Urteil des OVG Berlin-Brandenburg vom 24.12.2003

OVG Berlin-Brandenburg: aufnahme einer erwerbstätigkeit, verfügung, eigene mittel, aufenthaltserlaubnis, freibetrag, einreise, wohnung, härte, emrk, lebensgemeinschaft

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Gericht:
Oberverwaltungsgericht
Berlin-Brandenburg 12.
Senat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
OVG 12 B 16.07
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 2 Abs 3 AufenthG, § 5 Abs 1
Nr 1 AufenthG, § 32 Abs 3
AufenthG, § 32 Abs 4 AufenthG,
§ 11 SGB 2
Leitsatz
1. Die Berechnung des zur Sicherung des Lebensunterhalts eines erwerbsfähigen Ausländers
notwendigen Einkommens im Sinne von §§ 5 Abs. 1 Nr. 1, 2 Abs. 3 AufenthG ist an den
einschlägigen Vorschriften des Sozialgesetzbuches Zweites Buch (SGB II) vom 24. Dezember
2003 (BGBl. I S. 2954) in der jeweils geltenden Fassung auszurichten.
2. Im Falle der Erwerbstätigkeit eines Ausländers sind bei der Ermittlung des zur Erfüllung der
Regelerteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 1 Nr. 1 in Verbindung mit § 2 Abs. 3 AufenthG
erforderlichen Einkommens sämtliche in § 11 Abs. 2 SGB II angeführten Beträge abzusetzen.
Dies gilt auch für den Freibetrag nach § 11 Abs. 2 Nr. 6 in Verbindung mit § 30 SGB II.
Tenor
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen
Kosten des Beigeladenen, die dieser selbst trägt.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die
Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des beizutreibenden Betrages
abwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die im Mai 1990 geborene Klägerin ist türkische Staatsangehörige und begehrt die
Erteilung eines Visums zum Zwecke des Familiennachzuges zu ihrer im Bundesgebiet
lebenden Mutter.
Die Ehe der Eltern wurde 1994 geschieden, das alleinige Sorgerecht für die Klägerin
erhielt ihre Mutter. Diese reiste im September 1998 zur Familienzusammenführung mit
ihrem zweiten Ehemann, von dem sie inzwischen geschieden ist, in die Bundesrepublik
Deutschland ein. Seit September 2004 verfügt sie über eine unbefristete
Aufenthaltserlaubnis.
Die Klägerin, die bereits in den Jahren 2000, 2002 und 2003 erfolglos Anträge auf
Erteilung eines Visums zum Nachzug zu ihrer in Berlin lebenden Mutter gestellt hatte,
beantragte im Mai 2005 erneut ein Visum zum Kindernachzug. Ihre Mutter legte
zunächst einen Mietvertrag vom 13. April 2005 für eine Wohnung in der Sonnenallee
218, später einen Mietvertrag vom 1. August 2005 für eine Zwei-Zimmer-Wohnung in
der Sonnenallee 216 sowie Verdienstbescheinigungen für die Monate April bis Juni 2005
und Oktober 2005 vor. Der Beigeladene bezweifelte die behaupteten Wohnverhältnisse,
die Mietzahlungen sowie die Lohnzahlungen des Arbeitgebers und verweigerte die
Zustimmung zur Visumserteilung. Daraufhin lehnte die Beklagte den Visumsantrag mit
Bescheid vom 28. Dezember 2005 ab.
Das Verwaltungsgericht Berlin hat die hiergegen gerichtete Klage mit Urteil vom 1. Juni
2006 abgewiesen, da die allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen für einen
Aufenthaltstitel nach dem Aufenthaltsgesetz nicht erfüllt seien. Es fehle insbesondere an
der nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG erforderlichen Sicherung des Lebensunterhalts. Dem
nach den §§ 20 Abs. 1, 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II ermittelten Unterhaltsbedarf für die
Klägerin und ihre Mutter in Höhe von 986,00 Euro stünden nicht in ausreichendem Maße
eigene Mittel der beiden gegenüber. Ausgehend von dem Nettolohn der Mutter und bei
Berücksichtigung des nach der Einreise der Klägerin zu gewährenden Kindergeldes sowie
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Berücksichtigung des nach der Einreise der Klägerin zu gewährenden Kindergeldes sowie
nach Abzug der in den §§ 11 Abs. 2 Satz 2, 30 SGB II genannten Grundfreibeträge
betrage das anrechnungsfähige Einkommen der nach Einreise der Klägerin zweiköpfigen
Familie nur 767,00 Euro. Ein Ausnahmefall von § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG, der die
Erteilung des Visums entgegen der Regel rechtfertige, liege nicht vor. Die Mutter der
Klägerin sei erwerbsfähig und an einer Erwerbstätigkeit etwa auf Grund kleiner oder
pflegebedürftiger Kinder nicht gehindert. Sie könne die familiäre Lebensgemeinschaft
mit ihrer inzwischen 16 Jahre alten Tochter auch im gemeinsamen Heimatland herstellen
und wahren.
