Urteil des OLG Stuttgart vom 21.04.2016

treu und glauben, agb, juristische person, abmahnung

OLG Stuttgart Urteil vom 21.4.2016, 2 U 162/15
Tenor
1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Vorsitzenden der 1. Kammer für Handelssachen des
Landgerichts Heilbronn vom 27. Oktober 2015 (Az.: 21 O 62/15 KfH) wird
zurückgewiesen
.
2. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Beklagten wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung des Klägers aus der Hauptsache durch
Sicherheitsleistung in Höhe von 5.000,- EUR und diejenige aus dem Kostenpunkt durch Sicherheitsleistung in
Höhe von 120% des vollstreckbaren Kostenbetrages abzuwenden, sofern nicht der Kläger vor der Vollstreckung
Sicherheit in Höhe von 120% des beizutreibenden Betrages leistet.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
Streitwert
für beide Rechtszüge 4.000,- EUR.
Gründe
I.
1 Der Kläger verlangt von der Beklagten Vertragsstrafe nebst Zinsen in Zusammenhang mit einer
Wettbewerbshandlung.
2 Wegen des Sachverhalts wird auf die tatsächlichen Feststellungen in dem Urteil des Vorsitzenden der 1.
Kammer für Handelssachen des Landgerichts Heilbronn vom 27. Oktober 2015 (Az.: 21 O 62/15 KfH) Bezug
genommen (§ 540 Abs. 1 ZPO).
3 Das Landgericht hat der Klage stattgegeben und hierzu ausgeführt:
4
Das Landgericht sei sachlich zuständig, da die Vertragsstrafenabrede der Parteien sich aus einer
Wettbewerbssache ergeben habe.
5
Die Vereinbarung sei wirksam zustande gekommen. Der Zahlungsanspruch folge Vertragsrecht. Die
Forderung sei weder treu- noch sittenwidrig.
6
Die Beklagte habe schuldhaft gegen ihre Verpflichtung aus dem Vertragsstrafenversprechen verstoßen.
Zwar würden die Begriffe „Unternehmer“ und „Kaufmann“ weithin synonym verwendet, seien aber doch
nicht völlig deckungsgleich. Gerade in Abgrenzungsfällen spielten die Unterschiede eine Rolle.
7
Der Kläger habe eine konkrete Fassung der AGB der Beklagten angegriffen. Es könne nicht angenommen
werden, dass diese nach dem Parteiwillen daraufhin habe unverändert bleiben sollen. Dann wäre die
Vereinbarung ein Nullum.
8
AGB-Recht sei nicht anwendbar. Es fehle schon an einem substantiierten Vortrag dazu, dass die Klausel vom
Kläger für eine Vielzahl von Fällen bestimmt gewesen sei. Die Abmahnung sei vielmehr auf die AGB der
Beklagten ausgerichtet gewesen. Der nicht nachgelassene Schriftsatz der Beklagten hierzu gebe keinen
Anlass, die mündliche Verhandlung wieder zu eröffnen.
9
Die Beklagte habe die zu ihren Lasten bestehende Verschuldensvermutung nicht widerlegt.
10 Gegen dieses Urteil hat die Beklagte form- und fristgerecht Berufung eingelegt und ihr Rechtsmittel
prozessordnungsgemäß begründet.
11 Sie trägt vor:
12 Das Landgericht wäre sachlich nicht zuständig gewesen.
13 Da das Landgericht bei der Zuständigkeit Wettbewerbsrecht für anwendbar halte, sei es gehalten, sich auch
zur materiellen Rechtslage der Regeln des UWG zu bedienen. Dort sei der Begriff des Kaufmanns seit
langem durch den Begriff des Unternehmers ersetzt. Dieser gelte auch im AGB-Recht. Im Rechtsverkehr
gebe es den Kaufmann nicht mehr.
