Urteil des OLG Zweibrücken vom 09.02.2005

OLG Zweibrücken: wiedereinsetzung in den vorigen stand, gericht erster instanz, eigenes verschulden, freiwillige gerichtsbarkeit, rechtsmittelfrist, rechtsmittelbelehrung, sorgfalt, bayern, holz

Sonstiges
OLG
Zweibrücken
09.02.2005
3 W 5/05
Aktenzeichen:
3 W 5/05
2 T 623/04
LG Koblenz
143 UR II 39/03.WEG
AG Koblenz
Pfälzisches Oberlandesgericht
Zweibrücken
Beschluss
In dem Verfahren
betreffend die Wohnungseigentumsanlage A...................................,
an dem beteiligt sind:
1. I......................................,
Antragstellerin, Gegnerin der Erstbeschwerde und Führerin der sofortigen weiteren Beschwerde,
Verfahrensbevollmächtigter: Rechtsanwalt........................,
2. A......................................................,
3. I.......................................................,
4. R.....................................................,
5. A.....................................................,
6. A.....................................................,
7. J.......................................................,
8. G.....................................................,
Antragsgegner, Führer der Erstbeschwerde und Gegner der sofortigen weiteren Beschwerde,
9. H.............................................................,
Verwalterin der Wohnanlage,
wegen Anfechtung von Beschlüssen der Wohnungseigentümer,
hat der 3. Zivilsenat des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken
durch den Präsidenten des Oberlandesgerichts Dury sowie die Richter am
Oberlandesgericht Petry und Jenet
auf die sofortige weitere Beschwerde der Antragstellerin vom 31. Dezember 2004/10. Januar 2005
gegen den ihrem Verfahrensbevollmächtigten am 17. Dezember 2004 zugestellten Beschluss der 2.
Zivilkammer des Landgerichts Koblenz vom 9. Dezember 2004
ohne mündliche Verhandlung
am 9. Februar 2005
beschlossen:
I.
Einlegung der sofortigen weiteren Beschwerde wird abgelehnt.
II.
III
Beschwerde zu tragen.
IV
EUR festgesetzt.
G r ü n d e :
Das Rechtsmittel der Antragstellerin ist als sofortige weitere Beschwerde nach §§ 43 Abs. 1 Nr. 4, 45 Abs.
1 WEG an sich statthaft. Es ist jedoch als unzulässig, da verfristet, zu verwerfen, weil die weitere
Beschwerde innerhalb der gesetzlich vorgeschriebenen Frist (§§ 43 Abs. 1, 45 Abs. 1 WEG, § 22 Abs. 1
FGG) nicht bei dem für die Entscheidung zuständigen Pfälzischen Oberlandesgericht Zweibrücken
angebracht worden ist.
Die Zweiwochenfrist des § 22 Abs. 1 FGG wurde mit der Zustellung des angefochtenen Beschlusses am
17. Dezember 2004 in Gang gesetzt und endete daher mit Ablauf des 31. Dezember 2004 (§ 17 Abs.1
FGG, § 188 Abs. 2 BGB). Das Fehlen der in Wohnungseigentumssachen an sich erforderlichen
Rechtsmittelbelehrung im Beschluss des Landgerichts steht weder der Wirksamkeit der gerichtlichen
Entscheidung noch dem Beginn des Laufs der Rechtsmittelfrist entgegen (BGHZ 150, 390 = FG Prax
2002, 166).
Durch die Einlegung der sofortigen weiteren Beschwerde bei dem Oberlandesgericht Koblenz ist die Frist
nicht gewahrt worden. Zunächst ist die am letzten Tag der Frist per Telefaxschreiben erhobene
Rechtsbeschwerde auch beim Oberlandesgericht Koblenz nicht fristgerecht eingegangen, sondern erst
am 5. Januar 2005, nachdem die Rechtsmittelschrift – offenbar versehentlich - zunächst an die
Justizbehörden in Coburg übermittelt worden war. Unabhängig davon war das von dem
Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin angegangene Oberlandesgericht Koblenz ohnehin nicht
das zuständige Rechtsmittelgericht. In Rheinland-Pfalz ist die Zuständigkeit für Entscheidungen über das
Rechtsmittel der weiteren Beschwerde in WEG-Sachen aufgrund der Ermächtigung des § 199 Abs. 1 FGG
beim Pfälzischen Oberlandesgericht Zweibrücken konzentriert, § 4 Abs. 3 Nr. 2 a GerOrgG Rheinland-
Pfalz ( Sammlung des bereinigten Landesrechts Rheinland-Pfalz -BS - 300-1).
Bei dem Pfälzischen Oberlandesgericht Zweibrücken ist die weitere Beschwerde aber erst am 10. Januar
2005 – und damit verfristet – eingegangen.
Gegen die Fristversäumnis kann der Antragstellerin die mit Schriftsatz vom 7. Februar 2005 nachgesuchte
Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht bewilligt werden.
Gemäß §§ 22 Abs. 2, 29 Abs. 4 FGG setzt die Gewährung der Wiedereinsetzung voraus, dass die
Antragstellerin ohne eigenes Verschulden oder Verschulden ihres anwaltlichen Vertreters an der
Einhaltung der Rechtsmittelfrist gehindert war. Dieses Erfordernis ist nicht erfüllt.
