Urteil des OLG Stuttgart vom 05.11.2013

OLG Stuttgart: kaufmännisches unternehmen, rente, markt, squeeze out, wesentliche veränderung, wirtschaftliche identität, festschrift, zielgesellschaft, wirtschaftswissenschaft, aufwand

OLG Stuttgart Beschluß vom 5.11.2013, 20 W 4/12
Leitsätze
1. Zur Schätzung des Verkehrswertes des Aktieneigentums in Spruchverfahren (Anschluss an
die Senatsbeschlüsse vom 05.06.2013 - 20 W 6/10 -, vom 24.07.2013 - 20 W 2/12 - sowie vom
15.10.2013 - 20 W 3/13).
2. Zur Bedeutung eines bei der Veräußerung des zu bewertenden Unternehmens Jahre nach
dem Bewertungsstichtag erzielten Verkaufspreises für die Schätzung des maßgebenden
Verkehrswerts.
Tenor
1.
Handelssachen des Landgerichts Stuttgart vom 16.10.2012 - 32 AktE 17/02 KfH - wird
zurückgewiesen.
2.
Beschwerdeverfahrens; die im Beschwerdeverfahren entstandenen außergerichtlichen Kosten
werden nicht erstattet.
3.
Gründe
A.
1
Gegenstand dieses Spruchverfahrens ist die gerichtliche Festsetzung eines
angemessenen Ausgleichs und einer angemessenen Abfindung wegen des zwischen
den Antragsgegnerinnen abgeschlossenen Gewinnabführungsvertrags vom 21.12.2001.
I.
1.
2
Die Beschwerdeführerin ist - wie die übrigen Antragsteller, die am Verfahren in erster
Instanz beteiligt waren - Minderheitsaktionärin der Antragsgegnerin Ziff. 1. Diese firmierte
früher als X ... AG, L., und firmiert nunmehr nach Durchführung diverser
Umwandlungsmaßnahmen als X ... Holdings GmbH, L. (im Folgenden: X). Als anderes
Unternehmen im Sinne des § 291 Abs. 1 Satz 1 AktG an dem Gewinnabführungsvertrag
vom 21.12.2001 beteiligt ist die Antragsgegnerin Ziff. 2. Diese firmierte früher als S AG
und firmiert nunmehr nach formwechselnder Umwandlung als E I GmbH, S. (im
Folgenden: S).
3
Die X wurde als Aktiengesellschaft nach deutschem Recht mit Sitz in L. gegründet. Sie
leitet als Holdinggesellschaft eine Gruppe in- und ausländischer
Beteiligungsgesellschaften, wobei sie im Bewertungszeitraum acht unmittelbare und
sechzehn mittelbare Beteiligungen hielt. Die X und die Beteiligungsgesellschaften sind
geographisch unterteilt, nämlich in das Segment D. und Ö., das die X selbst sowie im
Wesentlichen die X ... A. AG abdecken, ferner in das Segment G., das die X ... (UK) Ltd.,
das Segment S., das die größte operative Gesellschaft E .., O., sowie in das Segment
„Übrige“, das insbesondere die X ... l. S. p. A., M., I. als Beteiligung mit der höchsten
Bedeutung abdeckt.
4
Die Beteiligungsgesellschaften sind unter der Bezeichnung „X“ auf dem Gebiet der
Parkraumbewirtschaftung, der Betreuung von Immobilien und der Erbringung von auf
Verkehrssteuerung bezogenen Dienstleistungen tätig. Insbesondere erwerben, mieten,
pachten, verwalten, veräußern, vermieten oder verpachten sie Parkplätze und
Parkhäuser. Die X kann auf diesem Gebiet auch selbst tätig werden oder sich auf die
Verwaltung ihrer Beteiligungen beschränken.
5
S ist Obergesellschaft einer Unternehmensgruppe, die u. a. auf den Geschäftsfeldern
Kollektion und Produktion sowie Handel mit Schuhen, Herstellung und Vertrieb von
Pappe, Lederfaserstoffen und Kunststofferzeugnissen, Immobilien sowie
Dienstleistungen insbesondere auf den Gebieten Facility Management und Sicherheit
tätig ist bzw. war, ferner über die Beteiligung an X im Bereich Parkraumbewirtschaftung
und Verkehrssteuerung.
6
Am 31.12.2011 hielt die E ... ... ... AG 95,4 % des Grundkapitals von S und wurde nach
einem Squeeze-Out im Jahre 2002 deren alleinige Aktionärin.
2.
7
Die Antragsgegnerinnen schlossen am 21.12.2001 einen Gewinnabführungsvertrag zu
Gunsten der S AG als anderem Unternehmen (Anlage AG 1). Durch diesen Vertrag
verpflichtete sich X, den gesamten Gewinn an S abzuführen; im Gegenzug verpflichtete
sich S, den Verlust von X auszugleichen. In § 5 dieses Vertrags wurde als fester
Ausgleich gemäß § 304 AktG ein Betrag in Höhe von 5,80 EUR je Stückaktie, erstmals
für das Geschäftsjahr 2001, und in § 6 dieses Vertrags eine Abfindung gemäß § 305
AktG in Höhe von 95,50 EUR je Stückaktie festgesetzt.
8
Dem Gewinnabführungsvertrag lag ein Bewertungsgutachten der A
Wirtschaftsprüfungsgesellschaft (im Folgenden: Bewertungsgutachter) vom 10.12.2001
zu Grunde (Anlage AG 2). Dieses ermittelte zum Bewertungsstichtag am 12.04.2002,
dem Tag der Zustimmung zum Gewinnabführungsvertrag durch die Hauptversammlung
der X, einen Unternehmenswert der X in Höhe von 187.342.000,00 EUR, woraus sich ein
fester Ausgleich gemäß § 304 AktG in Höhe von 5,80 EUR je Stückaktie sowie eine
Abfindung gemäß § 305 AktG in Höhe von 95,03 EUR je Stückaktie ergaben. Am
31.01.2002 erstatteten die Vorstände der beteiligten Unternehmen einen gemeinsamen
Bericht über den Gewinnabführungsvertrag (Anlage AG 1).
9
Mit Beschluss des Landgerichts Stuttgart vom 19.12.2001 - 32 AktE 36/01 KfH - wurde
die B ... ... AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft (im Folgenden: B) zum gemeinsamen
Vertragsprüfer der beteiligten Gesellschaften nach § 293 c Abs. 1 AktG bestellt. Die B
erstattete unter dem 10.02.2002 den Bericht über die Prüfung des
Gewinnabführungsvertrags (Anlage AG 4). Dieser bestätigte die Höhe der Abfindung und
der Ausgleichszahlung des Bewertungsgutachters.
10 Die Zustimmung der Hauptversammlung der X zum Gewinnabführungsvertrag vom
12.04.2002 wurde am 24.10.2002 bei der X ins Handelsregister eingetragen. Die
Veröffentlichung der Handelsregistereintragung im Bundesanzeiger erfolgte am
20.11.2002.
11 Aufgrund eines im Rahmen einer Beschlussmängelklage gegen die Zustimmung zum
Gewinnabführungsvertrag durch die Hauptversammlung der X vom 12.04.2002 vor dem
Landgericht Stuttgart geschlossenen gerichtlichen Vergleichs vom 23.10.2002 erhöhte
die S AG die vereinbarte Ausgleichszahlung einmalig für das Jahr 2001 von 5,80 EUR je
Aktie um 9,04 EUR auf 14,84 EUR nebst einer weiteren Verzinsung ab 13.04.2002 bis
zur Eintragung des Gewinnabführungsvertrags in das Handelsregister.
12 Der Gewinnabführungsvertrag vom 21.12.2001 wurde durch Kündigung vom 30.06.2004
mit Wirkung zu diesem Tag aufgehoben.
3.
13 Das Grundkapital der X belief sich zum 31.01.2002 auf 5.040.057,16 EUR, eingeteilt in
1.971.499 auf den Inhaber lautender Aktien (Stückaktien). S übernahm in den Jahren
2000 bis 2002 schrittweise Aktien an X von verschiedenen außenstehenden Aktionären
und hielt am 21.12.2001 98,65 % der Stückaktien, während sich 1,35 % der Aktien im
Streubesitz befanden.
14 Die Aktien der X wurden am geregelten Markt der Börsen D., S. und der F.
Wertpapierbörse gehandelt, wobei das Handelsvolumen im maßgebenden Zeitraum
außerordentlich gering war.
4.
15 Grundlage der auf 95,50 EUR je Aktie bemessenen Abfindung sowie des auf 5,80 EUR
je Aktie bemessenen Ausgleichs ist das erwähnte Gutachten der A
Wirtschaftsprüfungsgesellschaft. Dieses ermittelte den Unternehmenswert der X unter
Zugrundelegung der Verlautbarungen der von dem Institut der Wirtschaftsprüfer in
Deutschland e.V. (IDW) aufgestellten Grundsätze zur Durchführung von
Unternehmensbewertungen (IDW S 1) in der Fassung vom 28.06.2000 (IDW S 1 2000)
im Ertragswertverfahren.
16 Der Bewertungsgutachter gelangt zu einem Ertragswert des betriebsnotwendigen
Vermögens der X zum 01.01.2001 von 173.597.000 EUR; dieser Wert entspricht dem
Unternehmenswert zu diesem Zeitpunkt, nicht betriebsnotwendiges Vermögen in
nennenswertem Umfang war nicht vorhanden. Diesen durch Abzinsung der geplanten
Überschüsse auf diesen Zeitpunkt ermittelten Unternehmenswert zum 01.01.2001 zinst
der Bewertungsgutachter mit einem Kapitalisierungszinssatz auf (Aufzinsungsfaktor
1,07918) und gelangt auf diese Weise zu einem Unternehmenswert zum 12.04.2002 von
187.342.000 EUR. Bezogen auf 1.971.499 Stückaktien entspricht dies einem Wert je
Aktie von 95,03 EUR.
17 Der von dem Bewertungsgutachter im Rahmen der Unternehmensbewertung nach dem
Ertragswertverfahren im sog. Zwei-Phasen-Modell zu Grunde gelegte
Detailplanungszeitraum umfasst den Forecast für das Geschäftsjahr 2001, der auf
ungeprüften Ist-Werten zum 31.07.2001 aufsetzt, sowie eine detaillierte Planung für die
Geschäftsjahre 2002 und 2003. Basis für die Plausibilisierung der Prognosen über die
zukünftige Entwicklung der X waren die geprüften Jahres- und Konzernabschlüsse für
1999 bis 2000 sowie die entsprechenden internen Ergebnisrechnungen. Dabei wurden
für Zwecke der Bewertung insbesondere außerordentliche und nicht wiederkehrende
Effekte eliminiert.
18 Die Fortschreibung für die Zeit der ewigen Rente ab dem Jahr 2004 erfolgt auf der Basis
der Planung für das Jahr 2003. Dieses sei grundsätzlich repräsentativ für die ewige
Rente, weil es in seiner Zusammensetzung von Erträgen und Aufwendungen der
Gesellschaft ihre nachhaltige, sich aus der Unternehmensplanung ergebende
Ertragskraft widerspiegele.
19 Die in der Detailplanungsphase wie auch der Phase der ewigen Rente erwarteten
künftigen Erträge wurden jeweils mit einem Kapitalisierungszinssatz abgezinst. Der
Bewertungsgutachter legt einen Basiszinssatz von 6,0 % jährlich zu Grunde. Zur
Plausibilisierung des Risikozuschlags zieht er das Capital-Asset-Pricing-Modell (CAPM)
heran. Der Bewertung wurde eine Marktrisikoprämie von 5,0 % zu Grunde gelegt sowie
ein Betafaktor von 0,7, somit ein Risikozuschlag von 3,5 %. Schließlich setzt der
Bewertungsgutachter für die Zeit der ewigen Rente einen Wachstumsabschlag vom
Kapitalisierungszinsfuß von 1,0 % an. Daraus ergeben sich Kapitalisierungszinssätze
von 6,17 % für die Phase I sowie von 5,17 % für die Zeit der ewigen Rente, jeweils nach
persönlichen Ertragssteuern.
20 Wegen der weiteren Einzelheiten der Bewertung wird auf das erwähnte Gutachten
(Anlage AG 2) verwiesen.
21 Der gemeinsame Vertragsprüfer für die an dem Gewinnabführungsvertrag beteiligten
Gesellschaften bestätigte die Angemessenheit der in dem Gewinnabführungsvertrag
vorgesehenen Ausgleichszahlung und Abfindung. Wegen der Einzelheiten verweist der
Senat auf den Bericht über die Prüfung des Gewinnabführungsvertrags vom 10.02.2002
(Anlage AG 4).
II.
22 Die in erster Instanz beteiligten Antragsteller und nun noch die Antragstellerin Ziff. 3 und
Beschwerdeführerin begehrten bzw. begehrt im Spruchverfahren die Festsetzung einer
über 95,50 EUR je Aktie hinausgehenden Abfindung und eines über 5,80 EUR je Aktie
hinausgehenden Ausgleichs.
