Urteil des OLG Stuttgart vom 03.09.2015

letter of intent, verfall, sondervorteil, erwerb

OLG Stuttgart Beschluß vom 3.9.2015, 4 Ws 283/15
Strafverfahren wegen verbotenen Erwerbs von Insiderpapieren: Anordnung des
Wertersatzverfalls hinsichtlich des erzielten Sondervorteils
Leitsätze
Erwirbt ein Beteiligter entgegen § 38 Abs. 1 Nr. 1, § 14 Abs. 1 Nr. 1 WpHG Insiderpapiere,
unterliegt der dadurch erzielte Sondervorteil, nicht jedoch der gesamte Wert der erworbenen
Papiere gemäß § 73 Abs. 1 Satz 1, § 73a Satz 1 StGB dem Wertersatzverfall.
Tenor
Auf die weitere Beschwerde der Beschuldigten wird der Beschluss des Landgerichts Stuttgart
vom 14. Juli 2015
aufgehoben.
Auf die Beschwerde der Beschuldigten wird der Arrestbeschluss des Amtsgerichts Stuttgart vom
7. April 2015 dahin
abgeändert,
dass der dingliche Arrest in das Vermögen der Beschuldigten lediglich in Höhe von 24.380,85
EUR angeordnet wird; durch die Hinterlegung eines Geldbetrages von 24.380,85 EUR wird die
Vollziehung des Arrestes gehemmt und die Beschuldigte berechtigt, die Aufhebung des
vollzogenen Arrestes zu beantragen. Der weitergehende Antrag der Staatsanwaltschaft Stuttgart
wird zurückgewiesen.
Im Übrigen werden die Beschwerde und die weitere Beschwerde der Beschuldigten als
unbegründet
verworfen.
Die Beschuldigte hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens und des Verfahrens über die
weitere Beschwerde zu tragen. Jedoch werden die Gebühren für die Beschwerdeverfahren auf
ein Viertel ermäßigt. Der Beschuldigten sind drei Viertel ihrer notwendigen Auslagen für die
Beschwerdeverfahren aus der Staatskasse zu erstatten.
Gründe
I.
1 Am 10. und am 11. September 2013 erwarb die Beschuldigte insgesamt 210.000 Aktien der
Singulus Technologies AG (im Folgenden Singulus AG), die an den Börsen in Frankfurt am
Main und Berlin sowie im elektronischen Handelssystem Xetra im regulierten Markt gehandelt
werden. Die Singulus AG stellt unter anderem Produktionsanlagen für Solarzellen her. Am 12.
September 2013 um 16:18 Uhr veröffentlichte die Singulus AG eine Ad-Hoc-Mitteilung,
wonach sie an diesem Tag mit M., einem chinesischen Hersteller von Solarzellen, einen
Rahmenvertrag über die Lieferung von 16 Anlagen für die Fertigung von Solarzellen
geschlossen habe und die Lieferung der ersten Maschine nach China bereits für das erste
Quartal 2014 vorgesehen sei. Nachdem der Kurs der Aktien erheblich angestiegen war,
veräußerte die Beschuldigte ihre Aktien bereits am 13. September 2013. Im Einzelnen
erfolgte der Erwerb und die Veräußerung der Aktien wie folgt:
2
Datum,
Zeit
Geschäft Stückzahl Kurs
Kurswert („brutto“) Wertpapierabrechnung
Zeit
Geschäft
Stückzahl
Kurs
Kurswert („brutto“)
Wertpapierabrechnung
(„netto“)
10.09.2013
13:36
Kauf
10.000
1,44
EUR 14.400,00 EUR
14.556,96 EUR
11.09.2013
12:05
Kauf
100.000
1,51
EUR 151.000,00 EUR
152.621,59 EUR
11.09.2013
15:08
Kauf
100.000
1,5032
EUR 150.319,15 EUR
151.834,66 EUR
Summe
Kauf
210.000
315.719,15 EUR
319.013,21 EUR
13.09.2013
10:32
Verkauf
100.000
1,63
EUR 163.000,00 EUR
161.214,49 EUR
13.09.2013
11:03
Verkauf
110.000
1,61
EUR 177.100,00 EUR
175.198,57 EUR
Summe
Verkauf
210.000
340.100,00 EUR
336.413,06 EUR
Erlös
24.380,85 EUR
17.399,85 EUR
3 Der Beschuldigten wird vorgeworfen, beim Erwerb der Aktien eine Insiderinformation
verwendet zu haben. Ihr Ehemann, der Mitbeschuldigte W., habe sie bereits vor dem Erwerb
der Aktien über den bevorstehenden Abschluss des Rahmenvertrages informiert. Der
Mitbeschuldigte W. sei für eine Tochtergesellschaft der Singulus AG in China aufgrund eines
Beratervertrages tätig gewesen. Sein Aufgabenbereich habe die Vorbereitung des
Vertragsschlusses mit M. umfasst, weshalb er schon vor Veröffentlichung der Ad-Hoc-
Mitteilung vom bevorstehenden Abschluss des Rahmenvertrages gewusst habe. Eine
Insideranalyse der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) vom 27. März
2014 bewertet den Abschluss des Rahmenvertrages der Singulus AG mit M. vom 12.