Das Verwaltungsgericht hat die Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung der Frage,
ob bei der Berechnung des zur Verfügung stehenden Einkommens nach §§ 5 Abs. 1 Nr.
1, 2 Abs. 3 AufenthG der Freibetrag gemäß §§ 11 Abs. 2 Satz 2 Nr. 6, 30 Satz 2 Nr. 1
und 2 SGB II abzusetzen sei, zugelassen.
Mit der Berufung verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter und macht zur Begründung
geltend, sie habe einen Rechtsanspruch auf Erteilung eines Aufenthaltstitels in Form des
Visums zum Zwecke der Familienzusammenführung gemäß §§ 27, 29, 32 Abs. 3
AufenthG in Verbindung mit Artikel 6 GG. Entgegen den Ausführungen des
Verwaltungsgerichts verfüge ihre Mutter über ausreichendes Einkommen, um den
Lebensunterhalt ohne die Inanspruchnahme von Sozialhilfe zu sichern. Die ihr zur
Verfügung stehenden Mittel aus dem zu erwartenden Kindergeld in Höhe von 154,00
Euro und dem monatlichen Nettoeinkommen aus Erwerbstätigkeit in Höhe von 859,00
Euro überstiegen den zu ermittelnden Unterhaltsbedarf zur Sicherung des
Existenzminimums nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch um 27,00 Euro. Nach der
zutreffenden Rechtsprechung der 25. Kammer des Verwaltungsgerichts Berlin sowie des
Hessischen Verwaltungsgerichtshofes seien bei der Berechnung des zur Verfügung
stehenden Einkommens keine Freibeträge gemäß §§ 11 Abs. 2 Satz 2 Nr. 6, 30 SGB II
abzusetzen. Die gegenteilige Auffassung des Verwaltungsgerichts würde zu einer ganz
erheblichen, vom Gesetzgeber nicht gewollten Beschränkung der
Familiennachzugsmöglichkeiten führen. Die Absetzung der Freibeträge stelle ein
arbeitsrechtliches Instrumentarium dar, welches nicht zum Nachteil des erwerbstätigen
Ausländers im ausländerrechtlichen Verfahren missbraucht werden könne. Die
Absetzung der Freibeträge erfolge rein fiktiv ohne Bezug zum tatsächlichen
Lebenssachverhalt, da bei ihrer Mutter weder Versicherungsbeiträge noch Fahrtkosten
anfielen. Die nochmals bei dem Arbeitslosengeld II anzusetzende
Werbungskostenpauschale werde bereits steuerlich im Rahmen der anzurechnenden
Werbungspauschale bei der Einkommenssteuerberechnung berücksichtigt. Weiterhin sei
zu bedenken, dass im Rahmen der Haushaltskonsolidierungsgesetze die Senkung bzw.
Abschaffung der Freibeträge beabsichtigt sei. In diesem Falle würde dann nach der
Berechnung des Verwaltungsgerichts das tatsächliche Einkommen ihrer Mutter zur
Sicherung des Lebensunterhalts wieder ausreichen. Die Bedarfsberechnung nach § 5
AufenthG habe sich somit nicht an der öffentlichen Haushaltslage, sondern an dem in §§
19, 20 SGB II zugrunde gelegten Existenzminimum zu orientieren.
Ferner lägen die Voraussetzungen für die Familienzusammenführung nach § 32 Abs. 4
AufenthG vor, da eine weitere Trennung von ihrer Mutter nicht hinzunehmen sei. Die
Erteilung eines Visums zur Familienzusammenführung sei im Interesse des Kindeswohls
zur Vermeidung einer besonderen Härte gemäß § 32 Abs. 4 AufenthG geboten. Hierbei
sei insbesondere zu berücksichtigen, dass sie seit fast sechs Jahren von ihrer Mutter
getrennt lebe. Auf Grund des traditionellen Rollenverständnisses in der moslemischen
Gesellschaft sei es ihr nicht möglich, in Zukunft ein eigenständiges Leben zu führen. Sie
sei gerade als fast volljährige Frau auf die Unterstützung und den Schutz ihrer Mutter
angewiesen. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts sei es ihrer Mutter, die
über eine Niederlassungserlaubnis verfüge, nicht zuzumuten, unter Aufgabe ihrer
Existenz in Deutschland in die Türkei zurückzukehren, um in familiärer
Lebensgemeinschaft mit ihr zu leben. Ihrer Mutter wäre es in der Türkei als
alleinstehender geschiedener Frau unmöglich, eine Arbeitsstelle zu finden und den
Lebensunterhalt für beide zu sichern. Von den Voraussetzungen des § 5 AufenthG
könnte demnach abgesehen werden.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 1. Juni 2006 zu ändern und die
Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 28. Dezember 2005 zu verpflichten, ihr
einen Aufenthaltstitel in Form des Visums zum Zwecke der Familienzusammenführung
zu erteilen.
