Urteil des HessVGH vom 20.10.2008

VGH Kassel: zustellung, bekanntgabe, materielle rechtskraft, die post, kenntnisnahme, verein, einwendung, vergütung, zugang, beweislast

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Gericht:
Hessischer
Verwaltungsgerichtshof
6. Senat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
6 E 2035/08
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 11 Abs 3 S 2 RVG, § 151
VwGO, § 165 VwGO, § 104
Abs 1 S 3 ZPO, § 189 ZPO
(Zustellung eines Kostenfestsetzungsbeschlusses an
Personenmehrheit)
Leitsatz
Festsetzungsbeschlüsse des Verwaltungsgerichts nach § 11 RVG sind bei
Personenmehrheiten für den Fall, dass kein gemeinsamer Bevollmächtigter bestellt
worden ist, an jede Person unter Beifügung einer Ausfertigung und bei juristischen
Personen an eine vertretungsberechtigte natürliche Person zuzustellen.
Ist der Empfang eines Dokuments und / oder der Zeitpunkt der Kenntnisnahme gemäß
§ 189 ZPO streitig, so lässt sich ein entsprechender Beweis gemäß § 286 ZPO führen.
Bleibt ein entsprechendes Beweisangebot seitens eines Beteiligten aus oder lässt sich
nicht aufklären, ob eine Rechtsmittelfrist gewahrt worden ist, so trifft die Beweislast für
die Zustellung der angefochtenen Entscheidung denjenigen, der aus der Zustellung ein
Recht herleitet.
Tenor
Auf die Beschwerde des Antragsgegners werden der Beschluss des
Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main vom 26. August 2008 - Az. 1 O 1921/08.F -
und der Festsetzungsbeschluss vom 14. August 2007 - Az. 1 G 2541/06 -, soweit
er sich auf den Antragsgegner bezieht, aufgehoben und das Verfahren wird zur
Entscheidung über den Antrag der Antragsteller auf Festsetzung der Vergütung an
den Urkundsbeamten der Geschäftsstelle des Verwaltungsgerichts Frankfurt
zurückverwiesen.
Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
Die Kosten des Erinnerungs- und Beschwerdeverfahrens haben die Antragsteller
zu tragen. Gerichtskosten werden für das Beschwerdeverfahren nicht erhoben.
Eine Kostenerstattung findet nicht statt.
Gründe
I.
Der Antragsgegner, ein eingetragener Verein, wendet sich mit der Beschwerde
gegen den im Tenor bezeichneten Beschluss des Verwaltungsgerichts Frankfurt
am Main, mit dem die Erinnerung des Antragsgegners gegen die
Vergütungsfestsetzung zugunsten der Antragsteller zurückgewiesen wurde.
Die Antragsteller vertraten den Antragsgegner und dessen Vorstandsmitglied,
Herrn XY, in mehreren Verfahren aus dem Bereich der
Finanzdienstleistungsaufsicht. Bezogen auf das vorliegende Verfahren lehnte das
Verwaltungsgericht Frankfurt am Main den Antrag auf Gewährung von
einstweiligem Rechtsschutz mit Beschluss vom 7. September 2006 (Az. 1 G
2541/06) ab, die nur für den Verein erhobene Beschwerde wies der erkennende
Senat mit Beschluss vom 1. Februar 2007 (Az. 6 TG 2244/06) zurück.
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Mit Antrag vom 6. Juli 2007 beantragten die Antragsteller bei dem
Verwaltungsgericht die Festsetzung der Kosten gegen ihre Mandanten gemäß § 11
RVG. Zu dem Antrag hörte das Verwaltungsgericht lediglich den Vorstand des
Antragsgegners, Herrn XY, mit einfachem Brief unter Hinweis auf die Möglichkeit
an, Einwendungen bzw. Einreden binnen Wochenfrist vorzubringen, andernfalls ein
Festsetzungsbeschluss ergehen könne. Da keine Äußerung erfolgte, setzte der
Kostenbeamte des Verwaltungsgerichts mit Beschluss vom 14. August 2007
2.184,09 Euro zu zahlende Rechtsanwaltsvergütung gegen den Antragsgegner und
gegen Herrn XY als Gesamtschuldner fest. Die Zustellung des Beschlusses
erfolgte an Herrn XY unter dessen Privatanschrift am 17. August 2007 durch
Niederlegung.