September 2013 als eine Insiderinformation.
4 Das Amtsgericht Stuttgart hat mit Beschluss vom 7. April 2015 den dinglichen Arrest in das
Vermögen der Beschuldigten in Höhe von 336.413,06 EUR angeordnet. Mit Beschluss vom
14. Juli 2015 hat das Landgericht Stuttgart die Beschwerde der Beschuldigten gegen den
Beschluss des Amtsgerichts als unbegründet verworfen. Dagegen richtet sich die weitere
Beschwerde der Beschuldigten.
II.
5 Die nach § 310 Abs. 1 Nr. 3 StPO statthafte und auch im Übrigen zulässige weitere
Beschwerde hat in der Sache teilweise Erfolg.
6 1. Ohne Erfolg wendet sich die weitere Beschwerde allerdings gegen die Annahme der
Voraussetzungen für die Anordnung des dinglichen Arrests gemäß § 111b Abs. 2, § 111d
Abs. 1 StPO. Zu Recht haben die Vorinstanzen diese bejaht, weil Gründe für die Annahme
bestehen, dass die Beschuldigte sich wegen verbotenen Erwerbs von Insiderpapieren
gemäß § 38 Abs. 1 Nr. 1, § 14 Abs. 1 Nr. 1 WpHG strafbar gemacht hat und deswegen
gegen sie der Verfall des Wertersatzes gemäß § 73 Abs. 1 Satz 1, § 73a Satz 1 StGB
angeordnet wird.
angeordnet wird.
7 a) Entgegen der Ansicht des Verteidigers ist nach derzeitigem Stand der Ermittlungen die
Information über die Vertragsverhandlungen der Singulus AG mit M., die sich so weit
konkretisiert hatten, dass am 12. September 2013 ein Rahmenvertrag über die Lieferung von
16 Maschinen unterzeichnet wurde, vor der Publikation durch die Ad-Hoc-Meldung als
Insiderinformation (§ 13 Abs. 1 WpHG) zu bewerten.
8 Nach den bisher gewonnenen Erkenntnissen war der Abschluss des Rahmenvertrages eine
konkrete Information, die geeignet war, den Kurs der Aktie der Singulus AG erheblich zu
beeinflussen. Der Abschluss, die Änderung oder die Kündigung besonders bedeutsamer
Vertragsverhältnisse (einschließlich Kooperationsabkommen) hat in der Regel ein
erhebliches Preisbeeinflussungspotenzial (Ziffer IV.2.2.4 des Emittentenleitfadens der BaFin,
4. Aufl.; vgl. dazu Assmann in Assmann/Schneider, 6. Aufl., § 13 Rn. 68; Ritz in
Just/Voß/Ritz/Becker, WpHG, 2015, § 13 Rn. 138). Die Kurserheblichkeit einer Information ist
anhand einer Prognose auf Grundlage der im Zeitpunkt des Insidergeschäfts bestehenden
Informationslage zu beurteilen (Assmann in Assmann/Schneider, WpHG, 6. Aufl., § 13 Rn.