Die Beklagte beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
Sie vertritt die Ansicht, der Freibetrag nach §§ 11 Abs. 1 Nr. 6, 30 SGB II sei bei der
Einkommensberechnung zu berücksichtigen und beruft sich zur Begründung auf das
Urteil der 4. Kammer des Verwaltungsgerichts Berlin vom 28. März 2006 - VG 4 V 56.05 -
und die darin enthaltenen Ausführungen, denen sie sich voll inhaltlich anschließt.
Ergänzend macht sie geltend, es sei nicht vertretbar, einerseits Ausländern die
Übersiedlung in das Bundesgebiet zu ermöglichen, wenn schon vor Einreise ein künftiger
Anspruch auf ergänzende Sozialleistungen erkennbar sei, ihnen aber andererseits
später die Erteilung oder Verlängerung einer Aufenthaltserlaubnis zu verweigern, wenn
bei unveränderter Sachlage nach Einreise tatsächlich Sozialleistungen in Anspruch
genommen würden. Eine spätere Geltendmachung von Ausweisungsgründen unter
Berufung auf das zu wahrende öffentliche Interesse wäre daher rechtlich nicht haltbar.
Auf eine künftige Senkung oder Abschaffung der Freibeträge nach einer
Gesetzesänderung komme es nicht an, da auf die derzeit geltende Rechtslage
abzustellen sei. Ebenso wenig könne die Tatsache, dass Werbungskosten auch bei der
Einkommenssteuerberechnung berücksichtigt würden, als Einwand dagegen
herangezogen werden, dass bei der Einkommensberechnung von Erwerbstätigen nach §
11 Abs. 1 Nr. 5 SGB II ein Werbungskostenfreibetrag in Abzug gebracht werde, da es sich
dabei um völlig verschiedene Sachbezüge handele. § 32 Abs. 4 AufenthG könne nur
dann zur Anwendung kommen, wenn keine der Anspruchsgrundlagen von § 32 Abs. 1 bis
3 AufenthG in Betracht komme. Dies sei hier jedoch nicht der Fall, da § 32 Abs. 3
AufenthG einschlägig sei. Allein die Tatsache, dass die Klägerin nach Ablehnung des
Visums weiterhin von ihrer Mutter räumlich getrennt lebe, stelle noch keinen
außergewöhnlichen Umstand dar, der ein Absehen von § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG
rechtfertigen würde.
Der Beigeladene schließt sich ohne eigenen Antrag den Ausführungen der Beklagten an.
Die Klägerin hat im Berufungsverfahren Einkommensbescheinigungen ihrer Mutter für
die Monate November und Dezember 2006 sowie Januar bis März 2007 eingereicht.
Weiterhin hat sie einen Anstellungsvertrag für geringfügig Beschäftigte vom 1. Oktober
2006 über eine Tätigkeit als Reinigungskraft sowie diesbezügliche
Einkommensnachweise für die Monate Oktober 2006 bis März 2007 vorgelegt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Streitakte und
sowie die von der Beklagten und dem Beigeladenen eingereichten Verwaltungsvorgänge
Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung der Klägerin ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat die
Klage zu Recht abgewiesen, denn die Klägerin hat keinen Anspruch auf Erteilung des
begehrten Visums (§ 113 Abs. 5 VwGO).
I. Zwar liegen die in § 32 Abs. 3 2. Alt. des Gesetzes über den Aufenthalt, die
Erwerbstätigkeit und die Integration von Ausländern im Bundesgebiet (Aufenthaltsgesetz
- AufenthG -) vom 30. Juli 2004 (BGBl. I S. 1950), zuletzt geändert durch Art. 2 des
Gesetzes zur Anpassung von Rechtsvorschriften des Bundes infolge des Beitritts der
Republik Bulgariens und Rumäniens zur Europäischen Union vom 7. Dezember 2006
(BGBl. I S. 2814) in Verbindung mit der Bekanntmachung vom 26. Januar 2007 (BGBl. II
S. 127), für den Nachzug der Klägerin zu ihrer Mutter genannten Voraussetzungen vor;
danach ist dem minderjährigen ledigen Kind eines Ausländers, welches das 16.