Mit Schreiben vom 13. Juli 2008, am selben Tag bei dem Verwaltungsgericht
eingegangen, erhob der Antragsgegner "Widerspruch" gegen die
Kostenfestsetzung und führte zur Begründung aus, ihm sei das rechtliche Gehör
vor der Entscheidung versagt worden und der Beschluss sei ihm auch nicht
zugestellt worden. Der Vorsitzende Herr XY sei zum Zeitpunkt des Zustellversuchs
in Untersuchungshaft gewesen, so dass die Zustelladresse nicht mehr als solche
gewertet werden könne. Der Verein unterhalte auch keinen eigenen Briefkasten.
Zudem werde Widerspruch gegen die Festsetzung gemäß § 11 Abs. 5 RVG
eingelegt, da die ehemalige Prozessbevollmächtigte im Rahmen der Vertretung
erhebliche Fehler gemacht habe.
Nachdem der Kostenbeamte der Erinnerung am 16. Juli 2008 nicht abgeholfen und
dem Gericht den Vorgang zur Entscheidung vorgelegt hatte, wies das
Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 26. August 2008 die Erinnerung zurück. Zur
Begründung führte es aus, der Antrag auf gerichtliche Entscheidung (Erinnerung)
sei wegen Verfristung unzulässig. Nach §§ 165, 151 VwGO müsse die Erinnerung
binnen einer Frist von zwei Wochen nach Bekanntgabe eingelegt werden. Diese
Frist werde nach § 151 VwGO, der § 56 Abs. 1 VwGO verdränge, durch die
Bekanntgabe in Gang gesetzt, d.h. eine Zustellung des Festsetzungsbeschlusses
sei nicht erforderlich gewesen. Die Bekanntgabe sei aber im Fall des
Antragsgegners in dem Zeitpunkt erfolgt, in dem der vertretungsberechtigte
Vorstand Herr XY Kenntnis erlangt habe. Dieser Zeitpunkt müsse spätestens vier
Wochen nach dessen Haftentlassung als gegeben angesetzt werden. Der
Beschluss wurde dem Antragsgegner durch Niederlegung am 29. August 2008
zugestellt.
Am 12. September 2008 hat der Antragsgegner Beschwerde erhoben. Zur
Begründung trägt er vor, die Erinnerung vom 13. Juli 2008 sei nicht verfristet
gewesen, da entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts die Bekanntgabe des
Festsetzungsbeschlusses nicht ausreiche. Das Rechtsanwaltsvergütungsgesetz
schreibe nämlich ausdrücklich eine Zustellung des Beschlusses vor. Diese sei an
ihn, den Verein, jedoch noch nicht erfolgt. Gleichwohl könne bereits vor der
Zustellung eine Erinnerung eingelegt werden, sobald er - wie im vorliegenden Fall -
existent sei. Des Weiteren sei die Rechtsmittelbelehrung des
Festsetzungsbeschlusses zu beachten, die ebenfalls als maßgeblich das Datum
der Zustellung des Beschlusses bezeichne und nicht von einer Bekanntgabe
ausgehe. Jedenfalls sei die Frist des § 58 Abs. 2 VwGO gewahrt worden.
Der Antragsgegner beantragt,
den zugunsten der Antragsteller ergangenen Kostenfestsetzungsbeschluss
des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main - 1 G 2541/06 (2) - ohne Datum,
ausgefertigt am 15. August 2007, aufzuheben.
Die Antragsteller beantragen,
die Beschwerde zurückzuweisen,
und führen zur Begründung aus, die Zustellung des Beschlusses sei
ordnungsgemäß erfolgt, da an den Vorstandsvorsitzenden Herrn XY durch
Einlegung in dessen zur Wohnung gehörenden Briefkasten zugestellt worden sei.