55). Nach der Insideranalyse der BaFin vom 27. März 2014 kommt der „Information über den
Großauftrag von M., die Gegenstand der Ad-Hoc-Meldung vom 12. September 2013 war,
erhebliche Kursrelevanz zu. Weil die Singulus AG zum Ende des zweiten Quartals 2013 nur
einen Orderbestand von knapp 40 Millionen EUR zu verzeichnen gehabt habe, mache das
Auftragsvolumen von 20 bis 30 Millionen EUR, das Gegenstand des Rahmenvertrags
gewesen sei, einen erheblichen Anteil der Aufträge aus. Der besondere Stellenwert dieses
Auftrags werde dadurch unterstrichen, dass die Singulus AG in einer Pressemitteilung vom
13. August 2013 ankündigte, nur mittels eines deutlichen Umsatzwachstums im Segment
Solar wieder ein positives EBIT erreichen zu können. Vor dem Hintergrund der massiven
Solarkrise misst die Analyse einem Auftrag von M. eine „besondere Signalwirkung“ zu. Dies
schlug sich auch in den Bewertungen dreier unabhängiger Analysten nieder, die das Kursziel
für die Aktie der Singulus AG infolge der Ad-Hoc-Mitteilung anhoben. Die Beurteilung der
Kurserheblichkeit einer Information erfolgt zwar ex-ante; dennoch stellt die nachfolgende
Reaktion des Marktes auf das Bekanntwerden der Information ein gewichtiges
Beweisanzeichen dar (BGH, Beschluss vom 27. Januar 2010 – 5 StR 224/09, juris Rn. 16).
Am 12. September 2013 erreichte der Schlusskurs der Aktie 1,748 EUR gegenüber 1,525
EUR am Vortag, was eine Steigerung um knapp 15 % ausmacht.
9 Die Kurserheblichkeit der Information wird nicht durch die auch nach Abschluss des
Rahmenvertrages verbleibende Unsicherheit infrage gestellt, ob tatsächlich eine
Lieferbeziehung mit M. zustande kommt. So meint der Verteidiger, der Rahmenvertrag
begründe noch keine verbindliche Abnahmepflicht und weise deshalb nur auf die
angestrebte technische Zusammenarbeit hin, die aber ohnehin aufgrund einer
Pressemitteilung vom 25. März 2013 schon bekannt gewesen sei. Ob M. aufgrund des
Rahmenvertrages bereits rechtlich verbindlich zur Abnahme der Maschinen verpflichtet war
und ob und in welchem Umfang eine unterbleibende Abnahme Schadensersatzpflichten von
M. auslöst, kann anhand des Vertragstextes allein nicht abschließend beurteilt werden. Nach
dem Vertragsentwurf, der im sichergestellten E-Mail-Verkehr enthalten ist, ist zwar unter Ziffer
1 geregelt, dass die Parteien über die Lieferung jeder einzelnen Maschine noch gesonderte
Verträge schließen werden. Jedoch legt der Vertrag in Ziffer 4 den exakten Preis für die
Lieferung der ersten Maschine fest und nennt in Ziffer 6 den 31. März 2014 als Liefertermin
unter der Bedingung, dass der konkrete Vertrag über die Lieferung der Maschine bis zum 15.
