BVerfG, Urteil vom 11.
März 1975 - NJW 1975,1013 (1014); BGH, Urteil vom 28. Februar 1991 - NVwZ
1991,606 mit weiteren Nachweisen). Letzteres ist hier jedoch der Fall. Denn nach
der Überleitungsvorschrift (Art.21 Satz 2 des Vierten Gesetzes zur Änderung der
VwGO aaO.) richtet sich die Zulässigkeit eines Rechtsbehelfs gegen eine
gerichtliche Entscheidung nach den bisher geltenden Vorschriften - vorliegend
nach Art.2 § 4 Abs.1 Satz 1 Nr.1 EntlG -, wenn die Entscheidung - wie hier - vor
dem Inkrafttreten des Änderungsgesetzes (1. Januar 1991) verkündet worden ist.
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Die nach alledem uneingeschränkt zulässige Berufung der Beklagten ist auch
begründet. Das Verwaltungsgericht hätte die zulässige Anfechtungsklage - soweit
sie noch anhängig ist - abweisen müssen, denn die Beklagte hat den Kläger für
sein Grundstück Nr. (E Straße) im Ergebnis zu Recht zu einem
Erschließungsbeitrag in Höhe von (mindestens) 1.259,92 DM herangezogen. Zwar
ist die Heranziehung in materiell-rechtlicher Hinsicht nicht fehlerfrei, wie der Senat
im Parallelverfahren 5 UE 292/87 durch rechtskräftiges Urteil vom 4. April 1990 -
HSGZ 1991,109 - bereits dargelegt hat. Dies führt jedoch nicht zur beantragten
Teilaufhebung des Verwaltungsaktes, weil der Kläger insoweit nicht in seinen
Rechten verletzt wird (§ 113 Abs.1 Satz 1 VwGO).
Der angefochtene Erschließungsbeitragsbescheid beruht auf den §§ 127 ff BBauG -
das Baugesetzbuch findet noch keine Anwendung (vgl. Senatsurteil vom 18. Mai
1988 - 5 UE 2211/84 mit weiteren Nachweisen) - und der
Erschließungsbeitragssatzung der Beklagten vom 18. Oktober 1978 (EBS) in der
Fassung der 2.Änderungssatzung vom 18. November 1983. Die Satzung nebst
Änderungssatzungen ist hauptsatzungsgemäß im O-R Anzeigeblatt und im
Mitteilungsblatt für U öffentlich bekanntgemacht worden; Bedenken hinsichtlich der
inhaltlichen Rechtmäßigkeit der Satzung sind nicht vorgetragen worden und auch
nicht ersichtlich.
Ein Beitragstatbestand im Sinne der §§ 127, 128 BBauG ist erfüllt. Der endgültige
Ausbau der bereits Anfang der 70er Jahre teilfertiggestellten und insoweit
abgerechneten E Straße (früher D Straße) und der übrigen Straßen und Wege im
Erschließungsbezirk B im Jahre 1982 durch die Anlegung von Gehwegen und
Parkflächen, den Einbau von Beleuchtungseinrichtungen und die Bepflanzung der
Anlagen stellt die erstmalige Herstellung der Erschließungsanlagen dar (§ 13 Abs.1
EBS). Der endgültige Straßenausbau in der Erschließungseinheit erfolgte auch
rechtmäßig im Sinne des § 125 Abs.1 BBauG, denn er entsprach den
Festsetzungen der rechtskräftigen Bebauungspläne "Im B" (5.Änderungsplan) und
"P" (3.Änderungsplan). Die Straßen galten bereits mit der Verkehrsübergabe als
gewidmet (§ 2 Abs.1 Satz 2 HStrG; Senatsbeschluß vom 24. Mai 1988 - ZKF
1988,279 = GemHH 1989,138). Unabhängig davon hatte der Magistrat der
Beklagten am 9. November 1982 noch einmal eine ausdrückliche Widmung der
Fahrbahnen, Gehwege und Parkflächen für den öffentlichen Straßenverkehr
ausgesprochen. Die Erschließungsbeitragspflicht ist als Rest-Beitragspflicht aber
erst Anfang 1986 dem Grunde nach entstanden - der Fertigstellungsbeschluß vom
18. Oktober 1982 hat insoweit keine Bedeutung, weil die Beitragspflicht
unabhängig vom Willen der Gemeinde entsteht (BVerwG, Urteil vom 27.
