Urteil des OLG Stuttgart vom 14.03.2014

OLG Stuttgart: psychotherapeutische behandlung, wohnung, weisung, überwachung, therapie, diplom, auflage, begriff, aufenthalt, serbien

OLG Stuttgart Beschluß vom 14.3.2014, 5 Ss 89/14
Leitsätze
1. Der Begriff "Wohnung" in § 68b Abs. 1 Nr. 8 StGB umfasst auch eine vorübergehende
Unterkunft in einem Hotel oder einer Pension.
2. Bei einer Verurteilung wegen Verstoßes gegen Weisungen während der Führungsaufsicht
dürfen Verstöße gegen weitere, jedoch unzulässige Weisungen nicht strafschärfend
berücksichtigt werden.
3. Sind mehrere prozessuale Taten angeklagt sowie zugelassen worden und ist eine
Sachentscheidung nicht über alle Taten ergangen, erfasst die Revision des Angeklagten, die
sich ausschließlich gegen das ergangene Urteil richten kann, die übrigen Taten nicht. Insoweit
bleibt das Verfahren bei dem jeweiligen Tatgericht anhängig.
Tenor
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Heilbronn vom 17. Oktober
2013 mit den Feststellungen
a u f g e h o b e n.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des
Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts Heilbronn
z u r ü c k v e r w i e s e n.
Gründe
I.
1 … wurde mit Urteil des Amtsgerichts Heilbronn vom 9. Juni 2011 wegen Verstoßes gegen
Weisungen während der Führungsaufsicht zu der Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu je
30,00 EUR verurteilt. Auf die Berufung des Angeklagten wurde diese Entscheidung mit
Urteil des Landgerichts Heilbronn vom 17. Oktober 2013 im Rechtsfolgenausspruch dahin
abgeändert, dass eine Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu je 15,00 EUR, zahlbar in
monatlichen Raten zu je 50,00 EUR, festgesetzt wurde. Zehn Tagessätze der verhängten
Geldstrafe wurden aufgrund überlanger Verfahrensdauer als vollstreckt erklärt.
2 Gegen diese Entscheidung wendet sich der Angeklagte mit der Revision. Er rügt die
Verletzung materiellen Rechts.
3 Die Generalstaatsanwaltschaft beantragt, die Revision als unbegründet zu verwerfen und
die Akten - soweit die Anklage der Staatsanwaltschaft Heilbronn vom 22. Februar 2011
nicht ausgeschöpft ist - an das Amtsgericht Heilbronn zurückzureichen.
II.
4 Die zulässige Revision des Angeklagten hat (vorläufigen) Erfolg.
5
1. Die Feststellungen der Strafkammer tragen den Schuldspruch wegen eines Verstoßes
gegen Weisungen während der Führungsaufsicht nicht.
6
a. Gemäß § 145a StGB macht sich strafbar, wer während der Führungsaufsicht gegen
eine bestimmte Weisung der in § 68b Abs. 1 StGB bezeichneten Art verstößt und dadurch
den Zweck der Maßregel gefährdet.
7
Nach den Urteilsfeststellungen wurde im vorliegenden Fall die Dauer der
Führungsaufsicht mit Beschluss des Landgerichts - Strafvollstreckungskammer -
Heilbronn vom 19. Oktober 2009 auf fünf Jahre festgesetzt. Sie dauert bis 6. Oktober
2014 an. Im Rahmen der Führungsaufsicht wurden dem Verurteilten unter Anderem
folgende Weisungen erteilt:
8
b) sich unverzüglich bei seinem Bewährungshelfer zu melden, mit diesem künftig
regelmäßig zusammenzuarbeiten, sich zu den vom Bewährungshelfer näher zu
bestimmenden Zeiten in dessen Sprechstunde einzufinden und dessen Ladungen zu
Betreuungsgesprächen termingerecht Folge zu leisten, …
9
e) jede Änderung seiner Wohnung oder seines Arbeitsplatzes binnen einer Woche der
Führungsaufsichtsstelle mitzuteilen,
10 f) auch weiterhin die seit März 2009 begonnene ambulante psychotherapeutische
Behandlung beim Diplom-Psychologen … in Heilbronn fortzusetzen, und zwar in den
vom Therapeuten für erforderlich gehaltenen zeitlichen Abständen und solange, wie dies
vom Therapeuten für erforderlich gehalten wird, und die psychotherapeutische
Behandlung nur im Einvernehmen mit dem Therapeuten, dem Bewährungshelfer und der
Führungsaufsichtsstelle zu beenden.