23 Das Landgericht hat mit diversen Beschlüssen die Verfahren bezüglich aller in erster
Instanz beteiligten Antragsteller zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung
verbunden und mit Beschluss vom 07.03.2002 (Bl. 86) Rechtsanwalt Dr. B. zum Vertreter
der außenstehenden Aktionäre sowohl für den angemessenen Ausgleich nach § 304
AktG als auch für die angemessene Abfindung nach § 305 AktG bestellt.
24 Die Antragsgegnerinnen sind dem Erhöhungsverlangen entgegengetreten.
25 Mit Beschluss vom 10.07.2003 (Bl. 140 ff.) hat das Landgericht ein
Sachverständigengutachten zur Ermittlung des Werts der X zum maßgebenden
Bewertungsstichtag in Auftrag gegeben und Dipl.-Kfm. WP/StB F zum gerichtlichen
Sachverständigen bestellt. Dieser hat das Gutachten unter dem 21.01.2011 erstattet (Bl.
245). In der mündlichen Verhandlung vom 17.04.2012 (Bl. 340 ff.) hat der gerichtliche
Sachverständige entsprechend der Anordnung des Landgerichts durch Beschluss vom
13.01.2012 (Bl. 314 ff.) sein Gutachten erläutert und Fragen hierzu beantwortet.
26 Das Landgericht hat mit dem angefochtenen Beschluss vom 16.10.2012 (Bl. 359 ff.) den
von der Antragsgegnerin Ziff. 2 zu zahlenden festen Ausgleich auf 6,52 EUR je Aktie
sowie die von ihr zu leistende Abfindung auf 106,82 EUR festgesetzt und den
Antragsgegnerinnen die Tragung der Gerichtskosten sowie ihrer außergerichtlichen
Kosten und der außergerichtlichen Kosten der Antragsteller auferlegt, ferner die Tragung
der Kosten des Vertreters der nicht antragstellenden Aktionäre.
27 Begründet hat das Landgericht seinen Beschluss im Wesentlichen wie folgt:
28 Die Anträge seien nach den vor Inkrafttreten des Spruchverfahrensgesetztes
maßgebenden Vorschriften zulässig gestellt und zu Recht gegen beide
Antragsgegnerinnen gerichtet worden.
29 Sie seien auch teilweise begründet, was zur Festsetzung eines höheren Ausgleichs bzw.
einer höheren Abfindung führe.
30 Das Landgericht folgt dem gerichtlichen Sachverständigen in seiner Beurteilung. Es legt
seiner Schätzung nach § 287 Abs. 2 ZPO den von dem Sachverständigen aufgrund der
von ihm durchgeführten Ertragswertberechnung ermittelten Unternehmenswert von
210.600.000,00 EUR zu Grunde. Die von dem Sachverständigen getroffenen
Feststellungen seien eine taugliche Schätzungsgrundlage.
1.
31 Dies gelte zunächst für die maßgebende Unternehmensplanung und hier für die
gewählte Bewertungsbasis. Nicht zu beanstanden sei die Aufteilung in einen
Detailplanungszeitraum, der hier die Jahre 2001 bis 2003 umfasste, wobei für das Jahr
2001 die bereits vorliegenden „Ist-Zahlen“ per Juli 2001 Berücksichtigung fanden, sowie
in die Phase der ewigen Rente ab dem Jahr 2004, deren Berechnung auf dem für das
Jahr 2003 prognostizierten Überschuss beruhte. Dass vor allem für das Planjahr 2002
eine weitere Aufgliederung nach den diversen Typen der von den
Beteiligungsgesellschaften der X geschlossenen Verträge mangels erforderlicher
Unterlagen, die entweder nicht existierten oder zumindest mittlerweile nicht mehr
auffindbar sind, nicht möglich war, für eine eingehendere Plausibilitätsbetrachtung
jedoch erforderlich gewesen wäre, bewirke zwar eine Plausibilisierungslücke; sie sei
jedoch bei einer Gesamtschau und unter Berücksichtigung der Plausibilisierungstiefe im
Übrigen hinnehmbar.
32 Dass die 49%-ige Beteiligung der X ... A. an der S ...gesellschaft mbH W. nicht in die
Planungsrechnung einbezogen wurde, sei ohne nennenswerte Auswirkung auf den
Unternehmenswert. Entsprechendes gelte für vom Sachverständigen festgestellte
Inkonsistenzen der Investitionsplanung mit der geplanten Entwicklung des Buchwerts
des Anlagevermögens sowie weitere Planungsinkonsistenzen im Zusammenhang mit
der Rückführung von Gewinnrücklagen im Planjahr 2002 und
Dividendenausschüttungen im Geschäftsjahr 2001.
33 Im Detailplanungszeitraum habe es insbesondere nicht der Berücksichtigung des
Umstands bedurft, dass der Vergleich des Forecast 2001 mit den Ist-Werten dieses
Jahres eine deutliche Überschreitung des Jahresergebnisses ergeben habe, denn diese
sei vor allem auf zahlungsunwirksame neutrale Erträge aus Kursgewinnen sowie die
Auflösung von Rückstellung zurückzuführen gewesen. Es bestehe auch kein Anlass, den
Unternehmenswert im Hinblick auf den Umstand zu erhöhen, dass im Jahr 2001
thesaurierte Gewinne der Tochtergesellschaften als Dividende an die X ausgeschüttet
wurden; der damit verbundene werterhöhende Effekt sei durch den vor dem Landgericht
am 23.01.2002 geschlossenen Vergleich mehr als kompensiert worden.
34 Die Umsatzplanung im Detailplanungszeitraum sei als vorsichtig, doch nicht zu
pessimistisch und jedenfalls nicht als unplausibel einzustufen.
35 Insbesondere habe der Sachverständige eine erhebliche Steigerung der betrieblichen
Aufwendungen im Planjahr 2001 festgestellt, die ihren Hintergrund darin hatte, dass bei
den Ist-Abschlüssen der X ... Ltd. eine von der Planung abweichende Zuordnung von
Materialaufwendungen zu den sonstigen betrieblichen Aufwendungen erfolgt sei.
Infolgedessen habe der Sachverständige die sonstigen betrieblichen Aufwendungen um
7,5 Mio. EUR verringert und die Materialaufwendungen entsprechend erhöht, wobei es
sich allerdings um eine Schätzung handelte, weil detailliertere Unterlagen dem
Sachverständigen nicht vorlagen. Das hielt das Landgericht für hinnehmbar, weil bessere
Erkenntnismöglichkeiten insoweit nicht bestanden hätten.
36 Starke Umsatzanstiege, die in den Jahren 2000 und 2001 vorlagen, seien auf den
Abschluss einzelner Neuverträge großen Umfangs zurückzuführen gewesen. Eine
Wiederholung solcher Effekte habe nicht ohne weiteres unterstellt werden können,
weshalb die der Bewertung zu Grunde zu legende Umsatzsteigerung entsprechend zu
bereinigen gewesen sei.
37 Die Planung des Finanzergebnisses sei nicht zu beanstanden gewesen.
38 Soweit Inkonsistenzen bei der Planung der Steueraufwendungen vorgelegen hätten,
seien diese ohne Auswirkung auf den Unternehmenswert geblieben, weil es sich um
gegenläufige Effekte gehandelt habe, die sich nahezu vollständig ausgeglichen hätten.
39 Infolge von Inkonsistenzen bei der Steuerberechnung für die ewige Rente, die der
Sachverständige festgestellt habe, sei der Unternehmenswert um 5,7 Mio. EUR zu
erhöhen gewesen.
2.
40 Der von dem Sachverständigen zu Grunde gelegte Basiszinssatz von 5,5 % sei nicht zu
beanstanden, ebenso wenig die Heranziehung des CAPM-Modells und hier einer
Marktrisikoprämie von 5 % vor Steuern, die sich innerhalb der vertretbaren Bandbreite
bewege.
41 Die Kammer folge ferner dem Sachverständigen insofern, als dieser den vom
Bewertungsgutachter angesetzten verschuldeten Betafaktor der X von 0,7 übernommen
habe. Dieser bewege sich ebenfalls innerhalb einer vertretbaren Spannbreite. Der
Börsenkurs der X sei hier wegen der geringen Handelsintensität für die Bestimmung des
Risikozuschlags nicht verwendbar gewesen. Der Sachverständige habe eine Peer-
Group untersucht, allerdings seien lediglich zwei Gesellschaften einigermaßen mit der X
vergleichbar gewesen, angesichts ihrer Tätigkeit in anderen geographischen Regionen
jedoch auch nur bedingt.
42 Überzeugend habe der Sachverständige den Wachstumsabschlag von 1,0 %, den der
Bewertungsgutachter ansetzte, auf 1,5 % erhöht.
43 Eine weitere Erhöhung des Unternehmenswertes durch nicht betriebsnotwendiges
Vermögen sei nicht veranlasst gewesen.
3.
44 Ohne Auswirkung auf die Höhe des Unternehmenswertes sei nach Überzeugung der
Kammer schließlich der Umstand geblieben, dass im Jahr 2007 die X von der
Antragsgegnerin Ziff. 2 für 885 Mio. EUR verkauft worden sei. Der im Termin vor der
Kammer für die X aufgetretene Herr S habe ausgeführt, es sei kurz vor dem Verkauf für
niemanden des Managements absehbar gewesen, dass ein derartiger Verkaufspreis
zustande kommen könne. Die Ursache für den Preissprung sei vielmehr darin zu sehen,
dass im Zeitpunkt 2007 generell Unternehmen sehr hoch bewertet wurden und sich die
Finanzinvestoren gegenseitig bezüglich der Preisfindung aufgeschaukelt hätten.
4.
45 Wegen der weiteren Einzelheiten der angefochtenen Entscheidung verweist der Senat
auf den Beschluss des Landgerichts.
III.
46 Gegen den ihr am 29.10.2012 (Bl. 389) zugestellten Beschluss des Landgerichts hat die
Antragstellerin Ziff. 3 am 12.11.2012 sofortige Beschwerde eingelegt (Bl. 413).
47 Die Beschwerdeführerin begehrt die Abänderung der landgerichtlichen Entscheidung
und die Bestimmung einer 106,82 EUR je Aktie übersteigenden Abfindung und eines
6,52 EUR netto je Aktie übersteigenden Ausgleichs.
48 Sie trägt hierzu in der Beschwerdebegründung, auf die der Senat im Übrigen verweist, im
Wesentlichen vor:
1.
49 Die Kammer habe maßgebliche Hinweise auf einen erheblich höheren
Unternehmenswert ausgeblendet. Sie habe unberücksichtigt gelassen, dass die
Zielgesellschaft innerhalb von weniger als zwei Jahren nach Abschluss des
Unternehmensvertrages an die Beteiligungsgesellschaft I zu einem Preis veräußert
worden sei, der um etwa 26 % über dem von der Kammer zu Grunde gelegten
Unternehmenswert gelegen habe. Gut zwei weitere Jahre später sei die Zielgesellschaft
für 885 Mio. EUR verkauft worden, der Erlös habe damit 320 % über dem von der
Kammer angenommenen Unternehmenswert gelegen. Bei derartigen Divergenzen sei
die als maßgebend angesehene Planung als untauglich anzusehen.
50 Die vom Landgericht vorgenommene Würdigung dieser Umstände sei unzureichend, die
Unternehmenspreise hätten sich innerhalb des maßgebenden Zeitraums nicht
verdreifacht, zumal der Sachverständige im Termin vor der Kammer ausgeführt habe, es
seien keine Ereignisse feststellbar gewesen, die die in Frage stehende Wertentwicklung
rechtfertigen könnten.
2.
51 Außerdem hätten die Antragsgegnerinnen in erheblichem Umfang die Aufklärung
bewertungsrelevanter Umstände konterkariert.
52 Dies betreffe zum einen den Umstand, dass vor allem für das Planjahr 2002 eine weitere
Aufgliederung nach den diversen Typen der von den Beteiligungsgesellschaften der X
geschlossenen Verträge mangels erforderlicher Unterlagen nicht möglich war, für eine
eingehendere Plausibilitätsbetrachtung jedoch erforderlich gewesen wäre. Dass die
Kammer die hierdurch bewirkte Plausibilisierungslücke für hinnehmbar hielt, sei nicht
nachvollziehbar und im Ergebnis nicht akzeptabel. Etwaige Versäumnisse der
Antragsgegnerinnen seien im Ergebnis zu Gunsten der anspruchsberechtigten
Minderheitsaktionäre der Zielgesellschaft auszulegen.
53 Entsprechendes gelte zum anderen im Hinblick auf das Fehlen detaillierterer Unterlagen
im Zusammenhang mit der Kostenzuordnung im Bereich sonstiger betrieblicher
Aufwendungen und Materialaufwendungen.
3.
54 Zudem habe das Landgericht zu Unrecht diverse Planungsinkonsistenzen als
vernachlässigbar angesehen.
55 Das gelte für die 49%-ige Beteiligung der X ... A. an der S ...gesellschaft mbH W., die
nicht in die Planungsrechnung einbezogen wurde, ferner für die vom gerichtlichen
Sachverständigen festgestellten Inkonsistenzen der Investitionsplanung mit der
geplanten Entwicklung des Buchwerts des Anlagevermögens sowie für die weiteren
Planungsinkonsistenzen im Zusammenhang mit der Rückführung von Gewinnrücklagen
im Planjahr 2002 und Dividendenausschüttungen im Geschäftsjahr 2001. Hinsichtlich
der deutlichen Überschreitung des Jahresergebnisses gegenüber dem Forecast 2001
habe das Landgericht verkannt, dass die Minderheitsaktionäre der Zielgesellschaft am
gesamtern Jahresergebnis zu beteiligen seien und nicht nur Anspruch auf das operative
Ist- Ergebnis hätten.