September 1982 - KStZ 1983,95 (96); Urteil vom 26. September 1983 -
DVBl.1984,186 (187)) -, denn im Zeitpunkt der Beitragsheranziehung 1982 waren
die satzungsrechtlichen Herstellungsmerkmale noch nicht erfüllt. Die Beklagte
hatte nämlich in einzelnen Straßen - wie z.B. in der Tstraße - abweichend von den
in § 13 Abs.1 Buchst.b) EBS satzungsmäßig festgelegten Herstellungsmerkmalen
keine Bürgersteige angelegt. Die ursprünglich rechtswidrige Beitragsheranziehung
ist jedoch mit "Jetzt-Wirkung" geheilt worden (vgl. Driehaus, aaO., Rdnr.592 ff),
denn die neben dem Gemeindevorstand gemäß § 50 Abs.1 Satz 5 HGO
zuständige Stadtverordnetenversammlung der Beklagten hat am 21. Januar 1986
auf der Grundlage des § 13 Abs.3 EBS eine entsprechende Satzung über die
Herstellungsmerkmale für die Erschließungsanlagen im Baugebiet "B" (sogenannte
Abweichungssatzung) beschlossen und öffentlich bekanntgemacht.
Was die Höhe der Beitragsforderung anlangt und damit die Ermittlung und
Verteilung des Aufwandes betrifft, hat die Rechtsvorgängerin der Beklagten die E
Straße zusammen mit den anderen Straßen im Baugebiet "B" im Jahre 1974
rechtsfehlerfrei zu einem Erschließungsbezirk zusammengefaßt und hat die
Beklagte die im Bezirk nachträglich hergestellten Teileinrichtungen - bei
unterschiedlichem Ausbauzustand der Straßen - entgegen der Auffassung des
Verwaltungsgerichts zu Recht gemeinsam abgerechnet.
Nach § 130 Abs.2 Satz 2 BBauG steht es im Ermessen der Gemeinde, für mehrere
Anlagen, die für die Erschließung der Grundstücke eine Einheit bilden, den
Erschließungsaufwand insgesamt zu ermitteln. Entsprechende Beschlüsse hatte
die nach hessischem Gemeinderecht zuständige Gemeindevertretung (vgl. dazu
Senatsbeschlüsse vom 9. September 1982 - HessVGRspr. 1983,9 - und vom 17.
Dezember 1982 - NVwZ 1983,301 = HSGZ 1983,156) der früheren Gemeinde O-R
am 21. Oktober und 18. November 1974 gefaßt, die von der
Stadtverordnetenversammlung der Beklagten am 21. September 1982 bestätigt -
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Stadtverordnetenversammlung der Beklagten am 21. September 1982 bestätigt -
und ergänzt - wurden.
In materiell-rechtlicher Hinsicht rechtfertigt sich die Gesamtermittlung des
Erschließungsaufwandes für mehrere Erschließungsanlagen dann, wenn diese
derart voneinander abhängen, daß die Grundstücke erst durch die Gesamtheit
dieser Anlagen erschlossen werden. Voraussetzung ist danach, daß die
Erschließungsanlagen ein im unmittelbaren Zusammenhang stehendes
siedlungsmäßig oder sonst abgegrenztes System darstellen. Dieses System muß
zum einen durch einen Funktionszusammenhang seiner einzelnen Teile
gekennzeichnet sein, der über den Zusammenhang hinausgeht, in welchem
üblicherweise Erschließungsanlagen einer Gemeinde zueinander stehen. Zum
anderen muß die Erschließungseinheit deutlich abgegrenzt sein, so daß nicht eine
Gemeinde ein bestimmtes Gebiet wahllos zum einheitlichen Erschließungsbezirk
erklären kann. Diese Abgrenzung mag in der Regel durch die natürlichen
Verhältnisse bedingt sein, wenn etwa das Siedlungsgebiet an unbebautes Gelände
angrenzt; doch können auch Straßen, die gegenüber den Straßen des
Erschließungsgebietes auffallend breit sind, eine geeignete Abgrenzung des
Gebietes darstellen (vgl. Driehaus, aaO., Rdnr.402 ff, 409 ff mit weiteren
Nachweisen).