11 b. In der angefochtenen Entscheidung hat das Landgericht zutreffend festgestellt, dass
der Angeklagte zwischen dem 2. August und dem 8. September 2010 gegen die gemäß §
68b Abs. 1 Nr. 8 StGB strafbewehrte Weisung lit. e) verstoßen hat.
12 Er hatte zwar zunächst die Bewährungshelferin und die Führungsaufsichtsstelle darüber
unterrichtet, dass er seine bisherige Wohnung in … aufgeben und ins Ausland ziehen
werde. Weiter teilte er mit, er werde am 2. August 2010 über Zagreb nach Belgrad
ausreisen. In der Folge hielt er sich jedoch, ohne eine neue Anschrift mitzuteilen, bis zum
5. September in wechselnden Pensionen und Hotels in Serbien, Kroatien und Österreich
auf. Erst nachdem Polizeibeamte ihn am 7. September 2010 in der Wohnung seiner
Lebensgefährtin in … zufällig erkannt hatten, teilte er am 9. September 2010 der
Führungsaufsichtsstelle seinen aktuellen Aufenthalt mit.
13 Die Weisung lit. e) entspricht weitgehend dem Gesetzeswortlaut des § 68b Abs. 1 Nr. 8
StGB und ist ausreichend bestimmt. Gerade um dem Bestimmtheitsgrundsatz zu
genügen, hat der Gesetzgeber die Norm am 13. April 2007 dahin abgeändert, dass nicht
mehr vom „Wohnort“, sondern - wie in der Weisung - von der „Wohnung“ des Probanden
die Rede ist (vgl. BT-Drucks. 16/1993).
14 Auch vorübergehende Unterkünfte wie die im vorliegenden Fall vom Angeklagten
benutzten Pensionen und Hotels unterfallen dem Begriff der „Wohnung“ im Sinne des §
68b Abs. 1 Nr. 8 StGB. Dies ist auch bei anderen Normen des Strafgesetzbuchs, in
denen der Begriff der „Wohnung“ genannt ist, der Fall (vgl. u. a. Fischer StGB, 61.
Auflage, § 123 Rn. 6; § 201a Rn. 7; § 244 Rn. 47a; § 306a Rn. 3 f., jeweils m. w. N.).
15 Entscheidend für die Definition des Begriffs der „Wohnung“ ist hier ersichtlich nicht eine
wirtschaftliche Sicht, die beispielsweise „auf nach außen abgeschlossene, zu
Wohnzwecken bestimmte Räume, welche die Führung eines eigenen Haushalts
ermöglichen“, abstellt (vgl. u.a. Gabler Wirtschaftslexikon, Stichwort Wohnung), sondern
der Normzweck, der in der Überwachung und Führung gefährdeter und gefährlicher
Straftäter durch die Führungsaufsichtsstelle liegt (u.a. Fischer aaO, vor § 68 Rn. 2). Die
Meldepflicht nach § 68b Abs. 1 Nr. 8 StGB soll sicherstellen, dass diese jederzeit über
den Verbleib eines Probanden unterrichtet ist, um den Maßregelzweck, nämlich die
Verhinderung weiterer Straftaten, erfüllen zu können. Insoweit bestehen Parallelen zum
allgemeinen Melderecht. Auch hier wird die „Wohnung“ in § 11 Abs. 5 Satz 1
Melderechtsrahmengesetz als „jeder umschlossene Raum, der zum Wohnen oder
Schlafen benutzt wird“ definiert. Dabei ist allgemein bekannt, dass für
Beherbergungsstätten wie Hotels oder Pensionen ebenfalls eine - wenn auch
eingeschränkte - Meldepflicht mittels besonderer Meldevordrucke besteht (§ 16 Abs. 1
Satz 1 Melderechtsrahmengesetz). Die genannten Regelungen wurden in das neue
Bundesmeldegesetz vom 3. Mai 2013 (BGBl. I, S. 1084), welches das
Melderechtsrahmengesetz ab dem 1. Mai 2015 ersetzen wird, unverändert übernommen.
