Urteil des OLG Stuttgart vom 13.08.2015

gefahr, einbau, hersteller, geldwerter vorteil

OLG Stuttgart Urteil vom 13.8.2015, 13 U 28/15
Leitsätze
Zu den Voraussetzungen der deliktischen Produkthaftung, insbesondere der
Instruktionspflicht.
Tenor
I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil der Einzelrichterin der 27. Zivilkammer
des Landgerichts Stuttgart vom 16. Januar 2015 - 27 O 505/13 -
a b g e ä n d e r t
und insgesamt wie folgt neu gefasst:
1. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 4.196,29 EUR nebst Zinsen in
Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 3.696,29 EUR seit
dem 15.6.2013 sowie aus 500,-- EUR seit dem 26.1.2014 zu zahlen.
2. Der Beklagte wird verurteilt, den Kläger gegenüber Herrn Rechtsanwalt ...
bezüglich vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten in Höhe von 338,50 EUR
netto freizustellen.
3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
III. Der Kläger trägt 43 %, der Beklagte 57 % der Kosten des Rechtsstreits.
IV. Das erstinstanzliche Urteil sowie das Berufungsurteil sind ohne Sicherheitsleistung
vorläufig vollstreckbar.
V. Die Revision wird nicht zugelassen.
Streitwert des Berufungsverfahrens: 7.386,29 EUR
Gründe
1 Die Berufung des Klägers ist zulässig und teilweise begründet.
A.
2 Der Kläger macht gegen den Beklagten Ansprüche aus Produkthaftung nach dem
Produkthaftungsgesetz sowie gemäß § 823 Abs. 1 BGB geltend, da der Beklagte
seine Instruktionspflicht beim Verkauf eines Bodylifts für das Fahrzeug des Klägers
im Jahr 2006 verletzt habe.
3 Durch Urteil der Einzelrichterin der 27. Zivilkammer des Landgerichts Stuttgart vom
16. Januar 2015 wurde die Klage abgewiesen. Auf die tatsächlichen
Feststellungen des erstinstanzlichen Urteils wird Bezug genommen.
4 Hiergegen wendet sich die Berufung des Klägers, mit der er sein erstinstanzliches
Klagebegehren in vollem Umfang weiter verfolgt. Allerdings wird die Klage im
Berufungsverfahren ausdrücklich ausschließlich auf eine deliktische
Produkthaftung gestützt. Insoweit wiederholt und vertieft er im Wesentlichen seinen
erstinstanzlichen Sachvortrag. Der Beklagte habe seine Instruktionspflicht
schuldhaft verletzt, da er vor Inverkehrbringen des Bodylifts nicht überprüft habe,
ob bei den verschiedenen Fahrzeugmodellen, für die der Bodylift zugelassen ist,
es ausgeschlossen werden kann, dass die Lenksäule nach dem Einbau des
Bodylifts aufgrund einer Reibung zwischen Lenksäule und Crash-Bügel breche.
Hätte der Beklagte entsprechende Untersuchungen durchgeführt, hätte er
festgestellt, dass je nach Höheneinstellung der Lenksäule diese Gefahr bestehe.
Der Beklagte sei verpflichtet gewesen, auf diese Gefahr in seiner Einbauanleitung
hinzuweisen, was - insoweit unstreitig - vor dem Bruch der Lenksäule im Januar
2011 nicht erfolgt sei. Der Beklagte könne ihm nicht entgegenhalten, dass er es
pflichtwidrig unterlassen habe, das Fahrzeug nach dem Einbau des Bodylifts dem
TÜV vorzuführen, da sich diese Pflichtverletzung nicht ausgewirkt habe. Vielmehr
hätte der TÜV bei einer Untersuchung des Fahrzeugs nicht festgestellt, dass die
Längssäule am Crash-Bügel des streitgegenständlichen Fahrzeugs reibe und
somit die Gefahr bestehe, dass die Lenksäule breche.
5 Der Kläger beantragt:
6
1. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 7.386,29 EUR nebst Zinsen hieraus
in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 19. März 2012
zu zahlen.
7
2. Der Beklagte wird verurteilt, den Kläger gegenüber Herrn Rechtsanwalt …
bezüglich vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten in Höhe von 844,-- EUR netto
freizustellen.
8 Der Beklagte beantragt,
9
die Berufung zurückzuweisen
10 und verteidigt das erstinstanzliche Urteil
B.
11 Die Berufung des Klägers ist zulässig und teilweise begründet.
12 Dem Kläger steht gegen den Beklagten ein Anspruch auf Zahlung von 4.196,29
EUR gemäß § 823 Abs. 1 BGB zu. Soweit der Kläger einen höheren
Schadensersatzanspruch geltend macht, war dagegen die Klage abzuweisen und
die Berufung zurückzuweisen. Der Kläger hat schuldhaft gegen seine
Instruktionspflicht verstoßen, weil er den Kläger bei Erwerb des Bodylifts nicht
darauf hingewiesen hatte, dass zwischen der Lenksäule und dem Crash-Bügel ein
Abstand verbleiben muss, da die Gefahr des Bruchs der Lenksäule besteht, wenn
diese an dem Crash-Bügel streift (Ziffer I. 1). Diese schuldhafte Pflichtverletzung
war kausal für den Schadenseintritt (Ziffer I. 2). Hierdurch ist dem Kläger ein
Schaden in Höhe von 4.196,29 EUR entstanden. Einen höheren Schaden,
insbesondere die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Zahlung einer
Nutzungsausfallentschädigung, hat der Kläger bereits nicht substantiiert dargelegt
(Ziffer I. 3). Ein Mitverschulden gemäß § 254 Abs. 1, Abs. 2 BGB ist dem Kläger
nicht anzulasten (Ziffer I. 4). Verjährung ist nicht eingetreten (Ziffer I. 5).
13 Zudem steht dem Kläger gegen den Beklagten ein Anspruch auf Freistellung von
vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 338,50 EUR gemäß § 823 Abs.
1 BGB zu. Soweit der Kläger die Freistellung von höheren vorgerichtlichen
Rechtsanwaltskosten begehrt, ist der Anspruch dagegen nicht begründet (Ziffer II.).
Der Zinsanspruch folgt aus §§ 280 Abs. 2, 286 Abs. 1, 288 Abs. 1 BGB sowie aus
§§ 291, 288 Abs. 1 BGB (Ziffer III.).
14 Im Einzelnen:
I.
