Urteil des OLG Stuttgart vom 11.09.2013

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OLG Stuttgart Beschluß vom 11.9.2013, 11 UF 173/13
Tenor
Die Beteiligten werden darauf hingewiesen, dass der Senat beabsichtigt, die Beschwerde ohne
mündliche Verhandlung gemäß § 68 Abs. 3 FamFG
zurückzuweisen.
Die Beteiligten erhalten Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum
04.10.2013
Gründe
I.
1 Die Beteiligten sind getrennt lebende Eheleute. Das Scheidungsverfahren ist beim
Amtsgericht- Familiengericht- Esslingen rechtshängig (Az: 6 F 806/10).
2 Die Beteiligten sind zu gleichen Teilen Miteigentümer des Gebäudegrundstücks X-Weg
00, 00000 B.. Am 11.6.2003 trafen die Beteiligten über das Grundstück folgende
Vereinbarung:
3
1. Es ist geplant, dieses Grundstück mit einem Gebäude zu bebauen, welches zum Teil
eigenen Wohnzwecken, zum Teil fremdgewerblichen Zwecken dient.
2. Herr J. S. wird diese Maßnahme in eigenem Namen und auf eigene Rechnung
durchführen. Frau A. S. duldet diese Maßnahme und erteilt Herrn J. S. hierzu
unwiderrufliche Vollmacht zur Durchführung aller Handlungen, wie z.B. Beauftragung
eines Architekten, Antrag auf Baugesuch, Beauftragung von Bauhandwerkern etc. die zur
Verwirklichung dieses Vorhabens notwendig sind.
3. Sämtliche Aufwendungen für diese Maßnahmen werden alleine von Herrn S. getragen,
ebenso steht ihm der Ertrag aus der Maßnahme zu.
4. Nach Fertigstellung erhält Frau S. eine Nutzungsentschädigung in Höhe von 400 Euro
monatlich.
4 Der Antragsteller errichtete eine Wohnhaus auf dem Grundstück, welches von beiden
gemeinsam bewohnt wurde.
5 Nach der Trennung im August 2010 verblieb die Antragsgegnerin mit den gemeinsamen
Kindern zunächst in der Wohnung und zog im Dezember 2011 aus.
6 Im Verfahren 6 F 482/12 vor dem Amtsgericht Esslingen verpflichtete sich die
Antragsgegnerin durch Vergleich vom 27.6.2012, das Grundstück geräumt an den
Antragsteller herauszugeben und stimmt einer Neuvermietung zu.
7 Der Antragsteller schloss einen Mietvertrag zum 1.10.2012 worin sich die Mieter
verpflichteten, ein Drittel der Kaltmiete, 553,00 EUR, an die Antragsgegnerin zu bezahlen.
8 Durch Beschluss des Amtsgerichts Esslingen, Az.: 2 K 74/12 vom 4.6.2012 wurde auf
Antrag der Antragsgegnerin die Zwangsversteigerung zur Aufhebung der
Miteigentümergemeinschaft angeordnet. Der vom Antragsteller gestellte Antrag auf
Vollstreckungsschutz nach § 180 ZVG wurde mit Beschluss des Amtsgerichts Esslingen
vom 1.10.2012 als unbegründet zurückgewiesen. Die hiergegen eingelegte Beschwerde
wurde durch Beschluss des Landgerichts Stuttgart vom 24.1.2013 zurückgewiesen.
9 Der Antragsteller begehrt im Wege des Drittwiderspruchsantrags, das
Zwangsversteigerungsverfahren in das Grundstück für unzulässig zu erklären.
10 § 771 ZPO sei auf den vorliegenden Fall analog anzuwenden. Die zwischen den
Beteiligten geschlossene Nutzungsvereinbarung stehe der Versteigerung entgegen, sie
stelle ein die Veräußerung hinderndes Recht dar. Durch die Nutzungsvereinbarung sei er
berechtigt, das Grundstück zu nutzen. Dieses Recht werde durch die Beschlagnahme
unterlaufen.
11 Die Antragsgegnerin hält den Antrag für unzulässig, zumindest jedoch für unbegründet.
12 Das Familiengericht hat den Drittwiderspruchsantrag als unbegründet zurückgewiesen.
13 Mit der Beschwerde verfolgt der Antragsteller seinen ursprünglichen Antrag weiter. Er legt
ein Rechtsgutachten des Prof. Dr. P. vor zur Frage der Erfolgsaussicht des
Drittwiderspruchsantrags im Hinblick auf einen gegen den Vollstreckungsgläubiger
gerichteten, schuldrechtlichen Anspruch.
II.
14 Der Senat beabsichtigt, die Beschwerde ohne weitere mündliche Verhandlung
zurückzuweisen, da diese keine hinreichende Erfolgsaussicht bietet und von einer
erneuten Verhandlung keine zusätzlichen Erkenntnisse zu erwarten sind, § 68 Abs. 3
FamFG.
15 Zutreffend ging das Familiengericht von der Zulässigkeit des Drittwiderspruchsantrags im
vorliegenden Fall aus. Dies ist der Beschwerde günstig und wird von ihr nicht gerügt.