16 Auch wenn sich der Angeklagte also nach den Urteilsfeststellungen während des
Tatzeitraums lediglich in wechselnden Hotels oder Pensionen aufhielt, handelte es sich
jeweils um „Wohnungen“, deren Anschrift der Führungsaufsichtsstelle mitzuteilen war.
Die in der Weisung genannte Frist von einer Woche bezog sich hierbei - wie von der
Strafkammer zutreffend festgestellt - nicht auf die Dauer des Aufenthaltes, sondern
lediglich auf den Zeitraum, innerhalb dessen ein „Wohnungswechsel“ spätestens zu
melden war. Diese Weisung war auch dann nicht sinnentleert, wenn der Verurteilte eine
Wohnung nach weniger als einer Woche wechselte. Vielmehr hatte er innerhalb der
Wochenfrist - da es sich lediglich um eine Höchstfrist handelt - neben der letzten Anschrift
zugleich die Adresse der aktuellen Wohnung im Zeitpunkt der Meldung mitzuteilen.
Dieser Verpflichtung kam der Verurteilte während des genannten Zeitraums nicht nach.
17 c. Den Urteilsfeststellungen ist jedoch nicht zu entnehmen, dass durch den
Weisungsverstoß der Zweck der Maßregel, nämlich die Verhinderung weiterer Straftaten
(vgl. Roggenbuck in Leipziger Kommentar, 12. Auflage, § 145a Rn. 17; Fischer aaO, §
145a Rn. 8), konkret gefährdet wurde. Eine Gefährdung des Maßregelzwecks in dem
umschriebenen Sinne liegt vor, wenn die Gefahr weiterer Straftaten durch den
Weisungsverstoß vergrößert wird bzw. der Verstoß die Wahrscheinlichkeit straffreien
Verhaltens verschlechtert (Roggenbuck aaO, Rn. 18; Sternberg-Lieben in Schönke-
Schröder StGB, 28. Aufl. § 145a, Rn. 7).
18 Das Landgericht stellt in den Urteilsgründen lediglich pauschal fest, dass durch die
fehlende Kenntnis der Führungsaufsichtsstelle vom Aufenthalt des aufgrund seiner
Vorverurteilungen als gefährlich einzustufenden Angeklagten die Möglichkeit einer
Überwachung vereitelt wurde. Dies mag ausreichend sein, solange sich der Proband im
Inland aufhält, da hier - die Kenntnis des aktuellen Verbleibs unterstellt - eine tatsächliche
Überwachungs- und Einwirkungsmöglichkeit durch Polizeibehörden, Bewährungshelfer
sowie sonstige bundesdeutsche Einrichtungen gewährleistet sein dürfte (so wohl Fischer
aaO, §145a Rn. 8). Nach den Urteilsfeststellungen hielt sich der Verurteilte während des
Tatzeitraums jedoch in Serbien, Kroatien und Österreich auf. Hier erschließt sich gerade
nicht von selbst, wie die im Rahmen der Führungsaufsicht erforderliche Überwachung
und Einwirkung auf den Probanden selbst bei Kenntnis des aktuellen Aufenthalts
realisiert werden sollte. Zwar führt ein Aufenthalt oder eine Wohnsitznahme des
Probanden im Ausland nicht zu einem Entfallen der Führungsaufsicht oder zu einem
Absehen von Weisungen im Sinne des § 68b StGB (OLG Braunschweig, Beschluss vom
18. November 2013 - 1 Ws 333/13 -; KG Berlin, Beschluss vom 13. September 2013 - 2
Ws 445/13 u. a. -, jeweils zitiert nach Juris; OLG München NStZ-RR 2013, 211). Ein
strafbarer Weisungsverstoß liegt jedoch nur dann vor, wenn dieser kausal zu einer
Gefährdung des Maßregelzwecks führt. Nach den bisherigen Urteilsfeststellungen ist
zugunsten des Angeklagten nicht auszuschließen, dass bereits seine - erlaubte -
Ausreise aus dem Bundesgebiet auch dann zu einem Wegfall der Kontroll- und
Einwirkungsmöglichkeiten der Führungsaufsichtsstelle geführt hätte, wenn die neue
Wohnung bekannt gewesen wäre.