Dabei kann zunächst zugunsten der Antragstellerin davon ausgegangen werden, dass die Versendung
der Rechtsmittelschrift nach Coburg anstatt nach Koblenz auf einem Büroversehen in der Kanzlei ihres
Verfahrensbevollmächtigten beruht und nicht (auch) auf einem ihr zuzurechnenden anwaltlichen
Organisationsverschulden. Darauf kommt es aber nicht an. Denn auch bei weisungsgemäßer
Übermittlung wäre dem Oberlandesgericht Koblenz eine fristwahrende Weiterleitung einer –unterstellt -
dort per Telekopie am letzten Tag der Frist (31. Dezember 2004) um 15.52 Uhr eingegangenen
Beschwerdeschrift (vgl. insoweit die Fax- Übermittlungsanzeige Bl. 256 d.A.) im ordentlichen
Geschäftsgang nicht möglich gewesen.
Auch das Fehlen der Rechtsmittelbelehrung bei der Entscheidung des Landgerichts rechtfertigt hier keine
Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, weil kein ursächlicher Zusammenhang zwischen dem
Belehrungsmangel und der Fristversäumung besteht. Ein solcher Zusammenhang ist bei einem – wie hier
– anwaltlich vertretenen Beteiligten zu verneinen (vgl. BGH FG Prax 2002, 166, 168; BayObLG NJW-RR
2003, 301, 302; Demharter, NZM 2002, 673, 675).
Im Übrigen beruht die Versäumung der Frist für die sofortige weitere Beschwerde infolge deren Einlegung
beim „falschen Gericht“ hier auf dem Verschulden des sachbearbeitenden Verfahrensbevollmächtigten
und Vertreters der Antragstellerin, das sich diese gemäß § 22 Abs. 2 Satz 2 FGG zurechnen lassen muss.
Die Unkenntnis des Verfahrensbevollmächtigten von der Zuständigkeitsregelung des § 4 GerOrgG
Rheinland-Pfalz ist entgegen den Ausführungen zur Begründung des Wiedereinsetzungsgesuchs nicht
unverschuldet. Ein auf Gesetzesunkenntnis beruhender Rechtsirrtum eines Rechtsanwalts ist nur in ganz
engen Grenzen als unverschuldet anzusehen. Zwar kann auch von einem Rechtsanwalt nicht die
Kenntnis aller landesrechtlichen Besonderheiten anderer Bundesländer erwartet werden. In
Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit, zu denen die echten Streitverfahren nach dem WEG
zählen, muss ein Rechtsanwalt aber in Erwägung ziehen und infolgedessen sorgfältig prüfen, ob das
Bundesland, in dem er ein Verfahren der weiteren Beschwerde durchzuführen beabsichtigt, von der
Konzentrationsermächtigung des § 199 Abs. 1 FGG Gebrauch gemacht hat (vgl. Senat, Beschluss vom 2.
Dezember 1987 – 3 W 106/87 -, abgedruckt in MDR 1988, 418 f). Das gilt in besonderem Maße für den
Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin, der u. a. beim Bayerischen Obersten Landesgericht als
Rechtsanwalt zugelassen ist, weil auch in Bayern die Zuständigkeit für die FGG – Rechtsbeschwerden
durch Landesrecht konzentriert ist. Hätte der Verfahrensbevollmächtigte diese Frage mit der gebotenen
Sorgfalt geprüft, so hätte ihm die Zuständigkeitsregelung des § 4 Abs. 3 Nr. 2 a GerOrgG Rheinland-Pfalz
nicht verborgen bleiben können. Auf sie ist z. B. hingewiesen in der gängigen Textsammlung
„Schönfelder, Deutsche Gesetze“ in Fußnoten zu § 28 FGG und zu § 199 FGG, ferner in den gängigen
Kommentaren zum FGG (Keidel/Kuntze/Winkler/Meyer-Holz, FG, 15. Aufl., § 28 Rdnr. 1 und § 199 Rdnr. 2)
und zum WEG (Bärmann/Pick/Merle, 9. Aufl., § 45 Rdnr. 84).
Die einschlägige landesrechtliche Vorschrift des § 4 GerOrgG findet sich – entgegen der Behauptung im
Wiedereinsetzungsgesuch - darüber hinaus auch in der Juris-Datenbank ( bei Recherche unter „Gesetze
und Vorschriften“ –„ Landesrecht Rheinland-Pfalz“ –„Text“- Suchbegriffe „weitere Beschwerde“ bzw.
„freiwillige Gerichtsbarkeit“).
Schließlich ist ein Anwaltsverschulden auch darin zu sehen, dass der Verfahrensbevollmächtigte der
Antragstellerin nicht den „sicheren Weg“ gewählt und von der Möglichkeit Gebrauch gemacht hat, die
weitere Beschwerde gemäß § 29 Abs. 1 Satz 1 FGG fristwahrend bei dem Gericht erster Instanz oder bei
dem Landgericht einzulegen.
Die nicht rechtzeitige Anbringung der sofortigen weiteren Beschwerde bei einem zuständigen Gericht
beruht somit auf einem Verschulden des sachbearbeitenden Rechtsanwalts, das der Antragstellerin
zuzurechnen ist und die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ausschließt.
Die Entscheidung über die Verpflichtung zur Tragung der Gerichtskosten beruht auf § 47 Satz 1 WEG.
Eine Anordnung betreffend die Erstattung außergerichtlicher Kosten anderer Verfahrensbeteiligter nach §
47 Satz 2 WEG ist schon deshalb nicht veranlasst, weil niemand außer der Antragstellerin am
Rechtsbeschwerdeverfahren beteiligt worden ist. Den Geschäftswert für das Verfahren der weiteren
Beschwerde hat der Senat gemäß § 48 Abs. 3 WEG entsprechend der Wertfestsetzung durch die
Vorinstanzen bestimmt.
Dury Petry Jenet