Urteil des OLG Stuttgart vom 24.09.2015

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OLG Stuttgart Beschluß vom 24.9.2015, 1 Ausl 289/15
Leitsätze
Die Voraussetzungen für die Leistung von Rechtshilfe in Form der Herausgabe eines
in Deutschland sichergestellten Fahrzeugs gem. §§ 61 Abs. 1 Satz 2, 66 IRG sind
nicht gegeben, wenn der deutsche Besitzer möglicherweise Eigentum an dem
Fahrzeug erworben hat. Das rechtshilferechtliche Herausgabeverfahren nach § 66
IRG ist nicht dazu geeignet, die zivilrechtliche Eigentumslage - gegebenenfalls unter
Anwendung des Internationalen Privatrechts - verbindlich zu klären.
Tenor
Die Voraussetzungen für die Leistung von Rechtshilfe
l i e g e n n i c h t v o r .
Gründe
I.
1 Der derzeitige Besitzer des Fahrzeuges Pkw Opel Mokka, FIN …, - der Antragsteller
- hat dieses am 19. Februar 2015 in Italien von Frau D. zu einem Preis von 17.600
Euro erworben. Das sog. „certificatio di proprieta“ dieses Fahrzeugs vom 4. Februar
2015 wies einen Herrn F. als Eigentümer aus. Eine sog. „trascrizione atto di vendita“
weist als Verkaufsanzeige mit Datum vom 16. Februar 2015 aus, dass Herr F.
dieses Fahrzeug an Frau D. veräußert hat. In der Folge stellte das italienische
Fahrzeugregisteramt am 16. Februar 2015 eine sog. „carta di circolazione“ aus, die
Frau D. als Eigentümerin des Fahrzeugs ausweist.
2 Der Antragsteller wollte das Fahrzeug am 27. April 2015 bei der Zulassungsstelle
des Landratsamts H. zulassen. Dabei wurde festgestellt, dass das Fahrzeug im
Schengener Informationssystem SIRENE seit 2. März 2015 zur Sicherstellung
ausgeschrieben ist. Hintergrund ist, dass Frau D. das Fahrzeug von Herrn F. gegen
Übergabe eines Schecks erworben habe, der gefälscht war und von Herrn F. nicht
eingelöst werden konnte. Daraufhin wurde das Fahrzeug von der Polizei H.
sichergestellt.
3 Mit Rechtshilfeersuchen vom 19. Juni 2015 bittet die Staatsanwaltschaft beim
Gericht von Benevento um „Frei und Rückgabe des Beschlagnahmte Fahrzeug an
ihren rechtsmäßigen Italienischen Besitzer F.…“
4 Mit Schreiben vom 14. Juli 2015 hat der anwaltliche Vertreter des Antragstellers bei
der Staatsanwaltschaft Heilbronn beantragt, die Sicherstellung des Fahrzeugs
aufzuheben und Herausgabe desselben verlangt. Mit Schreiben vom 16. Juli 2015
teilte die Staatsanwaltschaft Heilbronn ihm mit, dass beabsichtigt sei, das Fahrzeug
aufgrund des Rechtshilfeersuchens an den Geschädigten in Italien herauszugeben.
Daraufhin hat der anwaltliche Vertreter des Antragstellers mit Schriftsatz vom 19.
August 2015 beantragt festzustellen, dass die Leistung von Rechtshilfe aufgrund
des Rechtshilfeersuchens gegenüber den italienischen Strafverfolgungsbehörden
zur Herausgabe des PKW Opel Mokka, FIN ..., unzulässig ist.
II.
5 Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung, dass die Voraussetzungen für die
Leistung von Rechtshilfe nicht gegeben sind, ist nach §§ 61 Abs. 1 Satz 2, 66 IRG
zulässig und begründet.
1.
6 Dem Antragsteller, der geltend macht, er würde durch die Herausgabe in seinem
Eigentumsrecht verletzt, steht gemäß § 61 Abs. 1 Satz 2 IRG im Hinblick auf die
Entscheidung über die Gewährung von Rechtshilfe ein Antragsrecht beim
Oberlandesgericht zu.
2.
7 Die Zulässigkeit der Rechtshilfe beurteilt sich nach § 59 IRG, hinsichtlich der
Herausgabe des Pkw zusätzlich nach § 66 IRG. Darüber hinaus sind die
Vorschriften des EuRhÜbK anzuwenden, da sowohl die Bundesrepublik
Deutschland als auch die Republik Italien Vertragsstaaten des Europäischen
Übereinkommens vom 20. April 1959 über die Rechtshilfe in Strafsachen sind;
insoweit gilt zudem I-ErgV EuRhÜbk zwischen der Bundesrepublik Deutschland
und der Italienischen Republik vom 24. Oktober 1979. Des Weiteren ist das
Schengener Durchführungsübereinkommen - SDÜ - vom 19. Juni 1990 zu
beachten (vgl. zu den Vertragsparteien Schomburg/Lagodny/Gleß/Hackner,
Internationale Rechtshilfe in Strafsachen, 5. Auflage, III E. Einführung in die
Schengen-Zusammenarbeit, Rn. 19, S. 1639).
8 Ein Ersuchen einer zuständigen Stelle der Italienischen Republik im Sinne der §§
59, 66 Abs. 1 IRG liegt vor.
9 Unabhängig davon, ob von § 66 Abs. 1 IRG auch die Herausgabe zum Zweck der
Rückgabe an den Geschädigten bzw. Eigentümer erfasst wird (so:
Grützner/Pötz/Kreß, Internationaler Rechtshilfeverkehr in Strafsachen, 3. Aufl, IRG §
66 Rn. 20), kommt eine solche vorliegend aufgrund von Art. III Abs. 3 Satz 1 c) I-
ErgV EuRhÜbk und § 66 Abs. 2 IRG nicht in Betracht, da der Antragsteller von der
rechtmäßigen Eigentümerin Eigentum an dem Fahrzeug erworben haben könnte,
jedenfalls aber ein gutgläubiger Eigentumserwerb in Betracht kommt. Das
rechtshilferechtliche Herausgabeverfahren nach § 66 IRG ist nicht dazu geeignet,
die zivilrechtliche Eigentumslage abschließend und verbindlich zu klären; eine
Rechtshilfe durch Herausgabe nach § 66 IRG scheidet in diesen Fällen aus
(Grützner/Pötz/Kreß, a.a.O, IRG, § 66 Rn. 41). Vor dem Hintergrund, dass
vorliegend ausschließlich die Besitzansprüche zweier möglicher Eigentümer des
Fahrzeugs im Raum stehen, ist dies auch verhältnismäßig.