4.
56 In der Gesamtschau habe das Landgericht die Plausibilität von Unternehmensplanung
einerseits und dem Ansatz des systematischen Unternehmensrisikos andererseits
verkannt. Während die Kammer eine vorsichtige Unternehmensplanung konstatiere,
spreche sie sich für einen Betafaktor aus, der aus einer Peer-Group abgeleitet werde,
deren Expansionsstrategie nicht untersucht worden sei. Es könne indes nicht ohne
weiteres angenommen werden, dass die Vergleichsunternehmen ebenfalls konservativ
am Markt agierten mit der Folge, dass der für diese Unternehmen ermittelte Betafaktor
dem systematischen Unternehmensrisiko eines vorsichtig planenden Unternehmens
entspreche. Im Übrigen habe der gerichtliche Sachverständige aus den Peer-Group-
Daten einen geringeren Betafaktor abgeleitet als denjenigen, der letztlich angesetzt
worden sei.
5.
57 Schließlich überzeuge es nicht, die starken Umsatzanstiege, die in den Jahren 2000 und
2001 vorlagen und die auf den Abschluss einzelner Neuverträge großen Umfangs
zurückzuführen waren, mit Hinweis darauf, dass eine Wiederholung solcher Effekte nicht
ohne weiteres unterstellt werden könne, bei der Bewertung zu bereinigen.
IV.
58 Die Antragsgegnerinnen treten der sofortigen Beschwerde entgegen. Sie halten die
Beschwerdebegründung für in weiten Teilen unsubstantiiert. Im Einzelnen erwidern sie
darauf wie folgt:
1.
59 Das Landgericht habe den in den Jahren 2004 und 2007 erzielten Verkaufserlösen zu
Recht für seine Entscheidung keine Bedeutung beigemessen. Es gelte das
Stichtagsprinzip, der spätere Verkauf sei zum maßgebenden Zeitpunkt nicht angelegt
gewesen, schon deshalb spielten die späteren Verhältnisse in den Jahren 2004 und
2007 keine Rolle.
60 Abgesehen davon ließen die Verkaufspreise auch schon von vornherein kaum
Rückschlüsse auf den anhand objektiver Kriterien zu bestimmenden Unternehmenswert
zu. Im Übrigen handle es sich bei dem in den Medien im Jahr 2004 genannten
Verkaufspreis von 227 Mio. EUR um den Unternehmenswert vor Abzug von Netto-
Finanzverbindlichkeiten von über 90 Mio. EUR, der Eigenkapitalwert seinerzeit habe
somit lediglich 137 Mio. EUR betragen.
61 Der im Jahr 2007 erzielte Verkaufspreis sei auf eine Reihe von Umstrukturierungen
zurückzuführen. Die tatsächlich eingetretene positive Entwicklung des Geschäfts sei
weder absehbar noch angelegt gewesen. Der nach Presseberichten im Jahr 2004
erzielte Verkaufspreis von 885 Mio. EUR umfasse Netto-Finanzverbindlichkeiten von
etwa 144 Mio. EUR. Außerdem seien im Jahr 2007 Investoren bereit gewesen,
Kaufpreise weit über dem tatsächlichen Unternehmenswert zu bezahlen. Die seinerzeit
bestehende Kreditblase habe ihr Übriges getan.
2.
62 Dem Vorwurf, die Antragsgegnerinnen hätten in erheblichem Umfang die Aufklärung
bewertungsrelevanter Umstände konterkariert, sei entschieden entgegenzutreten.
Tatsächlich seien dem Gutachter sämtliche angeforderten Unterlagen zur Verfügung
gestellt worden, soweit sie vorhanden gewesen seien. Ein höherer Detaillierungsgrad sei
nicht möglich und zur lediglich nötigen Plausibilisierung der Unternehmensbewertung
auch nicht erforderlich gewesen.
3.
63 Hinsichtlich der von ihr gerügten Planungsinkonsistenzen trage die Beschwerdeführerin
bereits nicht schlüssig vor, inwieweit die aufgeführten Positionen in der Gesamtschau
eine nennenswerte Änderung des Unternehmenswerts ergäben, entscheidend komme es
jedoch auf eine Gesamtbeurteilung an.
64 Dass die 49%-ige Beteiligung der X ... A. an der S ... Gesellschaft mbH W.
unberücksichtigt blieb, sei angesichts deren äußerst geringen Anteils am Ergebnis der
Antragsgegnerin Ziff. 2 nicht zu bemängeln. Etwaige Inkonsistenzen in der
Investitionsplanung hätten sich gegenseitig ausgeglichen und seien folglich ohne
Auswirkungen auf die Wertberechnung. Inwieweit etwaige Planungsinkonsistenzen im
Zusammenhang mit der Rückführung von Gewinnrücklagen im Jahr 2002 und die
Nichtberücksichtigung von Dividendenausschüttungen im Geschäftsjahr 2001 von
Relevanz sein könnten, zeige die Beschwerde nicht auf; diese Gesichtspunkte seien in
dem Vergleich vom 23.10.2002 bereits hinreichend berücksichtigt worden.
65 Die Abweichung des Jahresergebnisses gegenüber dem Forecast 2001 sei zu gering
gewesen, um in die Bewertung einbezogen zu werden. Außerdem habe der gerichtliche
Sachverständige festgestellt, dass bei einer werterhöhenden Berücksichtigung der
zahlungsunwirksamen Erträge im Gegenzug ein höherer Verschuldungsgrad und
höherer Zinsaufwand in den Folgejahren hätten eingerechnet werden müssen, so dass
sich per Saldo keine wesentliche Änderung des Wertes ergeben hätte.
4.
66 Ebenfalls zu Unrecht wende sich die Beschwerdeführerin gegen die herangezogene
Peer-Group. Dafür, dass die Spannbreite, innerhalb derer sich der herangezogene
Betafaktor bewege, unplausibel sei, gebe es weder tatsächliche Anhaltspunkte noch
zeige die Beschwerdeführerin solche auf.
5.
67 Das Vorbringen der Beschwerde, es überzeuge nicht, die starken Umsatzanstiege, die in
den Jahren 2000 und 2001 vorlagen und die auf den Abschluss einzelner Neuverträge
großen Umfangs zurückzuführen waren, mit Hinweis darauf, dass eine Wiederholung
solcher Effekte nicht ohne weiteres unterstellt werden könne, bei der Bewertung zu
bereinigen, erschließe sich nicht. Die Umsatzausweitung beruhe nicht auf der
Verlängerung bestehender Verträge, sondern auf der Erweiterung des Geschäfts im In-
und Ausland. Eine Wiederholung der starken Umsatzanstiege habe zum
Bewertungsstichtag nicht unterstellt werden können.
V.
68 Der Gemeinsame Vertreter der außenstehenden Aktionäre hat zu der sofortigen
Beschwerde nicht Stellung genommen.
B.
69 Die sofortige Beschwerde ist zulässig, aber unbegründet.
I.
70 Die Beschwerde ist zulässig.
1.
71 Da das Spruchverfahren zwar vor dem 01.09.2003 eingeleitet, die Beschwerde jedoch
erst nach dem 01.09.2003 erhoben wurde, gilt hier nach den maßgebenden
Übergangsregelungen des § 17 Abs. 2 Satz 2 SpruchG und des Art. 111 Abs. 1 Satz 1
FGG-ReformG - unabhängig von dem für das erstinstanzliche Verfahren geltenden
Verfahrensrecht - für das Beschwerdeverfahren das SpruchG in seiner Fassung vor
Änderung durch das FGG-ReformG. Statthaftes Rechtmittel gegen die erstinstanzliche
Entscheidung ist somit nach § 12 Abs. 1 SpruchG a. F. die sofortige Beschwerde, die
nach § 17 Abs. 1 SpruchG a. F. i.V.m. § 22 Abs. 1 FGG binnen zwei Wochen ab
Zustellung der erstinstanzlichen Entscheidung einzulegen ist (s. zum Ganzen Senat,
Beschl. v. 24.07.2013 - 20 W 2/12 - Tz. 89 ff. [juris]; vgl. auch Bungert/Mennicke, BB
2003, 2021, 2022; Simon/Winter, SpruchG, 2007, § 17 Rn. 23 f.). Diese Frist ist hier
gewahrt.
2.
72 Zu Recht hat die Beschwerdeführerin ihre Beschwerde gegen beide Antragsgegnerinnen
gerichtet. Der Senat teilt die vom Landgericht im Einklang mit der früher überwiegenden
Auffassung (s. etwa m. w. N. Gude, AG 2005, 233, 235) vertretene Ansicht, dass der
Antrag im Spruchstellenverfahren, soweit ein Unternehmensvertrag im Streit steht und §
5 Nr. 1 SpruchG - wie hier für das Verfahren erster Instanz - unanwendbar ist, gegen
beide Vertragsteile dieses Vertrags zu richten ist. Dies hat entsprechend für das
zugehörige Beschwerdeverfahren zu gelten (s. Gude, AG 2005, 233, 235).
II.
73 Die Beschwerde bleibt jedoch in der Sache ohne Erfolg. Das Erfordernis, dass ein
Gewinnabführungsvertrag einen angemessenen Ausgleich (§ 304 Abs. 1 AktG) sowie die
Verpflichtung des anderen Teils zu enthalten hat, die Aktien außenstehender Aktionäre
gegen eine angemessene Abfindung zu erwerben (§ 305 Abs. 1 AktG), rechtfertigt
jedenfalls keine Korrektur der vom Landgericht festgesetzten Beträge nach §§ 304 Abs. 3
Satz 3, 305 Abs. 5 Satz 2 AktG zugunsten der Beschwerdeführerin. Das Landgericht hat
jedenfalls die Anträge auf Festsetzung einer noch höheren Abfindung sowie eines noch
höheren Ausgleichs als jeweils von dem Landgericht festgesetzt im Ergebnis zu Recht
und in Übereinstimmung mit der Gesamtbeurteilung des gerichtlichen Sachverständigen
zurückgewiesen.
1.
74 Nach § 305 Abs. 1 AktG muss ein Gewinnabführungsvertrag die Verpflichtung des
anderen Vertragsteils enthalten, auf Verlangen eines außenstehenden Aktionärs dessen
Aktien gegen eine im Vertrag bestimmte angemessene Abfindung zu erwerben. Das
Gericht hat nach § 305 Abs. 5 Satz 2 AktG die vertraglich zu gewährende Barabfindung
zu bestimmen, wenn die angebotene Abfindung nicht den Anforderungen des § 305 Abs.
1 bis 3 AktG entspricht, insbesondere, wenn sie nicht angemessen im Sinne von § 305
Abs. 1 AktG ist. Eine Korrektur der vom Landgericht festgesetzten Abfindung durch den
Senat zugunsten der Beschwerdeführerin scheidet nach diesen gesetzlichen Vorgaben
aus.
75
a)
zuletzt Senat, Beschl. v. 05.06.2013 - 20 W 6/10 - Tz. 136 ff. [juris]; Senat, Beschl. v.
24.07.2013 - 20 W 2/12 - Tz. 99 ff. [juris]; Senat, Beschl. v. 15.10.2013 - 20 W 3/13 - Tz.
72 ff. [juris]):
76
aa)
Rechtsfrage, die von dem Gericht zu beantworten ist (vgl. Drescher, in: Spindler/Stilz,
AktG, 2. Aufl., § 8 SpruchG Rn. 4). Unangemessen ist die angebotene Abfindung, wenn
sie den übrigen Aktionären keine volle Entschädigung für den Verlust ihres
Aktieneigentums bietet (BVerfGE 14, 263, 283 ff. - „Feldmühle“). Die angebotene
Abfindung muss deshalb dem Verkehrswert entsprechen (BVerfGE 100, 289, 305 ff. -
„DAT/Altana“).
77
bb)
anerkannte Methode noch ist eine der gebräuchlichen Methoden in der
Wirtschaftswissenschaft unumstritten. Vielmehr wird über jede der möglichen
Bewertungsmethoden und über eine Vielzahl methodischer Einzelfragen, die sich bei der
Anwendung der unterschiedlichen Bewertungsmethoden stellen, kontrovers diskutiert.
Die Wertermittlung nach den verschiedenen Bewertungsmethoden wie auch
Entscheidungen über methodische Einzelfragen innerhalb einer Methode werden
regelmäßig zu unterschiedlichen Bewertungsergebnissen führen. Der Verkehrswert des
Aktieneigentums ist vom Gericht deshalb im Wege der Schätzung entsprechend § 287
Abs. 2 ZPO zu ermitteln (BGHZ 147, 108 - Tz. 20 f. [juris] - „DAT/Altana“).
78
cc)
aber mit verfahrensökonomisch vertretbarem Aufwand geschaffen werden (vgl. Stilz, in:
Festschrift für Goette, 2011, S. 529, 540). Der richterlichen Überzeugungsbildung sind bei
einer Schätzung nach § 287 ZPO nicht die Beweisanforderungen des § 286 ZPO zu
Grunde zu legen, vielmehr hat das Gericht nach freier Überzeugung über die Bewertung
zu entscheiden und es steht zudem in seinem Ermessen, inwieweit es eine
Beweisaufnahme anordnet (vgl. Drescher, in: Spindler/Stilz, AktG, 2. Aufl., § 8 SpruchG
Rn. 4). Eine Schätzung, die mangels greifbarer Anhaltpunkte völlig in der Luft hängen
würde, ist allerdings unzulässig (vgl. zum Spruchverfahren OLG Frankfurt, AG 2007, 449
- Tz. 16 [juris]; Senat, ZIP 2012, 133 - Tz. 205 [juris]; Stilz, in: Festschrift für Goette, 2011,
S. 529, 540; allgemein Prütting, in: Münchener Kommentar zur ZPO, 4. Aufl., § 287 Rn.
14 sowie Foerste, in: Musielak, ZPO, 10. Aufl., § 287 Rn. 8).
79
dd)
Aktieneigentums nicht gehalten, darüber zu entscheiden, welche Methode der
Unternehmensbewertung und welche methodische Einzelentscheidung innerhalb einer
Bewertungsmethode richtig sind. Vielmehr können Grundlage der Schätzung des
Anteilswerts durch das Gericht alle Wertermittlungen sein, die auf in der
Wirtschaftswissenschaft anerkannten und in der Bewertungspraxis gebräuchlichen
Bewertungsmethoden sowie methodischen Einzelfallentscheidungen beruhen, auch
wenn diese in der wissenschaftlichen Diskussion nicht einhellig vertreten werden. Dies
entspricht der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, nach dessen Auffassung
die Verwendung von Methoden, die in der Finanz- und Versicherungswirtschaft zum
Zeitpunkt der Vornahme der Unternehmensbewertung gebräuchlich und anerkannt
waren, für die Ermittlung des Unternehmenswerts grundsätzlich verfassungsrechtlich
unbedenklich sind. Dass eine Methode in der Wirtschaftswissenschaft diskutiert werde
und möglicherweise heute - im Zeitpunkt der Entscheidung - nicht mehr als Methode
angewendet würde, ändere daran nichts (BVerfG, AG 2007, 697 - Tz. 23 [juris]).
80
ee)
Wertermittlungen basierend auf fundamentalanalytischen Wertermittlungsmethoden wie
dem Ertragswertverfahren als auch basierend auf marktorientierten Methoden wie einer
Orientierung an Börsenkursen sein. Entscheidend ist, dass die jeweilige Methode in der
Wirtschaftswissenschaft anerkannt und in der Praxis gebräuchlich ist. Als anerkannt und
gebräuchlich in diesem Sinne ist derzeit nicht nur, aber jedenfalls auch das anzusehen,
was von dem Institut der Wirtschaftsprüfer (IDW) in dem Standard IDW S 1 sowie in
sonstigen Verlautbarungen des Fachausschusses für Unternehmensbewertung und
Betriebswirtschaft (FAUB) vertreten wird. Die Verlautbarungen des IDW stellen eine
anerkannte Expertenauffassung dar und bilden als solche eine Erkenntnisquelle für das
methodisch zutreffende Vorgehen bei der fundamentalanalytischen Ermittlung des
Unternehmenswertes (vgl. Senat, AG 2011, 420 - Tz. 261 [Rn. 261]; Senat, ZIP 2012, 133
- Tz. 273, 304, 380 [juris]). Dabei wird nicht verkannt, dass die Vorgaben des IDW S 1
und die sonstigen Verlautbarungen des IDW keine Rechtssätze sind, weil ihnen die
normative Verbindlichkeit fehlt, da zum einen das IDW eine private Institution ohne
Rechtssetzungsbefugnisse ist und es sich zum anderen um allgemeine Erfahrungssätze
handelt, die aufgrund fachlicher Erfahrungen gebildet werden und somit vor allem auch
einem dynamischen Prozess unterliegen. Entscheidend ist freilich, dass die
Verlautbarungen des IDW - trotz aller dagegen im Allgemeinen oder in Einzelfragen
vorgebrachten Kritik - von dem Berufsstand der Wirtschaftsprüfer anerkannt sind und bei
Unternehmensbewertungen in der Praxis ganz überwiegend beachtet werden (vgl. Stilz,
in: Festschrift für Mailänder, 2006, S. 423, 436). Sie leisten somit einen erheblichen
Beitrag dazu, die Gleichmäßigkeit und Kontinuität der Unternehmensbewertung im
Rahmen der fundamentalanalytischen Bewertungsmethoden zu sichern, was zugleich
zur Kontinuität der Rechtsprechung führt, soweit diese Methoden zur Schätzung des
Unternehmenswertes in Spruchverfahren herangezogen werden.
81
b)
dieser Grundsätze führt zu dem Ergebnis, dass eine Korrektur des vom Landgericht
festgesetzten Betrags zum Vorteil der Beschwerdeführerin ausscheidet. Der Senat
schätzt den Verkehrswert des Anteils eines Minderheitsaktionärs jedenfalls nicht auf
einen höheren Betrag als das Landgericht, wobei der Senat als Grundlage seiner
Schätzung sowohl die Unternehmensbewertung durch den Bewertungsgutachter und
den sachverständigen Prüfer an Hand der Ertragswertmethode wie auch die Beurteilung
des gerichtlichen Sachverständigen heranzieht. Die Schätzung des Unternehmenswerts
nach der Ertragswertmethode führt jedenfalls nicht zu einem über dem vom Landgericht
festgesetzten Abfindungsbetrag liegenden Wert.
82
aa)
durchgeführte, von dem gerichtlich bestellten sachverständigen Prüfer nicht
beanstandete Bewertung des Unternehmens im Ertragswertverfahren zum Stichtag
12.04.2002 (Tag der Hauptversammlung der X; vgl. § 305 Abs. 3 Satz 2 AktG) bildet nach
Maßgabe der teilweise korrigierenden Feststellungen des gerichtlichen
Sachverständigen eine geeignete Schätzgrundlage für den Senat. Die genannten
Bewertungen stellten nach den oben unter B II 1 a dargelegten Grundsätzen jedenfalls
dann eine hinreichende Schätzgrundlage dar, wenn sie auf in der
Wirtschaftswissenschaft anerkannten und in der Bewertungspraxis gebräuchlichen
Methoden beruhten. Dies ist hier der Fall, sowohl hinsichtlich der gewählten
Bewertungsmethode als auch hinsichtlich der methodischen Einzelentscheidungen. Die
angewandte Ertragswertmethode ist als eine geeignete Methode der
Unternehmensbewertung anerkannt (vgl. BGH, NJW 2003, 3272 - Tz. 7 [juris]; Senat, AG
2011, 560 - Tz. 102 [juris] m. w. N.) und verfassungsrechtlich unbedenklich (BVerfG 100,
289 - Tz. 61 ff. [juris]). Auch gegen das konkrete Vorgehen bei Anwendung der
Ertragswertmethode bestehen hier keine methodischen Bedenken. Es entspricht in der
Wirtschaftswissenschaft anerkannter und in der betriebswirtschaftlichen Praxis
gebräuchlicher Handhabung, nach der bei Anwendung der Ertragswertmethode die den
Aktionären künftig zufließenden Erträge des zu bewertenden Unternehmens zu schätzen
und jeweils mit dem Kapitalisierungszinssatz abzuzinsen sowie um Sonderwerte zu
ergänzen sind.
83
bb)
Vermögens der X bestimmen sich grundsätzlich nach der Unternehmensplanung. Die
insoweit vom Landgericht seiner Entscheidung zu Grunde gelegten Ansätze sind im
Ergebnis nicht zu beanstanden.
84
(1)
Erträge im Spruchverfahren ist dem Umstand Rechnung zu tragen, dass es sich nur um
Schätzungen handelt, die auf Prognosen über künftige Entwicklungen gründen, von
denen es nicht nur eine richtige gibt und die im seltensten Fall auch so wie vorhergesagt
eintreffen (vgl. Senat, ZIP 2010, 274 - Tz. 137 [juris]). Planungen und Prognosen sind in
erster Linie ein Ergebnis der jeweiligen unternehmerischen Entscheidung der für die
Geschäftsführung verantwortlichen Personen. Diese Entscheidungen haben auf
zutreffenden Informationen und daran orientierten, realistischen Annahmen aufzubauen;
sie dürfen zudem nicht in sich widersprüchlich sein. Kann die Geschäftsführung auf
dieser Grundlage vernünftigerweise annehmen, ihre Planung sei realistisch, darf ihre
Annahme nicht durch andere - letztlich ebenfalls nur vertretbare - Annahmen des
Gutachters bzw. des Gerichts ersetzt werden (vgl. Senat, NZG 2007, 112 - Tz. 28 [juris];
Senat, ZIP 2008, 883 - Tz. 65 [juris]; Senat, AG 2010, 510 - Tz. 106 [juris]; Senat, ZIP
2012, 133 - Tz. 180 [juris]; vgl. auch BVerfG, AG 2012, 674 - Tz. 30 [juris]). Die der
Unternehmensbewertung zu Grunde liegenden Prognosen über die künftige Entwicklung
der Unternehmen und ihrer Erträge sind demnach nur darauf zu überprüfen, ob sie auf
einer zutreffenden Tatsachengrundlage beruhen und vertretbar sind (s. nur etwa Senat,
AG 2006, 421 - Tz. 62 ff. [juris]; Senat, AG 2011, 49 - Tz. 95 ff. [juris] sowie BVerfG, AG
2012, 674 - Tz. 30 [juris]).
85
(2)
kapitalisierenden Erträge, die das Landgericht seiner Entscheidung zu Grunde gelegt
hat, im Ergebnis nicht zu beanstanden. Die dagegen von der Beschwerde erhobenen
Einwände greifen nicht durch.
86
(a)
Bewertungen ist in dem allgemein anerkannten und gebräuchlichen Phasenmodell
erfolgt. Nach ihm wird zwischen der Detailplanungsphase und der Phase der ewigen
Rente unterschieden. In der Detailplanungsphase werden die finanziellen Überschüsse
in ihren einzelnen Komponenten in der Regel jahresweise detailliert geplant bzw.
geschätzt, beruhend auf den in der Regel hinreichend detaillierten Planungsrechnungen
des Unternehmens, während in der Phase der ewigen Rente eine pauschale
Weiterentwicklung der finanziellen Überschüsse erfolgt (vgl. WP-Handbuch 2008, Band
II, Rn. 156 ff.). Dem entspricht die hier angewandte Bewertungssystematik (vgl. auch S. 8
des gerichtlichen Sachverständigengutachtens). Bedenken hiergegen sind nicht
ersichtlich, die Beschwerde erhebt insoweit auch keine Einwendungen.
87
(b)
weitere Aufgliederung nach den diversen Typen der von den Beteiligungsgesellschaften
der X geschlossenen Verträge mangels erforderlicher Unterlagen nicht möglich, für eine
eingehendere Plausibilitätsbetrachtung jedoch erforderlich gewesen sei, gebiete eine
Korrektur der Bewertung zu Gunsten der anspruchsberechtigten Minderheitsaktionäre.
88
(aa)
auf dezentral auf Ebene der einzelnen Landesgesellschaften erstellten,
landesspezifischen Gewinn- und Verlustrechnungsplanungen beruhen, die zumindest für
das Planjahr 2002 auf Basis der einzelnen Verträge des Vertragsportfolios der
Einzelgesellschaften erarbeitet wurden. Die vorgelegten Plan-Gewinn- und
Verlustrechnungen der Einzelgesellschaften umfassen die einzelnen Positionen der
Gewinn- und Verlustrechnung. Weitergehende Aufgliederungen lagen dem
Sachverständigen indes nicht vor, insbesondere keine hinreichenden, vollständigen und
abstimmbaren Unterlagen zur Unterteilung der Ist- und Planzahlen auf die einzelnen
Vertragstypen (Managementverträge, Pachtverträge und On-Street-Geschäft; s. S. 11 des
gerichtlichen Sachverständigengutachtens). Die einzelnen Vertragstypen unterscheiden
sich aber in den jeweiligen Kosten- und Rentabilitätsstrukturen. Die erwähnte
Aufgliederung wäre deshalb nach Auffassung des gerichtlichen Sachverständigen
erforderlich gewesen, um „eingehendere Plausibilitätsbetrachtungen“ (s. S. 14 des
Sachverständigengutachtens) zu den Planungsrechnungen vornehmen zu können. Die
Aggregierung der Gewinn- und Verlustrechnungen der einzelnen Gesellschaften zu einer
Konzern-Gewinn- und Verlustrechnung konnte der Sachverständige zwar grundsätzlich
nachvollziehen. Jedoch war eine Überleitung nur für die Positionen Umsatzerlöse und
EBIT lückenlos nachvollziehbar. Unterlagen zur Aggregierung und Konsolidierung
insbesondere der sonstigen betrieblichen Aufwendungen und Erträge, aber auch der
Material- und Personalaufwendungen konnten hingegen nicht zur Verfügung gestellt
werden, so dass eine abstimmbare Überleitung dieser Positionen nicht möglich war (s. S.