19 Feststellungen dazu, ob eine Überwachung - beispielsweise im Wege einer Kooperation
mit ausländischen Polizeibehörden - dennoch praktisch möglich gewesen wäre, fehlen in
den Urteilsgründen. Gleiches gilt für Ausführungen zu der Frage, zur Einhaltung welcher
sonstigen Weisungen - neben der bloßen Meldeweisung - die Führungsaufsichtsstelle
den Angeklagten während seines Auslandsaufenthalts anhalten wollte. So blieb der
Abbruch der laufenden Therapie, der schon mindestens drei Monate vor der Ausreise
erfolgte, zumindest nach den Urteilsfeststellungen ohne Konsequenzen und die Kontakt-
und Einwirkungsmöglichkeiten der Bewährungshelferin endeten mit der Ausreise
ebenfalls.
20 Nachdem sich der Angeklagte im Zeitpunkt der Berufungshauptverhandlung bereits drei
Jahre lang - mit nunmehr bekannter Wohnung - in Österreich aufhielt, hätte es daher nahe
gelegen, festzustellen, ob und gegebenenfalls in welcher Weise die
Führungsaufsichtsstelle seither in der Lage war, die erforderlichen Kontroll- und
Einwirkungsmaßnahmen zu bewerkstelligen.
21 Bereits auf Grund des genannten Darlegungsmangels ist das Urteil des Landgerichts mit
den Feststellungen aufzuheben und die Sache an eine andere Strafkammer des
Landgerichts zurückzuverweisen (§§ 349 Abs. 4, 353, 354 Abs. 2 StPO)
22 2. Ungeachtet dessen erweisen sich die dem Rechtsfolgenausspruch zugrunde liegenden
Erwägungen der Strafkammer ebenfalls als rechtsfehlerhaft. Hier finden sich unter
anderem die folgenden Ausführungen:
23 „Weiter hat die Strafkammer bis zu einem gewissen Grad zuungunsten des Angeklagten
berücksichtigt, dass sein Verhalten während der Führungsaufsicht auch sonst nicht völlig
in Ordnung war, sondern er auch gegen die - nicht strafbewehrte - Weisung, die
psychotherapeutische Behandlung fortzusetzen ab April 2010 verstieß und ab September
2012 auch die Zusammenarbeit mit der Bewährungshelferin nicht mehr in Ordnung war.“
24 Insoweit ist zunächst klarzustellen, dass die Weisung lit. f) aus dem Beschluss der
Strafvollstreckungskammer beim Landgericht Heilbronn vom 19. Oktober 2009
25 „… auch weiterhin die seit März 2009 begonnen ambulante psychotherapeutische
Behandlung beim Diplom-Psychologen … in Heilbronn fortzusetzen, und zwar in den
vom Therapeuten für erforderlich gehaltenen zeitlichen Abständen, wie dies vom
Therapeuten für erforderlich gehalten wird, und die psychotherapeutische Behandlung
nur im Einvernehmen mit dem Therapeuten, dem Bewährungshelfer und der
Führungsaufsichtsstelle zu beenden.“
26 - wovon auch die Strafkammer ohne nähere Begründung ausgeht - keine strafbewehrte
Weisung im Sinne des § 68b Abs. 1 Nr. 11 StGB darstellt. Diese Vorschrift erfasst lediglich
sogenannte „Vorstellungsweisungen“, mit denen es Ärzten oder Psychotherapeuten
ermöglicht werden soll, sich von der verurteilten Person regelmäßig einen Eindruck zu
verschaffen und Krisen schneller zu erkennen, vor allem aber auch Verurteilte über die
Kontaktaufnahme mit Therapeuten zu einem ersten Schritt in Richtung Therapie zu
bewegen. Eine strafbewehrte „Zwangstherapie“ soll durch diese Vorschrift gerade nicht
gewährleistet werden. Die im vorliegenden Fall erteilte Weisung, eine laufende Therapie
fortzusetzen, fällt hingegen unter die - nicht strafbewehrten - Therapieweisungen des §
68b Abs. 2 Satz 2 StGB (vgl. Schneider in Leipziger Kommentar StGB, 12. Auflage, § 68b
Rn. 37 m. w. N.).