15 Dem Kläger steht gegen den Beklagten ein Anspruch auf Zahlung von 4.196,29
EUR gemäß § 823 Abs. 1 BGB zu. Soweit der Kläger einen höheren
Schadensersatzanspruch geltend macht, war die Klage abzuweisen und die
Berufung zurückzuweisen.
1.
16 Der Beklagte hat jedenfalls schuldhaft gegen seine Instruktionspflicht verstoßen,
weil er den Kläger bei Erwerb des Bodylifts nicht darauf hingewiesen hatte, dass
zwischen der Lenksäule und dem Crash-Bügel ein Abstand verbleiben muss, da
die Gefahr des Bruchs der Lenksäule besteht, wenn diese an dem Crash-Bügel
streift. Nicht zu entscheiden war, ob der Kläger sogar - weitergehend - verpflichtet
gewesen wäre, den Bodylift ausschließlich für die Fahrzeugtypen zuzulassen, bei
denen von vornherein nicht die Gefahr bestand, dass die Lenksäule an dem
Crash-Bügel streift, wenn die Höhe des Lenkrads verstellt wird, da die
Schadensersatzpflicht im vorliegenden Rechtsstreit in gleichem Umfang besteht,
wenn der Beklagte zwar berechtigt gewesen sein sollte, den Bodylift auch für den
streitgegenständlichen Fahrzeugtyp zuzulassen und er (lediglich) gegen seine
Instruktionspflicht verstoßen hat.
a)
17 Bei der schuldhaften Verletzung einer Instruktionspflicht als Teil der deliktischen
Produkthaftung ist von folgenden Grundsätzen auszugehen:
18 Gemäß § 823 Abs. 1 BGB macht sich schadensersatzpflichtig, wer vorsätzlich
oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum
oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt. Die Haftung nach
§§ 823 ff. BGB wird durch das Produkthaftungsgesetz nicht berührt. Auch zu
vertraglichen Mängelansprüchen besteht echte Anspruchskonkurrenz (Palandt /
Sprau, BGB, 74. Aufl., § 823 RN 171 m.w.N.).
19 Nach den Grundsätzen der Produkthaftung muss der Hersteller eines
Erzeugnisses nicht nur für Schäden einstehen, die auf einer fehlerhaften
Konstruktion oder Fabrikation beruhen. Er ist grundsätzlich auch zum Ersatz
solcher Schäden verpflichtet, die dadurch eintreten, dass er die Verwender des
Produkts pflichtwidrig nicht auf Gefahren hingewiesen hat, die sich trotz
einwandfreier Herstellung aus der Verwendung der Sache ergeben. Eine solche
Warnpflicht besteht nicht nur in Bezug auf den bestimmungsgemäßen Gebrauch
des Produkts; sie erstreckt sich innerhalb des allgemeinen Verwendungszwecks
auch auf einen naheliegenden Fehlgebrauch. Diese Pflicht entfällt nur dann, wenn
das Produkt nach den berechtigten Erwartungen des Herstellers ausschließlich in
die Hand von Personen gelangen kann, die mit den Gefahren vertraut sind, wenn
die Gefahrenquelle offensichtlich ist oder wenn es um die Verwirklichung von
Gefahren geht, die sich aus einem vorsätzlichen oder äußerst leichtfertigen
Fehlgebrauch ergeben (BGH NJW 1999, 2815; BGHZ 116, 60; OLG Hamm, NZV
1993, 310; OLG Bamberg, NJW-RR 2010, 902).
20 Inhalt um Umfang der Instruktionspflichten im Einzelfall werden wesentlich durch
die Größe der Gefahr und das gefährdete Rechtsgut bestimmt. Je größer die
Gefahren sind, desto höher sind die Anforderungen, die in dieser Hinsicht gestellt
werden müssen. Ist durch ein Produkt die Gesundheit oder die körperliche
Unversehrtheit von Menschen bedroht, ist schon dann eine Warnung
auszusprechen, wenn aufgrund eines ernst zu nehmenden Verdachts zu
befürchten ist, dass Gesundheitsschäden entstehen können (BGHZ 181, 253).
21 Steht in einem Produkthaftungsprozess fest, dass ein Hersteller objektiv seine
Instruktionspflichten bei der Inverkehrgabe eines seiner Produkte verletzt hat, dann
ist davon auszugehen, dass die Verletzung dieser Pflichten schuldhaft erfolgt ist,
sofern der Hersteller nicht den Beweis führt, dass ihn kein Verschulden trifft (BGHZ
116, 60; BGH, NJW 1999, 2815; OLG Hamm, NZV 1993, 310). Dabei hat der
Hersteller neben der Sammlung von Informationen die Pflicht, selbst Informationen
zu generieren. Im Rahmen der Kindertee-Rechtsprechung stellte der BGH fest,
dass die Beklagte des dortigen Verfahrens als Fachunternehmen für
Säuglingsnahrung bestehende Gefahren selbsttätig hätte erkennen müssen. Die
Beklagte des dortigen Verfahrens habe als Herstellerin von zuckerhaltigen
Teeprodukten für Säuglinge schon im Hinblick darauf, dass sie deren Verwendung
in der „kleinen Teeflasche“ empfohlen gehabt habe und ihr auch nicht verborgen
geblieben sein konnte, dass bei den modernen Saugern der Strahl des Getränkes
an die Rückseite der Oberkieferfrontzähne gerate, selbst prüfen müssen, welche
Gefahren der folgende Teegenuss für das Gebiss der Kleinkinder habe. Daher
habe sie eine Instruktionspflicht schuldhaft verletzt (BGHZ 116, 60). Dem Hersteller
obliegt danach die eigenständige Überprüfung der Produktgefahren, die das
Produkt für die Anwendergruppe auslösen könnte. Aus den effektiveren
Möglichkeiten des Fachunternehmers zur Gefahrbeherrschung folgt, dass der
Hersteller handeln und damit dem Gefahrenverdacht eigenständig nachgehen
muss. Zwar steht auch die Pflicht zur Informationsgenerierung unter dem Vorbehalt
der Zumutbarkeit, wobei auch die durch die Forschung und das spätere
Inverkehrbringen der Produkte verbundenen Kosten zu berücksichtigen sind.
Jedenfalls bei weitreichenden Gefährdungen der Rechtsgüter Leben und
Gesundheit wird es dem Hersteller regelmäßig zumutbar sein, Informationen über
entsprechende Gefährdungen zu generieren (zum Ganzen Meyer,
Nanomaterialien im Produkthaftungsrecht - die Haftung des Herstellers für
neuartige, ungewisse Risiken -, VersR 2010, 869).
b)
22 Es steht fest, dass der Beklagte objektiv gegen seine Instruktionspflicht verstoßen
hat.
