Urteil des OLG Stuttgart vom 10.01.2014

OLG Stuttgart: rechtliches gehör, vergleich, scheidungsverfahren, beendigung, nichtigkeit, unterhalt, aktivlegitimation, bezirk, aufenthalt, verfügung

OLG Stuttgart Beschluß vom 10.1.2014, 16 AR 5/13
Tenor
Das Amtsgericht - Familiengericht - Nürtingen wird als zuständiges Gericht bestimmt.
Gründe
I.
1 Der Antragsteller begehrt die Zahlung von Ehegattenunterhalt aus übergegangenem
Recht.
2 Die Ehe des Antragsgegners mit ..., die vom Antragsteller Sozialleistungen bezieht, wurde
durch Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Esslingen vom 07.11.2012 (5 F
111/12) rechtskräftig geschieden. Im Rahmen des Scheidungsverfahrens hatten die
Ehegatten am 07.11.2012 einen gerichtlich protokollierten Vergleich hinsichtlich des
Ehegattenunterhalts und des Zugewinns - beide Gegenstände waren nicht als
Folgesachen anhängig - geschlossen.
3 Mit Schriftsatz vom 15.10.2013 beantragte der Antragsteller nunmehr vor dem
Familiengericht Nürtingen (21 F 948/13) unter Berufung auf die Nichtigkeit der
Vereinbarung vom 07.11.2012 den Antragsgegner zu verpflichten, rückständigen und
laufenden nachehelichen Unterhalt zu leisten.
4 Auf entsprechende Rüge der örtlichen Zuständigkeit durch den Antragsgegner erklärte
sich das Amtsgericht - Familiengericht - Nürtingen nach Anhörung der Beteiligten für
örtlich unzuständig und verwies das Verfahren auf Antrag des Antragstellers an das
Amtsgericht - Familiengericht - Esslingen (Beschluss vom 06.12.2013). Zur Begründung
wurde ausgeführt, dass das Scheidungsverfahren (5 F 111/12) aufgrund der behaupteten
Unwirksamkeit des Vergleichs vom 07.11.2012 dort fortzuführen sei.
5 Nachdem das Amtsgericht Esslingen die Übernahme durch Verfügung vom 16.12.2013
abgelehnt hatte, wurde die Sache vom Amtsgericht Nürtingen dem Oberlandesgericht zur
Bestimmung des örtlich zuständigen Gerichts vorgelegt.
II.
6 Das Oberlandesgericht Stuttgart ist zur Entscheidung über den negativen
Kompetenzkonflikt zwischen dem Amtsgericht - Familiengericht - Nürtingen und dem
Amtsgericht - Familiengericht - Esslingen nach §§ 113 Abs. 1 FamFG, 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO
berufen, da sich die beiden Familiengerichte über die örtliche Zuständigkeit nicht einigen
können, indem sich das Amtsgericht Nürtingen durch Beschluss vom 06.12.2013 für
unzuständig erklärt, das Amtsgericht Esslingen das Verfahren indessen nicht
übernommen hat (Vollkommer in: Zöller, ZPO, 30. Aufl., § 36 ZPO, Rz 24).
7 Der Bestimmung durch den Senat steht eine Bindungswirkung des Beschlusses des
Amtsgerichts - Familiengericht - Nürtingen vom 06.12.2013 gemäß §§ 113 Abs. 1 FamFG,
281 Abs. 2 Satz 4 ZPO nicht entgegen.
8 Zwar hat der Familienrichter im rechtshängigen Verfahren vor der antragsgemäßen
Verweisung den Beteiligten rechtliches Gehör gewährt und den Verweisungsbeschluss
begründet.
9 Allerdings sind - wie hier - offensichtlich unrichtige Verweisungsbeschlüsse im
Bestimmungsverfahren nicht zu beachten (BGHZ 102, 341; BayObLGZ 2003, 187).
10 Ein Verfahren, in dem ein Vergleich geschlossen wurde, ist grundsätzlich nur dann
fortzusetzen ist, wenn die Wirksamkeit des Vergleichs angegriffen und damit seine das
Verfahren beendigende Wirkung in Frage gestellt wird, so dass selbst einem neuen
Verfahren, das den Gegenstand des ursprünglichen umfasst, die Zulässigkeit nicht
abgesprochen werden kann, wenn die Beteiligten die Beendigung des vormaligen
Verfahrens nicht in Frage stellen (zuletzt BGH Urteil vom 21.11.2013, VII ZR 48/12,
veröffentlicht in , mit zahlreichen Nachweisen).
11 Indes waren vorliegend im Scheidungsverfahren vor dem Amtsgericht - Familiengericht -
Esslingen (5 F 111/12) lediglich die Ehesache und (bis zu dessen Abtrennung) der
Versorgungsausgleich verfahrensgegenständlich. Der Vergleich vom 07.11.2012 ist
hinsichtlich nicht anhängiger Folgesachen geschlossen worden; die Beendigung des
Scheidungsverfahrens wird nicht in Frage gestellt, was im Übrigen dem Antragsteller, der
seine Aktivlegitimation auf übergegangene Unterhaltsansprüche stützt, selbstredend
ohnehin nicht zustehen kann. Auch der die örtliche Zuständigkeit des Familiengerichts
Nürtingen rügende Antragsgegner erinnert gegen den Scheidungsausspruch nichts.
12 Zudem scheiden verfahrensökonomische Aspekte, die dafür sprächen, die Nichtigkeit
eines gerichtlichen Vergleichs nur im Ursprungsverfahren geltend machen zu können,
aus, da ein Verfahrensstoff „nachehelicher Unterhalt“, der eventuell verwertet werden
könnte, nicht existiert (BGH NJW 1983, 2034; OLG Frankfurt FamRZ 1990, 178).
13 Das Amtsgericht - Familiengericht - Nürtingen ist demgemäß nach §§ 231 Abs. 1 Nr. 2,
232 Abs. 3 Satz 1 FamFG, 12, 13 ZPO örtlich zuständig, da der Antragsgegner im Bezirk
des Amtsgerichts Nürtingen seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat.