Urteil des OVG Berlin-Brandenburg vom 11.06.2010

OVG Berlin-Brandenburg: ausbildung, abschlussprüfung, beurteilungsspielraum, link, hauptsache, verwaltungsgerichtsbarkeit, quelle, sammlung, empfehlung, glaubhaftmachung

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Gericht:
Oberverwaltungsgericht
Berlin-Brandenburg 10.
Senat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
OVG 10 S 24.10, OVG
10 M 25.10
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 146 Abs 4 VwGO, § 166
VwGO, § 114 ZPO, § 36 Abs 1
Nr 1 HwO, § 27b Abs 2 HwO
Vorläufige Zulassung zur Gesellenprüfung
Tenor
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Berlin
vom 11. Juni 2010 wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt der Antragsteller. Außergerichtliche Kosten
im Prozesskostenhilfebeschwerdeverfahren werden nicht erstattet.
Der Streitwert wird unter Änderung des erstinstanzlichen Beschlusses für beide
Rechtsstufen auf jeweils 7.500 EUR festgesetzt.
Gründe
1. Soweit sich der Antragsteller gegen die Zurückweisung seines Antrags auf Erlass einer
einstweiligen Anordnung wendet und sinngemäß begehrt,
den Beschluss des Verwaltungsgerichts Berlin vom 11. Juni 2010 zu ändern und
die Antragsgegnerin zu verpflichten, ihn vorläufig zur Abschlussprüfung als Kfz-
Servicemechaniker am 16. Juni 2010 zuzulassen,
ist die Beschwerde nach § 146 Abs. 1, Abs. 4 Sätze 1 bis 3 VwGO zulässig, hat jedoch
keinen Erfolg. Das Beschwerdevorbringen, das nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO allein
Gegenstand der Prüfung des Oberverwaltungsgerichts ist, rechtfertigt eine Änderung des
angefochtenen Beschlusses nicht.
Der Antragsteller wendet sich (nur) gegen die Argumentation des Verwaltungsgerichts,
der Antragsgegnerin habe bei der Entscheidung über die Zulassung zur Prüfung im
Hinblick auf seine Fehlzeiten ein Beurteilungsspielraum zugestanden. Seine Auffassung,
ihm stehe ein Rechtsanspruch auf die begehrte Zulassung zu, vermag jedoch nicht zu
überzeugen.
Rechtsgrundlage für die Zulassung zur Gesellenprüfung - hier zur Abschlussprüfung als
Kfz-Servicemechaniker - ist § 36 Abs. 1 Nr. 1 der Handwerksordnung (HwO). Danach ist
zur Gesellenprüfung zuzulassen, wer (neben der Erfüllung weiterer, hier nicht streitiger
Voraussetzungen) die Ausbildungszeit zurückgelegt hat oder wessen Ausbildungszeit
nicht später als zwei Monate nach dem Prüfungstermin endet. Das Verwaltungsgericht
hat zur Bestimmung der Ausbildungszeit zutreffend - und insoweit vom Antragsteller
auch nicht beanstandet - nicht auf die kalendarisch abgelaufene Zeit, sondern auf die
Zeit abgestellt, in der tatsächlich Ausbildung stattgefunden hat, und daher die
Fehlzeiten des Antragstellers nicht einbezogen. Bei Berücksichtigung nur der vom
Antragsteller tatsächlich aktiv absolvierten Ausbildungszeit ergibt sich jedoch nicht, dass
er die Ausbildungszeit im Sinne des § 36 Abs. 1 Nr. 1 HwO zurückgelegt hat.