12 des Sachverständigengutachtens). Der geringe Detaillierungsgrad der dem
Sachverständigen vorgelegten Unterlagen zur operativen Planung der einzelnen
Gesellschaften habe nach allem „eingehendere Plausibilitätsbetrachtungen“ deutlich
eingeschränkt, vor allem angesichts der fehlenden Aufgliederung der Ist- und Planzahlen
auf die einzelnen Vertragstypen. Die Aggregierung der Gewinn- und Verlustrechnungen
der einzelnen Gesellschaften zur Konzernplanung konnte der Sachverständige
zumindest in den Eckpunkten nachvollziehen, doch nicht vollständig aufgrund der nicht
vollständigen Darstellung der Gewinn- und Verlust-Konsolidierung (s. S. 14 des
Sachverständigengutachtens).
89
(bb)
gerichtlichen Sachverständigen zum maßgebenden Unternehmenswert aber nicht ihre
Eignung als taugliche Grundlage für die vom Senat nach § 287 Abs. 2 ZPO
vorzunehmende Schätzung.
90
(aaa)
die einzelnen Vertragstypen wurden nach Auskunft der X bereits zum Planungszeitpunkt
nicht erstellt, was auch aus den Arbeitspapieren des Bewertungsgutachters hervorging
(S. 11 des Sachverständigengutachtens). Für die von der Beschwerde gemachte
Vorhaltung, es seien bewertungsrelevante Informationen bewusst zurückgehalten
worden, fehlt ein tatsächlicher Anhalt, die Beschwerde zeigt insofern nichts auf, die
Antragsgegnerinnen streiten das ab. Dass die vom Sachverständigen vermissten
Unterlagen beschafft werden könnten, ist nach allem weder ersichtlich noch dargetan,
ebenso wenig, dass die von ihm angesprochene weitergehende „Plausibilisierung“ auf
andere Weise mit vertretbarem und noch in angemessenem Verhältnis zum
Bewertungsziel stehenden Aufwand möglich wäre. Die Beschwerde zeigt auch insoweit
jeweils nichts anderes auf. Die Grundlagen der hier nach § 287 Abs. 2 ZPO
vorzunehmenden Schätzung müssen jedoch - wie erwähnt (oben unter B II 1 a cc) - zwar
methodensauber, aber mit verfahrensökonomisch vertretbarem Aufwand geschaffen
werden (vgl. Senat, Beschl. v. 17.10.2011 - 20 W 7/11 - Tz. 205 [juris]; Stilz, in: Festschrift
für Goette, 2011, S. 529, 540). Schon das entzieht hier der von der Beschwerde
erhobenen Beanstandung die Grundlage.
91
(bbb)
die mangels greifbarer Anhaltpunkte völlig in der Luft hängen würde (dazu schon oben
unter B II 1 a cc; vgl. zum Spruchverfahren OLG Frankfurt, AG 2007, 449 - Tz. 16 [juris];
Senat, ZIP 2012, 133 - Tz. 205 [juris]; Stilz, in: Festschrift für Goette, 2011, S. 529, 540;
allgemein Prütting, in: Münchener Kommentar zur ZPO, 4. Aufl., § 287 Rn. 14 sowie
Foerste, in: Musielak, ZPO, 10. Aufl., § 287 Rn. 8). Davon kann hier aber auch bezogen
auf den von der Beschwerde konkret gerügten Punkt nicht die Rede sein. Zumindest
deshalb greift die einschlägige Beanstandung der Beschwerde nicht durch.
92
(aaaa)
Gesellschaften zu einer Konzern-Gewinn- und Verlustrechnung konnte der
Sachverständige vielmehr - wie erwähnt - grundsätzlich nachvollziehen, für die
Positionen Umsatzerlöse und EBIT war eine Überleitung lückenlos nachvollziehbar. Die
Konsistenz der Planungsrechnungen (Ertrags-, Bilanz-, Investitions- und
Finanzierungsplanung) konnte der Sachverständige mit zwei Unstimmigkeiten, die
allerdings keine materiellen Auswirkungen auf den Unternehmenswert hatten (dazu
sogleich näher), nachvollziehen. Nach allem machen die Antragsgegnerinnen zu Recht
geltend, der Sachverständige habe die Unternehmensbewertung auch in diesem Punkt
im Wesentlichen nachvollziehen können.
93
(bbbb)
konkret gerügten Punkt keine Bedenken dagegen, die vorliegenden Planungen als
taugliche Grundlage im Rahmen der von dem Senat vorzunehmenden Schätzung nach §
287 Abs. 2 ZPO heranzuziehen.
94
(aaaaa)
künftige Entwicklung der Zielgesellschaft und ihrer Erträge sind - wie dargelegt (oben
unter B II 1 b bb 1) - nur darauf zu überprüfen, ob sie auf einer zutreffenden
Tatsachengrundlage beruhen und vertretbar sind; das erfordert - entgegen der
Auffassung, die offenbar dem in diesem Verfahren ergangenen Beweisbeschluss des
Landgerichts 10.07.2003 (Bl. 140 ff.) zu Grunde liegt - gerade nicht eine nachträgliche
„Plausibilisierung“ der Planungen in jedem einzelnen Punkt durch einen gerichtlichen
Sachverständigen. Soweit eine derartige „Plausibilisierung“ hier in dem betroffenen
Detailpunkt nur mit gewissen Abstrichen möglich war, stellt dies folglich schon vor
diesem Hintergrund die Tragfähigkeit der Unternehmensplanung in den von § 287 Abs. 2
ZPO gezogenen Grenzen gerade nicht in Frage und bildet in der Sache keinen
Anhaltspunkt für die Annahme, dass es sich etwa um Planungen handle, die nach dem
anzuwendenden Maßstab nicht mehr vertretbar wären. Der Senat hält schon deshalb - im
Ergebnis mit dem Landgericht - die „Plausibilisierungstiefe“ (s. S. 12 des angefochtenen
Beschlusses), die durch das gerichtliche Sachverständigengutachten geschaffen worden
ist, nach dem anzulegenden Maßstab des § 287 Abs. 2 ZPO bei einer Gesamtschau
zumindest für ohne weiteres ausreichend. Die Beschwerde zeigt insofern gerade keine
relevanten Fehler der Planung auf, sondern beschränkt sich auf die Beurteilung, die
„Plausibilisierungslücke“, von der das Landgericht ausgegangen ist (s. S. 12 des
angefochtenen Beschlusses), sei nicht hinnehmbar, was im Ergebnis zu Gunsten der
anspruchsberechtigten Minderheitsaktionäre auszulegen sei. Damit aber hat die
Beschwerde jedenfalls aus den genannten Gründen keinen Erfolg.
95
(bbbbb)
Schutz der Minderheitsaktionäre keineswegs gebietet, stets im Spruchverfahren neben
dem sachverständigen Prüfer einen gerichtlichen Sachverständigen hinzuzuziehen (vgl.
nur etwa Senat, BB 2011, 1522 - Tz. 82 [juris]; Senat, Beschl. v. 17.10.2011 - 20 W 7/11 -
Tz. 207 [juris]), etwa um die der Unternehmensbewertung zu Grunde liegenden
Planungsannahmen ein weiteres Mal in jeder Hinsicht zu überprüfen und
nachzuvollziehen. Hier ist eine solche Hinzuziehung eines gerichtlichen
Sachverständigen zwar erfolgt. Das ändert aber nichts daran, dass stets lediglich die
Schaffung einer im Rahmen von § 287 Abs. 2 ZPO tauglichen Grundlage für die
Schätzung gefordert ist, was gewisse Differenzierungen bei der als Ergebnis
sachverständiger Begutachtung zu verlangenden Tiefe der „Plausibilisierung“ der von
diesem zu begutachtenden Unternehmensplanung rechtfertigt sowie gewisse
Einschränkungen mit Blick auf die im Spruchverfahren besonders dringliche Anforderung
einer prozessökonomischen Verfahrensgestaltung. Tatsächlich ist noch weitergehend -
wie eben ausgeführt - eine nachträgliche „Plausibilisierung“ der Planungen in jedem
einzelnen Punkt durch einen gerichtlichen Sachverständigen nach dem einschlägigen
Maßstab des § 287 Abs. 2 ZPO schon gar nicht erforderlich.
96
(c)
hinnehmbar, dass das Landgericht die Schätzung des gerichtlichen Sachverständigen,
soweit dieser für die Planjahre und die ewige Rente einen Betrag in Höhe von 7,5 Mio.
EUR an sonstigen betrieblichen Aufwendungen zu Materialaufwand umgegliedert hat (s.
S. 24 f. des Sachverständigengutachtens), übernommen habe „mangels faktischer
weiterer Möglichkeiten für eine nähere Schätzung des Sachverständigen“, und soweit die
Beschwerde das Fehlen detaillierterer Unterlagen im Zusammenhang mit dieser
Kostenzuordnung im Bereich sonstiger betrieblicher Aufwendungen und
Materialaufwendungen beanstandet, gibt dies dem Senat ebenfalls keinen Anlass zu
einer abweichenden Schätzung des Unternehmenswerts nach § 287 Abs. 2 ZPO, und
zwar im Kern auf der Grundlage der unter B II 1 b bb 2 b dargestellten Gründe.
97
(aa)
Aufgliederung der Kostenzuordnungen vorlägen (vgl. S. 25 des
Sachverständigengutachtens). Dass eine noch präzisere Abschätzung als die von dem
Sachverständigen vorgenommene auf andere Weise mit vertretbarem und noch in
angemessenem Verhältnis zur etwaigen Relevanz für die Bewertung des Unternehmens
stehendem Aufwand möglich sei, ist nicht ersichtlich und zeigt die Beschwerde nicht auf.
98
(bb)
dass die vom Sachverständigen in diesem Zusammenhang aufgedeckten und benannten
„Unebenheiten“ der Planung seiner Beurteilung die Eignung nähmen, Grundlage einer
Schätzung nach § 287 Abs. 2 ZPO zu sein. Der Senat hält - im Ergebnis mit dem
Landgericht - die insoweit durch das gerichtliche Sachverständigengutachten
geschaffene Grundlage nach diesem Maßstab bei einer Gesamtschau ohne weiteres für
ausreichend. Das rechtfertigt sich schon daraus, dass es hier lediglich um die Aufklärung
einer von dem Sachverständigen selbst aufgedeckten, bei erstem Hinsehen auffallenden
Ungereimtheit ging und die vorgenommene Schätzung es ermöglichte, die letztlich nur
scheinbare Ungereimtheit nachvollziehbar zu erklären. Unter dem Aspekt der Ermittlung
des Unternehmenswerts selbst kam der Umgliederung der Kostenzuordnung jedoch
nicht eigentlich Bedeutung zu. Nach dem einschlägigen Maßstab des § 287 Abs. 2 ZPO
relevante Planungsfehler sind dementsprechend von vornherein nicht ersichtlich.
99
(d)
als vernachlässigbar angesehen hat, geben dem Senat ebenfalls keinen Grund, den
Unternehmenswert nach § 287 Abs. 2 ZPO höher zu schätzen als es der gerichtliche
Sachverständige und ihm folgend das Landgericht getan haben.
100
(aa)
die Planungsrechnung einbezogen wurde, ist vertretbar und hat keinen nennenswerten
Einfluss auf den Unternehmenswert. Der Sachverständige hat dies plausibel dargelegt
(S. 12 des Sachverständigengutachtens), Anlass, dieser Bewertung nicht zu folgen,
besteht nicht, die Beschwerde zeigt hierzu nichts auf. Eine vertretbare Planungsannahme
aber darf - wie erwähnt (oben unter B II 1 b bb 1) - nicht durch andere, letztlich ebenfalls
nur vertretbare Annahmen des Gutachters bzw. des Gerichts ersetzt werden.
101
(bb)
mit der geplanten Entwicklung des Buchwerts des Anlagevermögens (S. 13 des
Sachverständigengutachtens) hat das Landgericht entgegen der Auffassung der
Beschwerde zu Recht keine ins Gewicht fallende Bedeutung beigemessen. Die vom
Sachverständigen festgestellten Differenzen der Investitionsplanung zur Bilanzplanung
sind im Vergleich zum Buchwert des Anlagevermögens eher gering und gleichen sich
überdies bis auf 99.000,00 EUR aus (s. S. 13 des Sachverständigengutachtens). Dem
Senat ist angesichts dessen nicht ersichtlich, warum die Beurteilung des
Sachverständigen, die festgestellte Inkonsistenz sei ohne nennenswerte Auswirkung auf
die Unternehmenswertentwicklung, nicht zutreffend sein sollte. Die Beschwerde verhält
sich hierzu nicht. Es handelt sich schon deshalb auch insoweit um einen vertretbaren
Planungsansatz, dessen Korrektur durch den Senat weder erforderlich ist noch zulässig
wäre.
102
(cc)
Gewinnrücklagen im Planjahr 2002 und Dividendenausschüttungen im Geschäftsjahr
2001 (s. S. 13 f. des Sachverständigengutachtens) wirken sich gegenläufig aus, sie
gleichen sich bis auf 195.000,00 EUR aus. Dem Senat ist auch insoweit nicht ersichtlich,
warum die Beurteilung des Sachverständigen, es trete insoweit ebenfalls keine
nennenswerte Verzerrung des Unternehmenswerts ein (S. 14 des
Sachverständigengutachtens), zu beanstanden sein sollte. Auch insoweit liegt folglich
schon deshalb ein vertretbarer Planungsansatz vor, der der Schätzung nach § 287 Abs. 2
ZPO zu Grunde gelegt werden kann.