Im vorliegenden Fall haben die frühere Gemeinde O-R und die Beklagte zu Recht
einen gesteigerten funktionellen Zusammenhang der Straßen des
Abrechnungsgebietes B angenommen, wie durch einen Blick auf die eingereichten
Karten und Pläne (Stadtplan, Flurkarten, Bebauungspläne) bestätigt wird. Zwar
können einige Straßen dieses Bereichs ihre Erschließungsfunktion sinnvoll auch
ohne Zusammenwirken mit anderen Straßen des Gebietes erfüllen. Entscheidend
ist jedoch, daß alle Straßen unmittelbar beziehungsweise mittelbar an den B-ring
als Ringstraße angeschlossen sind und mittels dieser Erschließungsanlage in
einem wesentlich engeren Funktionszusammenhang stehen, als es sonst bei
Erschließungsanlagen der Fall ist. Jeder Bewohner des Erschließungsbezirks
gelangt nur über den B-ring in das übrige örtliche und überörtliche Straßennetz
und wieder zurück, das heißt, alle Erschließungsanlagen im Bezirk, die die bauliche
Nutzung der anliegenden Grundstücke und deren Anbindung an das öffentliche
Verkehrsnetz der Beklagten ermöglichen, können ihre Funktion nur in Verbindung
mit dem B-ring erfüllen. - Das Abrechnungsgebiet stellt auch ein nach außen
deutlich abgegrenztes Wegesystem dar. Wie dem Stadtplan zu entnehmen ist,
schließt sich an den Erschließungsbezirk im Norden und Osten unbebauter
Außenbereich - zum Teil Waldgelände - an. Im Westen bildet ein Teilstück des ca.
23 m breiten B-ringes - im Vergleich zu den übrigen, maximal nur ca. 12 m breiten
Erschließungsanlagen - eine auffallende Grenze der Erschließungseinheit. Im
Süden und Südwesten ist zwar heute keine Begrenzung des Gebietes mehr zu
erkennen, denn hier schließen sich inzwischen die Straßen des Baugebietes P an,
die ebenfalls nur über den B-ring mit dem übrigen öffentlichen Straßennetz
verbunden sind. Maßgebend ist insoweit jedoch die Sachlage im Zeitpunkt der
ursprünglichen konstitutiven Beschlußfassung über die Bildung des
Erschließungsbezirks B im Jahre 1971 beziehungsweise 1974; die im Jahre 1982
erfolgte Bestätigung der früheren Beschlußfassung, zusammen mit einer - wie
noch darzulegen sein wird - fehlerhaften Beschlußergänzung, war insoweit lediglich
deklaratorischer Natur. Ursprünglich grenzte der Erschließungsbezirk in diesem
südwestlichen Bereich noch an Außengebiet, wie der in der mündlichen
Verhandlung vorgelegten Urfassung des Bebauungsplanes "Am B" zu entnehmen
ist. Die erste Fassung des Bebauungsplanes "P" war erst 1974 genehmigt und mit
den ersten Straßenbauarbeiten war erst 1975 begonnen worden. Die Bildung eines
Erschließungsbezirkes P fand dann zwei Jahre später statt.
Die gemeinsame Abrechnung der hier nachträglich fertiggestellten
Teileinrichtungen (Gehwege, Beleuchtungseinrichtungen etc.) ist nicht zu
beanstanden. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts gilt dies auch
insoweit, als die zu einer Erschließungseinheit zusammengefaßten
Erschließungsanlagen in den Teileinrichtungen, die zur Abrechnung anstehen - wie
im vorliegenden Fall hinsichtlich der Gehwege - nur teilweise übereinstimmen.
Die beitragsmäßige Abrechnung von Erschließungsanlagen nach
Erschließungseinheiten stellt keine Sperre für eine Kostenspaltung dar. Es wird
deshalb als zulässig angesehen, den Aufwand für einzelne (abspaltbare)
Teileinrichtungen aller beitragsfähigen Erschließungsanlagen im Wege der
Kostenspaltung auf die Grundstücke im Erschließungsbezirk umzulegen (vgl.
Brügelmann/Förster, BBauG, § 130 Rdnr.41; Driehaus, aaO., Rdnr.412 und 611;
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Brügelmann/Förster, BBauG, § 130 Rdnr.41; Driehaus, aaO., Rdnr.412 und 611;
Zinkahn/Bielenberg, BBauG, § 127 Rndr.22). Davon hatte hier die
Rechtsvorgängerin der Beklagten Gebrauch gemacht, indem sie nach der Bildung
des Erschließungsbezirks B und ihrem Kostenspaltungsbeschluß die Kosten der
Fahrbahnen mit Rinnen und Bordsteinen sowie der Entwässerungsanlagen des
Abrechnungsgebietes Anfang 1975 auf alle Anlieger umgelegt hatte. Ebenso
zulässig ist es, die restlichen, nachträglich fertiggestellten Teileinrichtungen
gemeinsam abzurechnen, wobei es unschädlich ist, daß hier die
zusammengefaßten Erschließungsanlagen nur zum Teil mit Bürgersteigen
ausgestattet worden sind. Denn es ist weder Begriffs- noch
Rechtmäßigkeitsvoraussetzung für die Bildung einer Erschließungseinheit, daß alle
Anbaustraßen in ihren Teileinrichtungen übereinstimmen. Sinn und Zweck der
Bildung von Abrechnungseinheiten ist es, für den Fall, daß die Herstellung von
selbständigen beitragsfähigen Erschließungsanlagen unterschiedlich hohe
Aufwendungen verursacht, die Möglichkeit zu eröffnen, auch die Grundstücke
anteilig an den Kosten der aufwendigeren Anlage zu beteiligen, die durch diese
Anlage als solche nicht im Sinne des § 131 Abs.1 BBauG erschlossen werden. Eine
solche zu Lasten der nicht durch die aufwendigere Erschließungsanlage
erschlossenen Grundstücke gehende Nivellierung der Beitragshöhe ist mit dem
das Erschließungsbeitragsrecht prägenden Vorteilsprinzip aber nur dann vereinbar,
wenn die betroffenen Grundstücke auch von der aufwendigeren Anlage einen
nennenswerten, über den Gemeinvorteil hinausgehenden Sondervorteil haben,
und zwar einen Sondervorteil, der zusammen mit dem von der preiswerteren
Anlage ausgelösten Sondervorteil (also insgesamt) in etwa dem Sondervorteil
gleicht, der den durch die aufwendigere Anlage erschlossenen Grundstücken
vermittelt wird. Das aber kann nur angenommen werden, wenn von den durch die
preiswertere Anlage erschlossenen Grundstücken aus erfahrungsgemäß die
aufwendigere Anlage deshalb in besonderem Umfang in Anspruch genommen
wird, weil die beiden Anlagen einander nicht nur ergänzen, sondern sie in einer
derartigen Beziehung zueinander stehen, daß die eine (preiswertere) Anlage ihre
Funktion nur im Zusammenwirken mit der anderen (aufwendigeren) Anlage in
vollem Umfang zu erfüllen geeignet ist (BVerwG, Urteil vom 11. Oktober 1985 -
DVBl.1986,347 (348)). Preiswertere Erschließungsanlagen in diesem Sinne sind
nicht nur solche, die aus kostengünstiger gestalteten Teileinrichtungen bestehen,
sondern auch diejenigen, bei denen im Vergleich zu anderen Anlagen im
Abrechnungsgebiet auf den Ausbau einzelner Teileinrichtungen (z.B. Gehwege)
rechtmäßig ganz verzichtet worden ist. Entgegen der Auffassung des
Verwaltungsgerichts bedeutet dies im vorliegenden Fall, daß die
Erschließungsstraßen mit Gehwegen und die Erschließungsanlagen ohne Gehwege
zusammenfassungsfähig sind. Denn die Grundstücke (und ihre Bewohner) in den
Straßen ohne Gehwege im Erschließungsbezirk B - wie z.B. in der Tstraße - haben
von den aufwendiger gestalteten anderen Erschließungsanlagen mit Bürgersteigen
den gleichen Sondervorteil, den sie auch dann hätten, falls zum Beispiel in ihrer
Straße nur eine schmale Gehweganlage vorhanden wäre. Im übrigen begünstigt
der Wegfall einzelner Bürgersteige kostenmäßig in der Regel alle
Grundstückseigentümer, das heißt auch den Kläger, denn der
Erschließungsaufwand wird dadurch erfahrungsgemäß insgesamt geringer.
