Urteil des OLG Stuttgart vom 14.11.2013

OLG Stuttgart: verbraucher, irreführende werbung, arzneimittel, zugabe, produkt, taxe, markt, hersteller, beeinflussung, apotheker

OLG Stuttgart Urteil vom 14.11.2013, 2 U 182/12
Tenor
I. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil der Vorsitzenden der 20. Kammer für
Handelssachen des Landgerichts Tübingen vom 09. November 2012 (Az.: 20 O 21/12) wird
z u r ü c k g e w i e s e n
II. Der Beklagte trägt die Kosten seiner Säumnis. Die übrigen Kosten des Rechtsstreites werden
gegeneinander aufgehoben.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar,
Dem Beklagten wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung des Klägers wegen des
Unterlassungsanspruchs durch Sicherheitsleistung in Höhe von 10.000,- EUR,
diejenige aus dem Kostenpunkt durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120% der
vollstreckbaren Kostenforderung abzuwenden, sofern nicht der Kläger vor der
Vollstreckung in der Hauptsache Sicherheit in Höhe 10.000,- EUR und vor
derjenigen aus dem Kostenpunkt Sicherheit in Höhe von 120% des beizutreibenden
Betrages leistet.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Streitwert
bis zum Beginn der mündlichen Verhandlung im zweiten Rechtszug 40.000,- EUR,
danach bis zur übereinstimmenden Teilerledigungserklärung 20.000,- ,
danach 10.000,- EUR.
Gründe
I.
1 Der Kläger begehrt Unterlassung auf wettbewerbsrechtlicher Grundlage und
Kostenerstattung.
2 Wegen des Sachverhalts wird auf die tatsächlichen Feststellungen in dem Urteil der
Vorsitzenden der 20. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Tübingen vom 09.
November 2012 (Az.: 20 0 21/12) Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).
3 Das Landgericht hat sein Versäumnisurteil vom 07. Mai 2012 aufrechterhalten und hierzu,
soweit noch im Streit, im Kern ausgeführt:
4 Mit der werblichen Bezugnahme auf einen „bisherigen Preis nach ABDA" (Klageantrag
Ziffer 1b) verstoße der Beklagte gegen das Irreführungsverbot der §§ 3, 5 Abs. 1 Nr. 2
UWG. Diese Bezugnahme sei der Form und den Begleitumständen nach weder klar noch
bestimmt. Die werbende Angabe erwecke zudem den Eindruck einer besonderen
Preisgünstigkeit gegenüber einem bisherigen Preis, der aber als solcher gar nicht existiert
habe. Die Werbeaussage sei daher objektiv unwahr, was das Gericht beurteilen könne.
5 Die zu unverbindlichen Preisempfehlungen ergangene Rechtsprechung könne vorliegend
nicht unmittelbar herangezogen werden, jedoch gälten die darin entwickelten Maßstäbe
entsprechend. Gemessen an diesen Maßstäben liege eine Irreführung vor. Der Beklagte
habe nicht klargestellt, dass es sich bei dem von ihm in Bezug genommenen bisherigen
Preis nach ABDA um einen Preis handele, der als solcher nicht existiere. Nicht einmal
ansatzweise ergebe sich aus der Werbung, dass der Beklagte seine Werbeaussage „40%
gespart" auf Preisangaben aus der Lauer-Taxe beziehe.
6 Eine Werbung mit Preisnachlässen sei ferner auch irreführend, wenn sie unzutreffende
Aussagen über Höhe, Dauer, Ausmaß und Gründe der Preisnachlassgewährung enthalte.
Die Bezugnahme auf einen bisherigen Preis nach ABDA erwecke beim Verbraucher den
Eindruck, das beworbene Arzneimittel werde deutlich unter einem bisherigen
verbindlichen Preis verkauft. Tatsächlich sei dies aber nicht der Fall.
7 Völlig unerheblich sei, ob sich der Verbraucher durch weitere Internet-Recherchen oder
telefonische Rückfragen über den in Bezug genommenen Preis nach ABDA informieren
könne.