Der Verein unterhalte nämlich unter der Wohnanschrift des Vorstands einen
Geschäftsraum, setze zumindest jedoch den Anschein für das Vorhandensein
eines solchen Geschäftsraums. An diese Adresse sei zugestellt worden, weshalb
es unbeachtlich sei, dass sich Herr XY zu diesem Zeitpunkt in Haft befunden habe.
Zutreffend sei das Verwaltungsgericht auch davon ausgegangen, dass eine
Bekanntgabe ausreiche. Nach § 11 Abs. 3 RVG seien nur die Vorschriften der
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Bekanntgabe ausreiche. Nach § 11 Abs. 3 RVG seien nur die Vorschriften der
Verwaltungsgerichtsordnung anzuwenden, so dass § 104 Abs. 1 Satz 3 ZPO keine
Anwendung finde. Materiell seien die Einwendungen des Antragsgegners nicht
ausreichend, eine Aufhebung des Festsetzungsbeschluss zu erreichen, denn er
habe nur vorgetragen, aufgrund von Fehlern der (früheren)
Prozessbevollmächtigten seien erhebliche finanzielle Schäden entstanden. Dieser
Vortrag sei zu unspezifiziert, um darin Einwendungen zu erblicken, die außerhalb
des Gebührenrechts liegen.
II.
Die Auslegung des Beschwerdeantrags gemäß §§ 88, 122 Abs. 1 VwGO unter
Berücksichtigung der Begründung der Beschwerde ergibt, dass der Antragsgegner
unter Aufhebung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts vom 26. August 2008
die Aufhebung des ihn betreffenden Festsetzungsbeschlusses vom 14. August
2007 und - letztlich - die Ablehnung des Festsetzungsantrags der Antragsteller
begehrt.
Die gemäß § 146 Abs. 1 VwGO statthafte und auch im Übrigen zulässige
Beschwerde gegen die nach § 11 Abs. 3 Satz 2 RVG i. V. m. §§ 165, 151 VwGO
ergangene Erinnerungsentscheidung des Verwaltungsgerichts ist jedoch nur
insoweit begründet, als der Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 26. August
2008 über die Erinnerung des Antragsgegners und der Festsetzungsbeschluss
vom 14. August 2007 aufzuheben sind. Soweit die Beschwerde über die Aufhebung
der genannten Entscheidungen des Verwaltungsgerichts hinaus auch die
Ablehnung des Antrags der Antragsteller auf Festsetzung der Vergütung nach § 11
RVG angreift, ist die Sache nicht entscheidungsreif und an den Urkundsbeamten
der Geschäftsstelle des Verwaltungsgerichts zurückzuverweisen.
Der Beschluss vom 26. August 2008 - 1 O 1921/08.F - ist rechtswidrig, da er zu
Unrecht die Erinnerung des Antragsgegners als verfristet und damit unzulässig
zurückweist. Mangels ordnungsgemäßer Zustellung des Festsetzungsbeschlusses
an den Antragsgegner begann keine Frist für die Einlegung der Erinnerung zu
laufen.
Die Festsetzung der Gebühren eines Rechtsanwalts geschieht auf Antrag durch
das Gericht des ersten Rechtszugs (§ 11 Abs. 1 RVG), wobei vor der Festsetzung
die Beteiligten gemäß § 11 Abs. 2 Satz 2 RVG zu hören sind. Im Verfahren vor den
Verwaltungsgerichten entscheidet der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle (§ 11
Abs. 3 Satz 1 RVG; vgl. zur Eigenständigkeit des Verfahrens BVerwG, Beschluss
vom 21. Juni 2007 - 4 KSt 1001.07 -, NVwZ-RR 2007, 717). Im Hinblick auf den
Charakter des Vergütungsfestsetzungsverfahrens nach § 11 RVG als eines
vereinfachten - seiner Natur nach zivilrechtlichen - Gebührenprozesses zwischen
der Partei und deren Anwalt greift auch im Vergütungsfestsetzungsverfahren vor
dem Verwaltungsgericht der Verhandlungs- oder Beibringungsgrundsatz ein, nicht
der den Verwaltungsprozess sonst beherrschende Untersuchungsgrundsatz (vgl.