14 Es sei nicht ersichtlich, dass die Gerichtsstandsklausel der Beklagten geeignet sei, den Geschäftsverkehr
„spürbar" im Sinne von § 3 Abs. 1 UWG zu beeinträchtigen. Insbesondere lägen keine Verstöße gegen
verbraucherschützende Normen vor.
15 Verbraucher zählten unstreitig nicht zum Kundenkreis der Beklagten.
16 Der Kläger handele missbräuchlich im Sinne von § 8 Abs. 4 S. 1 UWG, wie schon bei der Abmahnung. Weder
sei ersichtlich, dass er Wettbewerber der Beklagten vertrete, noch seien Interessen der Allgemeinheit
betroffen. Der Kläger verfolge nur eigene finanzielle Interessen.
17 Die Vertragsstrafenvereinbarung unterliege ihrerseits der AGB-Kontrolle. Dass der Kläger sich solcher
Formulierungen wiederholt bedient habe, sei unter Beweisantritt vorgetragen gewesen (Schriftsatz vom
27.10.2015). Dies dürfte auch evident und gerichtsbekannt sein.
18 Die Formulierung sei mit dem Bezug auf den kaufmännischen Verkehr überraschend im Sinne von § 305c
BGB. Darüber hinaus sei sie intransparent im Sinne des § 307 BGB und täusche über die Rechtslage. Der
Text sei auch widersprüchlich, da er zunächst vom geschäftlichen Verkehr spreche, dann aber zum
handelsrechtlichen Kaufmannsbegriff springe. Es sei von einer empfängerfreundlichen Auslegung
auszugehen.
19 Die Begriffe „Unternehmer" und „Kaufmann" würden außerhalb des Kernbereichs des hier nicht
einschlägigen HGB häufig synonym verwendet (vgl. BGH, GRUR 2014, 93; BGH, MMR 2012, 166).
20 Die Beklagte beantragt,
21 das landgerichtliche Urteil abändernd, die Klage abzuweisen.
22 Hilfsweise: Zurückverweisung nach § 538 Abs. 3 ZPO.
23 Der Kläger beantragt,
24 die Berufung zurückzuweisen.
25 Er verteidigt die Verurteilung:
26 Das Landgericht sei sachlich zuständig gewesen.
27 Der Einordnung der Sache als wettbewerbsrechtliche Streitigkeit stehe nicht entgegen, dass es um
Zahlungsansprüche aus einem Vertragsstrafenversprechen gehe.
28 Der Anspruch folge aus dem Verstoß der Beklagten gegen ihre Pflicht aus dem Vertragsstrafenversprechen.
Die Beklagte sei ihrem Versprechen nicht nachgekommen.
29 Davon, ihre AGB unverändert weiterverwenden zu dürfen, habe die Klägerin nicht ausgehen können,
weshalb die Beschränkung auf den kaufmännischen Verkehr auch nicht überraschend gewesen sei. Die
Beklagte habe sich privatautonom verpflichtet. Zudem sei der Wortlaut des § 38 Abs. 1 ZPO maßgebend;
eine Auslegung gegen den Wortlaut scheide aus. Die Beklagte trage selbst vor, dass die Begriffe
„Kaufmann“ und „Unternehmer“ nicht deckungsgleich seien.
30 Die Voraussetzungen eines Rechtsmissbrauchs lägen weder tatsächlich noch rechtlich vor.
31 Der Vertragsstrafenvertrag der Parteien sei eine Individualvereinbarung und unterfalle nicht dem AGB-
Recht. Die Abmahnung sei auf den Einzelfall zugeschnitten. Sie erlaube ausdrücklich auch die Abgabe einer
abweichenden Unterlassungserklärung (K 3).
32 Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens im zweiten Rechtszug nimmt der Senat Bezug auf
die im Berufungsverfahren eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen und auf die Sitzungsniederschrift vom
14. April 2016.
II.