September 2013 geschlossen wird. Ziffer 16 des Vertrages regelt bereits Teilaspekte der
Folgen einer Stornierung des Auftrags. Die Beurteilung, inwiefern der Rahmenvertrag eine
Verpflichtung zum Abschluss von Verträgen über die Lieferung der einzelnen Maschinen
begründet, hängt vom Ablauf der Vertragsverhandlungen, den erkennbaren Interessen der
Vertragsparteien sowie den Regelungen des nach Ziff. 8.4 des Vertrages anwendbaren
Vertragsparteien sowie den Regelungen des nach Ziff. 8.4 des Vertrages anwendbaren
Rechts der Volkrepublik China ab und entzieht sich zumindest bei derzeitigem
Ermittlungsstand einer abschließenden Einschätzung. Hierauf kommt es aber auch nicht
entscheidend an. Nach Unterzeichnung einer Vereinbarung über die technische
Zusammenarbeit zwischen der Singulus AG und M. („Letter of Intent“) am 12. März 2013, die
durch eine Pressemitteilung vom 25. März 2013 bekannt gemacht wurde, ist der Abschluss
des Rahmvertrages ein wichtiger Schritt auf dem Weg zu der angestrebten Lieferung. Er
erhöhte die Wahrscheinlichkeit, dass es in der Folgezeit zu einer für den Wert der Aktien der
Singulus AG wichtigen Geschäftsbeziehung kommt. Aus der maßgeblichen Sicht eines
börsenkundigen Anlegers (vgl. dazu OLG Stuttgart, Beschluss vom 22. April 2009 – 20 Kap
1/08, juris Rn. 91 f.) im fraglichen Zeitpunkt handelte es sich deshalb um eine konkrete
Information, die für seine Anlageentscheidung von erheblicher Bedeutung ist. Dies bestätigen
letztlich auch die Analystenbewertungen. Dass entgegen der damaligen Erwartung die
Geschäftsbeziehung nicht oder nicht in der vorgestellten Weise zustande kam, beeinflusst
die damalige Bedeutung der Information nicht.
10 b) Die Beschuldigte steht im Verdacht, die Insiderinformation beim Erwerb der Aktien am 10.
und am 11. September 2013 bewusst verwendet zu haben. Nach den Angaben der bei der
Singulus AG als Prokuristin beschäftigten Mitarbeiterin H. führte der Ehemann der
Beschuldigten in China vor Abschluss des Rahmenvertrages vom 12. September 2013 die
Verhandlungen mit M. Dies wird durch den im Ermittlungsverfahren sichergestellten E-Mail-
Verkehr bestätigt.
11 2. Der Arrest kann nur in Höhe von 24.380,85 EUR angeordnet werden, weil lediglich in
dieser Höhe ein Anspruch auf Wertersatzverfall zu erwarten ist.
12 a) Erwirbt ein Beteiligter entgegen § 38 Abs. 1 Nr. 1, § 14 Abs. 1 Nr. 1 WpHG Insiderpapiere,
unterliegt der dadurch erzielte Sondervorteil, nicht jedoch der gesamte Wert der erworbenen
Papiere gemäß § 73 Abs. 1 Satz 1, § 73a Satz 1 StGB, Art. 1 Abs. 1 EGStGB dem
Wertersatzverfall.
13 Nach § 73 Abs. 1 Satz 1 StGB unterliegt dem Verfall, was der Täter aus der Tat erlangt hat.
Der Verfall zielt darauf, den Wert der wirtschaftlichen Vorteile abzuschöpfen, die dem Täter
aus der Tat zugeflossen sind. Dabei entspricht die Abschöpfung spiegelbildlich den durch die
Tat erlangten Vermögenswerten (vgl. BGH, Beschluss vom 27. Januar 2010 – 5 StR 224/09,
juris Rn. 30). Durch den Verfall sollen solche Vermögenwerte abgeschöpft werden, die der
Beteiligte nach dem Schutzzweck der Strafnorm nicht erlangen und behalten dürfen soll, weil
die Rechtsordnung sie als das Ergebnis einer rechtswidrigen Vermögensverschiebung
bewertet (BGH, Urteile vom 19. Januar 2012 – 3 StR 343/11, BGHSt 57, 79 Rn. 14; vom 27.
November 2013 – 3 StR 5/13, BGHSt 59, 80 Rn. 29). § 14 Abs. 1 Nr. 1 WpHG verbietet zwar
den Erwerb und die Veräußerung der Insiderpapiere als solchen (vgl. Schröder, Handbuch
Kapitalmarktstrafrecht, 3. Aufl., Rn. 616c; Vogel, JZ 2010, 370, 372). Der Zweck des Verbots
richtet sich jedoch nicht gegen die mit der Transaktion verbundene Übertragung der
Wertpapiere an sich. Vielmehr will das Verbot verhindern, dass der Insider durch die
Transaktion einen Sondervorteil erlangt.
14 Dementsprechend hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass bei einem Insider, der
Wertpapiere entgegen § 14 Abs. 1 Nr. 1 WpHG veräußert, nicht der gesamte
Veräußerungserlös, sondern nur der durch das Insiderwissen erzielte Sondervorteil
abgeschöpft werden kann (BGH, Beschluss vom 27. Januar 2010 – 5 StR 224/09, juris Rn.