23 Unstreitig hatte der Beklagte den Kläger bei Erwerb des Bodylifts nicht darauf
hingewiesen, dass zwischen der Lenksäule und dem Crash-Bügel ein Abstand
verbleiben muss, da die Gefahr des Bruchs der Lenksäule besteht, wenn diese an
dem Crash-Bügel streift. Insbesondere war in der Einbaueinleitung für den
streitgegenständlichen Bodylift (nach Bl. 11), in dem die Kontrolle zahlreicher
anderer Fahrzeugteile nach Einbau des Bodylifts empfohlen wurde, dieser Hinweis
nicht enthalten. Aufgrund des im Termin zur mündlichen Verhandlung im
erstinstanzlichen Verfahren am 20.10.2014 erstatteten mündlichen Gutachtens
des Sachverständigen … steht fest, dass die Gefahr, dass die Lenksäule nach
dem Einbau des Bodylifts an dem Crash-Bügel streift und deshalb bricht, bei dem
streitgegenständlichen Fahrzeug des Klägers (Geländewagen G 400 CDI) bestand
und sich tatsächlich realisiert hat. Hiernach steht zudem fest, dass sowohl der
Bruch der Lenksäule Anfang 2009 als auch deren Bruch am 29.1.2011 auf diese
Ursache zurückzuführen ist. Insbesondere hat der Sachverständige …
überzeugend ausgeführt, dass die Lenksäule bei dem streitgegenständlichen
Fahrzeug bereits ohne Einbau eines Bodylifts an den Crash-Bügel anschließe,
ohne dass viel Spielraum verbleibe, wenn das höhenverstellbare Lenkrad in seiner
höchsten Position befestigt werde. Werde bei diesem Fahrzeug der gelieferte
Bodylift eingebaut, führe dies dazu, dass bei einer Einstellung der Lenksäule in der
höchsten Position diese an dem Crash-Bügel streife. Die Lenksäule werde dabei
seitlich belastet, wofür sie nicht ausgelegt sei. Die auftretende
Wechselbiegebelastung führe dazu, dass die Lenksäule nach einer gewissen Zeit
dieser Belastung nicht mehr stand halte und breche. Dies sei die Ursache für den
zweimaligen Bruch der Lenksäule in dem streitgegenständlichen Fahrzeug
gewesen, was aus dem identischen Schadensbild beider Schadensereignisse
folge.
24 Der Beklagte, der den Bodylift hergestellt und in Verkehr gebracht hatte, war
objektiv verpflichtet, Käufer des Bodylifts auf diese Gefahr hinzuweisen. Diese
Gefahr bestand bei einem bestimmungsgemäßen Gebrauch des Bodylifts, da der
Bodylift ausdrücklich für den von dem Kläger genutzten Fahrzeugtyp zugelassen
war und die Verstellbarkeit der Höhe des Lenkrads bei diesem Fahrzeugtyp
ebenfalls zum bestimmungsgemäßen Gebrauch gehört. Angesichts der
gefährdeten Rechtsgüter - bei einem plötzlichen Bruch der Lenksäule während der
Fahrt besteht eine erhebliche Gefahr für Leib und Leben - wäre ein Warnhinweis
zwingend erforderlich gewesen.
25 Zwar entfiele die Instruktionspflicht dann, wenn das Produkt nach den berechtigten
Erwartungen des Herstellers ausschließlich in die Hand von Personen gelangen
könnte, die mit den Gefahren vertraut sind. Diese Voraussetzungen für ein
Entfallen der Instruktionspflicht liegen jedoch nicht vor. Zwar durfte der Beklagte
davon ausgehen, dass sein Produkt ausschließlich von Fachpersonal eingebaut
wird, was dazu führt, dass der Umfang der Instruktionspflichten entsprechend
reduziert wird. Montageanleitungen können auf diejenigen Punkte konzentriert
werden, die über das vorauszusetzende technische Fachwissen der Monteure
hinausgehen (Wagner, in Münchener Kommentar, 6. Aufl., § 823 BGB RN 667).
Auch bei Zugrundelegung dieses Maßstabs durfte sich der Beklagte nicht darauf
verlassen, dass die Gefahr durch das Fachpersonal beim Einbau des Bodylifts
erkannt wird. Zunächst ist zu sehen, dass nach den überzeugenden Ausführungen
des Sachverständigen … beim und nach dem Einbau des Bodylifts nur schwer zu
erkennen ist, dass anschließend die Lenksäule - wenn sie in ihrer höchsten
Position eingestellt ist - am Crash-Bügel streift. Die hier relevante Stelle zwischen
Lenksäule und Crash-Bügel sei nach dem Öffnen der Motorhaube nicht ohne
Hilfsmittel einsehbar. Vielmehr könne man diese Stelle nur unter Zuhilfenahme
eines Spiegels erkennen. Hinzu komme, dass der fehlende Abstand zwischen
Lenksäule und Crash-Bügel nur dann gegeben sei, wenn die Lenksäule in ihrer
höchsten Position eingestellt werde. Werde beim Einbau des Bodylifts die
Lenksäule in einer anderen Position eingestellt, bestehe ein ausreichender
Abstand zwischen Lenksäule und Crash-Bügel, so dass die Gefahr erst entstehe,
wenn nachträglich durch Nutzer des Fahrzeugs die Position der Lenksäule
verändert werde. Hinzu komme, dass in dem Teilegutachten aufgrund der
Teilezulassung des Bodylifts für das streitgegenständliche Fahrzeug sowie in der
durch den Beklagten herausgegebenen Einbauanleitung explizit und detailliert
bestimmte Prüfungen während und nach dem Einbau vorgeschrieben würden, so
dass auch ein fachkundiger Einbauer keine Veranlassung habe, über diese
Prüfungen hinaus weitere Prüfungen vorzunehmen. Selbst die Fachleute des TÜV,
die nach dem Einbau des Bodylifts das Fahrzeug neu prüfen müssten, nähmen -
so die überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen … weiter - lediglich
die in dem Teilegutachten und der Einbauanleitung vorgeschriebenen Prüfungen
vor. Deshalb hätten selbst die Fachleute des TÜV bei einer Überprüfung diese
Gefahr nicht erkennen können, selbst wenn die Lenksäule in ihrer höchsten
Position eingestellt gewesen wäre.
c)
26 Der Beklagte hat auch schuldhaft, nämlich fahrlässig, gegen seine
Instruktionspflicht verstoßen.