33 Die Berufung ist zulässig, aber unbegründet. Die Angriffe der Berufung vermögen das nicht an von Amts
wegen zu beachtenden Fehlern leidende landgerichtliche Urteil nicht zu erschüttern. Vorab wird auf die
zutreffenden Ausführungen des Landgerichts Bezug genommen, um Wiederholungen zu vermeiden. Zu den
Angriffen der Berufung ist darüber hinaus auszuführen:
A
34 Das Vorbringen der Berufung enthält keine durchgreifenden Verfahrensrügen.
1.
35 Die Zuständigkeitsrüge der Beklagten scheitert schon daran, dass das Berufungsgericht die sachliche
Zuständigkeit nicht mehr zu prüfen hat, wenn das Gericht des ersten Rechtszuges sich, wie vorliegend das
Landgericht, als sachlich zuständig angesehen hat (§ 513 Abs. 2 ZPO).
2.
36 Soweit die Berufung zur Anwendbarkeit des AGB-Rechts auf den streitgegenständlichen
Vertragsstrafenvertrag auf ihren nicht nachgelassenen Schriftsatz Bezug nimmt, führt sie schon keine
ordnungsgemäße Verfahrensrüge aus; sie bringt lediglich vor, dieser Vortrag hätte zu einer anderen
rechtlichen Einschätzung des Vertrages führen müssen. Sie deutet damit die Rüge einer Gehörsverletzung
nur an. Das Landgericht hat das Vorbringen in diesem Schriftsatz, obwohl es nach § 296a ZPO hätte
zurückgewiesen werden können, seiner Entscheidung zugrunde gelegt. Die Berufung legt nicht dar,
inwiefern dieser Vortrag zu einem anderen Prozessergebnis hätte führen müssen.
B
37 Auch die Sachrüge der Berufung bleibt ohne Erfolg.
1.
38 Wie bereits vom Landgericht zutreffend ausgeführt, resultiert der Klageanspruch nicht aus dem
Wettbewerbsrecht, sondern aus der privatautonom geschlossenen Vereinbarung der Parteien, deren
wirksames Zustandekommen durch den Vortrag der Beklagten nicht in Zweifel gezogen wird. Durch den
Abschluss dieses Vertrages haben die Parteien untereinander eine neue, von der vor Vertragsschluss
bestehenden geschiedene Rechtslage geschaffen. Deren Inhalt ist am Maßstab der §§ 133, 157 BGB zu
ermitteln und nicht an die Vorgaben des Wettbewerbsrechts gebunden.
39 Daran gehen die Erwägungen der Berufung zu § 8 Abs. 4 UWG ebenso vorbei wie ihr gesamter auf das
Bestreiten eines lauterkeitsrechtlichen Unterlassungsanspruchs des Klägers gerichteter Vortrag.
2.
40 Die Vorschriften des AGB-Rechts sind auf die Pflichten der Parteien aus dem genannten Vertrag nicht
anwendbar.
a)
41 Wie schon vom Landgericht ausgeführt, hat die Beklagte nicht substantiiert dargetan, dass es sich bei der
Abmahnung des Klägers um eine für eine Vielzahl von Fällen bestimmte Erklärung gehandelt habe. Hierzu
wäre substantiierter Vortrag der Beklagten über andere Verwendungsfälle oder zu einer
Verwendungsabsicht erforderlich gewesen. Dagegen spricht auch, wie vom Landgericht hervorgehoben, der
individuelle Bezug auf die konkreten AGB der Beklagten.
b)
42 Darüber hinaus hatte der Kläger der Beklagten unstreitig die Möglichkeit eingeräumt, eine von der
vorgeschlagenen abweichende Unterlassungserklärung abzugeben. Damit kann nicht mehr von
vorformulierten, dem Aushandeln entzogenen Vertragsbestimmung gesprochen werden.
c)
43 Schließlich kommt die Anwendung von AGB-Recht auch deshalb nicht in Betracht, weil die Auslegung der
vertraglichen Hauptpflicht der Beklagten im Streit steht. Vertragliche Hauptpflichten sind aber der
Überprüfung am Maßstab des AGB-Rechts entzogen. Sie unterliegen, da Ausfluss privatautonomer
Willensentscheidung, keiner Angemessenheitskontrolle (vgl. zur Abgrenzung der Preisabrede BGH, Urteil
vom 16. Februar 2016 – XI ZR 63/15, bei juris Rz. 30, m.w.N.), sondern nur einer weit weniger
einschneidenden Schrankenkontrolle am Maßstab der gesetzlichen Generalklauseln.