Lebensjahr noch nicht vollendet hat, eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, wenn der
allein personensorgeberechtigte Elternteil eine Aufenthalts- oder
Niederlassungserlaubnis besitzt. Die Mutter der Klägerin ist Inhaberin des alleinigen
Sorgerechts und verfügt seit September 2004 über eine unbefristete
Aufenthaltserlaubnis, die seit dem 1. Januar 2005 als Niederlassungserlaubnis fort gilt (§
33 Abs. 3 AufenthG i.V.m. § 101 Abs. 1 Satz 1 AufenthG). Die Klägerin erfüllt auch die
altersmäßige Voraussetzung, obwohl sie inzwischen fast 17 Jahre alt ist, weil sie zum
Zeitpunkt der Beantragung des streitgegenständlichen Visums das 16. Lebensjahr noch
nicht vollendet hatte (vgl. dazu u.a. BVerwG, Urteil vom 18. November 1997, InfAuslR
1998, 161).
Es fehlt jedoch an der nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 in Verbindung mit § 2 Abs. 3 Satz 1
AufenthG erforderlichen Sicherung des Lebensunterhalts zum Zeitpunkt der Vollendung
des 16. Lebensjahres der Klägerin im Mai 2006.
Zwar ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts bei
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Zwar ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts bei
Verpflichtungsklagen auf Erteilung einer Aufenthaltsgenehmigung grundsätzlich insoweit
auf die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in der
Tatsacheninstanz abzustellen, als es um die Frage geht, ob schon aus Rechtsgründen
eine Erlaubnis erteilt oder versagt werden muss (vgl. u.a. Urteil vom 16. Juni 2004,
InfAuslR 2004, 427). Daher kann die auf Erteilung eines Visums gerichtete
Verpflichtungsklage nur Erfolg haben, wenn die allgemeinen Voraussetzungen des
Familiennachzugs (§ 29 AufenthG) wie auch die sonstigen
Regelerteilungsvoraussetzungen (§ 5 AufenthG) zu diesem Zeitpunkt gegeben sind. In
der Rechtsprechung ist jedoch weiter geklärt, dass - wie bereits ausgeführt wurde - für
die Einhaltung der in § 32 Abs. 3 AufenthG festgelegten Altersgrenze der Zeitpunkt der
Antragstellung maßgeblich ist, weil anderenfalls der damit verfolgte Zweck, Kindern
unter 16 Jahren die Herstellung der Familieneinheit im Bundesgebiet zu ermöglichen,
vielfach aufgrund Zeitablaufs entfiele. Im Hinblick auf diese gesetzliche Zielsetzung
müssen die für die Erteilung der Erlaubnis erforderlichen weiteren tatbestandlichen
Voraussetzungen (§§ 29, 5 AufenthG) mithin nicht nur zum Zeitpunkt der gerichtlichen
Entscheidung, sondern bereits bei Vollendung des 16. Lebensjahres gegeben sein (vgl.
OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 18. August 2005 - OVG 7 B 24.05 -, juris; BVerwG,
Urteil vom 18. November 1997, a.a.O., zu § 20 Abs. 3 Satz 1 AuslG; Urteil vom 30. April
1998, NVwZ-RR 1998, 677, zu § 23 Abs. 1 Nr. 2 AuslG).
Die Familie hätte deshalb jedenfalls zum auch maßgeblichen Zeitpunkt im Mai 2006
nicht über eine ausreichende wirtschaftliche Existenzgrundlage verfügt.
§ 2 Abs. 3 Satz 1 AufenthG bestimmt, dass der Lebensunterhalt eines Ausländers
gesichert ist, wenn er ihn einschließlich ausreichenden Krankenversicherungsschutzes
ohne Inanspruchnahme öffentlicher Mittel bestreiten kann. Die Feststellung dieser
Voraussetzung erfordert einen Vergleich des voraussichtlichen Unterhaltsbedarfs mit
dem tatsächlich zur Verfügung stehenden Einkommen (vgl. OVG Berlin-Brandenburg,
Urteil vom 18. August 2005, a.a.O.).
1. Der Unterhaltsbedarf setzt sich aus der Summe der auf die Familie entfallenden
Regelsätze nach §§ 20, 28 des Sozialgesetzbuches Zweites Buch - Grundsicherung für
Arbeitssuchende - (SGB II) vom 24. Dezember 2003 (BGBl. I S. 2954) in der Fassung
vom 30. Juli 2004 (BGBl. I S. 2014), den Kosten für die Unterkunft (§ 22 SGB II in der
Fassung vom 24. März 2006 ) und den Beiträgen zur Kranken- und
Pflegeversicherung (§ 26 SGB II in der Fassung vom 21. März 2005 )
zusammen. Letztere sind hier nicht anzusetzen, da sie von der Mutter der Klägerin nicht
nach der Auszahlung des Lohns abgeführt werden müssen, sondern ausweislich der
vorgelegten Gehaltsnachweise bereits durch den Arbeitgeber vom Lohn abgezogen
werden.