27 Der Beklagte hat weder dargelegt noch unter Beweis gestellt, dass ihn kein
Verschulden daran trifft, dass er objektiv seine Instruktionspflichten bei der
Inverkehrgabe des Bodylifts verletzt habe, obwohl er - wie oben aufgezeigt - hierfür
darlegungs- und beweisbelastet ist. Vielmehr hat der Beklagte bereits nicht
dargelegt, weshalb diese Gefahr für ihn nicht erkennbar gewesen sei,
insbesondere welche Vorkehrungen er vor Inverkehrgabe des Bodylifts
unternommen habe, um hieraus resultierende Gefahren für Leib und Leben zu
erkennen.
28 Entgegen der Auffassung des Landgerichts Stuttgart war der Beklagte
grundsätzlich verpflichtet, Prüfungen an den verschiedenen Fahrzeugmodellen, für
die der Bodylift ausdrücklich zugelassen war, durchführen zu lassen und hierfür
auch die möglichen Einbausituationen und insbesondere die verschiedenen
Lenkradeinstellungen in den Blick zu nehmen, um vor Inverkehrgabe des Bodylifts
feststellen zu können, welche sicherheitsrelevanten Gefahren durch den Einbau
des Bodylifts entstehen können. Bereits oben wurde aufgezeigt, dass der Umfang
der Überprüfungspflichten und der Informationsgenerierung insbesondere davon
abhängt, ob Gefahren für hochwertige Rechtsgüter, insbesondere eine Gefahr für
Leib und Leben, durch die Inverkehrgabe eines Produkts drohen. Dass jedoch
sicherheitsrelevante Risiken beim Einbau eines Bodylifts in ein Fahrzeug
entstehen können und hierdurch Gefahren für Leib und Leben begründet werden
können, musste dem Beklagten bekannt sein. Deshalb sind an diese
Untersuchungspflichten strenge Anforderungen zu stellen.
29 Der Umstand, dass der Bodylift auch für das streitgegenständliche Fahrzeug durch
das Teilegutachten der RW TÜV Fahrzeug GmbH vom 13.9.2001 zugelassen
worden war, entbindet den Beklagten nicht von seinen zivilrechtlichen
Sorgfaltspflichten. Vielmehr ist anerkannt, dass die zivilrechtlichen
Sorgfaltspflichten auch fortbestehen, wenn eine Behörde ein Produkt zugelassen
oder bei einer Prüfung unbeanstandet gelassen hat. Der Hersteller muss mehr tun,
als Behörden von ihm verlangen und kann seine eigene Verantwortung nicht an
den Staat delegieren. Auch die Abnahme eines technischen Geräts durch den
TÜV und die Anbringung von Prüf- und Gütesiegeln vermögen die Hersteller nicht
aus ihrer Haftung zu entlassen (Wagner, in: Münchener Kommentar, a.a.O., § 823
RN 651).
30 Die Annahme, dass der Beklagte schuldhaft gegen seine Instruktionspflicht
verstoßen hat, steht nicht in Widerspruch zu der oben getroffenen Feststellung,
dass das Fachpersonal bei der Montage des Bodylifts in das streitgegenständliche
Fahrzeug und auch die Mitarbeiter des TÜV bei einer anschließend gesetzlich
vorgeschriebenen Abnahme des veränderten Fahrzeugs diese Gefahr nicht
erkennen konnten. Vielmehr ist zu sehen, dass sich das Fachpersonal bei der
Montage des Bodylifts sowie die Mitarbeiter des TÜV gerade aufgrund der
strengen Instruktionspflichten bei der Inverkehrgabe eines Produkts durch den
Hersteller grundsätzlich darauf verlassen dürfen, dass die in dem Teilegutachten
sowie die von dem Hersteller herausgegebenen Einbauanleitung aufgeführten
Prüfpflichten zutreffend und vollständig sind. Dies gilt jedenfalls dann, wenn - wie
vorliegend - weitere Gefahren aufgrund der Einbausituation nur schwer zu
erkennen sind. Dagegen bestehen bei einem Hersteller weitergehende
Überprüfungspflichten, um Gefahren für Leib und Leben aufgrund seines Produkts
zu erkennen, da diese Untersuchungen Grundlage für die von ihm zu erstellende
Einbauanleitung und das dort zu dokumentierende erforderliche
Prüfungsprogramm darstellen.
31 Nicht zu entscheiden ist im vorliegenden Rechtsstreit, ob angesichts der
drohenden Gefahren für Leib und Leben bei einem Streifen der Lenksäule am
Crash-Bügel es von vornherein ausgeschlossen erscheint, dass sich der Beklagte
bezüglich der objektiven Verletzung seiner Instruktionspflicht entlasten könnte.
Entscheidend ist vielmehr, dass der Beklagte bereits keinen Vortrag dazu gehalten
hat, welche Überprüfungen er vor Inverkehrgabe des Bodylifts vorgenommen habe
und weshalb er die Gefahr nicht erkannt habe, so dass bereits mangels
ausreichender Darlegung eines Sachverhalts, der zu einer Entlastung des
Beklagten führen könnte, aufgrund der ihm obliegenden Darlegungs- und
Beweislast davon auszugehen ist, dass die Gefahr für ihn erkennbar war und er
somit schuldhaft gegen seine Instruktionspflicht verstoßen hat.
2.
32 Der im Streitfall eingetretene zweifache Bruch der Lenksäule Anfang 2009 sowie
erneut am 29.1.2011 ist auch ursächlich auf das Unterlassen der erforderlichen
Warnhinweise durch den Beklagten zurückzuführen. Die Beweislast dafür, dass
ein Schaden durch die ausreichende Warnung vor der Gefahr, die sich im
Unfallgeschehen verwirklicht hat, vermieden worden wäre, trifft zwar den
Geschädigten, hier also den Kläger. Doch besteht eine tatsächliche Vermutung
dafür, dass dann, wenn auf bestimmte Gefahren deutlich und für den Verwender
plausibel hingewiesen worden wäre, dies auch beachtet worden wäre (BGH,
VersR 1989, 155; 1992, 96; OLG Hamm, NZV 1993, 310; Wagner, in: Münchener
Kommentar, a.a.O., § 823 RN 692).
