Urteil des OLG Stuttgart vom 02.09.2015

körperliche unversehrtheit, weisung, besondere gefahr, besondere gefährlichkeit

OLG Stuttgart Beschluß vom 2.9.2015, 4 Ws 77/15
Ausgestaltung der Führungsaufsicht: Weisung des Verbots zur Betretung einer
an die Wohnung einer bestimmten Person anknüpfenden Verbotszone;
Voraussetzung der Anordnung der elektronischen Aufenthaltsüberwachung
Leitsätze
1. Im Rahmen der Führungsaufsicht kann ein Verurteilter gemäß § 68b Abs. 1 Satz 1
Nr. 2 StGB angewiesen werden, eine an die Wohnung einer bestimmten Person
anknüpfende Verbotszone nicht zu betreten, wenn gerade das Zusammentreffen mit
dieser Person ihm Anreiz zur Begehung von Straftaten bietet. Im Einzelfall kann die
Verbotszone so bemessen sein, dass ein polizeiliches Einschreiten zur Abwehr einer
erheblichen gegenwärtigen Gefahr für das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die
persönliche Freiheit oder die sexuelle Selbstbestimmung dieser Person noch möglich
ist, wenn mittels elektronischer Aufenthaltsüberwachung (§ 68b Abs. 1 Satz 1 Nr. 12
StGB) festgestellt wird, dass der Verurteilte die Verbotszone betritt. Die Erteilung einer
solchen Weisung erfordert aber grundsätzlich konkrete Anhaltspunkte, dass eine
erhebliche Gefahr für die genannten hochrangigen Rechtsgüter besteht, und darf die
Lebensführung des Verurteilten unter Berücksichtigung seiner Interessen am
Aufenthalt in der Verbotszone nicht unzumutbar beeinträchtigen.
2. Zu den Voraussetzungen für die Anordnung der elektronischen
Aufenthaltsüberwachung (sog. "elektronische Fußfessel") im Rahmen von Weisungen
der Führungsaufsicht gemäß § 68b Abs. 1 Satz 1 Nr. 12, Satz 3 StGB
Tenor
Die sofortige Beschwerde des Verurteilten gegen die Entscheidung über die
Führungsaufsicht im Beschluss des Landgerichts Tübingen vom 31. März 2015 wird
als unbegründet
verworfen.
Auf die Beschwerde des Verurteilten gegen die Ausgestaltung der Führungsaufsicht
im Beschluss des Landgerichts Tübingen vom 31. März 2015 wird die unter Ziffer 12
des Beschlusses erteilte Weisung mit Wirkung vom 15. September 2015 wie folgt
geändert:
Der Verurteilte wird angewiesen, die Fläche eines Kreises mit einem Radius von 250
m um die Gebäude M. Weg 6 in Y. und B. Straße 4 in X. nicht zu betreten und sich
nicht darin aufzuhalten.
Die weitergehende Beschwerde wird als unbegründet
verworfen.
Der Verurteilte hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen. Jedoch wird die
Gebühr für das Beschwerdeverfahren um ein Drittel ermäßigt. Dem Verurteilten ist ein
Drittel seiner notwendigen Auslagen im Beschwerdeverfahren zu erstatten.
Gründe
I.
1
Bis 2. April 2015 verbüßte der Verurteilte eine Gesamtfreiheitsstrafe von neun
Jahren wegen versuchten Mordes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung
und wegen gefährlicher Körperverletzung aus dem Urteil des Landgerichts
Hechingen vom 16. Januar 2006 vollständig. Das Landgericht hat folgende
Feststellungen getroffen: In der Nacht zum 30. Juli 2005 fügte der Verurteilte mit
Tötungsvorsatz dem Partner seiner früheren Lebensgefährtin, der mit keinem
Angriff auf sein Leben gerechnet hatte, mit einem Fleischermesser eine
lebensgefährliche Stichverletzung im Bereich des Oberbauchs zu. Sodann
versetzte der Verurteilte seiner früheren Lebensgefährtin ohne Tötungsvorsatz
zwei Stiche in den Bauch, um ihr „einen 'Denkzettel' für ihre 'Untreue' zu
verpassen“ (US 9). Dem Verletzten gelang es – entgegen der Erwartung des
Verurteilten –, sich zu einem in der Nähe des Tatorts wohnenden Bekannten zu
begeben und sich von diesem in ein Krankenhaus fahren zu lassen. Eine
unverzüglich durchgeführte Notoperation rettete sein Leben. Der Verurteilte
handelte zum einen aus Rache für den Verlust seiner Lebensgefährtin. Zum
anderen wollte er Vergeltung wegen eines Messerangriffs des Partners seiner
früheren Lebensgefährtin auf ihn im Februar 2005 üben, nachdem die
Staatsanwaltschaft das Ermittlungsverfahren gegen diesen wegen nicht
auszuschließender Notwehr eingestellt hatte.