3.
44 Das Landgericht hat den Vertragsstrafenvertrag der Parteien zutreffend ausgelegt.
a)
45 Die Auslegung eines Unterlassungsvertrages richtet sich nach den allgemeinen für die Vertragsauslegung
geltenden Regeln. Maßgebend ist demnach der wirkliche Wille der Vertragsparteien (§§ 133, 157 BGB).
Abzustellen ist in erster Linie auf den Wortlaut der Vereinbarung, wobei grundsätzlich davon auszugehen
ist, dass die Parteien sich dem allgemeinen Wortsinn entsprechend erklären wollten. Dies schließt das Recht
der Parteien nicht aus, ihren Erklärungen eine dem allgemeinen Sprachgebrauch zuwiderlaufende
Bedeutung beizumessen, was namentlich bei einer Vereinbarung innerhalb von Fachkreisen eine Rolle
spielen kann, aber nicht auf sie beschränkt ist; entscheidend ist der übereinstimmende Wille der Parteien im
Zeitpunkt des Vertragsschlusses in Bezug auf den Vertragsinhalt. Um diesen zu ermitteln, sind ergänzend
die der jeweils anderen Seite erkennbaren Interessen ihres Vertragspartners, Sinn und Zweck der Abrede
und die den Parteien bekannten Begleitumstände zu berücksichtigen (vgl. statt vieler BGH, Urteile vom 11.
November 2014 – VI ZR 18/14, MDR 2015, 25, bei juris Rz. 9, m.w.N.; und vom 13. Februar 2003 – I ZR
281/01, MDR 2003, 1005, bei juris Rz. 20 ff.). Die Vertragsfreiheit erlaubt es, auch ungünstige Verträge
abzuschließen, und das Vertragsrecht bindet die Parteien auch an solche. Sie können nicht ex post qua
Auslegung korrigiert werden.
b)
46 Diese Auslegungsgrundsätze hat das Landgericht zutreffend angewandt. Die Berufung geht fehl mit ihrer
Auffassung, da sich ihre Allgemeine Geschäftsbedingung zum Gerichtsstand - unstreitig - nur an
Unternehmer richten, habe sie sich in dem in der Vertragsstrafenvereinbarung als Ausnahmetatbestand
formulierten, vereinbarten Bereich zulässiger Weiterverwendung bewegt.
aa)
47 Dagegen spricht schon der Wortlaut der Vereinbarung, der nicht von Unternehmern spricht, sondern den
kaufmännischen Verkehr als Nutzungsbereich für die Klausel offen lässt.
(1)
48 Die Beklagte trägt selbst vor, dass beide Begriffe nur weitgehend synonym verwandt werden, aber nicht
völlig kongruent sind.
(2)
49 Nimmt ein Rechtsbegriff erkennbar auf eine gesetzliche Regelung Bezug; so ist bei seiner Auslegung von der
Legaldefinition auszugehen (vgl. BGH, Urteile vom 29. April 2014 – II ZR 395/12, MDR 2014, 787, bei juris
Rz. 24; und vom 19. März 2003 - VIII ZR 135/02, ZIP 2003, 1095, 1096).