103
(dd)
Ausführungen zur Überschreitung des Jahresergebnisses gegenüber dem Forecast
2001. Der Sachverständige hat überzeugend dargelegt, warum die Berücksichtigung der
in Rede stehenden zahlungsunwirksamen Erträge keine wesentliche Änderung im
Unternehmenswert zur Folge hätte (s. S. 18 des Sachverständigengutachtens).
Jedenfalls deshalb verliert eine Planung, die diese Erträge nicht berücksichtigt, nicht die
Eignung als nach § 287 Abs. 2 ZPO taugliche Schätzungsgrundlage. Die Beschwerde
übergeht die vom Sachverständigen dargelegten gegenläufigen Effekte.
104
(e)
Umsatzanstiege, die in den Jahren 2000 und 2001 vorlagen und die auf den Abschluss
einzelner Neuverträge großen Umfangs zurückzuführen waren, mit Hinweis darauf, dass
eine Wiederholung solcher Effekte nicht ohne weiteres unterstellt werden könne, bei der
Bewertung zu bereinigen, gibt auch dies dem Senat keinen Anlass zu einer Korrektur der
von dem gerichtlichen Sachverständigen und ihm folgend vom Landgericht für
maßgebend erachteten Ansätze.
105
(aa)
die Ursachen der gewichtigen Umsatzsteigerungen in den Jahren 2000 und 2001
herausgearbeitet und die geplante Umsatzsteigerungsrate von etwa 6 % als zwar hinter
diesen Werten zurückbleibend und vorsichtig, doch als plausibel eingestuft, u. a.
deshalb, weil die Umsatzsteigerungen in den Jahren 2000 und 2001 auf mehreren, in
dieser Zeit neu hinzugewonnenen Großprojekten beruhten, derartige Hinzugewinnungen
für die weitere Zukunft nicht angenommen werden könnten (s. S. 27 ff. des
Sachverständigengutachtens).
106
(bb)
Die Darlegungen der Beschwerde hierzu überzeugen nicht. Die Verlängerung
bestehender Verträge war insoweit gerade nicht betroffen. Nachvollziehbare Gründe für
ihre von derjenigen des Sachverständigen abweichende Auffassung lassen sich der
Beschwerde auch sonst nicht entnehmen.
107
cc)
Ertragswertverfahrens mit dem Kapitalisierungszinssatz zu diskontieren, um ihren
Barwert zu erhalten. Der Kapitalisierungszinssatz setzt sich aus einem risikolosen
Basiszinssatz (dazu unten unter B II 1 b cc 1) sowie einem Risikozuschlag (dazu unten
unter B II 1 b cc 2) zusammen. Da der Unternehmensbewertung eine Nominalrechnung
zu Grunde liegt, ist in der Phase II zudem ein Wachstumsabschlag (dazu unten unter B II
1 b cc 3) zu berücksichtigen. Keine Bedenken bestehen dagegen, der Schätzung des
Senats die von dem gerichtlichen Sachverständigen herangezogenen
Kapitalisierungszinssätze zu Grunde zu legen.
108
(1)
109
(a)
Anlage (vgl. nur Senat, Beschl. v. 05.06.2013 - 20 W 6/10 - Tz. 191 [juris]). Er wird aus
dem durchschnittlichen Zinssatz für öffentliche Anleihen abgeleitet (vgl. Senat, NZG
2007, 112 - Tz. 38 [juris]; Senat, ZIP 2010, 274 - Tz. 199 [juris]). Dabei kommt es nicht auf
die aktuellen Zinssätze am Bewertungsstichtag an, die mehr oder weniger zufällig sind,
sondern auf die aus der Sicht des Stichtags von kurzfristigen Einflüssen bereinigte,
künftig auf Dauer zu erzielende Verzinsung (vgl. Senat, ZIP 2012, 133 - Tz. 285 [juris]).
110
(b)
für zutreffend erachtete Basiszinssatz von 6,0 % liegt nach Auffassung des gerichtlichen
Sachverständigen am oberen Ende einer plausiblen Bandbreite; eine Ableitung nach
neueren, zukunftsorientierten Methoden führe allerdings zu einem Basiszinssatz von 5,5
%; dies sei hier bei der Gesamtwürdigung des Kapitalisierungszinssatzes zu
berücksichtigen (vgl. S. 69, 88 des gerichtlichen Sachverständigengutachtens). Die
Beurteilung des Sachverständigen kann - wogegen sich die Beschwerde auch nicht
wendet - der Schätzung des Senats nach § 287 Abs. 2 ZPO zu Grunde gelegt werden.
Die von dem Sachverständigen dargelegten Ansätze bewegen sich jedenfalls innerhalb
der Bandbreite, die sich bei Anwendung diverser, vom Sachverständigen erläuterter
einschlägiger Modelle ergibt (vgl. S. 64 ff. und besonders S. 68 des
Sachverständigengutachtens). Dies erweist sie jedenfalls als für die Schätzung nach §
287 Abs. 2 ZPO geeignet.
111
(2)
Anleihen die Risiken der unternehmerischen Tätigkeit zu berücksichtigen sind, ist der
Basiszinssatz um einen Risikozuschlag zu erhöhen (vgl. Senat, AG 2012, 275 - Tz. 156
[juris]; Senat, ZIP 2012, 133 - Tz. 287 [juris]). Der Senat hat keine Bedenken, den vom
Bewertungsgutachter angesetzten und vom gerichtlichen Sachverständigen nicht
beanstandeten Risikozuschlag im Rahmen der erforderlichen Schätzung zu akzeptieren.
112
(a)
113
(aa)
Modell (CAPM) ist methodisch nicht zu beanstanden, entspricht der Empfehlung des
IDW, ist somit anerkannt und gebräuchlich (vgl. etwa Senat, ZIP 2012, 133 - Tz. 294
[juris] und zum Tax-CAPM ausführlich Tz. 297 ff. [juris] m. w. N.) und kann hier folglich für
die Schätzung nach § 287 Abs. 2 ZPO herangezogen werden. Dabei wird die aus der
langjährigen Differenz zwischen der Rendite von Aktien und (quasi) risikofreien
öffentlichen Anleihen (Überrendite) ermittelte durchschnittliche Risikoprämie
(Marktrisikoprämie) mit einem unternehmensspezifischen Faktor multipliziert (Betafaktor).
Seit IDW S 1 2005 wird dabei von dem IDW die Anwendung des Tax-CAPM empfohlen,
das sich von der Grundform des CAPM im Wesentlichen bei der Berücksichtigung der
persönlichen Steuern der Anteilseigner unterscheidet (vgl. IDW S 1 2005 Rn. 132; Senat,
AG 2010, 513 - Tz. 217 [juris]). Es hält sich allerdings zumindest unter den hier
gegebenen Umständen ohne weiteres in dem von § 287 Abs. 2 ZPO gezogenen
Rahmen, hier noch das CAPM in seiner Grundform heranzuziehen.
114
(bb)
Übereinstimmung mit dem Landgericht - und von der Beschwerde unbeanstandet - die
von dem Bewertungsgutachter angesetzte und von dem sachverständigen Prüfer für
angemessen gehaltene Marktrisikoprämie von 5,0 % vor persönlichen Steuern zu
Grunde. Diese Marktrisikoprämie liegt in der Bandbreite der allgemein gebräuchlichen
Marktrisikoprämien, zudem innerhalb der Spanne der - allerdings für
Bewertungsstichtage ab 31.12.2004 - von dem Arbeitskreis Unternehmensbewertung
(AKU) des IDW bis zur Unternehmenssteuerreform empfohlenen (vgl. FN-IDW Nr. 1-
2/2005, S. 71) Marktrisikoprämie von 4,0 bis 5,0 % vor persönlichen Steuern (vgl. auch
Senat, Beschl. v. 24.07.2013 - 20 W 2/12 - Tz. 164 [juris]) und ist auch von dem
gerichtlichen Sachverständigen für in jedem Fall innerhalb einer plausiblen Bandbreite
liegend befunden worden (s. S. 75 des Sachverständigengutachtens).
115
(cc)
Senat nach § 287 Abs. 2 ZPO heranziehen. Die wirtschaftswissenschaftliche Diskussion
zur Bestimmung der Marktrisikoprämie ist weiterhin nicht abgeschlossen. Zur Ermittlung
der historischen Marktrisikoprämie existieren zahlreiche Studien, die abhängig von der
Heranziehung der jeweiligen Anknüpfungspunkte und Berechnungsmethoden teilweise
zu sehr unterschiedlichen Ergebnissen kommen. Dies beruht darauf, dass die
Bestimmung der historischen Marktrisikoprämie eine Vielzahl von Annahmen von der
Feststellung des Untersuchungszeitraums über die Bestimmung der Datenquellen für die
Ermittlung der unterschiedlichen Renditen bis hin zur Art und Weise der Mittelwertbildung
erfordert (vgl. Wagner/Jonas/Ballwieser/Tschöpel, Wpg 2006, 1005, 1017; Stilz, in:
Festschrift für Goette, 2011, S. 529, 533). Es ist nicht Aufgabe des Spruchverfahrens,
einen Beitrag zur Klärung derartiger Fragen zu leisten (vgl. OLG Karlsruhe, Beschl. v.
30.04.2013 - 12 W 5/12 - Tz. 47 [juris] sowie Senat, Beschl. v. 15.10.2013 - 20 W 3/13 -
Tz. 133 [juris]). Entscheidend ist in diesem Verfahren allein, dass eine nach § 287 Abs. 2
ZPO tragfähige Grundlage für die Schätzung geschaffen ist. Das ist unter den hier
vorliegenden, dargelegten Umständen bei Heranziehung einer Marktrisikoprämie von 5,0
% vor persönlichen Steuern der Fall.
116
(b)
dem gerichtlichen Sachverständigen sowie dem Landgericht - einen Betafaktor von 0,7
(verschuldet) seiner Schätzung nach § 287 Abs. 2 ZPO zu Grunde.
117
(aa)
Unternehmens im Vergleich zum Marktportfolio verhält (vgl. hierzu und zum Folgenden
nur Senat, Beschl. v. 05.06.2013 - 20 W 6/10 - Tz. 209 [juris] m. w. N.). Bei einem
Betafaktor von 1 entspricht das Risiko des Bewertungsobjekts dem durchschnittlichen
Risiko des Portfolios; eine Renditeänderung des Portfolios hat dann exakt im gleichen
Umfang eine Renditeänderung des Bewertungsobjekts zur Folge. Bei einem Betafaktor
über 1 führen Renditeänderungen des Portfolios zu höheren Renditeänderungen des
Bewertungsobjekts, d.h. das Bewertungsobjekt birgt größere Renditechancen, aber auch
größere Risiken. Bei einem Betafaktor unter 1 haben Renditeänderungen des Portfolios
geringere Renditeänderungen bei dem Bewertungsobjekt zur Folge, d.h. die
Renditechancen, aber auch die Risiken sind geringer. Der Betafaktor ist kein empirisch
feststellbarer Vergangenheitswert, sondern ein durch Schätzung zu ermittelnder
Zukunftswert (Senat, AG 2011, 560 - Tz. 200 [juris]; Senat, ZIP 2010, 274 - Tz. 235 [juris]
m. w. N.). Grundlage für die Schätzung des Betafaktors können der historische Verlauf
der Börsenkurse der zu bewertenden Aktie selbst bzw. derjenige einer Peer Group sein,
wobei auch die unternehmensspezifische Risikostruktur berücksichtigt werden kann
(Senat, AG 2011, 560 - Tz. 200 [juris] m. w. N.).
118
(bb)
Sachverständigengutachtens) die Vorgehensweise des Bewertungsgutachters zur
Ableitung des unverschuldeten Betafaktors von 0,27 für „pauschal“ und damit in der
Sache nicht tragfähig gehalten, ebenso wenig wie den von dem Bewertungsgutachter
angesetzten Zuschlag von 75 % für ein zukünftig höheres Marktrisiko. Vor diesem
Hintergrund hat der Sachverständige, um den von dem Bewertungsgutachter
angesetzten Betafaktor zu überprüfen, eigene Untersuchungen angestellt, und zwar -
angesichts mangelnder Belastbarkeit des Verlaufs der Börsenkurse des zu bewertenden
Unternehmens - anhand von Vergleichsunternehmen (Peer Group). Er hat als
Vergleichsunternehmen eine P .. Co. Ltd. (J.) sowie eine C P C (U.) herangezogen, dabei
allerdings ausdrücklich klargestellt, dass auch diese beiden Unternehmen mit der X „nur
bedingt vergleichbar“ seien, da sie in anderen geographischen Regionen tätig seien, in
denen u. U. andere Markt- und Wettbewerbsbedingungen vorlägen und damit eine
andere operative Risikosituation. Mangels anderer vergleichbarer Unternehmen böten
diese beiden aber den bestmöglichen Vergleich. Im Ergebnis gelangt der
Sachverständige aufgrund seiner eigenen Untersuchungen zu der Einschätzung, der von
dem Bewertungsgutachter herangezogene Betafaktor von 0,7 liege zwar am unteren
Ende, doch noch innerhalb einer plausiblen Bandbreite (vgl. S. 88 f. des
Sachverständigengutachtens).