Hess. VGH, Beschluss vom 19. Juli 2007 - 7 TJ 1217/07 -, NJW 2007, 3738). Erhebt
der Antragsgegner Einwendungen oder Einreden, die nicht im Gebührenrecht ihren
Grund haben, so ist die Festsetzung abzulehnen (§ 11 Abs. 5 Satz 1 RVG). Äußert
sich der Antragsgegner jedoch nicht, ist die beantragte Vergütung in einem
Festsetzungsbeschluss - nach Prüfung der Höhe und Schlüssigkeit des geltend
gemachten Anspruchs - festzusetzen. In diesem Fall kommt dem
Festsetzungsbeschluss gemäß § 11 Abs. 2 Satz 2 RVG i.V.m. § 794 Abs. 1 Nr. 2
ZPO die Wirkung eines Vollstreckungstitels zu.
Die Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses an die Beteiligten richtet sich nach
seinem Inhalt, da nur bei Beschwer eine förmliche Bekanntgabe erforderlich ist.
Gibt der Urkundsbeamte dem Antrag ganz oder teilweise statt, ist dem
Antragsgegner der Festsetzungsbeschluss gemäß § 11 Abs. 2 Satz 3 RVG i.V.m. §
104 Abs. 1 Satz 3 ZPO zwingend zuzustellen (vgl. Müller-Rabe, in: Gerold/Schmidt,
RVG Kommentar, 18. Aufl. 2008, § 11 Rdnr. 275; Bischof, in:
Bischof/Jungbauer/Bräuer/Curkovic/Mathias/Uher, RVG, 2. Aufl. 2007, § 11 Rdnr. 36;
Hartmann, Kostengesetze, 38. Aufl. 2008, § 11 RVG Rdnr. 74 bis 76). Zustellung ist
die Bekanntgabe eines Schriftstücks an eine Person in bestimmter Form (§ 166
Abs. 1 ZPO). Bei Beschlüssen ist es erforderlich, dem Betroffenen eine
Ausfertigung, d.h. eine mit einem vom ausfertigenden Amtsträger mit einem
Ausfertigungsvermerk, der zu unterschreiben ist, versehene Abschrift, zu
übermitteln (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 15. Aufl. 2007, § 56 Rdnr. 6). Hierbei ist als
Adressat die natürliche Person, bei juristischen Personen jedoch deren Leiter,
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Adressat die natürliche Person, bei juristischen Personen jedoch deren Leiter,
Vorstand oder sonstige, zur Vertretung berechtigende Person zu benennen (§ 170
Abs. 2 ZPO). Soll eine Zustellung an mehrere Personen erfolgen, so ist für jeden
von ihnen eine eigene, gesonderte Ausfertigung zuzustellen (vgl. Kopp/Schenke,
a.a.O, § 56 Rdnr. 13; OVG Berlin, Urteil vom 12. Juni 1985 - 2 B 129.83 -, NVwZ
1986, 136; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 20. Dezember 1990 - 14 S
1923/88 -, NVwZ-RR 1992, 396). Ob dies etwa im Fall der Zustellung von
Verwaltungsakten an Eheleute ausnahmsweise anders gesehen werden kann (so
VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 20. Dezember 19990, a.a.O.; vgl. auch
BVerwG, Urteil vom 24. Januar 1992 - BVerwG 7 C 38.90 -, NVwZ 1992, 565, und
Hess. VGH, Urteil vom 11. März 1985 - V OE 5/82 -, NVwZ 1986, 137) kann hier
offen bleiben, da hinsichtlich des Objekts der Zustellung eine Vergleichbarkeit mit
gerichtlichen Entscheidungen bereits nicht besteht.