2
Die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Tübingen hat mit Beschluss vom
31. März 2015 festgestellt, dass nach vollständiger Verbüßung der Freiheitsstrafe
Führungsaufsicht eintritt. Deren Dauer hat sie auf fünf Jahre festgesetzt und durch
Weisungen näher ausgestaltet. Unter anderem hat sie den Verurteilten
angewiesen, „die Stadt X. sowie deren Umgebung im Umkreis von 50 Kilometern
(Kreis um die Stadt X. mit der R. Straße 3 als Mittelpunkt und einem Radius von 50
Kilometern) nicht zu betreten und sich nicht darin aufzuhalten“. Weiter hat sie ihm
die Weisung erteilt, sich die für eine elektronische Überwachung seines
Aufenthaltsortes erforderlichen technischen Mittel anlegen zu lassen, diese
ständig betriebsbereit bei sich zu führen und deren Funktionsfähigkeit nicht zu
beeinträchtigen. Zu den Weisungen führt die Strafvollstreckungskammer in ihrem
Beschluss aus, die angeordnete elektronische Aufenthaltsüberwachung beruhe
auf der Weisung zum Aufenthaltsverbot. Die Weisungen seien erforderlich, um die
früheren Tatopfer vor weiteren Taten des Verurteilten zu schützen. Es bestehe die
naheliegende Gefahr, dass der Verurteilte weitere Straftaten zum Nachteil seiner
früheren Tatopfer begehen werde. Obwohl der Verurteilte in seiner Anhörung
bekundet habe, dass er mit den früheren Tatopfern nicht mehr verkehren und
ihnen keinen Schaden mehr zufügen wolle, und das damalige Tatgeschehen auf
spezifischen Motiven beruhe, sei eine Gefährdung der früheren Tatopfer
wahrscheinlich. Weil der Verurteilte sein Drogenproblem nicht aufgearbeitet habe,
bestehe die Gefahr erheblicher Nachteile, wenn er in intoxikiertem Zustand auf
seine früheren Tatopfer treffe. Bezüglich des Umfangs der Verbotszone folgte die
Strafvollstreckungskammer der Empfehlung einer Bewertungsbesprechung der
Gemeinsamen Zentralstelle KURS beim Landeskriminalamt Baden-Württemberg
vom 26. März 2015. Darin wird ausgeführt, dass die Verbotszone kreisförmig um
den Wohnort der früheren Tatopfer einzurichten sei. Sie sei so zu bemessen, dass
polizeiliche Interventionskräfte vor dem Verurteilten die Wohnanschrift der beiden
ehemaligen Tatopfer erreichen könnten, sobald der Verurteilte durch Betreten der
Verbotszone Alarm ausgelöst habe.
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Mit dem als „Einspruch“ bezeichneten Schreiben vom 6. April 2015 wendet sich
der Verurteilte gegen diesen Beschluss der Strafvollstreckungskammer.
II.
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1. Der Rechtsbehelf des Verurteilten ist zum einen als sofortige Beschwerde
gegen die Entscheidung, die kraft Gesetztes eingetretene Führungsaufsicht nicht
entfallen zu lassen, zum anderen als Beschwerde gegen die Ausgestaltung der
Führungsaufsicht auszulegen. Da die Zielrichtung des Rechtsmittels nicht
eindeutig auf bestimmte Beschwerdepunkte beschränkt ist, ist im Zweifel
anzunehmen, dass der Verurteilte den angefochtenen Beschluss umfassend zur
Überprüfung des Beschwerdegerichts stellen will.
5
2. Die zulässige sofortige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg. Zu Recht
hat das Landgericht nicht gemäß § 68f Abs. 2 StGB angeordnet, dass die kraft
Gesetztes eintretende Führungsaufsicht entfällt.
6
a) Gemäß § 68f Abs. 1 Satz 1 StGB tritt mit der Entlassung der verurteilten Person
aus dem Strafvollzug kraft Gesetzes Führungsaufsicht unter anderem dann ein,
wenn – wie hier – eine Gesamtfreiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren wegen
vorsätzlicher Straftaten vollständig vollstreckt worden ist. Nur wenn zu erwarten ist,
dass die verurteilte Person auch ohne die Führungsaufsicht keine Straftaten mehr
begehen wird, ordnet das Gericht gemäß § 68f Abs. 2 StGB an, dass die Maßregel
entfällt. Eine solche Anordnung hat Ausnahmecharakter. Sie kann nur getroffen
werden, wenn konkrete Tatsachen für eine günstige Prognose vorliegen. Die
Prognose verlangt eine höhere Wahrscheinlichkeit künftiger Straffreiheit, als es zur
Reststrafaussetzung nach § 57 Abs. 1 StGB erforderlich ist (OLG Hamm,
Beschluss vom 21. Juni 2012 – III-2 Ws 190/12, juris Rn. 20; KG, Beschluss vom
25. März 2014 – 2 Ws 54/14, juris Rn. 7 jeweils mit weiteren Nachweisen).
7
b) Gemessen an diesen Grundsätzen besteht keine günstige Prognose, die es
erlaubt, auf die Führungsaufsicht zu verzichten.