33 So liegt der Fall hier. Wäre der Kläger durch den erforderlichen Hinweis auf die
Gefahr hingewiesen worden, dass unter bestimmten Voraussetzungen - je nach
Einstellung der Lenksäule - die Gefahr besteht, dass die Lenksäule an dem Crash-
Bügel streift und daher brechen kann, hätte der Kläger Vorkehrungen getroffen,
dass nach Einbau des Bodylifts die Lenksäule nur so eingestellt wird, dass ein
Streifen an dem Crash-Bügel sicher vermieden werden kann.
3.
34 Dem Kläger ist durch den Bruch der zweiten Lenksäule im Januar 2011 ein
Schaden in Höhe von 4.196,29 EUR entstanden. Einen höheren Schaden hat der
Kläger bereits nicht substantiiert dargelegt.
a)
35 Ausweislich der Rechnung der Fa. … vom 9.3.2011 wurden dem Kläger für den
Austausch der Lenksäule nach deren Bruch im Januar 2011 hierfür Kosten in
Höhe von 1.760,84 EUR netto - der Kläger ist vorsteuerabzugsberechtigt - in
Rechnung gestellt. Dass diese Reparaturkosten dem Kläger tatsächlich in
Rechnung gestellt und von ihm beglichen wurden, wurde von dem Beklagten nicht
substantiiert bestritten. Vielmehr bestreitet der Beklagte lediglich - wenn auch ohne
Begründung - die Erforderlichkeit der entstandenen Reparaturkosten gemäß § 249
Abs. 2 Satz 1 BGB, was aus seinem in der Klageerwiderung erfolgten Beweisantritt
- Einholung eines Sachverständigengutachtens - folgt. Hierbei ist jedoch zu sehen,
dass das Prognoserisiko der Schädiger trägt. Er haftet daher für erfolglose
Reparaturversuche und nicht notwendige Aufwendungen, sofern der Geschädigte
die getroffene Maßnahme als aussichtsreich ansehen durfte. Die Ersatzpflicht
erstreckt sich auch auf Mehrkosten, die ohne Schuld des Geschädigten durch
unwirtschaftliche oder unsachgemäße Maßnahmen der von ihm beauftragten
Werkstatt verursacht worden sind (BGH, NJW 1975, 160, Palandt / Grüneberg,
a.a.O., § 249 RN 13 m.w.N.). Wie unten (Ziffer I.4) aufzuzeigen sein wird, ist die
Werkstatt auch nicht Erfüllungsgehilfe des Geschädigten, so dass auch eine
Reduzierung des zu ersetzenden Schadens aufgrund der
Schadensminderungspflicht gemäß §§ 254 Abs. 2 Satz 2, 278 BGB von
vornherein nicht in Betracht kommt.
36 Nachdem der Kläger die Reparatur in einer Fachwerkstatt durchführen ließ, ist
davon auszugehen, dass etwaige unsachgemäße Maßnahmen, die zusätzliche
Kosten verursacht haben, durch die beauftragte Werkstatt ohne Schuld des
Klägers verursacht wurden, so dass der Beklagte dieses „Werkstattrisiko“ trägt. Der
Beklagte hat keine Umstände aufgezeigt, wonach ausnahmsweise dieses
„Werkstattrisiko“ nicht von ihm zu tragen sei.
b)
37 Ausweislich der Rechnung vom 10.3.2011 des Ingenieurbüros … entstanden dem
Kläger Kosten in Höhe von 1.765,95 EUR netto für die Einholung eines
Sachverständigengutachtens, wodurch die Ursache des Lenksäulenbruchs
überprüft werden sollte. Die Einholung eines Sachverständigengutachtens war zur
Feststellung der Schadensursache erforderlich. Die Einholung eines
Sachverständigengutachtens war somit zur zweckentsprechenden
Rechtsverfolgung notwendig, weshalb die Gutachterkosten Teil des zu
ersetzenden Schadens sind (BGH, NJW-RR 1989, 953; Palandt / Grüneberg,
a.a.O., § 249 RN 58).
c)
38 Ausweislich des Gutachtens des Sachverständigen … wurde der Sachverständige
bei seiner Begutachtung durch eine Kfz-Werkstatt unterstützt, wodurch ausweislich
der Rechnung der Firma … vom 9.3.2011 Kosten in Höhe von 504,-- EUR netto
entstanden. Auch diese Kosten sind, da sie zur Erstellung des
Sachverständigengutachtens erforderlich waren, Teil des zu ersetzenden
Schadens.
d)
39 Zudem sind dem Kläger von dem Beklagten Fahrtkosten sowie der Arbeitsausfall
eines Mitarbeiters in Höhe von insgesamt 165,50 EUR zu ersetzen. Der Kläger
wurde nach dem Bruch der Lenksäule von einem Mitarbeiter abgeholt. Das Auto
wurde in eine nahe gelegene Werkstatt verbracht. Für die Weiterfahrt des Klägers
nach dem Ausfall der Lenksäule am 29.1.2011 nach Hause sowie zurück, um das
Fahrzeug aus der Werkstatt abzuholen, entstanden ihm Fahrtkosten, da er hierfür
eine Strecke von insgesamt 251 km zurücklegen musste. Der Mitarbeiter, der ihn
abholte, benötigte hierfür vier Stunden und war mit 10,- EUR pro Stunde zu
vergüten.
40 Dieser substantiierte Sachvortrag des Klägers wurde von dem Beklagten nicht
substantiiert bestritten, so dass er gemäß § 138 Abs. 3 ZPO als unstreitig
zugrunde zu legen ist. Hieraus errechnet sich folgender Schaden:
41
251 km x 25 Cent =
125,50 EUR
4 Stunden x 10 EUR = 40,00 EUR
insgesamt
165,50 EUR
e)
42 Dagegen steht dem Kläger kein Anspruch auf Nutzungsausfallentschädigung in
Höhe von 3.160,00 EUR zu, da er die Voraussetzungen hierfür bereits nicht
substantiiert dargelegt hat.
aa)
43 Ein Geschädigter hat grundsätzlich für die Dauer, in welcher er sein Fahrzeug
unfallbedingt nicht nutzen kann, einen Anspruch auf
Nutzungsausfallentschädigung, § 251 Abs. 1 BGB. Der unfallbedingte Ausfall
eines Kraftfahrzeugs stellt nach ständiger Rechtsprechung einen wirtschaftlichen
Schaden dar, weil die ständige Verfügbarkeit eines Kraftfahrzeugs als geldwerter
Vorteil anzusehen ist. Voraussetzung ist, dass der Geschädigte einen
Nutzungswillen und eine hypothetische Nutzungsmöglichkeit hat (BGH, NJW
2005, 277; OLG Düsseldorf, Urteil vom 22.1.2007 - 1 U 151/06; OLG Stuttgart,
Urteil vom 14.1.2010 - 13 U 92/09). Für diese Voraussetzungen ist der
Geschädigte darlegungs- und beweisbelastet (vgl. etwa OLG Hamm, Urteil vom
23.2.2006 - 28 U 164/05), wobei die Lebenserfahrung dafür spricht, dass der Halter
und Fahrer eines privat genutzten Pkw dieses während eines unfallbedingten
Ausfalls benutzt hätte (OLG Düsseldorf, a.a.O., m.w.N.).