Danach ergibt sich ein Unterhaltsbedarf in Höhe von 986,00 Euro, wobei es auf die
Frage, ob die angemessenen oder die tatsächlichen Unterkunftskosten in den Bedarf
einzustellen sind (vgl. § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II a.F.) hier nicht ankommt. Nach den seit
dem 1. April 2006 in Berlin geltenden Ausführungsvorschriften zur Ermittlung
angemessener Kosten der Wohnung gemäß § 22 SGB II (vgl. Nr. 4 Abs. 2) beträgt der
Richtwert für eine angemessene Brutto-Warmmiete bei einem 2-Personen-Haushalt
444,00 Euro, und liegt damit über der von der Mutter der Klägerin tatsächlich
aufzubringenden Miete.
Im Einzelnen berechnet sich der Unterhaltsbedarf wie folgt:
2. Dem so ermittelten Unterhaltsbedarf stand im Mai 2006 kein gesichertes Einkommen
der Mutter der Klägerin gegenüber. Dabei kann offen bleiben, ob die vom Beigeladenen
im Verwaltungsverfahren geäußerten Zweifel an den behaupteten Wohnverhältnissen,
den Mietzahlungen sowie den Lohnzahlungen des Arbeitgebers begründet sind. Selbst
wenn man die in den eingereichten Unterlagen enthaltenen Angaben zugunsten der
Klägerin als richtig unterstellt und auch entsprechende tatsächliche Zahlungen
annimmt, deckt das berücksichtigungsfähige Einkommen nicht den Mindestbedarf.
a) Für die Berechnung des zur Verfügung stehenden Einkommens ist ebenfalls das
Sozialgesetzbuch Zweites Buch maßgebend, das in § 11 Abs. 1 SGB II bestimmt,
welches Einkommen bei der Prüfung der Hilfebedürftigkeit im Sinne von § 9 Abs. 1 Nr. 2
SGB II zu berücksichtigen ist. Von den danach ermittelten Einnahmen sind sämtliche in §
11 Abs. 2 SGB II genannten Posten abzusetzen.
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aa) Dies gilt auch für den Erwerbstätigenfreibetrag nach § 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 6 in
Verbindung mit § 30 SGB II (in der Fassung vom 14. August 2005 ; vgl.
VG Berlin, Urteil vom 28. März 2006 - VG 4 V 56.05 -, juris; Urteil vom 1. Juni 2006 - VG 2
V 5.06 -, juris; a.A.: Funke-Kaiser in: GK-AufenthG, Stand: Februar 2007, § 2 Rn. 43.2, 46;
Hessischer VGH, Beschluss vom 14. März 2006 - 9 TG 512/06 -, juris; OVG Lüneburg,
Beschluss vom 29. November 2006 - 11 LB 127/06 -, juris; VG Lüneburg, Urteil vom 18.
Januar 2007 - 6 A 353/05 -, juris; VG Berlin, Urteil vom 23. September 2005 - VG 25 A
329.02 -, juris; vermittelnd: VG Berlin, Gerichtsbescheid vom 27. Januar 2007 - VG 37 V
12.03 -; offen gelassen vom OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 18. August 2005,
a.a.O.).
Der Freibetrag stellt eine sozialleistungsrechtliche Privilegierung Erwerbstätiger dar, da
durch die eingeräumte Abzugsmöglichkeit trotz eines tatsächlich zur Verfügung
stehenden höheren Einkommens noch ein (ergänzender) Anspruch auf Sozialleistungen
besteht. Damit soll ein finanzieller Anreiz zur Aufnahme bzw. Beibehaltung einer
bestehenden Erwerbstätigkeit entsprechend dem Grundsatz geschaffen werden, dass
derjenige, der arbeitet, mehr Geld zur Verfügung haben soll als derjenige, der trotz
Erwerbsfähigkeit nicht arbeitet (vgl. Zeitler in: Mergler/Zink, Handbuch der
Grundsicherung und Sozialhilfe, Teil I: SGB II, Stand: Januar 2007, § 11 Rn. 83, § 30 Rn.
2). Es handelt sich mithin um eine fiktive Einkommensminderung, um den genannten
arbeitsmarkt- und sozialpolitischen Zweck zu erreichen.