50 Ein solcher Bezug besteht vorliegend. Allerdings besteht er nicht auf das Wettbewerbs- oder das AGB-Recht,
sondern auf die zivilprozessualen Bestimmungen in § 38 ZPO. Nach § 38 Abs. 1 ZPO wird ein an sich
unzuständiges Gericht des ersten Rechtszuges durch ausdrückliche oder stillschweigende Vereinbarung der
Parteien zuständig, wenn die Vertragsparteien Kaufleute, juristische Personen des öffentlichen Rechts oder
öffentlich-rechtliche Sondervermögen sind.
(3)
51 Der von der Berufung vorgetragene Widerspruch innerhalb der Vertragsstrafenvereinbarung besteht nicht.
Die an anderer Stelle genannte Verwendung der Klausel im geschäftlichen Verkehr stellt keinen Bezug auf
eine Unternehmereigenschaft des Adressaten her, sondern nur zum Handlungsrahmen, in welchem der
Verwender (die Beklagte) durch die intendierte Vereinbarung gebunden sein soll.
bb)
52 Die Bezugnahme auf den Kaufmannsbegriff, wie ihn § 38 Abs. 1 ZPO verwendet, lag im erkennbaren
Interesse des Klägers im Zeitpunkt der Abmahnung und des damit verbundenen Vertragsangebotes, auf das
sich die Beklagte durch ihr strafbewehrtes Unterlassungsversprechen eingelassen hat. Dem Kläger ging es
erkennbar darum, die Gerichtsstandsklausel deshalb aus den AGB der Beklagten zu verbannt zu sehen, weil
sie diese als gegen § 38 Abs. 1 ZPO verstoßend ansah. Der gesetzlichen Systematik, die in § 38 Abs. 1 ZPO
zum Ausdruck kommt, entspricht auch der systematische Aufbau des klägerischen Vorschlages für eine
Unterwerfungsvereinbarung als Verbot mit Ausnahmevorbehalt.
cc)
53 Das Begehren des Klägers in seiner Abmahnung war auf die dort genannten konkreten AGB-Klauseln
gerichtet. Damit war für einen objektiven Dritten an der Stelle der Beklagten auch klar, dass der Kläger
darauf abzielte, eine Abänderung der angegriffenen Klauseln zu erwirken. Dieser Intention widerspräche
eine Auslegung dahin, dass die Beklagte ihre angegriffene Gerichtsstandsklausel gleichwohl unverändert
sollte verwenden dürfen, weil sie ihre AGB insgesamt nur gegenüber Unternehmern zum Einsatz brachte.
Insoweit schlägt der streng an das HGB angelegte Kaufmannsbegriff aus § 38 Abs. 1 ZPO durch, der auf die
gesetzliche Definition in §§ 1 ff. HGB aufbaut. Die Grundnorm, § 1 Abs. 1 HGB, definiert denjenigen als
Kaufmann, der ein Handelsgewerbe betreibt.
54 Darunter fallen nicht Freiberufler wie Rechtsanwälte (vgl. Hans. OLG Hamburg, Beschluss vom 18. Januar
2008 – 13 AR 37/07, OLGR 2008, 340; bei juris Rz. 15; vgl. zum medizinischen Sektor Prechtel, MDR 2006,
246, m.w.N.).
55 Sie können aber gleichwohl Unternehmer sein. Denn Unternehmer ist nach § 14 BGB eine natürliche oder
juristische Person oder eine rechtsfähige Personengesellschaft, die bei Abschluss eines Rechtsgeschäfts in
Ausübung ihrer gewerblichen oder selbständigen beruflichen Tätigkeit handelt (s. zum Beginn der
Unternehmereigenschaft BGHZ 162, 253, m.w.N.).
56 Auch über die Beschränkung der Kaufmannseigenschaft in § 1 Abs. 2 HGB unterscheiden sich beide
Rechtsbegriffe voneinander (vgl. Schleswig-Holsteinisches OLG, Urteil vom 12. November 2009 – 16 U
30/09, bei Rz. 18 ff., m.w.N.; OLG Köln, Urteil vom 21. November 1991 – 18 U 113/91, NJW-RR 1992, 571; s.
auch Schneider, BB 2011, 2440).