8
Die erheblichen Vorstrafen des Verurteilten weisen auf ein hohes Rückfallrisiko
hin. Bevor der Verurteilte die Taten beging, die Gegenstand des Urteils des
Landgerichts Hechingen vom 16. Januar 2006 waren, hatte er sich wegen
mehrfachen Fahrens ohne Fahrerlaubnis, versuchten Diebstahls, gefährlicher
Körperverletzung, Beleidigung, versuchter Nötigung, Strafvereitelung und
vorsätzlichen unerlaubten Erwerbs von Betäubungsmitteln strafbar gemacht, was
Gegenstand von acht Straferkenntnissen war. Auch während seiner Inhaftierung
beging er Betäubungsmitteldelikte und wurde deswegen zu weiteren
Freiheitsstrafen und Gesamtfreiheitsstrafen verurteilt. Obwohl die Anlasstaten ihre
Ursache überwiegend in speziellen situationsbezogenen Faktoren hatten, kam in
ihnen ein hohes Maß an Impulsivität, Gefühlskälte und mangelnder Empathie zum
Ausdruck. So nahm der Verurteilte nach den Feststellungen des Landgerichts
Hechingen im Urteil vom 16. Januar 2006 dem Verletzten seinen Schmuck und
sein Handy ab und versetzte ihm Ohrfeigen, um ihn zu demütigen. Diese
Charaktereigenschaften können auch in anderen Situationen den Entschluss zur
Begehung von Straftaten begünstigen.
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Durch den Strafvollzug konnte dem Rückfallrisiko nicht entscheidend
entgegengewirkt werden. Der Verurteilte befand sich vom 30. Juli 2005 bis 11. Mai
2006 in Untersuchungshaft und anschließend in Strafhaft. Bis in das Jahr 2012
war der Haftverlauf durch disziplinarische Auffälligkeiten geprägt. Der Verurteilte
war – wie er selbst im Oktober 2014 in der Exploration gegenüber der mit der
Erstellung eines Prognosegutachtens beauftragten Sachverständigen Dr. S. und
in seiner richterlichen Anhörung am 31. März 2015 einräumte – in Haft an
Betäubungsmittelgeschäften beteiligt, um auch weiterhin Drogen konsumieren zu
können. Deshalb musste er, nachdem zwei Drittel der Gesamtfreiheitsstrafe aus
dem Urteil des Landgerichts Hechingen vom 16. Januar 2006 vollstreckt waren,
vom 30. Juli 2011 bis 13. Mai 2012 Freiheitsstrafen wegen Besitzes und Erwerbs
von Betäubungsmitteln verbüßen. Zur Behandlung seiner Suchtmittelabhängigkeit
befand sich der Verurteilte vom 7. Dezember 2012 bis 28. Januar 2013 im
Justizvollzugskrankenhaus Hohenasperg. Die Entwöhnungsbehandlung musste
wegen mangelnder Therapiemotivation abgebrochen werden. Der Verurteilte
empfand es als „zu anstrengend“, „ständig“ Gespräche führen zu müssen. Eine
stabile und vollständige Betäubungsmittelabstinenz konnte er nicht erreichen. Die
ihm dringend empfohlene Sozialtherapie lehnte er ab. Eine berufliche Qualifikation
konnte er nicht erwerben. Die Aussetzung des Restes der Gesamtfreiheitsstrafe
aus dem Urteil des Landgerichts Hechingen hat die Strafvollstreckungskammer
mit Beschluss vom 19. November 2014 abgelehnt. Vollzugsöffnende Maßnahmen
konnten ihm nicht gewährt werden.
10 Die Entlassungsbedingungen sind insgesamt ungünstig. Der Verurteilte hat keine
realistische berufliche Perspektive und ist auf Sozialleistungen angewiesen. Nach
seiner Entlassung lebte er – unterbrochen durch eine kurze Phase der
Obdachlosigkeit – in betreuten Wohneinrichtungen in S. Er verfügt zwar über
intakte soziale Bindungen zu seiner Familie. Dies kann ihm einerseits Stabilität
vermitteln, andererseits ist das familiäre Umfeld – wie es der Verurteilte selbst in
seiner Exploration gegenüber der Sachverständigen Dr. S. beschrieb – „von
Kriminalität geprägt“.
11 Ungünstig wirken sich die beim Verurteilten bestehenden psychischen und
Verhaltensstörungen durch multiplen Substanzgebrauch und Konsum anderer
psychotroper Substanzen in Form eines Abhängigkeitssyndroms (ICD-10: F19.2)
und die dissoziale Persönlichkeitsstörung (ICD-10: F60.2) aus. Zu diesen
Diagnosen, die sich ohne ausreichende Behandlung prognostisch deutlich negativ
auswirken, gelangten die Sachverständigen Dr. S. und Dr. B. in einem von der
Strafvollstreckungskammer eingeholten kriminalprognostischen Gutachten vom
30. Oktober 2014 aufgrund einer eingehenden Befunderhebung. Das Gutachten
beruht insbesondere auf der Kenntnis des Urteils des Landgerichts Hechingen
vom 16. Januar 2006 und den zugehörigen Strafakten, der
Gefangenenpersonalakte, der Gesundheitsakte der Justizvollzugsanstalt und
einer eingehenden Untersuchung und Exploration des Verurteilten. Prognostisch
ungünstig wirke sich, so die Sachverständigen, das Aufwachsen des Verurteilten
in einem von Kriminalität und Suchtmittelkonsum geprägten Umfeld und die
Identifikation mit dieser Kriminalität aus.