31; zustimmend Bauer, NStZ 2011, 396, 397; Gehrmann in Schork/Groß, Bankstrafrecht,
2013, Rn. 544; Klepsch in Just/Voß/Ritz/Becker, WpHG, 2015, § 38 Rn. 44; Pananis in
Münchener Kommentar zum StGB, 2. Aufl., § 38 WpHG, § 38 Rn. 254; Schröder, Handbuch
Kapitalmarktstrafrecht, 3. Aufl., Rn. 365b; ablehnend Altenhain in Kölner Kommentar zum
Kapitalmarktstrafrecht, 3. Aufl., Rn. 365b; ablehnend Altenhain in Kölner Kommentar zum
WpHG, 2. Aufl., § 38 Rn. 161; Eser in Schönke/Schröder, StGB, 29. Aufl., § 73 Rn. 17;
Hilgendorf, Kapitalmarktstrafrecht, 3. Aufl., § 38 WpHG Rn. 282; Schumann in Müller-
Gugenberger, Wirtschaftsstrafrecht, 6. Aufl. 2015, § 68 Rn. 88; Vogel in Assmann/Schneider,
6. Aufl., WpHG, § 38 Rn. 94; Vogel, JZ 2010, 370, 372). Nicht ausdrücklich entschieden ist,
ob dies auch in der – hier vorliegenden – Konstellation gilt, in der ein Insider Wertpapiere
unter Verwendung der Insiderinformation entgegen § 14 Abs. 1 Nr. 1 WpHG erwirbt (so
ausdrücklich Waßmer in Fuchs, WpHG, 2009, § 38 Rn. 83; vgl. dazu auch Gehrmann in
Schork/Groß, Bankstrafrecht, 2013, Rn. 544; dagegen Diversy in Graf/Jäger/Wittig,
Wirtschafts- und Steuerstrafrecht, 2011, § 38 WpHG Rn. 190, wonach in dieser Konstellation
der Wert der erworbenen Insiderpapiere insgesamt dem Verfall unterliegen soll). Der Senat
sieht auch in dieser Konstellation des nach § 14 Abs. 1 Nr. 1 WpHG verbotenen Erwerbs von
Insiderpapieren den im Sinne von § 73 Abs. 1 Satz 1 StGB erlangten Vermögenswert in dem
unter Verwendung der Insiderinformation erlangten Vermögensvorteil und nicht im Wert der
erworbenen Papiere.
15 Das hier in Rede stehende Erwerbsverbot des § 14 Abs. 1 Nr. 1 Fall 1 WpHG soll ebenso wie
das Veräußerungsverbot des § 14 Abs. 1 Nr. 1 Fall 2 WpHG verhindern, dass der Insider
einen Sondervorteil erlangt. Es macht keinen Unterschied, ob der erlangte Sondervorteil darin
besteht, dass der Insider durch eine Veräußerung der Wertpapiere einen Verlust vermeidet
oder durch einen Erwerb der Wertpapiere einen Gewinn erzielt.