57 Der Umstand, dass § 38 Abs. 1 HGB Gerichtsstandsvereinbarungen auch für juristische Personen des
öffentlichen Rechts und öffentlich-rechtliche Sondervermögen zulässt, bleibt für die Auslegung ohne Einfluss.
Im Übrigen stand es den Parteien frei, eine Ausnahme zu vereinbaren, die hinter dem Maß der nach § 38
Abs. 1 ZPO zulässigen Gerichtsstandsvereinbarungen zurück blieb. Ob dies gewollt war oder ob der
kaufmännische Verkehr deckungsgleich sein sollte mit dem in § 38 Abs. 1 ZPO beschriebenen
Rechtsträgerkreis, kann dahinstehen. Denn die Parteien streiten nicht übe diese Abgrenzung, sondern über
diejenige zwischen dem Kaufmanns- und dem Unternehmerbegriff.
dd)
58 Die Beklagte hat weder einen Vorbehalt erklärt, noch wäre aus anderen Begleitumständen erkennbar, dass
sie sich offen halten wollte, ihre bisherige Gerichtsstandsklausel unverändert weiter nutzen zu können.
Darin hätte auch ein widersprüchliches Verhalten gelegen.
c)
59 Darauf, ob die Verwendung dieser Klausel ursprünglich wettbewerbswidrig war, kommt es somit nicht mehr
an.
4.
60 Der Vertrag ist weder unwirksam, noch weggefallen.
a)
61 Feststellungen, aus denen sich ein Fehlen der Geschäftsgrundlage ersehen ließe, hat das Landgericht nicht
getroffen. Die Berufung bringt ein solches auch nicht vor.
b)
62 Die von der Beklagten behauptete Täuschung führte selbst dann, wenn sie vorgelegen haben sollte, nicht
schon aus sich heraus zu einer Unwirksamkeit des Vertrages, sondern allenfalls zu einer Anfechtbarkeit.
Eine Anfechtung erklärt zu haben, trägt die Beklagte aber nicht vor, so dass dahinstehen kann, ob
überhaupt ein Anfechtungsrecht entstanden sei.
5.
63 Die Beklagte hat, wie vom Landgericht festgestellt und von der Berufung auch nicht angegriffen, gegen die
Unterlassungsvereinbarung schuldhaft verstoßen und damit die versprochene Vertragsstrafe von 4.000,-
EUR verwirkt. Insbesondere lassen die Unschärfen, die sich in der Abgrenzung zwischen einem Kaufmann
und einem Unternehmer durch neue Gesetze in anderen Bereichen und durch Rechtsprechung ergeben
haben mögen, die gesetzliche Verschuldensvermutung nicht entfallen. Gerade der Umstand, dass die
Klägerin sich ausgehend von einer konkreten ABG-Klausel zu einer Unterlassung verpflichtet hatte, musste
es ihr bei gehöriger Sorgfalt nahe legen, dass sie diese nicht unverändert weiterbenutzen dürfte. Die
Berufung wendet sich denn auch nicht gegen die Annahme einer schuldhaften Vertragsverletzung durch das
Landgericht.
6.
64 Die Beklagte kann der Rechtsverfolgung auch nicht den Treuwidrigkeitseinwand entgegenhalten.
a)
65 Ist aus einem wirksam abgeschlossenen Vertrag ein Anspruch entstanden, steht dieser unter dem Schutz
des Art. 14 Abs. 1 GG. Der Anspruch ist Ausfluss der angewandten Vertragsfreiheit. Kraft des
Schuldverhältnisses ist der Gläubiger berechtigt, von dem Schuldner die versprochene Leistung zu fordern.