Unbedenklich ist demnach zwar, dass das Verwaltungsgericht die Entscheidung in
einem Beschluss zusammengefasst hat, da Beschlüsse, die sich an mehrere
Personen richten (sollen), aus Zweckmäßigkeitsgründen in einem Abdruck
zusammengefasst werden dürfen (vgl. Hess. VGH, Urteil vom 29. Mai 1985 - 4 UE
3068/84 -, NVwZ 1986, 138). Jedoch ändert eine solche Zusammenfassung nichts
daran, dass der nur äußerlich einheitlich abgefasste Beschluss inhaltlich für jeden
seiner Adressaten einen selbständigen Regelungsinhalt darstellt. Deshalb kann,
jedenfalls wenn eine Bekanntgabe des Beschlusses wie im vorliegenden Fall durch
förmliche Zustellung erforderlich und kein Bevollmächtigter bestellt ist, die
Zustellung wirksam nur in der Weise vollzogen werden, dass jedem Adressaten
eine gesonderte Ausfertigung der zusammengefassten Entscheidung übergeben
wird (vgl. auch § 2 Abs. 1 VwZG und § 41 Abs. 5 VwVfG). Das gilt auch bei der
Zustellung eines Beschlusses an juristische Personen und gleichzeitig deren
gesetzliche Vertreter. In einem solchen Fall ist seitens der Behörde bzw. des
Gerichts sicherzustellen, dass die Zustellung an die tatsächlich gemeinte Person
erfolgt (vgl. Hess. VGH, Urteil vom 29. Mai 1985, a.a.O.; Urteil vom 11. März 1985,
a.a.O; Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 7. Auflage 2008, § 41 Rdnr. 22 und 49), mithin
jeweils eine eigene Zustellung durchgeführt wird.
Demzufolge hätte das Verwaltungsgericht den Festsetzungsbeschluss vom 14.
August 2007 nicht nur an Herrn XY persönlich, sondern ebenso mit einer eigenen
Ausfertigung an den Antragsgegner zustellen müssen. Das Verwaltungsgericht hat
den an beide - damaligen - Antragsgegner gerichteten
Kostenfestsetzungsbeschluss indes nur in einer Ausfertigung mit einem nur an
Herrn XY als Privatperson adressierten und zur Zustellung durch die Post
vorgesehenen Vordruck an die gemeinsame Anschrift gesandt. Damit hat es den
Zustellungserfordernissen nicht genügt. In dieser Verfahrensweise liegt ein
Zustellungsmangel, so dass der Lauf der Frist für die Einlegung der Erinnerung
nach §§ 151, 165 VwGO nicht in Gang gesetzt worden ist.
Der Mangel der Zustellung ist auch nicht rückwirkend als geheilt zu erkennen.
Im vorliegenden Fall ist es bereits zweifelhaft, ob entsprechend § 189 ZPO eine
Heilungswirkung durch tatsächlichen Zugang bzw. Kenntnisnahme anzunehmen
ist, da diese zwar auch für die Fälle des § 170 ZPO für anwendbar erachtet wird
(vgl. Baumbach/Hartmann, ZPO, 66. Aufl. 2008, § 189 Rdnr. 9 "Prozessunfähigkeit
usw.:" m.w.N.), jedoch dabei davon ausgegangen wird, dass eine an den -
korrekten - Adressaten gerichtete Sendung nicht diesem, sondern lediglich dem
Vertreter zugestellt wurde. Dagegen wird als nicht nach § 189 ZPO heilbarer
Mangel gerade der Fehler angesehen, dass das Gericht eine Entscheidung in einer
Sache, an der mehrere Beteiligte vertreten sind, die nicht einen gemeinsamen
Bevollmächtigten bestellt haben, nur einem Beteiligten eine Ausfertigung
zukommen lässt (Meissner, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzer, VwGO, Stand
Feb. 2007, § 56 Rdnr. 74; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 21. September
1983 - 6 S 861/83 -, NVwZ 1984, 249; OVG Berlin, Urteil vom 12. Juni 1985 - 2 B
129.83 -, NVwZ 1986, 136). Voraussetzung für eine Heilung des Zustellmangels ist
daher zumindest, dass das Gericht die Zustellung an den Betroffenen gerichtet
hat oder wenigsten richten wollte (vgl. Baumbach/Hartmann, a.a.O., § 189 Rdnr.