12 Die Einschätzungen, inwiefern dem Verurteilten eine Tataufarbeitung gelungen ist,
gehen auseinander. Der Verurteilte führte seit dem Jahr 2013 regelmäßig
Gespräche mit der Psychologischen Psychotherapeutin K. Wie aus ihrem Bericht
vom 29. Januar 2015 hervorgeht, gelang es dem Verurteilten zunehmend besser,
über emotionale Inhalte und Beweggründe nachzudenken und zu sprechen,
innere Zustände zu erkennen und zu beschreiben und Empathie für die Opfer zu
entwickeln. Demgegenüber vermochten die Sachverständigen Dr. S. und Dr. B.
keine ernsthafte Reue zu erkennen. Vielmehr machten sie eine Tendenz des
Verurteilten zur Bagatellisierung aus. Die beim Verurteilten bestehenden
psychischen Störungen seien, so die Sachverständigen Dr. S. und Dr. B., bislang
nicht ausreichend behandelt, obwohl eine suchtmedizinische und eine langfristig
angelegte sozialtherapeutische Behandlung dringend indiziert seien.
13 In einer Zusammenschau der vorgenannten Umstände ist nicht zu erwarten, dass
der Verurteilte künftig keine Straftaten mehr begehen wird.
14 3. Die Beschwerde gegen die Ausgestaltung der Führungsaufsicht hat teilweise
Erfolg.
15 a) Gemäß § 453 Abs. 2 Satz 2, § 463 Abs. 2 StPO kann die Beschwerde gegen
Maßnahmen zur Ausgestaltung der Führungsaufsicht nur darauf gestützt werden,
dass die getroffenen Anordnungen gesetzwidrig sind. Gesetzwidrig sind
Weisungen im Rahmen der Führungsaufsicht nur dann, wenn sie im Gesetz nicht
vorgesehen, unverhältnismäßig oder unzumutbar sind oder sonst die Grenzen
des der Strafvollstreckungskammer eingeräumten Ermessens überschreiten.
Dabei ist allein zu prüfen, ob die angefochtene Entscheidung in der
angewendeten Vorschrift eine Rechtsgrundlage hat, ob Ermessensmissbrauch
vorliegt und ob der verfassungsrechtliche Bestimmtheitsgrundsatz eingehalten ist.
Eine Überprüfung der Zweckmäßigkeit der Anordnung findet im
Beschwerdeverfahren hingegen nicht statt. Im Übrigen sind die Vorschriften und
Rechtsgrundsätze des einfachen Beschwerdeverfahrens uneingeschränkt
anwendbar (KG, Beschluss vom 5. Mai 2014 – 2 Ws 163/14, juris Rn. 7; OLG
Karlsruhe, Beschluss vom 5. August 2010 – 1 Ws 107/10, juris Rn. 10).
16 b) Gemessen hieran erweist sich die Anordnung einer Verbotszone gemäß § 68b
Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StGB mit einem Radius von 50 km jedenfalls nach
gegenwärtigem Kenntnisstand als rechtsfehlerhaft.
17 aa) § 68b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StGB ermöglicht eine Weisung an eine verurteilte
Person, sich nicht an bestimmten Orten aufzuhalten. Hierunter können nicht nur
spezifisch örtlich konkretisierte Punkte fallen, sondern auch größere Gebiete (KG,
Beschluss vom 5. Mai 2014 – 2 Ws 163/14, juris Rn. 9; Schneider in Leipziger
Kommentar zum StGB, 12. Aufl., § 68b Rn. 20). Ein Aufenthaltsverbot nach § 68b
Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StGB darf nur zur Abwehr krimineller Gefährdungen
angeordnet werden (Groß in Münchener Kommentar zum StGB, 2. Aufl., § 68b Rn.
14). Auf Grundlage dieser Vorschrift kann ein Verurteilter angewiesen werden,
eine Zone um die Wohnung einer bestimmten Person nicht zu betreten, wenn
gerade das Zusammentreffen mit dieser Person dem Verurteilten Anreiz zur
Begehung von Straftaten bietet (vgl. KG, Beschluss vom 23. Januar 2014 – 2 Ws
11/14, juris Rn. 23 f.).
