Urteil des OLG Stuttgart vom 16.06.2016

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OLG Stuttgart Beschluß vom 16.6.2016, 8 W 189/16
Leitsätze
Die Zustellung der Eintragungsanordnung gemäß § 882c Abs . 2 S. 2 ZPO erfolgt nicht auf Betreiben der
Parteien. Es handelt sich vielmehr um eine gebührenfreie Zustellung von Amts wegen. Auslagen für die
Zustellung dürfen dem Vollstreckungsgläubiger ebenfalls nicht berechnet werden (Aufgabe von OLG Stuttgart,
Beschluss vom 9. 2. 2015, 8 W 480/14).
Tenor
1. Die weitere Beschwerde des Vertreters der Staatskasse gegen den Beschluss des Landgerichts Stuttgart vom
21. April 2016, Az. 10 T 612/15, wird
zurückgewiesen.
2. Das Verfahren der weiteren Beschwerde ist gerichtsgebührenfrei. Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
I.
1
Zur Sachverhaltsdarstellung wird im Einzelnen Bezug genommen auf den Beschluss des Landgerichts
Stuttgart vom 21. April 2016, Az. 10 T 612/15, mit dem dieses auf die Beschwerde des Gläubigers die
Erinnerungsentscheidung des Amtsgerichts Waiblingen vom 27. November 2015, Az. 3 M 1948/15,
dahingehend abgeändert hat, dass nicht nur der Ansatz der Gebühr für die Zustellung nach Nr. 101
GVKostG-KV von 3 EUR entfällt, sondern auch die Umlegung der Auslagen des Gerichtsvollziehers für die
Postzustellung gemäß Nr. 701 GVKostG-KV auf den Gläubiger i.H.v. 3,45 EUR. Der Kostenansatz war – im
Rahmen des vom Gläubiger gegen den Schuldner betriebenen Zwangsvollstreckungsverfahrens – erfolgt für
die Zustellung der Eintragungsanordnung vom 6. Oktober 2015 an den Schuldner (Postzustellungsurkunde
vom 7. Oktober 2015), mit der die zuständige Gerichtsvollzieherin diesem mitteilte, dass sie ihn nach Ablauf
von 2 Wochen in das Zentrale Schuldnerverzeichnis eintragen werde (§ 882 c Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 ZPO).
2
Der Zentrale Prüfungsbeamte für Gerichtsvollzieher hat gegen den Beschluss des Landgerichts am 20. Mai
2016 weitere Beschwerde eingelegt, die gemäß § 5 Abs. 2 S. 2 GVKostG i.V.m. § 66 Abs. 4 GKG zugelassen
worden war.
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Das Landgericht hat mit Beschluss vom 31. Mai 2016 nicht abgeholfen und die Akten dem Oberlandesgericht
zur Entscheidung vorgelegt.
II.
4
Die gemäß § 5 Abs. 2 S. 2 GVKostG i.V.m. § 66 Abs. 4 GKG zugelassene und damit statthafte weitere
Beschwerde zum OLG (§ 66 Abs. 4 S. 3 GKG) ist auch im Übrigen zulässig, da sie darauf gestützt wird, dass
die Entscheidung des Landgerichts auf einer Verletzung des Rechts beruht (§ 66 Abs. 4 S. 2 GKG). Insoweit
wird vom Vertreter der Staatskasse geltend gemacht, dass es für das Entstehen von Auslagen für die
Zustellung der von Amts wegen ergangenen Eintragungsanordnung des Gerichtsvollziehers an den
Schuldner nach § 882 c Abs. 2 S. 2 ZPO ohne Bedeutung sei, ob die Zustellung von Amts wegen oder im
Parteibetrieb erfolge. Deshalb könnten diese Auslagen vom Gerichtsvollzieher nach § 1 Abs. 1, § 9 GVKostG
i.V.m. Nr. 701 GVKostG-KV erhoben werden, wobei der Vollstreckungsgläubiger nach § 13 Abs. 1 Nr. 1
GVKostG für diese hafte. Eine Überbürdung der Auslagen auf die Landeskasse komme nicht in Betracht.
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Dieser Argumentation kann jedoch nicht gefolgt werden, weswegen die weitere Beschwerde in der Sache
keinen Erfolg hat.
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Die Erhebung der Gebühr für die Zustellung der Eintragungsanordnung von 3 EUR gemäß Nr. 101 GVKostG-
KV, die dem Abschnitt 1 des Kostenverzeichnisses mit der amtlichen Überschrift „Zustellung auf Betreiben
der Parteien (§ 191 ZPO)“ zugeordnet ist, ist nicht Gegenstand des vorliegenden Beschwerdeverfahrens.