Entgegen der Auffassung des Antragstellers ist unter „Ausbildungszeit“ im Sinne des §
36 Abs. 1 Nr. 1 HwO bzw. des gleichlautenden § 43 Abs. 1 Nr. 1 des
Berufsbildungsgesetzes (BBiG) nicht die allgemein nach der Ausbildungsordnung
vorgeschriebene Mindestausbildungszeit von hier zwei Jahren zu verstehen, sondern die
konkret für den jeweiligen Auszubildenden geltende Ausbildungszeit unter
Berücksichtigung etwaiger Verkürzungen oder Verlängerungen nach § 27 b HwO bzw. § 8
BBiG (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 5. Dezember 2007 - 19 B 1523/07,
19 E 974/07 -, GewArch 2008, 167, zitiert nach juris, Rn. 11; Detterbeck, HwO, 4. Aufl.
2008, § 36 Rn. 3; Leinemann/Taubert, BBiG, 2. Aufl. 2008, § 43 Rn. 9; wohl auch
Honig/Knörr, HwO, 4. Aufl. 2008, § 36 Rn. 2). Deshalb ist vorliegend nicht nur die im
Ausbildungsvertrag vom 31. August 2007 in Übereinstimmung mit der
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Ausbildungsvertrag vom 31. August 2007 in Übereinstimmung mit der
Ausbildungsordnung vereinbarte Ausbildungszeit von zwei Jahren, sondern auch die auf
Antrag des Antragstellers im August 2009 erfolgte Verlängerung dieser Zeit um ein Jahr
zu berücksichtigen. Die gegenteilige Auffassung des Antragstellers hätte zur Folge, dass
bei einer aufgrund von Fehlzeiten erfolgten Verlängerung der Ausbildungszeit nicht erst
nach Ablauf der verlängerten Zeit, sondern schon dann ein Anspruch auf Zulassung zur
Abschlussprüfung bestünde, wenn der Auszubildende rein rechnerisch die fehlende Zeit
ausgeglichen hätte. Dieses Ergebnis wäre mit dem Sinn der
Ausbildungszeitverlängerung, die eine planvolle Gestaltung der Ausbildung im
Verlängerungszeitraum voraussetzt mit dem Ziel, auf dieser Grundlage das
Ausbildungsziel zu erreichen, nicht zu vereinbaren. Da der Antragsteller hier „seine“
Ausbildungszeit nicht vollständig im Sinne des § 36 Abs. 1 Nr. 1 HwO zurückgelegt hat,
ist das Verwaltungsgericht zu Recht davon ausgegangen, dass der Antragsgegnerin bei
der Entscheidung über die Zulassung des Antragstellers zur Prüfung und der Würdigung
seiner Fehltage ein Beurteilungsspielraum eröffnet war. Die weitere Argumentation des
Gerichts zur fehlerfreien Ausübung dieses Beurteilungsspielraums hat der Antragsteller
mit der Beschwerde nicht angegriffen.
Soweit der Antragsteller geltend macht, die Nichtzulassung zur Abschlussprüfung mache
ihm einen Abschluss der Ausbildung endgültig unmöglich, weil eine nochmalige
Verlängerung der Ausbildungszeit nicht möglich sei, fehlt es bereits an einer
Glaubhaftmachung dieser Behauptung. Dass der Antragsteller sich erfolglos um eine
nochmalige Verlängerung seiner Ausbildung bemüht hätte, ist nicht ersichtlich. Im
Rahmen eines solchen Verfahrens wäre ggf. zu berücksichtigen, aus welchen Gründen
der Antragsteller bisher seine Ausbildung nicht abschließen konnte und welche Folgen
eine Beendigung der Ausbildung ohne Abschluss für ihn hätte.
2. Die gegen die Versagung von Prozesskostenhilfe gerichtete Beschwerde ist
zurückzuweisen, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung aus den unter 1. dargelegten
Gründen keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 166 VwGO i.V.m. § 114 ZPO).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO, § 127 Abs. 4 ZPO.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 1 GKG,
wobei der Senat sich an der Empfehlung in Nr. II.54.3.3 des Streitwertkatalogs für die
Verwaltungsgerichtsbarkeit (Fassung Juli 2004, NVwZ 2004, 1327) orientiert und im
Hinblick auf die begehrte tatsächliche Vorwegnahme der Hauptsache keine Halbierung
des Betrags vorgenommen hat.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66
Abs. 3 Satz 3 GKG).
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