18 Im Einzelfall kann die an die Wohnung einer bestimmten Person anknüpfende
Verbotszone so bemessen sein, dass ein polizeiliches Einschreiten zur Abwehr
einer erheblichen gegenwärtigen Gefahr für das Leben, die körperliche
Unversehrtheit, die persönliche Freiheit oder die sexuelle Selbstbestimmung
dieser Person noch möglich ist, wenn mittels elektronischer
Aufenthaltsüberwachung festgestellt wird, dass der Verurteilte die Verbotszone
betritt. So dürfen gemäß § 463a Abs. 4 Satz 2 Nr. 4 StPO die durch die
elektronische Aufenthaltsüberwachung gewonnenen Daten dazu verwendet
werden, eine erhebliche gegenwärtige Gefahr für das Leben, die körperliche
Unversehrtheit, die persönliche Freiheit oder die sexuelle Selbstbestimmung einer
Person abzuwenden. Hierdurch soll es den zuständigen Behörden erleichtert
werden, im Fall einer akuten und erheblichen Gefährdungslage für die genannten
Rechtsgüter rechtzeitig einzuschreiten (BT-Drucks. 17/3403, S. 17; vgl. OLG
Bamberg, Beschluss vom 15. März 2012 – 1 Ws 138/12, juris Rn. 33). Dieser
präventive Zweck wird regelmäßig nur erreicht, wenn die Verbotszone im Sinne
von § 68b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StGB so bemessen ist, dass ein behördliches
Eingreifen im Fall einer akuten Gefährdungslage noch möglich ist.
19 Die Erteilung einer derartigen Weisung, eine viele Quadratkilometer umfassende
Zone um die Wohnung einer bestimmten Person nicht zu betreten, setzt aber nicht
nur voraus, dass sie entsprechend dem Zweck der Maßregel dazu dient, die
Gefahr neuer Straftaten zu vermeiden oder zu verringern (vgl. Fischer, StGB, 62.
Aufl., § 68b Rn. 2). Insbesondere weil eine solche Weisung den Verurteilten
typischerweise in seiner Lebensführung stark einschränkt, ist sie nur unter
strengen Voraussetzungen zulässig. Sie erfordert einerseits grundsätzlich
konkrete Anhaltspunkte, dass eine erhebliche Gefahr für das Leben, die
körperliche Unversehrtheit, die persönliche Freiheit oder die sexuelle
Selbstbestimmung der in der Verbotszone wohnenden Person besteht, und darf
andererseits die Lebensführung der verurteilten Person unter Berücksichtigung
ihrer Interessen am Aufenthalt in der Zone nicht unzumutbar beeinträchtigen.
20 bb) Hier ist die Weisung, die dem Verurteilten den Aufenthalt innerhalb einer Zone
mit einem Radius von 50 km verbietet, angesichts des Ausmaßes der Gefahr von
Straftaten zum Nachteil der geschützten Personen und der Schwere der
Beeinträchtigung der grundrechtlich geschützten Interessen des Verurteilten nicht
mehr verhältnismäßig.
21 Der Verurteilte lässt keine spezifische gerade auf die früheren Tatopfer bezogene
besondere Gefährlichkeit erkennen, was beispielsweise bei Hinweisen auf einen
fortbestehenden Konflikt der Fall sein kann (vgl. dazu KG, Beschluss vom 23.
Januar 2014 – 2 Ws 11/14, juris Rn. 28). Der Verurteilte gab bei seiner Exploration
gegenüber der Sachverständigen Dr. S. an, er habe damals gedacht, es sei in
Ordnung, dass sein Opfer das Gleiche erlebe wie er. Er verstehe nicht, dass der
Verletzte der Anlasstat bis heute nicht in Haft sei, obwohl er – wie er erfahren
haben will –„schon wieder zwei Leute mit dem Messer verletzt“ habe. Nach seiner
Haftentlassung werde er ihn nicht mehr sehen, da er bis dahin aus Angst die Stadt
verlassen haben werde. Diese Äußerungen weisen zwar darauf hin, dass der
Verurteilte die Taten nicht ausreichend aufgearbeitet hat. Andererseits suchte der
Verurteilte zu seinen Tatopfern auch keinen Kontakt mehr und bedrohte sie nicht.
In seiner richterlichen Anhörung vom 31. März 2015 erklärte er, ihnen nichts
Böses mehr zu wollen. Die emotionalen Umstände, die zu den Taten geführt
haben, bestehen heute nicht mehr. Auch die Risikobewertung der Gemeinsamen
Zentralstelle KURS beim Landeskriminalamt Baden-Württemberg vom 26. März
2015 bewertet das den Anlasstaten zugrunde liegende Motivationsgefüge als
„hochspeziellen Faktor“. Der Verurteilte sei nicht nur mit dem Umstand konfrontiert
gewesen, dass seine frühere Lebensgefährtin, an der er immer noch hing, eine
Beziehung zu einem neuen Partner aufgenommen habe. Vielmehr habe es sich
bei dem neuen Partner gerade um den Mann gehandelt, der ihn – aus seiner Sicht
ohne Rechtfertigung – habe töten wollen. Dies habe den Verurteilten emotional in
besonderer Weise belastet. Er habe sich deshalb in einer extremen emotionalen
Ausnahmesituation befunden, die so nicht ohne weiteres wiederholbar sei.
22 Das bisherige Verhalten des Verurteilten während der Führungsaufsicht zeigt,
dass keine besondere Gefahr von Straftaten zum Nachteil der früheren Tatopfer
mehr besteht. Der Verurteilte verstieß in keinem Fall gegen aufenthaltsbezogene
Weisungen. Der Senat hat die Verbotszone mit Beschlüssen vom 16. April 2015
und vom 27. Mai 2015 jeweils für einige Stunden teilweise aufgehoben, um dem
Verurteilten die Teilnahme an Familienfeiern zu ermöglichen. Auch in diesem
Zusammenhang hielt sich der Verurteilte an die Vorgaben.