11). Dies ist im vorliegenden Fall nicht erkennbar, denn der Festsetzungsbeschluss
des Verwaltungsgerichts vom 14. August 2007 sollte nach Aktenlage gerade nicht
an den Antragsgegner, sondern ausschließlich an Herrn XY (bezogen auf den
Anspruch gegen ihn insoweit auch korrekt) persönlich zugestellt werden. Ob diese
Zustellung wirksam erfolgte, bedarf mangels Erheblichkeit keiner Klärung, so dass
die Frage, ob trotz einer Inhaftierung des Adressaten eine Zustelladresse noch an
der bisherigen Wohnanschrift besteht, im vorliegenden Verfahren sich nicht stellt.
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Darüber hinaus ist auch bei Kenntniserlangung des Inhalts des zuzustellenden
Schreibens durch die vertretene Person zu beachten, dass ggf. die Erlangung einer
eigenen Ausfertigung der Entscheidung notwendig ist und eine bloße Unterrichtung
oder Übergabe einer Kopie o.ä. nicht ausreicht (vgl. OLG Karlsruhe, Urteil vom 26.
März 2008 - 7 U 152/07 -, juris; Hess. VGH, Urteil vom 6. September 1985 - DH
2465/84 -, NJW 1987, 1903).
Würde indes ungeachtet der Zweifel am Vorliegen der Heilungswirkung eine solche
bezogen auf die fehlende Zustellung des Beschlusses vom 14. August 2007 an
den Antragsgegner selbst angenommen, so könnte auch dann - nicht zuletzt
aufgrund der Untersuchungshaftzeit des Vorsitzenden - nicht festgestellt werden,
zu welchem Zeitpunkt ein Vertretungsberechtigter des Vereins (nicht zwingend
Herr XY) tatsächlich in den Besitz der gerichtlichen Entscheidung gelangt ist und
ab wann die Möglichkeit bestand, von dem Schreiben Kenntnis zu erlangen. Für die
Heilung eines Zustellungsfehlers im Sinne des § 189 ZPO ist nämlich
Voraussetzung, dass der Zeitpunkt des tatsächlichen Zugangs feststeht. Der
tatsächliche Zugang im Sinne des § 189 ZPO setzt voraus, dass das zuzustellende
Schriftstück derart in die Hände des Zustellungsadressaten gelangt ist, dass er es
behalten und von seinem Inhalt Kenntnis nehmen kann (vgl. BFH, Beschluss vom
19. September 2007 - VI B 151/06 -, juris). Die Vorschrift bezieht sich ihrem
eindeutigen Wortlaut nach nur auf Mängel des Zustellungsvorgangs. Sie soll
verhindern, dass die vom Gesetz an die Zustellung eines Schriftstücks geknüpfte
Wirkung an Mängeln des Zustellungsakts scheitert, obwohl feststeht, dass der
Empfangsberechtigte das Schriftstück erhalten hat und damit sachlich so gestellt
ist, als ob die Zustellung in Ordnung wäre (vgl. zu der früheren Vorschrift des § 9
Abs. 2 VwZG OVG Berlin - VI B 48.59 -, DVBl. 1961, 212; zu § 187 Satz 1 ZPO a.F.:
BGH, Urteil vom 10. Juni 1955 - V ZR 72/54 -, BGHZ 17, 348, 352). Ist jedoch der
Empfang des Dokuments und / oder der Zeitpunkt der Kenntnisnahme streitig, so
lässt sich ein entsprechender Beweis gemäß § 286 ZPO führen. Bleibt ein
entsprechendes Beweisangebot seitens eines Beteiligten aus oder lässt sich nicht
aufklären, ob eine Rechtsmittelfrist gewahrt worden ist, so trifft die Beweislast für
die Zustellung der angefochtenen Entscheidung denjenigen, der aus der
Zustellung ein Recht herleitet (vgl. OLG Hamburg, Urteil vom 3. Mai 1979 - 15 UF
235/78 U -, MDR 1979, 851).
Entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts kann im Fall des Fehlens jeder
näheren Kenntnis über Tatsachen oder zumindest dem Vorhandensein von
Anhaltspunkten für eine Kenntnisnahme kein fiktiver Termin bestimmt werden.
Abzustellen ist vielmehr allein auf die von den Beteiligten vorgetragenen und
gegebenenfalls unter Beweis gestellten oder dem Gericht durch sonstige
Erkenntnisquellen bekanntgewordenen Tatsachen. Der Antragsgegner hat
angegeben, ihm sei der Beschluss vom 15. August 2007 erst am 13. Juli 2008
"zugestellt" worden. Dies mag nicht nur von der Wortwahl her unzutreffend,
sondern auch ansonsten - wie das Verwaltungsgericht ausgeführt hat - zweifelhaft
sein. Doch haben die Antragsteller, zu deren Gunsten die Zustellung des
Festsetzungsbeschlusses eine Wirkung erzeugt, einen anderweitigen Sachverhalt
nicht vorgetragen oder unter Beweis gestellt. Auch das Verwaltungsgericht hat in
dem angegriffenen Beschluss keine Umstände benannt, aus denen sich eine vor
dem 13. Juli 2008 erfolgte Kenntnisnahme der Entscheidung durch ein
vertretungsberechtigtes Mitglied des Vorstandes des Vereins schlussfolgern ließe.
Die Feststellung des Verwaltungsgerichts, es sei von einem Zugang beim
Vorsitzenden spätestens vier Wochen nach Haftentlassung auszugehen, beruht
jedenfalls auf keinem konkret benannten Sachverhalt, sondern lediglich auf einer
Annahme. Daraus folgt, dass mangels gegenteiliger Feststellungen eine Heilung,
wenn überhaupt, nur dergestalt angenommen werden kann, dass die Frist für die
Einlegung der Erinnerung für den Antragsgegner am 13. Juli 2007 begann. In
diesem Fall wäre der am selben Tag eingelegte Widerspruch als Rechtsmittel
gemäß §§ 165, 151 VwGO jedenfalls rechtzeitig erfolgt.
Der Urkundsbeamte des Verwaltungsgerichts hätte mithin unter Berücksichtigung
des fristgerechten Rechtsbehelfs im Rahmen des Erinnerungsverfahrens über die
Aufhebung des Beschlusses vom 14. August 2007 auch über die inhaltliche
Rechtmäßigkeit der Festsetzung entscheiden müssen, d.h. ob es sich bei dem
Vorbringen des Antragsgegners um Einreden oder Einwände handelt, die nicht im
Gebührenrecht ihren Grund haben.
Ob ein eine Vergütungsfestsetzung ausschließender Tatbestand des § 11 Abs. 5
Satz 1 RVG nach dem maßgeblichen Vorbringen der Beteiligten gegeben ist, ist
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Satz 1 RVG nach dem maßgeblichen Vorbringen der Beteiligten gegeben ist, ist
bislang indes nicht geprüft worden. Hierbei ist zu beachten, dass für die in § 11
Abs. 5 Satz 1 RVG normierte Ablehnungsvoraussetzung der Erhebung einer
Einwendung, die nicht ihren Grund im Gebührenrecht hat, grundsätzlich die bloße
Berufung des Antragsgegners auf eine solche Einwendung genügt, ohne dass
deren Substantiierung oder gar schlüssige Darlegung erforderlich wäre. Denn das
zu einem Vergütungsfestsetzungsbeschluss als Vollstreckungstitel führende
Vergütungsfestsetzungsverfahren, in dem lediglich geprüft wird, ob eine Gebühr
nach den Vorschriften des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes in der beantragten
Höhe entstanden ist, wird vom Gesetzgeber nur für den Fall zur Verfügung gestellt,
dass nach dem Vortrag des angehörten Antragsgegners andere als
gebührenrechtliche Einwendungen oder Einreden nicht entgegenstehen. Dem
Antragsgegner ist vom Gesetz die Rechtsmacht eingeräumt, durch die bloße
Berufung auf nicht gebührenrechtliche Einwendungen das Erwirken eines Titels im
vereinfachten Vergütungsfestsetzungsverfahren nach § 11 RVG auszuschließen.