Die Unzulässigkeit der Erhebung dieser Gebühr kann aufgrund des Beschlusses des BGH vom 21. Dezember
2015, Az. I ZB 107/14, veröff. u.a. in NJW 2016, 876, zwischenzeitlich nicht mehr als streitig angesehen
werden. Denn der BGH hat entschieden, dass die Eintragung in das Schuldnerverzeichnis nicht im Interesse
des die Zwangsvollstreckung betreibenden Gläubigers erfolgt und nicht zu seiner Disposition steht. Dem mit
dem Schuldnerverzeichnis verfolgten Allgemeininteresse wird dadurch Rechnung getragen, dass die
Eintragung in der Schuldnerverzeichnis nicht aufgrund eines Antrags des Gläubigers, sondern von Amts
wegen erfolgt. Es handelt sich nicht um eine Vollstreckungsmaßnahme, sondern es liegt ein amtliches
Folgeverfahren aufgrund einer begonnenen oder durchgeführten Zwangsvollstreckungsmaßnahme vor. Die
Zustellung der Eintragungsanordnung ist Bestandteil des amtlich betriebenen Eintragungsverfahrens (OLG
Dresden, Beschluss vom 3. März 2016, Az. 3 W 22/16, in Juris; OLG Düsseldorf DGVZ 2015, 91; OLG
Koblenz DGVZ 2016, 59; AG Mannheim DGVZ 2014, 152; AG Stuttgart DGVZ 2015, 64; Stöber in Zöller,
ZPO, 31. Aufl. 2016, § 882 c ZPO Rn. 6 und 7; Hartmann, Kostengesetze, 46. Aufl. 2016, Nr. 101 GVKostG
Rn. 1 und Nr. 100 GVKostG Rn. 1; je m.w.N.). Nach dem Gesetzentwurf der Bundesregierung zur
Durchführung der Verordnung (EU) Nr. 655/2014 sowie zur Änderung sonstiger zivilprozessualer
Vorschriften (EuKoPfVODG) vom 8. Dezember 2015 (BR-Drucks. 633/15, Seiten 5, 40; BT-Drucks. 18/7560,
Seite 10) wird in § 882 c Abs. 2 S. 2 ZPO klargestellt, dass es sich nicht um eine Parteizustellung handelt,
sondern um eine solche von Amts wegen.
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Wenn aber die Zustellung der Eintragungsanordnung von Amts wegen zu erfolgen hat und hierfür die
Gebühr nach Nr. 101 GVKostG-KV nicht erhoben werden darf, dann sind mangels eines
Gebührentatbestandes auch keine Auslagen für die Zustellung der Eintragungsanordnung anzusetzen, wie
bereits vom OLG Koblenz (DGVZ 2016, 59) am 19. Januar 2016 (Az. 14 W 813/15) zutreffend für den
Ansatz der auf die Zustellung der Eintragungsanordnung bezogenen Auslagen nach Nrn. 716, 711 GVKostG-
KV entschieden. Beide Auslagentatbestände seien gebührenbezogen und fielen deshalb nur im Kontext mit
einer zumindest dem Grunde nach entstandenen Gebühr an. Da es daran fehle, entbehre auch die
Erhebung von Auslagen einer Grundlage (so auch OLG Karlsruhe DGVZ 2015, 208).
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Eine Rechtfertigung für den isolierten Ersatz der Auslagen lässt sich nicht, wie mit der weiteren Beschwerde
geltend gemacht, in § 13 GVKostG finden. Zwar hat der Gläubiger als Auftraggeber gemäß § 13 Abs. 1 S. 1
Nr. 1 GVKostG und Veranlassungsschuldner für sämtliche Kosten einzustehen, die durch eine
ordnungsgemäße Erledigung seines Auftrags entstanden sind. Die Kosten der Zustellung der
Eintragungsanordnung unterliegen aber gerade nicht der Dispositionsbefugnis des Gläubigers und sind
deshalb nicht durch seinen Auftrag entstanden, sondern durch ein von Amts wegen einzuleitendes und
durchzuführendes Verfahren. Bei der Eintragungsanordnung handelt es sich nicht um ein originäres
Instrument der Zwangsvollstreckung, sondern um ein präventives Element des Schutzes des
Wirtschaftsverkehrs vor illiquiden Schuldnern. Das Schuldnerverzeichnis ist primär Instrument der
Bonitätskontrolle und nicht der Zwangsvollstreckung. Nicht der Gläubiger hat die Eintragung veranlasst,
sondern sie wird im öffentlichen Interesse von Amts wegen vorgenommen, § 882 c Abs. 1 S. 1 ZPO (OLG
Koblenz, a.a.O.).
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Die Auslagen für die Zustellung der Eintragungsanordnung zur Erhaltung der der Allgemeinheit dienenden
Schutzfunktion des Schuldnerverzeichnisses können nicht dem Vollstreckungsgläubiger aufgebürdet werden,
sondern sind von der Allgemeinheit und damit von der Staatskasse zu tragen.
10 Unter Bezugnahme auf die obigen Ausführungen gibt der Senat seine frühere - vor der Entscheidung des
BGH vom 21. Dezember 2015, Az. I ZB 107/14, und der geplanten Gesetzesklarstellung vom 18. Dezember
2015 – ergangene Rechtsprechung (Beschluss vom 9. Februar 2015, Az. 8 W 480/14, veröff. in DGVZ 2015,
91) auf. Insoweit kann auch nicht der vom Vertreter der Staatskasse in seiner Beschwerdebegründung
zitierten früheren Rechtsprechung verschiedener Amtsgerichte sowie des OLG Nürnberg (Beschluss vom 9.
Februar 2015, Az. 8 Wx 265/14) gefolgt werden. Das Zitat „OLG Hamm, Beschluss vom 23. Juni 2015, Az. I
25 W 43/15“ konnte nicht nachvollzogen werden.
11 Ergänzend wird auch Bezug genommen auf die zutreffende Begründung des Landgerichts Stuttgart in der
angefochtenen Entscheidung, der sich der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen anschließt.
12 Die weitere Beschwerde war danach als unbegründet zurückzuweisen.
13 Gemäß § 66 Abs. 8 GKG ist das weitere Beschwerdeverfahren gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.