44 Beim Ausfall eines gewerblich genutzten Kraftfahrzeugs bemisst sich der Schaden
dagegen nach dem konkret zu berechnenden entgangenen Gewinn, § 252 BGB
(BGH, DAR 2014, 144), den Vorhaltekosten eines Reservefahrzeugs oder der
Miete eines Ersatzfahrzeugs (Palandt / Grüneberg a.a.O., § 249 RN 47). Dies gilt
insbesondere dann, wenn das beschädigte Kraftfahrzeug unmittelbar zur
Erbringung gewerblicher Leistungen dient (Palandt / Grüneberg, a.a.O., § 249 RN
47 m.w.N.). Umstritten ist, ob der Geschädigte auch beim Ausfall eines gewerblich
genutzten Kraftfahrzeugs Nutzungsausfallentschädigung verlangen kann, wenn
sich aufgrund seiner besonderen Anstrengungen oder der Eigenart seines
Betriebs der Nutzungsausfall weder gewinnmindernd noch kostensteigernd
ausgewirkt hat (so BGH, NJW 1978, 812; 85, 2471; offen gelassen von BGH, DAR
2014, 144; kritisch hierzu Palandt/Grüneberg, a.a.O., § 249 RN 47).
45 Bei gemischt genutzten Kraftfahrzeugen ist der Anteil der Privatnutzung soweit
erforderlich gemäß § 287 ZPO zu schätzen (Palandt / Grüneberg, a.a.O., § 249 RN
47 m.w.N.).
bb)
46 Der Kläger gab im Rahmen seiner informatorischen Anhörung im Termin zur
mündlichen Verhandlung im erstinstanzlichen Verfahren am 20.10.2014 an, dass
das Fahrzeug sowohl gewerblich als auch privat genutzt worden sei. Allerdings hat
er nicht unter Beweis gestellt, dass das Fahrzeug auch privat genutzt worden sei,
obwohl dies durch den Beklagten bereits in der Klageerwiderungsschrift
ausdrücklich bestritten wurde. Da der Kläger für die Entstehung sowie für die Höhe
des Schadens darlegungs- und beweisbelastet ist, ist er insoweit beweisfällig
geblieben.
47 Die Voraussetzungen für einen Schadensersatzanspruch bei einem ausschließlich
gewerblich genutzten Fahrzeug hat er bereits nicht substantiiert dargetan.
Insbesondere hat er nicht dargelegt, dass ihm durch den Ausfall des Fahrzeugs
Gewinn entgangen sei. Dass ein Reservefahrzeug für entsprechende
Schadensfälle vorgehalten oder ein Ersatzfahrzeug angemietet worden sei,
behauptet der Kläger nicht. Vielmehr hat er mit Schriftsatz seines
Prozessbevollmächtigten vom 26.3.2014 (Bl. 36) lediglich vortragen lassen, dass
die Fahrzeuge des Klägers sämtlich regelmäßig im Einsatz seien. Zudem benötige
der Kläger einen Geländewagen, da er mit einem einfachen Pkw nicht in der Lage
sei, die zu betreuenden Baustellen zu erreichen. Durch diesen Sachvortrag wurde
jedoch nicht dargelegt, dass ihm durch den Ausfall des Kraftfahrzeugs für einige
Wochen Gewinn entgangen sei.
f)
48 Ein pauschalierter Schadensersatz in Höhe von 30,-- EUR wird nicht geschuldet.
Vielmehr ist der Kläger gehalten, seinen entstandenen Schaden konkret
darzulegen. Soweit bei Verkehrsunfällen insoweit etwas anderes gilt, ist diese
Fallkonstellation hier nicht einschlägig.
g)
49 Somit ist dem Kläger insgesamt ein Schaden in Höhe von 4.196,29 EUR
entstanden.
4.
50 Ein Mitverschulden gemäß § 254 Abs. 1, Abs. 2 BGB ist dem Kläger nicht
anzulasten.
a)
51 Den Kläger trifft kein Mitverschulden gemäß § 254 Abs. 1 BGB, obwohl er unstreitig
pflichtwidrig das streitgegenständliche Fahrzeug nach Einbau des Bodylifts nicht
dem TÜV vorgeführt hat, um eine Änderungsabnahme gemäß §19 StVZO zu
veranlassen. Gemäß § 254 Abs. 1 BGB hängt die Verpflichtung zum Ersatz sowie
der Umfang des zu leistenden Ersatzes von den Umständen, insbesondere davon
ab, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder dem anderen Teil
verursacht worden ist, wenn bei der Entstehung des Schadens ein Verschulden
des Geschädigten mitgewirkt hat. Dabei muss das Verschulden des Geschädigten
für die Schädigung mitursächlich im Sinne der Adäquanztheorie gewesen sein
(BGH, NJW-RR 2006, 965; Palandt/Grüneberg, a.a.O., § 254 RN 12).