Diese Zielrichtung steht einer Berücksichtigung der Freibetragsregelung bei der
Berechnung des zur Sicherung des Lebensunterhalts zur Verfügung stehenden
Einkommens im Rahmen von §§ 5 Abs. 1 Nr. 1, 2 Abs. 3 AufenthG nicht entgegen,
obwohl dadurch die Anforderungen, die zur Erlangung eines Aufenthaltstitels zu erfüllen
sind, für erwerbstätige Ausländer erheblich verschärft werden. § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG
beinhaltet mit der Lebensunterhaltssicherung die wichtigste Voraussetzung, um die
Inanspruchnahme öffentlicher Mittel zu verhindern (vgl. Begründung zum Entwurf des
Zuwanderungsgesetzes BT-Drs. 15/420, S. 70, zu § 5 Abs. 1 Nr. 1). Das damit verfolgte
legitime gesetzgeberische Interesse, keine weiteren bzw. neuen Belastungen für die
öffentlichen Haushalte zu schaffen, gebietet, den Lebensunterhalt bereits dann als nicht
gesichert anzusehen, wenn der Ausländer einen Anspruch auf öffentliche, nicht auf
eigenen Beiträgen beruhende Leistungen hat und zwar unabhängig davon, ob er diese
tatsächlich in Anspruch nimmt. Nur durch die Berücksichtigung auch eines zunächst
lediglich rechnerisch bestehenden Anspruches auf Leistungen nach dem
Sozialgesetzbuch Zweites Buch wird der Zweck der Regelerteilungsvoraussetzung des §
5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG, die Inanspruchnahme öffentlicher Mittel zu verhindern,
gewährleistet. Die dabei zu treffende prognostische Entscheidung hinsichtlich der
Sicherung des Lebensunterhalts an der Prüfung auszurichten, ob ein Anspruch auf
Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch gegeben wäre, entspricht dem
Wortlaut von § 2 Abs. 3 AufenthG. Diese Norm enthält keine Einschränkung, sondern
spricht allgemein vom Bestreiten des Lebensunterhalts „ohne Inanspruchnahme
öffentlicher Mittel“.
Auch beseitigt die lediglich fiktive Minderung der tatsächlich verfügbaren Eigenmittel um
den nach § 30 SGB II zugebilligten Freibetrag nicht die Hilfebedürftigkeit des Betroffenen
im Sinne des Gesetzes. Gemäß § 7 Abs. 1 SGB II erhalten Leistungen nach diesem Buch
nur Personen, die nach der Einschätzung des Gesetzgebers öffentliche Leistungen
benötigen, um ihren Lebensunterhalt im Bundesgebiet bestreiten zu können, d.h. sie
können im Sinne von § 2 Abs. 3 Satz 1 AufenthG ihren Lebensunterhalt gerade nicht
ohne Inanspruchnahme öffentlicher Mittel bestreiten (vgl. in diesem Sinne auch Weisung
des Beigeladenen in der Fassung vom 27. März 2007). Darüber hinaus handelt es sich
bei den die Hilfebedürftigkeit regelnden Normen (§§ 9 ff. SGB II) wie auch den in §§ 29 ff.
SGB II normierten Anreizen und Sanktionen zur Aufnahme einer Erwerbstätigkeit
insgesamt um ein geschlossenes, in sich stimmiges System, dessen Teilregelungen
derart aufeinander abgestimmt sind, dass ein angemessener Ausgleich zwischen den
öffentlichen Interessen und denen der hilfesuchenden Betroffenen gewährleistet ist.
Daher ist das ausländerrechtlich maßgebliche Einkommen anhand von § 11 SGB II zu
berechnen, ohne einzelne Regelungen herauszulösen bzw. ausgewählte Abzugsbeträge
nicht zu berücksichtigen. Aus diesem Grund kommt eine nur teilweise Berücksichtigung
des Freibetrages nach § 30 SGB II - wie sie eine vermittelnde Auffassung vorschlägt -
gleichfalls nicht in Betracht, zumal jegliche Anhaltspunkte für eine wie auch immer
geartete Aufteilung fehlen.
Dem bedeutsamen Interesse der Bundesrepublik Deutschland, neu entstehende
Soziallasten für die öffentliche Hand zu verhindern, kann nicht bei einer später
anstehenden Verlängerung des Aufenthaltstitels oder durch eine ggf. auszusprechende
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anstehenden Verlängerung des Aufenthaltstitels oder durch eine ggf. auszusprechende
Ausweisung hinreichend Rechnung getragen werden. Einen Ausländer trotz eines
bestehenden rechnerischen Anspruchs auf Sozialleistungen erst einreisen zu lassen, um
ihn dann bei Inanspruchnahme von Leistungen zur Grundsicherung nach § 55 Abs. 2 Nr.