Die Leistung kann auch in einem Unterlassen bestehen. Grundsätzlich ist der Anspruchsinhaber frei, nach
Belieben zu entscheiden ob er sein Recht ausübt oder nicht (vgl. § 241 Abs. 1 BGB). Er ist weder an den
Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gebunden, noch unterliegt er bei der Durchsetzung eines vertraglichen
Anspruchs einem Diskriminierungsverbot, noch muss er sich einer allgemeinen Interessenabwägung
unterwerfen. Diese Freiheit ist der Kernbestand des subjektiven Rechts.
b)
66 Ein Eingriff in einen vertraglich begründeten Anspruch durch eine Ausübungssperre aus dem allgemeinen
Rechtsgrundsatz von Treu und Glauben kommt nur ganz ausnahmsweise in Betracht, wenn sich gerade die
Ausübung der Rechtsposition als treuwidriges Handeln erweist und ein Eingriff geboten ist, um einem
schlechthin unvertretbaren Zustand zu wehren. Der Grundsatz von Treu und Glauben führt nicht zu einer
Grundrechtsabwägung, insbesondere nicht zu einer Auslegung am Maßstab der praktischen Konkordanz. Er
stellt vielmehr eine Rechtsschranke dar. Denn auch im Rahmen der Anwendung der Generalklauseln
entfalten die Grundrechte keine unmittelbare Drittwirkung. Die Grundrechte sind schon nach dem Wortlaut
des Art. 1 Abs. 3 GG, der gestärkt wird durch die Entstehungsgeschichte und durch systematische
Erwägungen, wie die ausdrückliche Normierung von Fällen unmittelbarer Drittwirkung (vgl. Art. 9 Abs. 3 S.
2 GG), Abwehrrechte gegen den Staat. Außerdem bedeutete eine unmittelbare Drittwirkung eine
Verkehrung der Grundrechte in ihr Gegenteil: Der Einzelne würde durch sie zum Verpflichteten, dessen
Freiheit durch die Grundrechte nicht mehr gesichert würde, sondern unter Berufung auf sie beschränkt.
Daher wirken die Grundrechte lediglich mittelbar über die Generalklauseln (§§ 242, 138, 307, 826) und
unbestimmte Rechtsbegriffe als Elemente einer objektiven Wertordnung in das Privatrecht hinein
(Böttcher/Hohloch, in: Erman, BGB, 14. Aufl., 2014, Rn. 30 zu § 242, u.H. auf BVerfG 7, 198, 205 f.; 7, 261,
269; 42, 134, 148; 73, 261, 269; 84, 192, 195; 86, 122, 128 f.; 89, 214, 229 f.; 96, 375, 398; 102, 347,
362; u.a.).
67 Daraus folgt, dass die Generalklauseln weder dazu herangezogen werden dürfen, unter Berufung auf
einander gegenüberstehende grundrechtsrelevante Interessen in einen von den Parteien im Rahmen ihrer
Privatautonomie geschlossenen Vertrag einzugreifen, noch eine Korrektur des Vereinbarten unter dem
Deckmantel einer grundrechtsbezogenen Abwägung durchzusetzen. Die häufig gebotene Auslegung mittels
einer Interessenabwägung, bei der die durch die Grundrechte geprägte Wertordnung zu berücksichtigen ist,
findet ihre Schranke dort, wo die Parteien sich erkennbar willentlich einer Rechtsposition begeben haben,
insbesondere eine schuldrechtliche Verpflichtung eingegangen sind.
68 Die Aufgabe von Freiheiten und Rechten ist der vertraglichen Bindung immanent. Deshalb verhält sich
derjenige treuwidrig, der beim Abschluss eines Vertrages ein bestimmtes Tun oder Unterlassen verspricht
und bei der Umsetzung des Vertrages dann geltend macht, seine Verpflichtung müsse aufgrund seiner
Grundrechte relativiert oder gar beseitigt werden oder dem anderen Teil sei es verwehrt, das ihm vertraglich
zugestandene zu fordern. Darin liegt regelmäßig ein Verstoß gegen das Verbot des venire contra factum
proprium.