16 Das Familiengericht hat den Antrag jedoch zu Recht als unbegründet abgewiesen.
17 Das sich aus § 749 BGB ergebende Recht der Antragsgegnerin, die Aufhebung der
Gemeinschaft zu verlangen ist weder durch die getroffene Nutzungsvereinbarung, noch
aus Treu und Glauben ausgeschlossen.
18 Ein die Veräußerung hinderndes Recht liegt nicht vor.
19 Es ist zutreffend, dass nicht nur dingliche Rechte ein die Veräußerung hinderndes Recht
im Sinne des § 771 ZPO darstellen können (vgl. Thomas/Putzo/Seiler, ZPO, 34. Auflage,
771 Rn. 18).
20 Vorliegend liegt gleichwohl kein die Veräußerung hinderndes Recht vor.
21 Wie im Gutachten des Prof. Dr. P. dargestellt, ist die Unterscheidung in relative und
absolute Rechte nicht ausschlaggebend für die Annahme eines die Veräußerung
hindernden Rechts im Sinne des § 771 ZPO. Alleiniges Kriterium für die Qualifizierung als
Interventionsrecht eines Dritten ist die Zuordnung des Gegenstandes der
Zwangsvollstreckung zum Vermögen des Dritten.
22 Schuldrechtliche Ansprüche auf den Gegenstand der Zwangsvollstreckung kommen nach
allgemeiner Meinung daher nur in Betracht, soweit es sich um Herausgabeansprüche aus
Überlassung von Gegenständen handelt, zum Beispiel aus Miete, Leihe oder Pacht
(Thomas/Putzo/Seiler, aaO, 771 Rn. 18; Zöller/Herget, ZPO, 29.Auflage § 771 Rn. 14).
23 Dies ist hier gerade nicht der Fall. Ist der Schuldner Eigentümer und der Dritte nur
mittelbarer Besitzer, ist der Gegenstand dem Vermögen des Schuldners zuzuordnen. Der
Dritte hat in diesem Fall kein Interventionsrecht (vgl. Lackmann in Musielak, 10. Auflage, §
771 Rn. 26; Schmidt/Brinkmann in Münchener Kommentar, 4. Auflage § 771 Rn. 40; OLG
Köln IPRspr 2008 Nr. 187, S. 588 ff.).
24 So liegt der Fall hier. Zwar hat der Antragsteller gegenüber der Antragsgegnerin einen
Anspruch auf Nutzungsüberlassung, dieser ist jedoch nicht geeignet, den
Miteigentumsanteil der Antragsgegnerin dem Vermögen des Antragstellers zuzuordnen.
Die Vereinbarung berührt die Ansprüche aus dem Eigentum nicht, sie bezieht sich
lediglich auf die gezogenen Nutzungen. Stehen dem Drittwiderspruchsantragsteller
gegenüber dem Eigentümer die Nutzungen aus dem Grundstück zu, ist die Anordnung
einer Zwangsverwaltung nicht möglich, da in diesem Fall der Vollstreckungsgegenstand
(die Nutzungen) dem Vermögen des Dritten zuzuordnen ist. Das Interventionsrecht muss
sich dabei gerade auf den Gegenstand der Zwangsvollstreckung beziehen. Der
Miteigentumsanteil der Antragsgegnerin ist ihrem Vermögen zuzuordnen und auch im
Verhältnis zum Antragsteller ihr alleine zugewiesen.
25 Zu Recht ging das Familiengericht davon aus, dass die Durchführung der
Teilungsversteigerung nicht rechtsmissbräuchlich ist. Die Antragsgegnerin hat ein
berechtigtes Interesse an der Aufhebung der Gemeinschaft und der Auseinandersetzung
des gemeinsamen Vermögens der getrennten Eheleute.
26 Die Auseinandersetzung ist für den Antragsteller nicht unzumutbar. Der Verlust der
Vorteile aus der Nutzungsvereinbarung führt nicht dazu, dass die Teilungsversteigerung
aus Treu und Glauben als unzumutbar ausgeschlossen ist. Es ist einer schuldrechtlichen
Nutzungsabrede immanent, dass sie gegenüber einem Erwerber keine Wirkung entfaltet.
Vorliegend wurde bewusst, aus Kostengründen, auf die Erteilung eines Erbbaurechts und
damit auf den Schutzumfang einer dinglichen Vereinbarung verzichtet.
27 Auch im Falle eines Erbbaurechts könnte die Antragsgegnerin die Teilungsversteigerung
betreiben (vgl. Zöller, aaO, § 771 Rn. 14).
28 Der Antragsteller kann aus der Vereinbarung keine weitergehenden Rechte ableiten, als
dies bei einem ursprünglich gewollten Erbbaurecht der Fall wäre. Faktisch käme dies
einem Veräußerungsverbot der Antragsgegnerin gleich, sie könnte ihren
Grundstücksanteil nur an den Antragsteller veräußern, um ihm die Rechts aus der
Nutzungsvereinbarung zu erhalten. Diese Bindung kann der vorliegenden
Nutzungsvereinbarung nicht entnommen werden. Dem Antragsteller bleibt die Möglichkeit,
den Anteil der Antragsgegnerin selbst zu ersteigern.
29 Der Antragsteller wird um Mitteilung innerhalb der gesetzten Frist gebeten, ob seine
Beschwerde aufrechterhalten bleibt.