Nur aufgrund dieser einfachen Verhinderungsmöglichkeit des Antragsgegners
kann ein Vergütungsfestsetzungsbeschluss - ohne dass ein Konflikt mit dem
rechtsstaatlichen Gebot der Justizgewährleistung auftritt - umfassend in materielle
Rechtskraft erwachsen mit der Folge, dass sowohl gebühren- als auch nicht
gebührenrechtliche Einwendungen, die vor Titelerlass entstanden sind, infolge
Präklusion gemäß § 767 Abs. 2 ZPO auch mit der Vollstreckungsgegenklage nicht
mehr geltend gemacht werden können (vgl. Hess. VGH, Beschluss vom 19. Juli
2007 - 7 TJ 1217/07 -, NJW 2007, 3738; Müller-Rabe, in: Gerold/Schmidt, a.a.O., §
11 Rdnr. 133 - 150, 337, 353).
Zwar wird dann eine Ausnahme angenommen, in der das bloße Erheben einer
nicht gebührenrechtlichen Einwendung nicht genügt, um eine Festsetzung der
Vergütung im vereinfachten Verfahren nach § 11 RVG zu verhindern, wenn die
Geltendmachung der Einwendung offensichtlich haltlos ist, insbesondere ohne
jeden konkreten tatsächlichen Anhaltspunkt für eine nicht gebührenrechtliche
Einwendung erfolgt (vgl. Hess. VGH, Beschluss vom 19. Juli 2007, a.a.O.;
Hartmann, a.a.O, § 11 RVG Rdnr. 50 und 57; OVG Schleswig, Beschluss vom 2. Juni
2006 - 1 O 13/16 -, NJW 2008, 2204). Ob ein solcher Ausnahmefall gegeben ist,
muss zur Wahrung des vollständigen Rechtsschutzes von dem zuständigen
Urkundsbeamten der Geschäftsstelle des Verwaltungsgerichts entschieden
werden. Da dies bislang nicht erfolgt ist, ist die Sache in entsprechender
Anwendung der § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. §§ 538 Abs. 2 Nr. 2, 563, 572 ZPO unter
Aufhebung des Festsetzungsbeschlusses an das Verwaltungsgericht
zurückzuverweisen, damit gemäß § 11 Abs. 1, 2 und 5 RVG über den Antrag der
Antragsteller unter Berücksichtigung des Vorbringens des Antragsgegners
befunden wird (vgl. zur Zulässigkeit der Zurückverweisung im
Beschwerdeverfahren: Hess. VGH, Beschluss vom 7. November 1989 - 5 TH
1841/89 -, NVwZ-RR 1990, 672; Kopp/Schenke, a.a.O., § 146 Rdnr. 43 und § 150
Rdnr. 2). Eines Antrags eines Beteiligten entsprechend § 130 Abs. 2 VwGO bedarf
es im Verfahren nach §§ 165, 151 VwGO nicht.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO.
Außergerichtliche Kosten werden gemäß § 11 Abs. 2 Satz 6, 2. Halbsatz RVG nicht
erstattet. Die Gebührenfreiheit im Rahmen des erfolgreichen
Beschwerdeverfahrens folgt aus KV 5502 der Anlage zu § 3 GKG, wobei aus
Billigkeit - die Zurückweisung der Beschwerde ist von einem eher unerheblichen
Gewicht - von einer teilweisen Ansetzung der Festgebühr abgesehen wird.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.