27 Sowohl die genannte Therapieweisung, als auch die nach § 68b Abs. 1 Nr. 7 StGB an sich
strafbewehrte Weisung lit. b)
28 „… sich unverzüglich bei seinem Bewährungshelfer zu melden, mit diesem künftig
regelmäßig zusammenzuarbeiten, sich zu den vom Bewährungshelfer näher zu
bestimmenden Zeiten in dessen Sprechstunde einzufinden und dessen Ladungen zu
Betreuungsgesprächen termingerecht Folge zu leisten, …“
29 sind nicht ausreichend bestimmt, da nicht festgelegt ist, zu welchen Zeiten oder in welchen
Abständen sich der Proband beim Bewährungshelfer bzw. dem Therapeuten zu melden
hat. Vielmehr wird dies dem Bewährungshelfer bzw. dem Therapeuten überlassen. Die
Weisungen sind daher unzulässig (vgl. Fischer aaO, § 56c Rn. 2 mwN, Schneider aaO, §
68b Rn. 38). Verstöße gegen derart unzulässige Weisungen können im Rahmen der
Strafzumessung nicht zulasten des Angeklagten herangezogen werden.
30 3. Die dem Verfahren zugrundeliegende Anklage der Staatsanwaltschaft Heilbronn vom
22. Februar 2011 ist bislang noch nicht erschöpfend abgeurteilt. Dem Amtsgericht
Heilbronn wurde folgender Sachverhalt zur Entscheidung unterbreitet:
31 „Durch Beschluss des Landgerichts Heilbronn vom 19. Oktober 2009 besteht für den
Angeschuldigten für die Dauer von 5 Jahren Führungsaufsicht, wobei der Angeschuldigte
gemäß § 68 b StGB unter anderem angewiesen worden war, sich unverzüglich bei
seinem Bewährungshelfer zu melden, mit diesem regelmäßig zusammen zu arbeiten,
sich zu den vom Bewährungshelfer näher zu bestimmenden Zeiten in dessen
Sprechstunde einzufinden und dessen Ladungen zu Betreuungsgesprächen
termingerecht Folge zu leisten, sowie jede Änderung seiner Wohnung oder seines
Arbeitsplatzes binnen einer Woche der Führungsaufsichtsstelle mitzuteilen und die seit
März 2009 begonnene ambulante psychotherapeutische Behandlung beim Diplom-
Psychologen … in Heilbronn fortzusetzen und zwar in den vom Therapeuten für
erforderlich gehaltenen zeitlichen Abständen und solange, wie dies vom Therapeuten für
erforderlich gehalten wird, sowie die psychotherapeutische Behandlung im
Einvernehmen mit dem Therapeuten, dem Bewährungshelfer und der
Führungsaufsichtsstelle zu beenden. Obwohl er um diese Auflagen wusste, meldete der
Angeschuldigte am 09.07.2010 seine bisherige Wohnung in … zum 31.07.2010 bei der
Stadtverwaltung … ab, um nach Belgrad/Serbien umzusiedeln, teilte dies auch noch
seiner Bewährungshelferin … vor dem 14.07.2010 rechtzeitig mit und flog auch am
02.08.2010 nach Belgrad aus, unterließ es jedoch seinen dortigen Wohnsitz seiner
Bewährungshelferin und der Führungsaufsichtsstelle innerhalb einer Woche mitzuteilen,
sondern kehrte stattdessen am 06. oder 07.09.2010 nach … zurück, wobei er bewusst
auch die neuerliche Einreise der Bewährungshelferin und der Führungsaufsichtsstelle
verschwieg und teilte erst am 01.11.2010 der Führungsaufsichtsstelle mit, dass seine
neue Melde- und Wohnanschrift in … ist. Darüber hinaus setzte der Angeschuldigte die
vom 02.03.2009 bis zum 10.03.2010 geführten Therapiegespräche beim Diplom-