23 Die Lage und Größe der Verbotszone beeinträchtigt die Interessen des
Verurteilten schwerwiegend. Die Verbotszone misst 7.854 km², was 22 % der
Fläche Baden-Württembergs ausmacht. In räumlicher Hinsicht umfasst sie auch
die Oberzentren A. und B. sowie wichtige Verkehrsachsen wie die Bahnstrecke S.
– Z. und die Bundesautobahn … . Besonders schwer wiegt jedoch, dass der
Verurteilte wichtige soziale Bezüge nach X. und Umgebung aufweist. Der
Verurteilte ist in dieser Region aufgewachsen. Dort leben die meisten seiner
Freunde und Angehörigen, insbesondere auch seine Eltern. Wie auch aus der
Risikobewertung der Gemeinsamen Zentralstelle KURS vom 26. März 2015
hervorgeht, unterhielt der Verurteilte zu beiden Elternteilen trotz ihrer Scheidung
eine positive Beziehung, die ihm Halt und Unterstützung bot. Insbesondere
seinem Vater war es gelungen, den Verurteilten nach Abbruch seiner Ausbildung
in eine geregelte selbständige Arbeit zu vermitteln. Dies bot dem Verurteilten eine
positive Identifikationsmöglichkeit und zeigte, dass sein Vater ihm etwas zutraut
und an ihn glaubt, auch wenn er scheitert. Der Verurteilte äußerte mehrfach, unter
anderem im Rahmen der Exploration durch die Sachverständige Dr. S. und bei
seiner richterlichen Anhörung am 31. März 2015, dass er bei seinem Vater in X.
wohnen wolle. Möglicherweise könne er bei ihm auch arbeiten.
24 cc) Die – jedenfalls nach der gezeigten Entwicklung des Verurteilten seit seiner
Haftentlassung – nicht mehr im bisherigen Umfang erforderliche Weisung in Ziffer
12 des angefochtenen Beschlusses ersetzt der Senat durch die in der
Beschlussformel ersichtliche Weisung. Danach darf der Verurteilte einen Kreis mit
einem Radius von 250 m um die Wohnungen der früheren Tatopfer, die der Senat
den aktuellen Melderegisterdaten entnommen hat, nicht betreten. Die damit
verbundenen Einschränkungen sind dem Verurteilten, auch soweit X. betroffen ist,
zumutbar. Die Bahnlinie A. – C. berührt den Kreis nicht. Der Verurteilte kann somit
auch den Bahnhof X betreten. Dass der Verurteilte im Bereich der Verbotszone die
Bundesstraße … nicht benutzen kann, muss er hinnehmen. Er kann diesen
Bereich innerörtlich umfahren, ohne dabei die Verbotszone zu verletzen. Die
Innenstadt von X. und wichtige Infrastruktureinrichtungen liegen außerhalb der
Verbotszone. Die ungefähre Lage der Verbotszone in X. ist im nach folgenden
Kartenausschnitt dargestellt.
25 [Kartenausschnitt]
26 Der Strafvollstreckungskammer bleibt – wie auch sonst – vorbehalten, gemäß §
68d Abs. 2 StGB Weisungen im Sinne von § 68b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StGB
nachträglich zu treffen, zu ändern oder aufzuheben. Eine erweiterte Verbotszone
wird dabei grundsätzlich nur dann in Betracht kommen, wenn sich nachträglich
konkrete Umstände herausstellen, die darauf schließen lassen, dass erhebliche
Straftaten zum Nachteil der früheren Tatopfer drohen. Zudem muss der Verurteilte
damit rechnen, dass erweiterte Verbotszonen festgesetzt werden, wenn er die
erteilten Weisungen nicht befolgt.
27 c) Die Anordnung der elektronischen Aufenthaltsüberwachung gemäß § 68b Abs.
1 Satz 1 Nr. 12 StGB hält rechtlicher Nachprüfung stand.
28 aa) Die formellen Voraussetzungen für die Anordnung der elektronischen
Aufenthaltsüberwachung gemäß § 68b Abs. 1 Satz 3 Nr. 1, 2 StGB sind erfüllt.
Gegen den Verurteilten wurde eine Gesamtfreiheitsstrafe von mehr als drei Jahren
unter anderem wegen versuchten Mordes vollständig vollstreckt.
29 bb) Auch die materiellen Voraussetzungen des § 68b Abs. 1 Satz 3 Nr. 3, 4 StGB,
unter denen die elektronische Aufenthaltsüberwachung angeordnet werden kann,
sind erfüllt.
30 (1) Zu Recht hat die Strafvollstreckungskammer die von § 68b Abs. 1 Satz 3 Nr. 3
StGB vorausgesetzte Gefahr, dass der Verurteilte weiterhin Straftaten der in § 66
Abs. 3 Satz 1 StGB genannten Art begehen wird, bejaht.