119
(cc)
anerkannten Methoden der Unternehmensbewertung und stellen somit die im Rahmen
von § 287 Abs. 2 ZPO erforderlichen Anknüpfungspunkte dar für die Schätzung des
Unternehmenswerts auch in dieser Beziehung. Daran ändert die Rüge der Beschwerde -
ihr weiteres Vorbringen, der Sachverständige habe aus der von ihm gebildeten Peer-
Group geringere Betafaktoren abgeleitet als den herangezogenen von 0,7 (verschuldet),
trifft bei Betrachtung der von dem gerichtlichen Sachverständigen ermittelten Spannbreite
von vornherein nicht zu - nichts, der Betafaktor sei aus einer Peer-Group abgeleitet
worden, deren Expansionsstrategie nicht untersucht worden sei, es könne indes nicht
ohne weiteres angenommen werden, dass die Vergleichsunternehmen ebenfalls
konservativ am Markt agierten mit der Folge, dass der für diese Unternehmen ermittelte
Betafaktor dem systematischen Unternehmensrisiko eines vorsichtig planenden
Unternehmens wie dem hier zu bewertenden entspreche. Der Sachverständige selbst ist
von der nur eingeschränkten Vergleichbarkeit der beiden Unternehmen mit der X
ausgegangen oder hat diese jedenfalls für möglich erachtet. Es ist aber - was die
Beschwerde auch nicht in Zweifel zieht - keine Möglichkeit zu sehen, den Betafaktor -
jedenfalls mit in einem Spruchverfahren noch vertretbarem Aufwand - zuverlässiger zu
bestimmen als es der Sachverständige hier getan hat. Auch in diesem Zusammenhang
(s. bereits oben unter B II 1 a cc) gilt jedoch, dass die Grundlagen der nach § 287 Abs. 2
ZPO vorzunehmenden Schätzung zwar methodensauber, aber mit
verfahrensökonomisch vertretbarem Aufwand geschaffen werden müssen (vgl. Senat,
Beschl. v. 17.10.2011 - 20 W 7/11 - Tz. 205 [juris]; Stilz, in: Festschrift für Goette, 2011, S.
529, 540). Abgesehen davon stellt die Beschwerde die von ihr verfochtene These, die
Unternehmen der Peer-Group seien dem zu bewertenden im Hinblick auf das
systematische Unternehmensrisiko nicht vergleichbar, lediglich in den Raum;
Anhaltspunkte dafür, dass dies tatsächlich der Fall ist, zeigt die Beschwerde aber nicht
auf und sind nicht ersichtlich, schon gar nicht ist aufgezeigt oder ersichtlich, dass etwaige
Divergenzen sich nennenswert auf die hier allein relevante Schätzung des
Unternehmenswerts auswirkten.
120
(3)
ewige Rente in Höhe von 1,5 % durch den gerichtlichen Sachverständigen (s. S. 83 ff.
des Sachverständigengutachtens) angeschlossen, der von dem vom
Bewertungsgutachter angesetzten, vom sachverständigen Prüfer bestätigten
Wachstumsabschlag in Höhe von 1,0 % abwich. Auch dagegen bestehen keine, im hier
entscheidenden Rahmen des § 287 Abs. 2 ZPO beachtlichen Bedenken. Die
Beschwerde zeigt solche auch nicht auf, sie wendet sich von vornherein nicht gegen
diesen Ansatz. Die Ermittlung des Wachstumsabschlags durch den gerichtlichen
Sachverständigen beruht auf anerkannten und gebräuchlichen Methoden und einer
schlüssigen und nachvollziehbaren Anwendung für den konkreten Fall, so dass der
Senat ausreichende Grundlagen für die Schätzung hat.
121
dd)
maßgebenden Stichtag sind Sonderwerte hinzuzurechnen bzw. abzuziehen. In den
Ertragswert fließt nur das betriebsnotwendige Vermögen ein. Nicht betriebsnotwendiges
Vermögen ist grundsätzlich gesondert zu bewerten und dem Ertragswert als Sonderwert
hinzuzurechnen. Betriebsnotwendig sind die Vermögensgegenstände, die das
Unternehmen benötigt, um Überschüsse zu erzielen. Nicht betriebsnotwendig sind
Gegenstände, die sich veräußern lassen, ohne die Ziele des Unternehmens und den
Überschusswert wesentlich zu ändern (s. zum Ganzen Senat, Beschl. v. 05.06.2013 - 20
W 6/10 - Tz. 238 ff. [juris] m. w. N.). Im vorliegenden Fall hat der Sachverständige indes
die bereits dem Bewertungsgutachten zu Grunde liegende Annahme bestätigt gefunden,
dass nicht betriebsnotwendiges Vermögen in nennenswertem Umfang nicht vorhanden
sei. Entgegenstehende Anhaltspunkte sind nicht ersichtlich, die Beschwerde zeigt solche
auch nicht auf und wendet sich nicht gegen die vom Landgericht geteilte Auffassung des
gerichtlichen Sachverständigen.
122
c)
Angemessenheit der angebotenen Abfindung. Es bedarf jeweils einer Überprüfung der
Rahmenbedingungen im Einzelfall, ob eine Schätzung des Anteilswertes auch auf der
Grundlage eines validen Börsenkurses der Aktie erfolgen kann (vgl. Senat, Beschl. v.
05.06.2013 - 20 W 6/10 - Tz. 249 [juris]). Hier ist das schon angesichts des
außerordentlich geringen Transaktionsvolumens im relevanten Zeitraum (s. S. 13, 21 des
Bewertungsgutachtens vom 10.12.2001; vgl. auch S. 75 f. des gerichtlichen
Sachverständigengutachtens) zu verneinen (vgl. etwa BGHZ 147, 108 - Tz. 20 [juris] -
„DAT/Altana“), zumal sich die Beschwerdeführerin selbst nicht auf den Börsenwert
bezieht (vgl. etwa Paulsen, in: Münchener Kommentar zum Aktiengesetz, 3. Aufl., § 305
Rn. 83). Unabhängig davon ist nicht ersichtlich, dass eine solche Wertermittlung hier zur
Unangemessenheit der angebotenen Barabfindung führte. Der insoweit maßgebliche
(vgl. BGH, ZIP 2010, 1487 - Tz. 10 [juris] - „Stollwerck“; Senat, Beschl. v. 05.06.2013 - 20
W 6/10 - Tz. 249 [juris]), nach Umsatz gewichtete Durchschnittskurs innerhalb einer
dreimonatigen Referenzperiode vor der Bekanntmachung der Strukturmaßnahme - hier:
des Gewinnabführungsvertrags - dürfte weit unter dem vom Landgericht festgesetzten
Betrag von 106,82 EUR liegen; jedenfalls lag der Durchschnittskurs zwischen dem
10.09.2011 und dem 10.12.2001 bei 74,20 EUR (s. S. 13 des Bewertungsgutachtens
vom 10.12.2001 sowie S. 25 des gemeinsamen Berichts der Vorstände der beteiligten
Unternehmen über den Gewinnabführungsvertrag vom 31.01.2002).
123
d)
habe maßgebliche Hinweise auf einen erheblich höheren Unternehmenswert
ausgeblendet, indem es unberücksichtigt gelassen habe, dass die Zielgesellschaft
innerhalb von weniger als zwei Jahren nach Abschluss des Unternehmensvertrages an
die Beteiligungsgesellschaft I zu einem Preis veräußert worden sei, der um etwa 26 %
über dem von der Kammer zu Grunde gelegten Unternehmenswert gelegen habe. Gut
zwei weitere Jahre später sei die Zielgesellschaft für 885 Mio. EUR verkauft worden, der
Erlös habe damit 320 % über dem von der Kammer angenommenen Unternehmenswert
gelegen. Es mag dahinstehen, ob - was die Antragsgegnerinnen in Abrede stellen - die
von der Beschwerde behaupteten Beträge zutreffen. Selbst die sich dann ergebenden
Divergenzen zu dem nach § 287 Abs. 2 ZPO hier ermittelten Unternehmenswert
entziehen der Schätzung entgegen der Auffassung der Beschwerde so wenig ihre
Grundlage wie sie etwa Zweifel an der Tragfähigkeit der dieser Schätzung zu Grunde
liegenden Unternehmensplanung begründen können.
124
aa)
Stichtagsprinzips für die fundamentalanalytische Ermittlung des Unternehmenswertes
grundsätzlich nicht relevant (vgl. nur etwa Senat, ZIP 2012, 133 - Tz. 215 [juris]; Senat,
Beschl. v. 05.06.2013 - 20 W 6/10 - Tz. 167 [juris]). Insbesondere im Zusammenhang mit
der Frage, ob eine bestimmte Planung zur Grundlage der nach § 287 Abs. 2 ZPO
vorzunehmenden Schätzung gemacht werden kann, sind spätere Entwicklungen
lediglich ausnahmsweise und nur dann zu berücksichtigen, wenn diese im Sinne der so
genannten Wurzeltheorie am Stichtag bereits angelegt und absehbar waren (vgl. zuletzt
Senat, Beschl. v. 05.06.2013 - 20 W 6/10 - Tz. 167 [juris] m. w. N.; s. ferner z. B. Hüffer,
AktG, 10. Aufl., § 305 Rn. 23 m. w. N.). Dafür, dass die von der Beschwerde angeführten
Verkäufe überhaupt oder aber sogar konkretisiert auf bestimmte Erwerber oder
Erwerbsinteressenten bereits zum maßgebenden Bewertungsstichtag angelegt gewesen
seien, fehlt indes jeder Anhaltspunkt, zumal nicht einmal ersichtlich ist, dass es zum
Bewertungsstichtag auch nur Überlegungen gab, das Unternehmen zu veräußern.
125
bb)
Jahre später erzielten Verkaufserlöse als solche ließen indiziell Rückschlüsse auf den
hier relevanten Unternehmenswert zu mit der Folge, dass der vom Landgericht zu
Grunde gelegte Wert unplausibel sei. Tatsächlich verbieten sich solche Rückschlüsse,
wie in dem Beschluss des Senats vom 03.04.2012 (20 W 6/09 - Tz. 197 ff. [juris]) in
Bezug auf den zeitlich späteren der beiden Verkäufe bereits dargelegt worden ist.
126
(1)
vom 14.10.1992 (NJW-RR 1993, 131 - Tz. 9 [juris]) entschieden, dass in dem Fall, dass
Nachlassgrundstücke fünf Jahre nach dem Erbfall erheblich teurer als von
Sachverständigen geschätzt veräußert werden, die Pflichtteilsberechtigte im
Wesentlichen unveränderte Marktverhältnisse seit dem Erbfall nachweist und die Erben
keine wesentliche Veränderung der Bausubstanz in der Zwischenzeit darlegen können,
der Verkehrswert der Grundstücke grundsätzlich aus den tatsächlich erzielten Preisen
unter Berücksichtigung der allgemeinen Entwicklung der Bodenpreise rückschließend zu
bestimmen sei. Diese Entscheidung ist jedoch - wie weitere vergleichbare
Entscheidungen (etwa BGH, NJW-RR 1991, 900 - Tz. 10 [juris]; BGH, NJW-RR 1993,
834 - Tz. 8 ff. [juris]; BGH, NJW 2011, 1004 - Tz. 5 [juris]) - zu Grundstücken ergangen,
deren Wertermittlung gegenüber derjenigen von Unternehmen, welche von weitaus mehr
Determinanten abhängt, grundlegende Unterschiede aufweist, weil das
Bewertungsobjekt aus einer Vielzahl einzelner Vermögensgegenstände besteht, deren
Zusammensetzung sich laufend ändert. Anders als bei einem Grundstück ist die Situation
eines lebenden Unternehmens nicht statisch, sondern im ständigen Fluss. Dessen
Stellung im Markt verändert sich fortlaufend. Entscheidend sind demnach - anders als bei
Grundstücken - zumindest nicht allein der Markt und etwaige Marktänderungen an sich,
sondern das Unternehmen selbst und seine Stellung im Markt. Diese unterliegen aber
bei einem fortgeführten Unternehmen einem laufenden Wandel. Von einem mehrere
Jahre nach dem Bewertungsstichtag erzielten Verkaufspreis kann deshalb in der Regel
gerade nicht auf den Wert des Unternehmens zum Bewertungsstichtag geschlossen
werden (vgl. zum Ganzen auch Senat, Beschl. v. 03.04.2012 - 20 W 6/09 - Tz. 207 ff.
[juris]). Ebenso wenig ist Raum für die eingangs erwähnte Überlegung, auf der Basis
eines entsprechenden Rückschlusses Zweifel an der Plausibilität des ermittelten,
wesentlich geringeren Unternehmenswerts zum Bewertungsstichtag abzuleiten.
