Urteil des OVG Berlin-Brandenburg vom 08.09.2010

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Gericht:
Oberverwaltungsgericht
Berlin-Brandenburg 1.
Senat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
OVG 1 S 227.10
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 80 Abs 7 S 2 VwGO, § 6 Abs 1
VwVG BE
Änderungsantrag; Untersagung von Sportwetten;
Zwangsgeldfestsetzungsbescheid; Änderung der Rechtslage
durch EuGH-Rechtsprechung
Leitsatz
1. Für die Rechtmäßigkeit von Zwangsmaßnahmen der Verwaltungsvollstreckung kommt es
regelmäßig nur auf die Vollziehbarkeit des Grundverwaltungsakts an.
2. Die Entscheidungen des EuGH vom 8. September 2010 zum sog. Glücksspielmonopol
führen nicht zu einer Änderung der Rechtslage zugunsten des Betroffenen einer
Zwangsgeldfestsetzung, die Folge eines Verstoßes gegen eine vollziehbare Untersagung der
Sportwettvermittlung ist.
Tenor
Der Antrag auf Änderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts Berlin vom 24. April
2010 – VG 35 L 119.09 -, geändert durch Beschluss des Oberverwaltungsgerichts Berlin-
Brandenburg vom 7. Juli 2010 – OVG 1 S 81.10 - und Anordnung der aufschiebenden
Wirkung seiner Klage OVG 1 B 74.10/VG 35 K 168.09 gegen den Bescheid des
Landesamtes für Bürger- und Ordnungsangelegenheiten vom 12. März 2009 in der
Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. März 2009 wird abgelehnt.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
Der Wert des Verfahrensgegenstandes wird auf 6.250 Euro festgesetzt.
Gründe
Der Antrag nach § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO, über den der Senat als Gericht der
Hauptsache zu entscheiden hat, nachdem der Antragsgegner gegen das stattgebende
Urteil vom 22. Juli 2010 Berufung eingelegt hat, hat keinen Erfolg.
Der Antragsteller begehrt die Änderung der vorliegenden Entscheidung über den
vorläufigen Rechtsschutz seiner Klage gegen einen Zwangsgeldfestsetzungsbescheid,
mit dem gegen ihn ein Zwangsgeld in Höhe von 25.000 Euro festgesetzt wurde, weil
behördlicherseits festgestellt wurde, dass er entgegen der ihm gegenüber erlassenen,
für sofort vollziehbar erklärten Unterlassungsverfügung vom 5. November 2007 am 8.
Januar 2009 weiterhin Sportwetten an einen in Gibraltar ansässigen Internetveranstalter
vermittelte. Er beruft sich insoweit auf die Entscheidungen des Gerichtshofs der
Europäischen Union vom 8. September 2010, die nach der zu Lasten des Antragstellers
ausgefallenen Beschwerdeentscheidung des Senats im vorläufigen
Rechtsschutzverfahren ergangen seien und die Rechtslage insoweit veränderten, als
danach das staatliche Veranstaltungsmonopol für Lotterien und Sportwetten eine
Beschränkung der Dienstleistungs- und Niederlassungsfreiheit darstellte, die das damit
verfolgte Ziel der Bekämpfung der mit dem Glücksspiel verbundenen Gefahren nicht in
kohärenter und systematischer Weise verfolgten (verb. Rs. C-316/07 u.a - Stoß u.a.; Rs.
C-46/08 - Carmen Media; Rs. C-409/06 - Winner Wetten; sämtlich veröffentlicht in juris).
Es kann offen bleiben, ob Entscheidungen des Gerichtshofs der Europäischen Union in
Vorlageverfahren, mit denen das Unionsrecht verbindlich interpretiert wird, eine
Änderung der Rechtslage bewirken und zur Antragstellung gemäß § 80 Abs. 7 Satz 2
VwGO berechtigen. Es ist nämlich in der Sache voraussichtlich keine Änderung der
Rechtslage zugunsten des Antragstellers festzustellen. Selbst wenn man unterstellte,
dass die Bestimmungen des Glücksspielstaatsvertrages zum staatlichen Monopol auf
die Veranstaltung von Lotterien und Sportwetten infolge des Anwendungsvorrangs des
Unionsrechts unangewendet bleiben müssten, heißt dies nicht, dass deshalb die
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Unionsrechts unangewendet bleiben müssten, heißt dies nicht, dass deshalb die
Untersagungsverfügung gegen den Antragsteller ohne Ermächtigungsgrundlage wäre.
Der Erlaubnisvorbehalt in § 4 Abs. 1 GlüStV ist mit dem Veranstaltungsmonopol nach §
10 Abs. 2 GlüStV nicht in der Weise verschränkt, dass er mit dessen Wegfall
gleichermaßen wegfiele. Gleiches gilt für die zur Erreichung der Ziele des § 1 GlüStV
geregelte allgemeine Ausgestaltung der Glücksspiele und insbesondere der Sportwetten
in § 21 GlüStV, die einer Erlaubnisfähigkeit der Betätigung des Antragstellers
entgegenstehen dürfte, weil die von ihm ohne entsprechende Erlaubnis vermittelten
Wetten im Internet veranstaltet werden (ständige Senatsrechtsprechung, vgl. Beschluss
vom 26. Oktober 2010 – OVG 1 S 154.10 – juris). Es ist aber überdies fraglich, ob sich die
Voraussetzungen einer nicht gerechtfertigten Beschränkung der europäischen
Grundfreiheiten in der Berufungsinstanz feststellen lassen werden, sollte es darauf
ankommen (vgl. zur summarischen Bewertung insoweit ausführlich: OVG NW, Beschluss
vom 15. November 2010 – 4 B 733/10 – juris).
Schließlich – und das ist entscheidend – kommt es für die Rechtmäßigkeit des
Zwangsgeldfestsetzungsbescheides nicht auf die Rechtmäßigkeit des
Untersagungsbescheides an; die Festsetzung eines ordnungsgemäß angedrohten
Zwangsgeldes kann erfolgen, wenn der Grundverwaltungsakt unanfechtbar ist, sein
sofortiger Vollzug angeordnet oder wenn dem Rechtsmittel keine aufschiebende Wirkung
beigelegt ist (§ 6 Abs. 1 VwVG i.V.m. § 5 a VwVfG Bln). Insofern bleiben die
Entscheidungen des EuGH ohne Auswirkung für den vorliegenden Fall. Dass nämlich die
genannte Voraussetzung der Vollziehbarkeit der Untersagungsverfügung im Zeitpunkt
der Feststellung des Verstoßes am 8. Januar 2009 gegeben war, hat der Senat bereits in
seinem Beschluss vom 7. Juli 2010 ausführlich dargestellt. Insoweit ist keine Änderung
der Rechtslage festzustellen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Festsetzung des
Verfahrenswerts folgt aus § 53 Abs. 2 Nr. 2 i.V.m. § 52 Abs. 1 GKG, wobei der Senat in
ständiger Praxis in Verfahren, die die Vollziehung einer öffentlich-rechtlichen
Geldforderung zum Gegenstand haben, ein Viertel des in der Hauptsache streitigen
Betrages zugrundelegt.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).
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