Fehlerhaft hat die Beklagte aber insoweit gehandelt, als sie nach der
gemeinsamen Abrechnung der ersten Teilbaumaßnahme im Wege der
Kostenspaltung im Jahre 1975 das Abrechnungsgebiet durch Hinzunahme der S
Straße, der P Straße und der B Straße im Jahre 1982 abgeändert und in diesem
veränderten Erschließungsbezirk die restlichen Teilbaumaßnahmen abgerechnet
hat. Eine Abrechnung in derart unterschiedlichen Abrechnungsgebieten
widerspricht der gesetzlichen Regelung. Die Tatsache, daß § 130 Abs.2 Satz 2
BBauG unter den dort genannten Voraussetzungen die Abrechnung "für mehrere
Anlagen...insgesamt" gestattet, muß im Zusammenhang mit dem dem
Erschließungsbeitragsrecht zugrundeliegenden Bestreben verstanden werden, die
Grundlagen der Beitragspflicht für die Pflichtigen transparenter zu machen als das
nach früherem Recht der Fall war. Deshalb hat auch das Bundesverwaltungsgericht
(Urteil vom 4. Oktober 1974 - DVBl.1975,375 (377)) für den vergleichbaren Fall der
Abschnittsbildung entschieden, daß eine Gemeinde, die einen
Erschließungsabschnitt gebildet hat und für diesen Abschnitt im Rahmen der
Kostenspaltung Beitragspflichten hat entstehen lassen, für die übrigen
Teileinrichtungen vom gleichen Straßenabschnitt ausgehen muß. Begründet wird
dies vom Bundesverwaltungsgericht im wesentlichen mit der Erwägung, der
Gesetzgeber verfolge mit bestimmten erschließungsbeitragsrechtlichen
Vorschriften des Bundesbaugesetzes das Ziel, die Beitragserrechnung für den
Bürger erkennbar und durchsichtig zu machen (ebenso BVerwG, Urteil vom 15.
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Bürger erkennbar und durchsichtig zu machen (ebenso BVerwG, Urteil vom 15.
September 1978 - 4 C 50.76 - HSGZ 1979,113 (116) und 4 C 36,38-41.76 - HSGZ
1979,116 (119)). Das Erschließungsbeitragsrecht müsse unter Berücksichtigung
dieser Absicht ausgelegt werden. Werde eine Erschließungsanlage nicht, der
Grundregel entsprechend, insgesamt abgerechnet, sondern nach mehreren
Abschnitten, so mindere das die Transparenz für die Beitragspflichtigen,
insbesondere in bezug auf die Beitragsgerechtigkeit im Vergleich zu den Anliegern
anderer Abschnitte derselben Anlage. Noch weniger durchsichtig werde die
Berechnung, wenn einzelne (abspaltbare) Teilanlagen nach Abschnitten
abgerechnet würden. Gleichwohl seien diese Abrechnungsarten noch zulässig.