127
(2)
Tz. 23 ff. [juris]) ergibt sich nichts anderes. Das Gericht hat dort zum einen für den mit der
hier gegebenen Konstellation nicht vergleichbaren Fall, dass ein kaufmännisches
Unternehmen am Bewertungsstichtag auch unter Berücksichtigung der
Zukunftsaussichten keinen positiven Ertragswert hat und es dennoch erst drei Jahre
später ohne Erlös liquidiert wird, angenommen, dass der Tatrichter für die Bewertung auf
den Liquidationswert am Stichtag abstellen dürfe (vgl. BGH NJW 1982, 2497 - Leitsatz 1
sowie Tz. 25 f. [juris]). Darüber hinaus hat der Bundesgerichtshof es für zulässig
gehalten, dass sich der Tatrichter für die Bewertung eines Unternehmens an dem
Verkaufserlös orientiert, wenn ein kaufmännisches Unternehmen etwa ein Jahr nach dem
Bewertungsstichtag veräußert worden ist und wesentliche Veränderungen des Marktes
nicht ersichtlich sind (vgl. BGH NJW 1982, 2497 - Leitsatz 2 sowie Tz. 23 [juris]). Dabei
handelt es sich allerdings um eine unter besonderen Umständen des Einzelfalles
getroffene Entscheidung bezogen auf ein seinerzeit im Rechtsstreit erstattetes
Sachverständigengutachten, dessen Inhalt nicht bekannt ist. Aus der Entscheidung ergibt
sich, dass in den Tatsacheninstanzen die wirtschaftliche Identität des Unternehmens und
dessen Stellung im Markt nicht in Frage gestellt wurden. Einen Grundsatz dahingehend,
dass der erzielte Verkaufserlös der Unternehmensbewertung in der Regel zu Grunde zu
legen ist, stellt der BGH dagegen nicht auf (vgl. auch Senat, Beschl. v. 03.04.2012 - 20 W
6/09 - Tz. 210 [juris]).
128
(3)
auf eine mangelnde Plausibilität des vom Landgericht angesetzten Unternehmenswerts
geschlossen werden. Dafür, dass das später mehrfach verkaufte Unternehmen zu diesem
Zeitpunkt entgegen dem üblichen Verlauf gegenüber dem Bewertungsstichtag
unverändert und zu den jeweiligen Zeitpunkten wirtschaftlich identisch gewesen sein
sollte, fehlen belastbare Anhaltspunkte. Solche liegen insbesondere nicht in der von der
Beschwerde aufgegriffenen Angabe des Sachverständigen in seiner Anhörung durch das
Landgericht im Termin, er habe Feststellungen zu erst nach dem Bewertungsstichtag,
doch vor dem ersten bzw. dem zweiten Verkauf eingetretenen Ereignissen nicht treffen
können (Bl. 341). Abgesehen davon, dass dies nicht den Schluss rechtfertigt, solche
Ereignisse habe es nicht gegeben, kommen mannigfache Einflüsse in Betracht, die
letztlich zu den erzielten Verkaufspreisen geführt haben können. Die
Beschwerdegegnerinnen tragen denn auch zu erheblichen Umstrukturierungen und
Veränderungen des betroffenen Unternehmens zumindest in den Jahren zwischen 2004
und 2007 vor, ebenso wie zu gewichtigen Marktänderungen in diesem Zeitraum (vgl.
auch die Darlegungen des auf Seiten der Antragsgegnerinnen erschienenen Herrn S. im
Termin vor dem Landgericht [Bl. 344]). Der Senat hält vor diesem gesamten Hintergrund
die von der Beschwerde gewünschten Rückschlüsse unter den gegebenen Umständen
nicht für möglich (vgl. auch LG Dortmund, Beschl. v. 18.05.2005 - 18 AktE 3/03 - Tz. 42
[juris]).
2.
129 Nach § 304 Abs. 1 Satz 1 AktG muss ein Gewinnabführungsvertrag einen
angemessenen Ausgleich für die außenstehenden Aktionäre durch eine auf die Anteile
am Grundkapital bezogene wiederkehrende Geldleistung (Ausgleichszahlung) vorsehen.
Nach § 304 Abs. 2 Satz 1 AktG ist als Ausgleichszahlung mindestens die jährliche
Zahlung des Betrags zuzusichern, der nach der bisherigen Ertragslage der Gesellschaft
und ihren künftigen Ertragsaussichten unter Berücksichtigung angemessener
Abschreibungen und Wertberichtigungen, jedoch ohne Bildung anderer
Gewinnrücklagen, voraussichtlich als durchschnittlicher Gewinnanteil auf die einzelne
Aktie verteilt werden könnte. Das Gericht hat dann im Spruchverfahren einen
angemessenen Ausgleich festzusetzen, wenn der im Vertrag bestimmte Ausgleich nicht
angemessen ist, § 304 Abs. 3 Satz 3 AktG. Eine Korrektur des vom Landgericht
festgesetzten Ausgleichs durch den Senat zugunsten der Beschwerdeführerin scheidet
nach diesen gesetzlichen Vorgaben aus.
130
a)
Ausgleich ausgehend von dem nach obigen Grundsätzen ermittelten Ertragswert der
Gesellschaft berechnet (s. S. 99 ff., 106 des Sachverständigengutachtens). Dabei wurde
die Ausgleichszahlung - entsprechend dem Vorgehen im Bewertungsgutachten (dort S.
25 f.), das der gerichtliche Sachverständige für sachgerecht hält - durch Verzinsung des
Unternehmenswerts je Aktie zum 12.04.2002 mit dem Mittelwert von 7,75 % aus
Basiszinssatz nach persönlicher Ertragssteuer (6,0 %) und risikoadjustiertem
Kapitalisierungszinssatz (9,5 %) ermittelt. Diese Berechnung führt bei Zugrundelegung
des vom gerichtlichen Sachverständigen ermittelten Unternehmenswerts zu einem
jährlichen Ausgleich für die Dauer der Laufzeit des Gewinnabführungsvertrags in Höhe
der vom Landgericht festgesetzten 6,52 EUR netto.
131
b)
nicht. Gegen sie bestehen auch keine Bedenken.
132
aa)
insgesamt, sondern nur die Dividende (vgl. BGHZ 166, 195 - Tz. 11 [juris]). Maßgeblich
für seine Berechnung ist der sich nach der bisherigen Ertragslage der Gesellschaft und
ihren künftigen Ertragsaussichten je Aktionär zur Verteilung ergebende Gewinn, den die
Gesellschaft als unabhängiges, durch einen Beherrschungsvertrag nicht gebundenes
Unternehmen hätte (vgl. BGHZ 156, 57 - Tz. 12 [juris] - „Ytong“). Auch insoweit sind somit
Prognosen über eine künftige Entwicklung entscheidend, die naturgemäß noch nicht
feststehen und damit mit Unsicherheiten behaftet sind. Ein absolut zutreffender
Ausgleichsbetrag existiert deshalb nicht, vielmehr kann auch dieser nur im Wege der
Schätzung ermittelt werden. Angesichts seiner theoretischen Ableitung aus den künftigen
Ertragserwartungen der Gesellschaft kann der Ausgleichsbetrag praktisch durch
Verrentung des im Ertragswertverfahren ermittelten Unternehmenswertes errechnet
werden (vgl. BGHZ 156, 57 - Tz. 14 [juris] - „Ytong“; OLG München, AG 2008, 28 - Tz. 49
[juris]; Senat, ZIP 2008, 883 - Tz. 116 [juris]).
133
bb)
Bewertungsgutachter bzw. dem gerichtlichen Sachverständigen entsprechend der
anerkannten und gebräuchlichen Vorgehensweise aus dem im Ertragswertverfahren
ermittelten Unternehmenswert der X abgeleitet. Der Sachverständige nimmt Bezug auf
die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGHZ 156, 57 - „Ytong“), sieht jedoch
davon ab, ausgehend vom Nettoausgleich einen Bruttoausgleich abzuleiten. Auf die
hierfür vom Sachverständigen dargelegte Begründung (s. S. 101 f. des
Sachverständigengutachtens), die auch das Landgericht teilt, nimmt der Senat Bezug.
Bedenken sind insoweit nicht ersichtlich.
134
cc)
Verwendung eines Mischzinssatzes aus risikofreiem Basiszinssatz und
risikoadjustiertem Kapitalisierungszinssatz ist in der Wirtschaftswissenschaft
gebräuchlich und anerkannt, wenn auch nicht unumstritten, und in der Rechtsprechung
anerkannt. Hiermit wird der für den garantierten Ausgleichsbetrag abweichenden
Risikostruktur Rechnung getragen: Das Risiko des garantierten Ausgleichs liegt unter
dem normalen Risiko einer unternehmerischen Beteiligung, das aber im Falle der
Beendigung des Gewinnabführungsvertrags wieder auflebt. Möglicherweise besteht
danach auch eine andere Risikostruktur als zum Bewertungsstichtag. Damit wird es
gerechtfertigt, einen über dem quasi risikolosen Basiszinssatz, aber unter dem
risikobehafteten vollen Kapitalisierungszinssatz liegenden Verrentungszinssatz
anzuwenden (vgl. hierzu zuletzt etwa Senat, Beschl. v. 05.06.2013 - 20 W 6/10 - Tz. 259
[juris] m. w. N.).
III.
1.
135 Die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens haben nach § 15 Abs. 2 Satz 1 SpruchG
a. F. die Antragsgegnerinnen zu tragen, wobei sich ihre gesamtschuldnerische Haftung
aus § 5 Abs. 1 Satz 1 KostO ergibt (vgl. etwa Rosskopf, in: Kölner Kommentar zum AktG,
3. Aufl., § 15 SpruchG Rn. 39). Eine Billigkeitsentscheidung gemäß § 15 Abs. 2 Satz 2
SpruchG a. F. zulasten der Antragstellerin Ziff. 3 und Beschwerdeführerin kommt nicht in
Betracht. Hiernach können zwar die Gerichtskosten einem Antragsteller ausnahmsweise
auferlegt werden, wenn sein Rechtsmittel bei einer Beurteilung ex ante offensichtlich von
vornherein ohne Erfolgsaussichten war (vgl. BGH, NZG 2012, 191 - Tz. 23 [juris]). Diese
Voraussetzungen liegen aber nicht vor.
136 Eine Verpflichtung der Antragsgegnerinnen zur Erstattung der außergerichtlichen Kosten
der Antragstellerin Ziff. 3 und Beschwerdeführerin scheidet aus. Angesichts der
Unbegründetheit der sofortigen Beschwerde entspräche es nicht der Billigkeit, die im
Beschwerdeverfahren entstandenen außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin Ziff. 3
nach § 15 Abs. 4 SpruchG a. F. den Antragsgegnerinnen aufzuerlegen.
137 Ebenso wenig sind allerdings die im Beschwerdeverfahren entstandenen
außergerichtlichen Kosten der Antragsgegnerinnen der Beschwerdeführerin
aufzuerlegen, da eine Erstattung der Kosten des Antragsgegners in § 15 SpruchG a. F.
nicht vorgesehen ist und § 15 Abs. 4 SpruchG a. F. die Kostenerstattung für die
außergerichtlichen Kosten abschließend regelt (vgl. BGH, NZG 2012, 191 - Tz. 11 ff.
[juris]).
2.
138 Da gegenüber der vom Landgericht festgesetzten Abfindung kein zusätzlicher Betrag
festgesetzt wird, ist der Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens mit 200.000 EUR
anzusetzen (§ 15 Abs. 1 SpruchG a. F.).
3.
139 Eine mündliche Verhandlung war nicht veranlasst.
140
a)
mündliche Verhandlung durchzuführen. Letzteres gilt insbesondere dann, wenn - wie hier
- bereits vor dem Landgericht eine mündliche Verhandlung stattfand (vgl. Senat, Beschl.
v. 04.05.2011 - 20 W 11/08 - Tz. 238 [juris]; Wilske, in: Kölner Kommentar zum AktG, 3.
Aufl., § 12 SpruchG Rn. 45 m. w. N.) und allein über schriftsätzlich ausführlich erörterte
Rechtsfragen zu entscheiden ist (vgl. OLG Zweibrücken, NZG 2004, 872 - Tz. 38 [juris];
Wilske, in: Kölner Kommentar zum AktG, 3. Aufl., § 12 SpruchG Rn. 45).
141
b)
Sachverständige ergänzend mündlich angehört. Die Beteiligten hatten Gelegenheit,
Fragen zu stellen. Der von dem Gesetzgeber vorgesehenen Funktion der mündlichen
Verhandlung, den Verfahrensbeteiligten die Möglichkeit zur Befragung des
sachverständigen Prüfers bzw. des gerichtlichen Sachverständigen zu geben (vgl. BT-
Drucks. 15/371, S. 15), ist somit Genüge getan. Auch ansonsten sieht der Senat keine
Veranlassung für eine mündliche Verhandlung in der Beschwerdeinstanz. Der Senat
folgt im Ergebnis der Entscheidung des Landgerichts und stützt seine Entscheidung unter
Vertiefung der landgerichtlichen Argumentation nicht auf grundlegend neue Erwägungen.
Die Beteiligten hatten Gelegenheit zur Stellungnahme und haben diese weithin auch
genutzt. Ein zusätzlicher Erkenntnisgewinn durch eine mündliche Verhandlung ist nicht
zu erwarten. Angesichts dieser Umstände ist eine mündliche Verhandlung nicht geboten
(vgl. zum Ganzen auch Senat, Beschl. v. 24.07.2013 - 20 W 2/12 - Tz. 184 [juris]).