31 Die von § 68b Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 StGB geforderte Gefahr kann als begründete
Wahrscheinlichkeit definiert werden (BT-Drucks. 17/3403, S. 37; OLG Nürnberg,
Beschluss vom 8. Mai 2014 – 2 Ws 37/14, juris Rn. 33; OLG München, Beschluss
vom 24. Juni 2015 – 1 Ws 405/15, juris Rn. 43). Dabei reicht eine bloß abstrakte,
allein auf die statistische Rückfallwahrscheinlichkeit gestützte Gefahrprognose
nicht aus (OLG München, Beschluss vom 24. Juni 2015 – 1 Ws 405/15, juris Rn.
48); andererseits ist auch keine nahe liegende, konkrete Gefahr erforderlich (OLG
Rostock, Beschluss vom 28. März 2011 – I Ws 62/11, juris Rn. 23; OLG Nürnberg,
Beschluss vom 8. Mai 2014 – 2 Ws 37/14, juris Rn. 33). Die Gefahr muss sich auf
die in § 66 Abs. 3 Satz 1 StGB genannten schweren Delikte, insbesondere
Gewalt- und Sexualdelikte, beziehen. Das Risiko, dass der Verurteilte
irgendwelche anderen Straftaten begehen wird, genügt in diesem Zusammenhang
nicht (BT-Drucks. 17/3403, S. 37; OLG Hamm, Beschluss vom 21. Juni 2012 – III-
2 Ws 190/12, juris Rn. 68; Groß in Münchener Kommentar zum StGB, 2. Aufl., §
68b Rn. 25). Für die Gefährlichkeitsprognose kommt es auf das Ergebnis einer
Gesamtwürdigung der verurteilten Person und ihrer bisherigen Straftaten unter
Berücksichtigung etwaiger Entwicklungen im Strafvollzug und während der
Führungsaufsichtszeit an (OLG Nürnberg, Beschluss vom 8. Mai 2014 – 2 Ws
37/14, juris Rn. 33; OLG München, Beschluss vom 24. Juni 2015 – 1 Ws 405/15,
juris Rn. 48; vgl. OLG Rostock, Beschluss vom 28. März 2011 – I Ws 62/11, juris
Rn. 23). Die Einholung eines auf diese Fragestellung bezogenen
Prognosegutachtens ist gesetzlich nicht vorgeschrieben. Auch aus
materiellrechtlichen Gründen ist sie entbehrlich, wenn im Einzelfall ohne ein
solches Gutachten eine hinreichende Prognosegrundlage besteht (vgl. OLG
Hamm, Beschluss vom 21. Juni 2012 – III-2 Ws 190/12, juris Rn. 71; OLG
München, Beschluss vom 24. Juni 2015 – 4 Ws 405/15, juris Rn. 66 f.). Ein auf die
Voraussetzungen der elektronischen Aufenthaltsüberwachung bezogenes
Prognosegutachten kann beispielsweise entbehrlich sein, wenn die Prognose
aufgrund eines anderen nicht allzu lange zurückliegenden Prognosegutachtens
oder der Ergebnisse einer Bewertungsbesprechung nach Ziffer 3 der VwV EAÜ
vom 29. August 2012 (Die Justiz 2012, S. 431) zuverlässig beurteilt werden kann.
32 Nach diesen Grundsätzen besteht die Gefahr im Sinne einer begründeten
Wahrscheinlichkeit, dass der Verurteilte künftig schwere Gewalttaten begeht.
Hierauf weist – wie vorstehend ausgeführt – nicht nur der versuchte Mord hin, der
Gegenstand des Urteils des Landgerichts Hechingen vom 16. Januar 2006 war.
Der Verurteilte leidet an einer dissozialen Persönlichkeitsstörung und an einer
Suchtmittelabhängigkeit. Dementsprechend gelangt auch das
kriminalprognostische Gutachten der Sachverständigen Dr. S. und Dr. B. vom 30.
Oktober 2014 zu der Einschätzung, dass die Gefährlichkeit des Verurteilten
fortbestehe und die Wahrscheinlichkeit von fremdaggressiven Handlungen
gegenüber Dritten hoch sei. Die Sachverständigen legen in ihrem Gutachten dar,
dass der Verurteilte nach wie vor die Anwendung körperlicher Gewalt als Mittel zur
Durchsetzung seiner Interessen ansieht. Die Exploration hat gezeigt, dass der
Verurteilte körperliche Auseinandersetzungen gewohnt ist und bis heute nicht
ausreichend gelernt hat, andere Lösungen für Konfliktsituationen zu suchen und
anzuwenden.
33 (2) Gemäß § 68b Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 StGB ist die Weisung zur elektronischen
Aufenthaltsüberwachung nur dann zulässig, wenn sie erforderlich erscheint, um
die verurteilte Person durch die Möglichkeit der Datenverwendung nach § 463a
Abs. 4 Satz 2 StPO von der Begehung weiterer Straftaten der in § 66 Abs. 3 Satz 1
StGB genannten Art abzuhalten.
34 Diese Voraussetzungen sind weiterhin erfüllt. Die elektronische
Aufenthaltsüberwachung kann der Überwachung der Einhaltung einer
aufenthaltsbezogenen Weisung nach § 68b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StGB dienen.