Völlig undurchsichtig werde aber die Abrechnung von Teilanlagen für das im
wesentlichen selbe Straßenstück nach jeweils unterschiedlichen, sich
überschneidenden Abschnitten; denn dies habe auch noch zur Folge, daß sich der
Kreis der für den einen Abschnitt beitragspflichtigen Anlieger anders
zusammensetzen könne als der des anderen Abschnittes. Um diese offensichtlich
vom Gesetzgeber nicht vorgesehene Unübersichtlichkeit zu vermeiden, müsse §
130 Abs.2 Satz 1 BBauG dahin verstanden werden, daß die Erschließungsanlage
bei Abschnittsbildung nur in solche Abschnitte aufgeteilt werden dürfe, die
bezüglich aller Teilanlagen eine und dieselbe Teilstrecke deckten, so daß sich die
Unübersichtlichkeit in Grenzen halte und von vorn herein eine Verschiedenheit des
Kreises der Beitragspflichtigen für den einen und den anderen Teilanlagen-
Abschnitt ausgeschlossen sei. - Entsprechende Erwägungen gelten im
vorliegenden Fall der Erschließungsbezirksbildung mit der Folge, daß die nach der
ersten Abrechnung im Wege der Kostenspaltung neu hinzugekommenen drei
Erschließungsanlagen mit ihren Gehwegen, Beleuchtungseinrichtungen etc. nicht
mehr in die Einheit einbezogen werden dürfen und als Einzelanlagen abgerechnet
werden müssen (vgl. Brügelmann/Förster, BBauG, § 130, Rdnr.41 am Ende). Denn
durch die nachträgliche Einbeziehung von S Straße, P Straße und B Straße in den
bereits teilweise abgerechneten Erschließungsbezirk B ändert sich nicht nur der
Aufwand der noch abzurechnenden Teileinrichtungen wesentlich, sondern vor
allem auch der Kreis der erschlossenen Grundstücke. Dies widerspricht dem
Zweck des Gesetzes, wonach die Beitragsberechnung für den Bürger von
vornherein erkennbar und durchsichtig sein soll.
Die unzulässige nachträgliche Veränderung der Erschließungseinheit führt jedoch
nicht zur Aufhebung des Heranziehungsbescheides, weil der Kläger durch die
fehlerhafte Beitragsberechnung nicht in seinen Rechten verletzt wird. Denn er
müßte einen höheren Erschließungsbeitrag als 1.259,92 DM entrichten, wenn die
genannten drei Straßen bei der Abrechnung unberücksichtigt bleiben. Das ergibt
sich aus folgenden Berechnungen:
Die Gesamtbaukosten im Erschließungsbezirk B ohne S Straße, P Straße und B
Straße betragen nach der von der Beklagten in der mündlichen Verhandlung
vorgelegten Vergleichsberechnung 1.767.366,81 DM. Davon sind 92.740,93 DM zu
Unrecht berechneter Aufwand für die Herstellung des Buswendeplatzes sowie für
einige Änderungsarbeiten an den Fahrbahnrinnenplatten, Bordsteinen und
Entwässerungsanlagen in Abzug zu bringen, wie die Beklagte selbst einräumt.
Weitere Berechnungsfehler sind nicht ersichtlich und von der Klägerseite auch
nicht vorgetragen. Der Gesamtaufwand beläuft sich demnach auf 1.674.625,88
DM. Von diesen Kosten trägt die Beklagte gemäß § 129 Abs.1 Satz 3 BBauG in
Verbindung mit § 4 Abs.1 EBS in der Fassung der 2. Änderungssatzung vom 2.
November 1983 nur noch einen Anteil von 10 %, denn die Rest-
Erschließungsbeitragspflicht war - wie dargelegt - nicht bereits 1982 - unter der
Geltung der 15%-Regelung -, sondern erst 1986 entstanden. Der umzulegende
Gesamtaufwand beläuft sich demzufolge auf 1.507.163,30 DM. Dieser Betrag
verteilt sich nach den nicht substantiiert angegriffenen, korrigierten Berechnungen
der Beklagten auf eine Gesamtgeschoßfläche von 314.157,96 qm, so daß sich ein
Erschließungsbeitrag von 4,79 DM pro Quadratmeter Geschoßfläche errechnet.