52 Wie bereits oben ausgeführt, steht aufgrund des überzeugenden Gutachtens des
Sachverständigen … fest, dass es im Rahmen einer Änderungsabnahme für die
Fachleute des TÜV nicht erkennbar gewesen wäre, dass die Lenksäule am Crash-
Bügel streift, selbst wenn die Lenksäule in ihrer höchsten Position eingestellt
gewesen wäre. Somit wurde die pflichtwidrig unterbliebe Vorführung des
Fahrzeugs beim TÜV zur Durchführung einer Änderungsabnahme nicht ursächlich
für die Entstehung des Schadens.
b)
53 Der Kläger hat auch nicht gegen seine Schadensminderungspflicht gemäß § 254
Abs. 2 BGB verstoßen, indem er nach dem erstmaligen Bruch der Lenksäule im
Jahr 2009 keine weiteren Maßnahmen ergriff, um die tatsächliche Ursache des
Lenksäulenbruchs zu ermitteln. Wie bereits oben aufgezeigt, war bereits der Bruch
der Lenksäule im Jahr 2009 darauf zurückzuführen, dass die Lenksäule aufgrund
des Einbaus des Bodylifts am Crash-Bügel streifte.
aa)
54 Unstreitig hatte der Kläger nach dem erstmaligen Bruch der Lenksäule im Jahr
2009 das Fahrzeug zur Untersuchung bei der … Vertragswerkstatt … Service
GmbH vorgeführt, wo im Wege der Kulanz die komplette Lenkungsanlage erneuert
wurde. Unstreitig war die Lenkungsanlage nach dem Austausch der Lenksäule
schwergängig. Hierzu hat sich der Kläger unwiderlegt - der Beklagte ist für ein
Mitverschulden gemäß § 254 BGB darlegungs- und beweisbelastet (BGH NJW
2007, 1063) - vorgetragen, dass er diese Schwergängigkeit gegenüber der … -
Vertragswerkstatt gerügt habe. Ihm sei daraufhin gesagt worden, „das sei so und
es müsse sich erst einspielen“. Er habe sich an die Schwergängigkeit gewöhnt und
diese nicht nochmal gerügt.
55 Der Kläger als technischer Laie durfte sich darauf verlassen, dass eine
Fachwerkstatt alle erforderlichen Maßnahmen ergreift, um den Mangel zu
beseitigen und zu verhindern, dass ein erneuter Bruch der Lenksäule - eines
sicherheitsrelevanten Fahrzeugteils - droht. Ebenso durfte er sich auf den Hinweis
der Fachwerkstatt, dass die von ihm gerügte Schwergängigkeit der Lenksäule kein
Anzeichen dafür sei, dass die Ursache des erstmaligen Lenksäulenbruchs nicht
behoben sei, verlassen. Vor diesem Hintergrund stellt es keine schuldhafte
Obliegenheitsverletzung dar, dass der Kläger nicht weitere Untersuchungen - etwa
die Einholung eines Sachverständigengutachtens - veranlasste, um zu prüfen, ob
die Ursache für den erstmaligen Lenksäulenbruch durch die Fachwerkstatt bereits
tatsächlich beseitigt war.
bb)
56 Dahinstehen kann, ob der …-Vertragswerkstatt eine schuldhafte Pflichtverletzung
vorgeworfen werden kann, da sie die tatsächliche Ursache des erstmaligen
Lenksäulenbruchs im Jahr 2009 nicht erkannt und somit nicht verhindert habe,
dass die neu eingebaute Lenksäule erneut am Crash-Bügel streifte, was zum
erneuten Bruch der Lenksäule im Januar 2011 führte. Die Fachwerkstatt ist
nämlich nicht Erfüllungsgehilfe im Sinne des § 278 BGB des Klägers, so dass ihr
Verschulden dem Kläger nicht gemäß §§ 254 Abs. 2 Satz 2, 278 BGB
zuzurechnen ist. Der Geschädigte bedient sich der Werkstatt in erster Linie nicht in
Erfüllung von Obliegenheiten zur Schadensminderung, sondern kraft seiner
Befugnis zur Wiederherstellung des beschädigten Fahrzeugs, wobei das Gesetz
die Kosten hierfür dem Schädiger auferlegt. Eine andere Betrachtung würde das
Recht des Geschädigten, die Schadensbeseitigung - auch wenn der Schädiger
von vorn herein bekannt ist - selbst statt vom Schädiger vornehmen zu lassen,
dem Sinn des Gesetzes zuwider verkürzen (BGH, NJW 1975, 160; OLG Celle,
NJW-RR 2004, 526, Saarländisches Oberlandesgericht, MDR 2012, 581).
c)
57 Da eine Fachwerkstatt, die zur Behebung eines Schadens durch den
Geschädigten beauftragt wird, nicht Erfüllungsgehilfe des Geschädigten ist, wäre
ein Verschulden der Firma … bei der Reparatur des streitgegenständlichen
Fahrzeugs nach dem erneuten Bruch der Lenksäule im Januar 2011, das zu
Mehrkosten geführt hätte, dem Kläger nicht gemäß §§ 254 Abs. 2 Satz 2, 278 BGB
zuzurechnen, so dass der Beklagte die gesamten Reparaturkosten - wie bereits
unter Ziffer I. 3a ausgeführt - zu tragen hat.
5.
58 Verjährung ist nicht eingetreten.
a)
59 Gemäß § 195 BGB beträgt die Verjährungsfrist drei Jahre. Gemäß § 199 Abs. 1
BGB beginnt diese Verjährungsfrist mit dem Schluss des Jahres, in dem der
Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den den Anspruch begründenden
Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe
Fahrlässigkeit erlangen müsste. Der Schuldner muss die Kenntnis oder grob
fahrlässige Unkenntnis des Gläubigers beweisen (BGH, NJW 2008, 2578; Palandt
/ Ellenberger, a.a.O., § 199 RN 50).
b)
60 Der Beklagte hat nicht nachgewiesen, dass der Kläger vor dem Jahr 2011 und
somit vor dem erneuten Bruch der Lenksäule im Januar 2011 Kenntnis oder grob
fahrlässige Unkenntnis von einer Verletzung der Instruktionspflicht hatte, so dass
der Kläger die Verjährung rechtzeitig durch Erhebung der Klage mit Schriftsatz vom
30.12.2013 gehemmt hat, § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB.
aa)
61 Bereits oben wurde aufgezeigt, dass die Veranlassung einer Änderungsabnahme
des Fahrzeugs durch den TÜV nach dem Einbau des Bodylifts im Jahr 2006 nicht
dazu geführt hätte, dass der TÜV die Gefahr erkannt hätte, dass die Lenksäule am
Crash-Bügel streifen und dadurch die Lenksäule brechen könnte. Somit kann eine
grob fahrlässige Unkenntnis des Klägers von der Verletzung der Instruktionspflicht
durch den Beklagten nicht darauf gestützt werden, dass er das Fahrzeug nach
Einbau des Bodylifts nicht dem TÜV vorgeführt hat.