69 Ein anderes kann gelten, wenn eine Vertragspartei die Wahrung der Interessen ihres Vertragspartners
ausdrücklich oder konkludent übernommen hat. Dies setzt eine dahingehende Vereinbarung der Parteien
voraus. Denn es besteht keine allgemeine Interessenwahrungsobliegenheit des einen Vertragspartners für
die Belange des anderen; grundsätzlich ist es an jedem Rechtssubjekt, seine Rechte und Interessen selbst zu
wahren. Dies ist auch dem Wortlaut des § 241 Abs. 2 BGB zu entnehmen, der die Möglichkeit eröffnet, dass
ein Schuldverhältnis nach seinem Inhalt jeden Teil zur Rücksicht auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen
des anderen Teils verpflichten kann. Mit dieser Kann-Bestimmung stellt das Gesetz die Übernehme solcher
Pflichten in die Hoheit der Vertragsparteien und geht eindeutig davon aus, dass eine solche ohne
vertragliche Vereinbarung nicht besteht.
70 Um eine solche Pflicht oder Obliegenheit festzustellen, bedarf das Gericht nach den allgemeinen
Auslegungsgrundsätzen aus §§ 133, 157 BGB (vgl. zu diesen BGHZ 150, 32, 37, m.w.N.; BGH, Urteil vom
25. März 2015 – VIII ZR 125/14, WM 2015, 1580, bei juris Rz. 34 m.w.N.; BGH, Beschluss vom 11.
November 2014 - VIII ZR 302/13, NJW 2015, 409, Rz. 11, m.w.N.; RGZ 99, 147; Busche, in: MünchKomm-
BGB, 7. Aufl. [2015], § 133, Rn. 41) einer tragfähigen Tatsachengrundlage. Fehlt sie, so kann nicht
angenommen werden, dass sich eine Partei als Interessenwalter ihres Vertragspartners habe in eine ihr
objektiv nachteilige Pflicht begeben wollen.
c)
71 Vorliegend hat der Kläger weder eine Interessenwahrungsobliegenheit gegenüber der Beklagten, noch
verhält er sich treuwidrig, indem er seinen Anspruch geltend macht. Für eine Treuwidrigkeit liegen keine
Anhaltspunkte vor. Die Beklagte zieht mit ihrer gegenläufigen Auffassung wiederum Erwägungen des
Lauterkeitsrechts in das allgemeine Zivilrecht. Damit kann sie keinen Erfolg haben. Sie hat durch den
Unterlassungsvertrag einen neuen, eigenständigen Anspruch des Klägers geschaffen, der nicht den
lauterkeitsrechtlichen Regeln folgt, sondern den vertragsrechtlichen. Indem sie sich zu dem Zweck
unterworfen hat, sich eine gerichtliche Auseinandersetzung über die in der Abmahnung des Klägers
bezeichneten Unterlassungsbegehren zu ersparen, in der es auf die lauterkeitsrechtlichen Aspekte hätte
ankommen können, hat sie sich der lauterkeitsrechtlichen Einwände begeben, auch des Einwandes
treuwidriger Selektion der Anspruchsgegner und des Einwandes fehlender Aktivlegitimation. Sie hat mit
dem Vertragsschluss für ihre Person das Vorgehen des Klägers akzeptiert. Daran muss sie sich ebenso
festhalten lassen wie der Kläger an der Aufgabe seiner lauterkeitsrechtlichen Klagemöglichkeit, welche durch
den Unterlassungsvertrag eingetreten ist. Die erhobenen Einwände der Beklagten sind daher abgeschnitten.
III.
72 Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit
auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO, die Streitwertfestsetzung auf §§ 47 Abs. 1, 43 Abs. 1, 48 Abs. 1 GKG i.V.m. § 3
ZPO.
73 Ein Grund, die Revision zuzulassen (§ 543 Abs. 2 ZPO), besteht nicht.