Bereits die deutlich erhöhte Gefahr der Entdeckung eines strafbewehrten
Weisungsverstoßes (vgl. § 463a Abs. 4 Satz 2 Nr. 3 StPO) kann unmittelbar
abschreckend wirken (BT-Drucks. 17/3403, S. 17). Aber auch unabhängig von der
Einhaltung aufenthaltsbezogener Weisungen kann die elektronische
Aufenthaltsüberwachung spezialpräventive Wirkung entfalten. Denn das
Bewusstsein, im Fall der erneuten Begehung einer schweren Straftat einem
deutlich höheren Entdeckungsrisiko zu unterliegen (vgl. § 463a Abs. 4 Satz 2 Nr. 5
StPO), kann die Eigenkontrolle der verurteilten Person stärken (BT-Drucks.
17/3403, S. 17, 38; vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 21. Juni 2012 – III-2 Ws
190/12, juris Rn. 62; KG, Beschluss vom 23. Januar 2014 – 2 Ws 11/14, juris Rn.
24 f.; OLG München, Beschluss vom 24. Juni 2015 – 1 Ws 405/15, juris Rn. 52;
Stree/Kinzig in Schönke/Schröder, StGB, 29. Aufl., § 68b Rn. 14c).
Dementsprechend ist die elektronische Aufenthaltsüberwachung nicht zwingend
an eine aufenthaltsbezogene Weisung geknüpft (OLG Bamberg, Beschluss vom
15. März 2012 – 1 Ws 138/12, juris Rn. 33; Brauneisen, StV 2011, 311, 312; vgl.
dagegen Groß in Münchener Kommentar zum StGB, 2. Aufl., § 68b Rn. 24).
35 Die elektronische Aufenthaltsüberwachung dient hier zum einen der Kontrolle der
Einhaltung der durch die geänderte Weisung festgesetzten Verbotszonen von 250
m um die Wohnungen der früheren Tatopfer. Zwar kann, wenn der Verurteilte die
Verbotszonen betritt, ein Zusammentreffen mit den früheren Tatopfern nicht mehr
durch präventives polizeiliches Einschreiten verhindert werden. Aber auch die
Möglichkeit, den Verstoß nachträglich festzustellen, motiviert den Verurteilten zur
strikten Befolgung der Weisung. Denn er muss nicht nur mit einer Bestrafung nach
§ 145a StGB rechnen. Er hat unter anderem auch zu befürchten, dass größere
Verbotszonen festgesetzt werden, wenn sich durch den Weisungsverstoß ein
Hinweis auf eine erhebliche Gefahr für das Leben, die körperliche Unversehrtheit,
die persönliche Freiheit oder die sexuelle Selbstbestimmung der früheren Tatopfer
ergibt. Zum anderen erhöht die elektronische Aufenthaltsüberwachung auch sonst
das Entdeckungsrisiko schwerer Straftaten. Deshalb ist sie geeignet, den
Verurteilten allgemein von neuen Straftaten abzuhalten.
36 cc) Die elektronische Aufenthaltsüberwachung stellt jedenfalls derzeit noch keine
unzumutbaren Anforderungen an die Lebensführung des Verurteilten (vgl. § 68b
Abs. 3 StGB) und erweist sich auch unter Berücksichtigung seiner grundrechtlich
geschützten Interessen als verhältnismäßig (vgl. Brauneisen, StV 2011, 311, 314).
Die Eingriffsintensität der elektronischen Aufenthaltsüberwachung steigt aber mit
zunehmender Dauer (vgl. OLG Nürnberg, Beschluss vom 8. Mai 2014 – 2 Ws
37/14, juris Rn. 33; Brauneisen, StV 2011, 311, 315). Der bisherige Verlauf der
Führungsaufsicht hat gezeigt, dass die elektronische Aufenthaltsüberwachung
den Verurteilten nicht unerheblich belastet. Die Strafvollstreckungskammer wird
deshalb engmaschig – gegebenenfalls auch bereits vor Ablauf der in § 68d Abs. 2
Satz 1 StGB vorgesehenen Zweijahresfrist (vgl. auch Ziffer 4.3 der WvW EAÜ,
wonach die Führungsaufsichtsstelle spätestens nach einem Jahr prüfen muss, ob
die elektronische Aufenthaltsüberwachung noch erforderlich ist) – zu überprüfen
haben, ob die elektronische Aufenthaltsüberwachung weiterhin zweckmäßig,
erforderlich und verhältnismäßig ist.
37 d) Die weitere Ausgestaltung der Führungsaufsicht ist aus Rechtsgründen nicht zu
beanstanden. Ihre Dauer von fünf Jahren hält sich im gesetzlichen Rahmen des §
68c Abs. 1 Satz 1 StGB. Die Unterstellung unter die Aufsicht und Leitung der
Bewährungshilfe ist gemäß § 68a Abs. 1 Halbsatz 2 StGB eine zwingende Folge
der Führungsaufsicht. Die übrigen Weisungen sind gemäß § 68b Abs. 1, 2 StGB
zulässig und stellen auch in ihrem Zusammenwirken keine unzumutbaren
Anforderungen an die Lebensführung des Verurteilten (§ 68b Abs. 3 StGB).