16 In der Bestimmung des Verfalls anhand des Sondervorteils liegt kein systemwidriger Rückgriff
auf die Rechtsfigur des rechtmäßigen Alternativverhaltens und keine Rückkehr zum
Nettoprinzip (so aber Altenhain in Kölner Kommentar zum WpHG, 2. Aufl., § 38 Rn. 160;
Vogel, JZ 2010, 370, 372). Das Abstellen auf den Sondervorteil ist vielmehr Folge einer am
Verbotszweck orientierten Auslegung (vgl. BGH, Urteil vom 19. Januar 2012 – 3 StR 343/11,
BGHSt 57, 79 Rn. 18). Der Zweck des Verbots des § 14 Abs. 1 Nr. 1 WpHG besteht darin zu
verhindern, dass der Täter einen Insidervorteil erlangt. Das durch die Tat Erlangte besteht
deshalb von vornherein nur in dem durch die verbotene Transaktion zugeflossenen
Sondervorteil. Eine am Verbotszweck orientierte Bestimmung des dem Verfall unterliegenden
Vermögensgegenstandes verletzt nicht das der Regelung des § 73 Abs. 1 Satz 1 StGB
zugrunde liegende Bruttoprinzip, wonach die gesamten durch die Tat erlangten
Vermögenszuflüsse und nicht nur ein – nach Abzug der Aufwendungen – erzielter
Vermögensvorteil abgeschöpft wird. Das Bruttoprinzip besagt lediglich, dass der erlangte
wirtschaftliche Wert „brutto“ – also ohne gewinnmindernde Abzüge – anzusetzen ist. Dem
vorgreiflich ist jedoch die Frage, welche wirtschaftlichen Werte der Täter durch seine Tat
überhaupt erlangt hat (vgl. BGH, Urteil vom 19. Januar 2012 – 3 StR 343/11, BGHSt 57, 79
Rn. 18; Gehrmann in Schork/Groß, Bankstrafrecht, 2013, Rn. 542).
17 Dass § 14 Abs. 1 Nr. 1 WpHG in der seit dem 30. Oktober 2004 geltenden Fassung nach
dem Anlegerschutzverbesserungsgesetz vom 28. Oktober 2004 (BGBl I 2004, S. 2630) statt
einem „Ausnutzen“ nur noch die „Verwendung“ der Insiderinformation verlangt, steht einer
Bestimmung des Verfallsgegenstand anhand des erlangten Sondervorteils nicht entgegen
(so aber Schumann in Müller-Gugenberger, Wirtschaftsstrafrecht, 6. Aufl., § 68 Rn. 89). Die
Neufassung wollte Beweisschwierigkeiten beseitigen, die dadurch entstanden waren, dass
die Erlangung eines Vermögensvorteils als maßgebliches Motiv verlangt wurde (BT-Drucks.
15/3174, S. 34). Am objektiven Zweck der Verbotsnorm, die Erlangung von Sondervorteilen
im Interesse der Funktionsfähigkeit des Kapitalmarkts zu verhindern, hat sich dadurch nichts
geändert. Nach wie vor erforderlich ist, dass der Täter die Insiderinformation „in sein Handeln
einfließen lässt“ (BT-Drucks. 15/3174, S. 34), was eine Verknüpfung des Erwerbs oder der
Veräußerung der Wertpapiere mit der Insiderinformation herstellt. Der Grund für das Verbot
liegt deshalb weiterhin in der durch die Verwendung der Insiderinformation geprägten Art und
Weise des Zustandekommens des Geschäfts.
Weise des Zustandekommens des Geschäfts.
18 Für das Abstellen auf den durch das Insidergeschäft erlangten Sondervorteil spricht auch,
dass ein gegen das Verbot des § 14 Abs. 1 Nr. 1 WpHG verstoßendes Rechtsgeschäft
jedenfalls dann nicht gemäß § 134 BGB nichtig ist, wenn der Vertragspartner – wie
regelmäßig – keine Kenntnis von dem Verstoß hat. Das Verbot der Verwertung von
Insiderinformationen richtet sich nicht gegen den Inhalt der jeweiligen Geschäfte, sondern
gegen die Art und Weise ihres Zustandekommens (vgl. Assmann in Assmann/Schneider,
WpHG, 6. Aufl., § 14 Rn. 206 f.; Klöhn in Kölner Kommentar zum WpHG, 2. Aufl., § 14 Rn.
515).
19 Ein Widerspruch zu Fällen der Marktmanipulation gemäß § 38 Abs. 2, § 39 Abs. 1 Nr. 1, §
20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WpHG, bei denen der gesamte Verkaufserlös dem Verfall unterliegt
(BGH, Urteil vom 27. November 2013 – 3 StR 5/13, BGHSt 59, 80 Rn. 28 ff.), besteht nicht.
Bei einer solchen Marktmanipulation führt der – typischerweise durch kollussives
Zusammenwirken der an der Transaktion beteiligten Personen gebildete – Börsenpreis den
tatbestandlichen Erfolg herbei. Das Verbot solcher Geschäfte richtet sich deshalb nicht nur
gegen die Art und Weise ihrer Ausführungen, sondern zielt darauf, die Transaktionen als
solche wegen ihrer manipulativen Einwirkung auf den Börsenpreis zu verhindern (vgl. BGH,
Urteil vom 27. November 2013 – 3 StR 5/13 BGHSt 59, 80 Rn. 28 ff.).