bb)
62 Eine grob fahrlässige Unkenntnis des Klägers von der Verletzung der
Instruktionspflicht durch den Beklagten ist auch nicht darauf zurückzuführen, dass
er nach dem erstmaligen Bruch der Lenksäule im Jahr 2009 keine weiteren
Maßnahmen veranlasst hatte, um festzustellen, worauf der Bruch der Lenksäule
zurückzuführen war. Bereits oben wurde aufgezeigt, dass sich der Kläger darauf
verlassen durfte, dass die Fachwerkstatt, die die Lenksäule ausgetauscht hatte,
alle Maßnahmen ergriffen hatte, um den Schaden dauerhaft zu beseitigen. Zudem
durfte er sich auf die Auskunft dieser Fachwerkstatt verlassen, dass die
Schwergängigkeit der erneuerten Lenksäule keinen Hinweis darauf gebe, dass die
Schadensursache nicht bereits beseitigt sei.
cc)
63 Dahinstehen kann, ob der im Jahr 2009 mit dem Austausch der Lenksäule durch
den Kläger beauftragten Fachwerkstatt eine grob fahrlässige Unkenntnis der
tatsächlichen Schadensursache und der Verletzung der Instruktionspflicht durch
den Beklagten vorgeworfen werden kann, da dies jedenfalls dem Kläger nicht
zuzurechnen wäre. Nach den Grundsätzen, die die Rechtsprechung unter
Heranziehung des Rechtsgedankens des § 166 Abs. 1 BGB zum sogenannten
Wissensvertreter entwickelt hat, muss sich derjenige, der einen anderen -
unabhängig von einem Vertretungsverhältnis - mit der Erledigung bestimmter
Angelegenheiten in eigener Verantwortung betraut, das in diesem Rahmen
erlangte Wissen des anderen zurechnen lassen. Hiernach könnte lediglich ein
anderer, den der Kläger mit der Prüfung und Verfolgung der in Frage stehenden
Schadensersatzforderung aufgrund des Bruchs der Lenksäule im Jahr 2009
beauftragt hätte, Wissensvertreter des Klägers hinsichtlich des
Verjährungsbeginns gemäß § 199 Abs. 1 BGB sein (BGH, NJW 1994, 1150; NJW
1989, 2323; Palandt/Ellenberger, a.a.O., § 199 RN 24). Der Kläger hatte die … im
Jahr 2009 jedoch lediglich beauftragt, um den Schaden zu beseitigen. Dagegen
wurde die Fachwerkstatt unstreitig nicht in eigener Verantwortung betraut,
mögliche Schadensersatzansprüche aufgrund des erstmaligen Bruchs der
Lenksäule gegenüber Dritten zu prüfen oder zu verfolgen.
II.
64 Zudem steht dem Kläger gegen den Beklagten ein Anspruch auf Freistellung von
vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 338,50 EUR gemäß § 823 Abs.
1 BGB zu. Soweit der Kläger die Freistellung von höheren vorgerichtlichen
Rechtsanwaltskosten begehrt, ist der Anspruch dagegen nicht begründet.
65 Der Kläger hatte mit vorgerichtlichem Anwaltsschreiben vom 5.3.2012 die ihm
zustehenden Schadensersatzansprüche in Höhe von 4.196,29 EUR abzüglich
eines Selbstbehalts von 500,-- EUR vorgerichtlich geltend gemacht; seinerzeit
wurde davon ausgegangen, dass lediglich Ansprüche nach dem
Produkthaftungsgesetz beständen, wonach gemäß § 11 Produkthaftungsgesetz
ein Selbstbehalt in Höhe von 500,- EUR vorgesehen ist. Soweit weitere, tatsächlich
nicht bestehende Schadensersatzansprüche (Nutzungsausfall,
Pauschalauslagen) geltend gemacht wurden, haben diese für die
Streitwertbestimmung außen vor zu bleiben. Somit sind die vorgerichtlichen
Rechtsanwaltskosten aus einem Streitwert von (4.196,29 EUR - 500,-- EUR =)
3.696,29 EUR zu bemessen. Die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten berechnen
sich damit wie folgt, wobei das Rechtsanwaltsvergütungsgesetz in der Fassung bis
31. Juli 2013 anzuwenden ist, § 60 RVG:
66
1,3 Gebühr gemäß Ziffer 2300 VV: 318,50 EUR
Telekommunikationspauschale
20,00 EUR
insgesamt
338,50 EUR
67 Umsatzsteuer ist nicht zu berücksichtigen, da der Kläger
vorsteuerabzugsberechtigt ist.
68 Entgegen der Auffassung des Klägers kann nicht mehr als eine 1,3-
Verfahrensgebühr geltend gemacht werden, da die Tätigkeit weder umfangreich
noch schwierig war.
III.
69 Dem Kläger steht gegen den Beklagten ein Anspruch auf Zahlung von Zinsen in
Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 3.696,29 EUR ab
15.6.2013 gemäß §§ 280 Abs. 2, 286 Abs. 1, 288 Abs. 1 BGB und aus weiteren
500,-- EUR ab 26.1.2014 aus §§ 291, 288 Abs. 1 BGB zu. Soweit der Kläger einen
höheren Zinsanspruch geltend macht, war die Klage abzuweisen und die Berufung
zurückzuweisen.
1.
70 Verzugszinsen kann der Kläger lediglich bezüglich eines Betrags in Höhe von
3.696,29 EUR geltend machen. Soweit der Beklagte zur Zahlung weiterer 500,--
EUR verurteilt wurde, wurde dieser Betrag - wie unter Ziffer II aufgezeigt -
vorgerichtlich nicht geltend gemacht, so dass insoweit lediglich Prozesszinsen
verlangt werden können.
71 Verzugszinsen werden ab 15.6.2013 geschuldet, da vom Beklagten mit Schreiben
des Prozessbevollmächtigten des Klägers vom 3.6.2013 vorgerichtlich Zahlung bis
14.6.2013 verlangt wurde. Dagegen wurde der Beklagte mit Schreiben des
Prozessbevollmächtigten des Klägers vom 5.3.2012 nicht bereits in Verzug
gesetzt, da dieses Schreiben keine Mahnung, also keine bestimmte Aufforderung
zur Zahlung enthielt. Vielmehr wurde der Beklagte in diesem Schreiben lediglich
aufgefordert, eine Erklärung seiner Einstandspflicht abzugeben.
2.
72 Prozesszinsen können ab 26.1.2014 verlangt werden, da die Klageschrift dem
Beklagten am 25.1.2014 zugestellt wurde.
C.
73 Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91, 92 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über
die vorläufige Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 10, 713. Ein Grund für die
Zulassung der Revision nach § 543 Abs. 2 ZPO liegt nicht vor.