Psychologen … eigenmächtig bewusst nicht mehr fort, obwohl noch weitere Gespräche
für erforderlich gehalten wurden und auch kein Einvernehmen einer Beendigung der
Therapie durch die Bewährungshilfe, die Führungsaufsichtsstelle und dem Therapeuten
bestand. Darüber hinaus wurde er von seiner Bewährungshelferin zu einem Termin am
22.09.2010 gegen 15.00 Uhr geladen, wobei er diesen Termin ohne nachvollziehbarer
Begründung nicht bestätigte und auf weitere Termine am 11. und 13.10.2010 nicht mehr
antwortete, wodurch er bewusst auch gegen die Weisung verstieß, sich zu den vom
Bewährungshelfer bestimmten Zeiten zur Sprechstunde einzufinden und dessen
Ladungen termingerecht Folge zu leisten.“
32 Dabei wertete die Staatsanwaltschaft die Tat als ein Vergehen des Verstoßes gegen
Weisungen während der Führungsaufsicht, strafbar nach § 145a StGB. Die Anklage wurde
mit Beschluss des Amtsgerichts Heilbronn vom 3. Mai 2011 unverändert zur
Hauptverhandlung zugelassen.
33 Berücksichtigt man jedoch, dass die angeklagten Verstöße gegen drei unterschiedliche
Bewährungsweisungen jeweils mehrere Wochen auseinander liegen, ist abweichend von
der rechtlichen Bewertung in der Anklage von drei tatmehrheitlich begangenen Verstößen
gegen Weisungen während der Führungsaufsicht gemäß § 145a StGB (vgl. Groß/Zopfs in
Münchener Kommentar StGB, 2. Aufl., § 145a Rn. 21) und - da es sich um
unterschiedliche Lebenssachverhalte handelt - auch von drei prozessualen Taten
auszugehen.
34 Anders als der abgeurteilte Verstoß gegen die Meldeweisung, finden die angeklagten
Verstöße gegen die Therapieweisung und die Weisung, mit der Bewährungshelferin
zusammenzuarbeiten, im amtsgerichtlichen Urteil vom 9. Juni 2011, welches lediglich der
Angeklagte mit der Berufung angriff, jedoch keine Erwähnung. Auch das landgerichtliche
Urteil befasst sich mit diesen Verstößen lediglich in der Vorgeschichte zum Verstoß gegen
die Meldeweisung, anlässlich des Nachtatgeschehens und im Rahmen der
Strafzumessung („bis zu einem gewissen Grad“). Eine Entscheidung der Tatgerichte über
diese selbstständigen prozessualen Taten ist bislang nicht erfolgt. Aufgrund der insoweit
fehlenden Sachentscheidung erfasst die Revision des Angeklagten, die sich nur gegen
das ergangene Urteil richten kann, die beiden Taten nicht. Dem Senat ist es verwehrt, hier
eine - wie auch immer geartete - Entscheidung zu treffen. Das Verfahren hinsichtlich der
bislang nicht abgeurteilten Taten ist daher beim Amtsgericht Heilbronn anhängig
geblieben (vgl. BGH NStZ 1993, 551; BGHSt 46,131; Meyer-Goßner JR 1985, 453; Palder
JR 1986, 94).
35 4. Soweit die Strafkammer in der angefochtenen Entscheidung von einer
rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung ausgeht, weist der Senat für das weitere
Verfahren darauf hin, dass im Urteil als Grundlage der vorgenommenen Kompensation
konkrete Feststellungen zu Art, Ausmaß und Ursachen der Verzögerung zu treffen sind.
Weiter ist ein Vergleich zwischen dem verzögerten und einem angemessenen Verfahren
vorzunehmen (BGH StV 2008, 633).