6, Abs. 1 AufenthG auszuweisen, wäre ermessensfehlerhaft. Ebenso wenig könnte sich
die Behörde bei der Entscheidung über eine Verlängerung des Aufenthaltstitels auf das
Fehlen der Regelerteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG berufen, wenn
sich die finanziellen Verhältnisse des Ausländers seit der erstmaligen Erteilung oder
letzten Verlängerung nicht verschlechtert haben. Hinzu kommt, dass bei einer
Inanspruchnahme von Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch der
Ausweisungsgrund des § 55 Abs. 2 Nr. 6 AufenthG nicht erfüllt sein dürfte, da der
Ausländer keine Leistungen der Sozialhilfe, sondern der Grundsicherung erhält (vgl.
Funke-Kaiser in: GK-AufenthG, Stand: Februar 2007, § 2 Rn. 43.1). Während nämlich in §
27 Abs. 3 Satz 1 AufenthG in der Fassung vom 18. März 2005 ausdrücklich beides
genannt wird, ist eine entsprechende Anpassung von § 55 Abs. 2 Nr. 6 AufenthG im
Zuge der Gesetzesänderung im März 2005 unterblieben. Entsprechend könnte die
Verlängerung eines Aufenthaltstitels nicht unter Hinweis auf das Vorliegen eines
Ausweisungsgrundes (§§ 8 Abs. 1, 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG) versagt werden.
Die mit diesem Ergebnis verbundene erhebliche Beschränkung der
Familiennachzugsmöglichkeiten begegnet schließlich keinen verfassungsrechtlichen
Bedenken und steht darüber hinaus im Einklang mit der Konvention zum Schutz der
Menschenrechte und Grundfreiheiten - EMRK - vom 7. August 1952 (BGBl. II S. 685). Art.
6 Abs. 1 GG gebietet nicht, ausländischen Staatsangehörigen in jedem Fall die
Möglichkeit einzuräumen, ihre familiäre Lebensgemeinschaft in Deutschland zu führen.
Ein Ausländer ist prinzipiell darauf verwiesen, die Gemeinschaft mit seinen ausländischen
Familienangehörigen im gemeinsamen Heimatland herzustellen und zu wahren, solange
die Voraussetzungen für einen Familiennachzug nach den einschlägigen Vorschriften
des Aufenthaltsgesetzes nicht vorliegen (vgl. u.a. OVG Berlin, Beschluss vom 22.
Dezember 2004 - OVG 3 S 116.04 - ; Beschluss vom 8. Juli 2004 - OVG 8 S 134.02/OVG
8 M 42.02 - m.w.N, jeweils zu §§ 17, 18, 20, 22 AuslG). Auch Art. 8 EMRK verpflichtet
einen Staat nicht generell dazu, die Wahl des familiären Wohnsitzes zu respektieren und
eine Familienzusammenführung in seinem Staatsgebiet zu bewilligen (vgl. EGMR, Urteil
vom 28. November 1996, InfAuslR 1997, 141). Die Versagung einer Aufenthaltserlaubnis
ist im Aufenthaltsgesetz vorgesehen und verfolgt im Falle des Bezugs sozialer
Leistungen ein legitimes Ziel im Sinne von Art. 8 Abs. 2 EMRK, nämlich die Erhaltung des
wirtschaftlichen Wohls des Landes, (vgl. EGMR, Urteil vom 11. Juli 2000, juris).
bb) Ebenso vom Einkommen abzusetzen sind die in § 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 SGB II
genannten notwendigen Ausgaben bei der Erzielung des Einkommens (a.A. VG
Lüneburg, Urteil vom 18. Januar 2007 - 6 A 353/05 -, juris; OVG Lüneburg, Beschluss
vom 29. November 2006 - 11 LB 127/06 -, juris, insoweit jeweils ohne Begründung).
Dieser gemäß § 11 Abs. 2 Satz 2 SGB II abzuziehende Pauschalbetrag in Höhe von
100,00 Euro soll die in § 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 bis 5 SBG II genannten Beiträge und
Auslagen kompensieren, weil es sich dabei nach Auffassung des Gesetzgebers um einen
im Regelfall tatsächlich entstehenden Aufwand handelt, der das Einkommen
entsprechend mindert. Insoweit kommt es nicht darauf an, ob entsprechende Auslagen,
z. B. Versicherungsbeiträge oder Fahrtkosten, im Einzelfall wirklich entstehen. An die
Stelle des pauschalierten Betrages treten nach dem eindeutigen Wortlaut von § 11 Abs.