20 b) Gemäß § 73 Abs. 1 Satz 1 StGB unterliegt der Bruttoerlös, den die Beschuldigte durch die
ihr zur Last gelegte Tat erzielt hat, dem Verfall. Aufwendungen, die dem Täter zur Erlangung
der Vermögenswerte entstanden sind, sind bei der Bestimmung des dem Verfall
unterliegenden Vermögensgegenstandes nicht abzusetzen. Dementsprechend bleiben beim
Erwerb und bei der Veräußerung von Wertpapieren Aufwendungen für Bank- und
Börsenentgelte sowie Provisionen außer Betracht (Klepsch in Just/Voß/Ritz/Becker, WpHG,
2015, § 38 Rn. 44). Daran gemessen sind hier für die Bestimmung des dem Verfall
unterliegenden Sondervorteils die Kurswerte der Aktien und nicht die Endbeträge der
Abrechnung der Transaktionen maßgebend. Die Beschuldigte hat Aktien zum Kurswert von
315.719,15 EUR erworben und sie zum Kurswert von 340.100,00 EUR veräußert.
21 c) Die Ermittlung der Höhe des voraussichtlichen Verfalls des Wertersatzes kann für den hier
in Rede stehenden dinglichen Arrest vorläufig anhand der Differenz der Kurswerte für den
Erwerb und für die Veräußerung der Aktien von 24.380,85 EUR erfolgen. Der durch die
Verwendung einer Insiderinformation erlangte Sondervorteil kann gemäß § 73b StGB durch
eine Schätzung ermittelt werden. Die Schätzung darf zwar in Fällen verbotener
Insidergeschäfte grundsätzlich nicht allein durch die Betrachtung des Kursverlaufs an dem
Handelstag, an dem die frühere Insiderinformation allgemein bekannt gemacht wurde,
bestimmt werden. So sind bei der Schätzung regelmäßig die Kursentwicklung der Aktien der
unmittelbaren Wettbewerber, die tatzeitbezogenen Börsen- und Markttrends und die übliche
Schwankungsbreite des Wertpapiers in den Blick zu nehmen. Dadurch werden insbesondere
technische Überreaktionen im Zeitpunkt der Veröffentlichung ausgeblendet (vgl. BGH,
Beschluss vom 27. Januar 2010 – 5 StR 224/09, juris Rn. 27, 32). Jedoch dürfen wegen der
Vielzahl der Faktoren, die für die Bildung eines Börsenpreises maßgeblich sind, die
Anforderungen an die Ermittlung des Sondervorteils nicht überspannt werden (BGH,
Beschluss vom 27. Januar 2010 – 5 StR 224/09, juris Rn. 28). Jedenfalls für den hier in Frage
stehenden dinglichen Arrest, der die Vollstreckung des zu erwartenden Wertersatzverfalls
vorläufig sichern soll, genügt unter den hier maßgeblichen Umständen eine Ermittlung
anhand des durch den Erwerb und die Veräußerung erzielten Bruttoerlöses. Die
Beschuldigte veräußerte ihre Aktien nicht bereits am Ende des Handelstages der
Veröffentlichung der Ad-Hoc-Mitteilung, an dem der Schlusskurs 1,748 EUR betrug, sondern
erst am darauf folgenden Handelstag zu Kursen von 1,63 EUR und 1,61 EUR. Hierdurch
dürften technische Überreaktionen und übliche Preisschwankungen bereits weitgehend aus
dürften technische Überreaktionen und übliche Preisschwankungen bereits weitgehend aus
der Wertermittlung ausgeschieden sein.