Das klägerseitige Vorbringen, bei der Abrechnung im Jahre 1975 sei der Aufwand
auf eine größere Gesamtgeschoßfläche (365.704,1 qm) verteilt worden, wird von
der Beklagten zwar nicht bestritten, jedoch nachvollziehbar und plausibel damit
erklärt, daß insbesondere durch Bebauungsplanänderungen (vor allem durch
Senkung der Geschoßzahlen) nunmehr eine kleinere Verteilungsfläche zur
Verfügung steht. Soweit von Klägerseite gerügt wird, die Parzelle in der Tstraße sei
mit ihrer Grundstücksfläche von 121 qm zu Unrecht als erschlossen und damit als
beitragspflichtig behandelt worden, ist dies hier ohne Bedeutung. Denn eine -
gegebenenfalls zu Unrecht erfolgte - Inanspruchnahme des betreffenden
Grundstückseigentümers belastet nicht den Kläger. Im Gegenteil hätte dies
(rechtswidriger Weise) zur Folge, daß sich die Gesamtgeschoßfläche erhöht und
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(rechtswidriger Weise) zur Folge, daß sich die Gesamtgeschoßfläche erhöht und
damit der Beitrag pro Quadratmeter Geschoßfläche für alle Beitragspflichtigen
ermäßigt. Nach alledem errechnet sich für das klägerische Grundstück Nr. mit
267,5 qm Geschoßfläche (535 qm Grundstücksfläche x GFZ 0,5) ein
Erschließungsbeitrag von 1.281,32 DM. Dieser Betrag liegt über der Summe des
tatsächlich veranlagten Beitrages in Höhe von 1.259,92 DM.
Wie das Verwaltungsgericht bereits dargelegt hat, scheidet eine Anrechnung der
Kosten für den vom Kläger in Eigenleistung erstellten Bürgersteig als freiwillige
Vorausleistung oder als Aufwendungsersatzanspruch aus. Insoweit kann auf die
zutreffenden Ausführungen im erstinstanzlichen Urteil Bezug genommen werden
(ebenso Senatsurteil vom 3. Dezember 1980 -HSGZ 1981,312 (313) zur
Unzulässigkeit der "Anrechnung" auf Straßenbeitragsforderungen; OVG Saarland,
Urteil vom 7. April 1988 - KStZ 1989,148; Driehaus, Erschließungs- und
Ausbaubeiträge, 3. Aufl. Rdnr.380; Schmidt/Bogner/Steenbock, Handbuch des
Erschließungsrechts, 5.Aufl. Rdnr.163,1277 ff). Ergänzend ist darauf hinzuweisen,
daß dem Kläger auch nicht im Hinblick auf die mündliche Äußerung des damaligen
Bürgermeisters der Beklagten ein derartiges Recht zusteht. Denn der
Bürgermeister hat lediglich zum Ausdruck gebracht, daß durch die in Eigenleistung
erstellten Gehwege der Gemeinde kein Aufwand entstehe und insoweit auf die
Anlieger auch keine Kosten umgelegt werden könnten. Demgemäß hat sich die
Beklagte auch verhalten. Im übrigen war schon die Rechtsvorgängerin der
Beklagten mit einer Bürgersteigherstellung in Eigenleistung generell (vgl. die
ortsrechtlichen Veröffentlichungen) und auch im konkreten Fall (vgl. den
Schriftwechsel zwischen dem Architekten des Klägers und dem Bürgermeister)
nicht einverstanden. Schließlich liegen auch nicht die Voraussetzungen einer
wirksamen Aufrechnung gegen die Erschließungsbeitragsforderung der Beklagten
vor. Denn der Kläger hat bisher weder ausdrücklich schriftlich noch mündlich eine
Aufrechnungserklärung im Sinne des § 388 BGB analog abgegeben. Er hat seine
Gegenforderung überhaupt noch nicht spezifiziert. Insbesondere ist nicht bekannt,
in welcher Höhe sie eigentlich noch bestehen soll, zumal die Beklagte dem Kläger -
ohne Anerkennung einer Rechtspflicht - für Gehwegarbeiten in Eigenleistung
insgesamt 301,24 DM gezahlt hat. Zudem hat die Beklagte das Vorhandensein
einer möglichen Gegenforderung bestritten. Eine Aufrechnung ist aber nur mit
unbestrittenen oder rechtskräftig festgestellten Gegenansprüchen zulässig (§§ 4
Abs.1 Nr.5 a KAG, 226 Abs.3 AO).
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.