2 Satz 3 SGB II nur dann die tatsächlichen Aufwendungen, wenn diese die Pauschale
übersteigen, das monatliche Einkommen mehr als 400,00 Euro beträgt und
entsprechende Nachweise vorgelegt werden. Diese erwerbsfähige Hilfebedürftige
begünstigende Regelung wirkt sich zwar bei der ausländerrechtlich relevanten Frage
nach der Sicherung des Lebensunterhalts wiederum zu Lasten der Betroffenen aus; dies
ist jedoch in der Regelung der §§ 5 Abs. 1 Nr. 1, 2 Abs. 3 AufenthG angelegt. Der
Lebensunterhalt ist aus den oben dargelegten Gründen bereits dann nicht gesichert,
wenn der Ausländer einen Anspruch auf öffentliche Leistungen hat, und zwar unabhängig
davon, ob er diese tatsächlich in Anspruch nimmt. Die Leistungsberechtigung richtet
sich dabei nach den einschlägigen Regelungen des Sozialgesetzbuches Zweites Buch,
wobei auf die zum entscheidungserheblichen Zeitpunkt gesetzlich festgelegten
Freibeträge abzustellen ist. Dem Abzug der Werbungskostenpauschale steht weiter nicht
entgegen, dass sie bereits bei der Einkommensteuerberechnung berücksichtigt wird, da
in dem hier betroffenen Niedriglohnbereich ohnehin nur geringe Steuern anfallen, sich
die Werbungskostenpauschale mithin steuerlich - wenn überhaupt - nur unwesentlich
auswirkt. Im Übrigen steht es im Ermessen des Gesetzgebers, welche Abzüge er bei der
Berechnung des sozialrechtlich maßgeblichen Einkommens vorsieht, zumal die
Regelungen der §§ 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 bis 5 SGB II insgesamt eine Privilegierung
beinhalten, wie § 11 Abs. 2 Satz 3 SGB II zeigt.
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b) Die Anwendung der dargestellten Grundsätze ergibt hier, dass der Lebensunterhalt
der Klägerin und ihrer Mutter im Mai 2006 nicht gesichert war. Das monatliche
Bruttoeinkommen betrug nach den von der Mutter der Klägerin vorgelegten
Einkommensnachweisen für die Monate Januar bis Mai 2006 konstant 1.140,00 Euro. Bei
Berücksichtigung aller Abzüge nach § 11 Abs. 2 SGB II a.F. zuzüglich des Kindergeldes
verbleibt ein Einkommen in Höhe von monatlich 739,45 Euro, das sich im Einzelnen wie
folgt berechnet:
Danach ergibt sich eine Unterdeckung in Höhe von 246, 55 Euro.
Umstände, die die Annahme einer Ausnahme von der Regelerteilungsvoraussetzung des
§ 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG rechtfertigten, sind von der Klägerin im Berufungsverfahren
weder vorgetragen worden noch sonst ersichtlich.
II. Die Klägerin kann die Erteilung eines Visums schließlich nicht nach § 32 Abs. 4
AufenthG beanspruchen, ohne dass es darauf ankäme, ob in ihrem Falle der Nachzug
zur Vermeidung einer besonderen Härte erforderlich wäre. Zwar kommt § 32 Abs. 4
AufenthG hier grundsätzlich als Anspruchsgrundlage in Betracht, da nach den Absätzen
1 bis 3 der Norm kein Nachzugsanspruch besteht (vgl. Begründung zum Gesetzentwurf
der Bundesregierung, BT-Drs. 15/420, S. 83). Eine Ermessensentscheidung wäre aber
selbst bei Vorliegen einer besonderen Härte nur eröffnet, wenn auch die übrigen
Erteilungsvoraussetzungen erfüllt wären (vgl. Renner, Ausländerrecht, 8. Aufl. 2005, § 32
Rn. 28). Dies ist aus den dargelegten Gründen jedoch nicht der Fall. Entgegen der
Ansicht der Klägerin kann hier anders als in den Fällen von § 5 Abs. 3 oder § 29 Abs. 2
und 4 AufenthG mangels ausdrücklicher gesetzlicher Regelung nicht von der
erforderlichen Sicherung des Lebensunterhalts abgesehen werden.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 2, 162 Abs. 3 VwGO. Die Entscheidung
über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Satz 1 VwGO in Verbindung mit §§
708 Nr. 10, 711 ZPO.
Die Revision ist gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zuzulassen, weil der Frage
grundsätzliche Bedeutung zukommt, ob bei der Berechnung des zur Sicherung des
Lebensunterhalts im Sinne von § 5 Abs. 1 Nr. 1 in Verbindung mit § 2 Abs. 3 AufenthG
zur Verfügung stehenden Einkommens die in § 11 Abs. 2 Nr. 5 und 6 in Verbindung mit §
30 SGB II genannten Freibeträge zu berücksichtigen sind.
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