22 3. Es ist nicht ersichtlich, dass die zu erwartende Anordnung des Verfalls des Wertersatzes –
in der verbleibenden Höhe – eine unbillige Härte für die Beschuldigte darstellt und deswegen
gemäß § 73c Abs. 1 Satz 1 StGB unterbleiben müsste. Ebenso wenig ist nach derzeitigem
Kenntnisstand anzunehmen, dass das Gericht im Fall einer Verurteilung im Hinblick darauf,
dass das Erlangte nicht mehr vollständig im Vermögen der Beschuldigten vorhanden ist, von
der durch § 73c Abs. 1 Satz 2 Fall 1 StGB eingeräumten Möglichkeit Gebrauch macht, auf die
Verfallsanordnung insoweit zu verzichten.
23 Mit hoher Wahrscheinlichkeit verfügt die Beschuldigte über erhebliches Einkommen und
Vermögen. Es steht deshalb nicht zu erwarten, dass sie durch die Anordnung des Arrests in
der verbleibenden Höhe von 24.380,85 EUR in ernsthafte wirtschaftliche Schwierigkeiten
gerät. Ausweislich eines Beratungsprotokolls der V. Bank e. G. vom 22. Dezember 2011 gab
die Beschuldigte damals ein regelmäßiges monatliches Einkommen von 20.000 EUR aus
selbständiger Tätigkeit an; abzüglich 2.000 EUR fixer Verpflichtungen stünden ihr monatlich
18.000 EUR zur Verfügung. Ihr Vermögen aus Bankguthaben bezifferte sie auf rund 500.000
EUR, ihr Wertpapiervermögen auf 1.000.000 EUR und den Wert einer selbst genutzten
Immobilie auf 500.000 EUR. Aus einem Kontoauszug vom 2. Januar 2014 geht hervor, dass
das Konto der Beschuldigten bei der V- Bank e. G. zum 31. Dezember 2013 ein Guthaben
von 1.296.385,08 EUR aufwies. Anhaltspunkte dafür, dass die Beschuldigte ihr Einkommen
und ihr Vermögen vollständig oder nahezu vollständig verloren hätte, liegen nicht vor. Die
vom Verteidiger vorgelegte Mahnung eines Lebensversicherers über offene Prämien von
211,48 EUR ist vor diesem Hintergrund – jedenfalls ohne eine umfassende Darlegung ihrer
gegenwärtigen Einkommens- und Vermögenssituation mit entsprechenden Nachweisen –
nicht geeignet, auf eine akute finanzielle Notlage hinzuweisen.
24 Die Differenz zwischen dem hier anhand der Kurswerte bestimmten dem voraussichtlichen
Wertersatzverfall unterliegenden Betrag von 24.380,85 EUR und dem sich aus den
Abrechnungen über die Wertpapiergeschäfte ergebenden Nettoerlös von 17.399,85 EUR der
in Deutschland nicht steuerpflichtigen Beschuldigten ist nicht derart hoch, dass unter
Berücksichtigung der derzeit bekannten Gesamtumstände ein teilweises Absehen von der
Anordnung des Wertersatzverfalls nach § 73c Abs. 1 Satz 2 Fall 1 StGB geboten erscheint.
25 4. Zutreffend haben die Vorinstanzen einen Arrestgrund gemäß § 111d Abs. 2, § 917 ZPO
angenommen, denn es bestehen konkrete Anhaltspunkte dafür, dass im Fall der Anordnung
des Wertersatzverfalls dessen Beitreibung unmöglich oder wesentlich erschwert ist. Ob die in
China lebende Beschuldigte zum maßgeblichen Zeitpunkt noch über inländisches Vermögen
verfügen wird, erscheint zweifelhaft. Ob die Vermögenswerte, die dem Zugriff im Wege der
Zwangsvollstreckung unterliegen, ermittelt werden können, erscheint fraglich.
26 5. Die Anordnung des dinglichen Arrests gemäß § 111d Abs. 1 Satz 1 StPO steht im
Ermessen des Gerichts (vgl. Vogel in Assmann/Schneider, WpHG, 6. Aufl., § 38 Rn. 90).
Insbesondere angesichts der Höhe des zu erwartenden Wertersatzverfalls, der Stärke des
Tatverdachts und des Ausmaßes der zu erwartenden Erschwernisse der Beitreibung hält der
Senat in Übereinstimmung mit den Vorinstanzen die Anordnung des dinglichen Arrests für
angemessen.