8 Mit der Auslobung der Abgabe eines Thermobechers für den gleichzeitigen Kauf des
apothekenpflichtigen Arzneimittels A.-C. (Klagantrag Ziffer 1c) verstoße der Beklagte
gegen §§ 3, 4 Nr., 11 i.V.m. § 7 HWG, § 8 UWG. Keiner der in § 7 Abs. 1 Nr. 1 bis 5 HWG
genannten Ausnahmetatbestände liege vor. Insbesondere handele es sich bei dem
ausgelobten Thermobecher nicht um eine geringwertige Kleinigkeit im Sinne des
Gesetzes. Dafür betrage die Wertgrenze einen Euro, wobei nicht ein Herstellerpreis der
Maßstab sei, sondern der Preis, den der verständige Verbraucher, also der
angesprochene Verkehrskreis - zu dem die Vorsitzende zähle – der Gabe beimesse.
Dieser liege deutlich über 1,- EUR.
9 Auch der in der Werbemaßnahme ohnehin nicht sichtbare, sehr dezente Werbeaufdruck
mindere den Wert des Thermobechers, der dazu noch den Eindruck vermittele, aus
Edelstahl zu sein, nicht erheblich.
10 § 7 HWG bezwecke gerade den Schutz der Verbraucher vor unsachlicher Beeinflussung.
Erheblichkeit im Sinne des § 3 UWG liege vor.
11 Eine Einschränkung des Verbotes auf künftige Preisänderungen sei nicht geboten.
12 Der Anspruch des Klägers auf Ersatz der Abmahnkosten folge aus § 12 Abs. 1 Satz 2
UWG. 205,- EUR zuzüglich 7% Mehrwertsteuer entspreche den üblicherweise geltend
gemachten Kosten des Klägers. Der Betrag sei unbestritten.
13 Gegen dieses Urteil hat der Beklagte form- und fristgerecht Berufung eingelegt und sein
Rechtsmittel prozessordnungsgemäß begründet.
14 Der Beklagte bringt mit seiner Berufung vor:
15 Die mit Klagantrag 1b beanstandete Preisgegenüberstellung verstoße nicht gegen das
Irreführungsverbot der §§ 3, 5 Abs. 1 Nr. 2 UWG. UVPs könne der Verbraucher nicht
verifizieren. Über „Preise nach ABDA" könne er hingegen Gewissheit erlangen, indem er
beim Besuch in der Apotheke am Bildschirm des Apothekers die Preise unmittelbar
einsehen könne. Die Bezugnahme sei daher der Form und der Begleitumstände wegen
klar und bestimmt, objektiv richtig und zutreffend, insbesondere bezüglich der Höhe, der
Dauer, des Ausmaßes und der Gründe der Preisnachlassgewährung.
16 Der Beklagte habe nicht behauptet, dass die in der „Lauer-Taxe“ ausgewiesenen Preise
unverbindliche Empfehlungen seien. Das Landgericht übersehe, dass sich der Apotheker
in diesem Kontext an den für die Abgabe zu Lasten der gesetzlichen
Krankenverssicherungen festgesetzten Preisen orientiere. Als Bezugsgröße sei der Preis
daher für den Verbraucher von Relevanz. Der nach dem AMG anzugebende Abgabepreis
sei ernsthaft kalkuliert und als Endpreis angemessen, seine Angabe also nicht irreführend.
17 Die Angabe des Apothekenverkaufspreises gem. § 78 Abs. 3 Satz 1 2. Halbsatz AMG als
Bezugsgröße für Rabatte liege auch im Interesse des Verbrauchers. Andere
Bezugsgrößen seien ständig im Fluss und dadurch schwer nachvollziehbar.
18 Für den informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen
Durchschnittsverbraucher, der daran gewöhnt sei, Preise anhand einer für ihn per se nicht
nachvollziehbaren Angabe einer unverbindlichen Preisempfehlung zu vergleichen, sei es
sogar leichter möglich, eine ABDA-Preisangabe zu verifizieren. Folglich müsse es im
Hinblick auf die Grundsätze der Preisklarheit und der Preiswahrheit ausreichen, wenn der
vom Beklagten als „bisheriger Preis nach ABDA" bezeichnete Preis sich bei dem
betreffenden Produkt finde.
19 Auch eine tatsächliche Relevanz des Apothekenverkaufspreises sei für Verbraucher nicht
erforderlich. Selbst die unverbindliche Preisempfehlung des Herstellers werde mitunter
von kaum einem Händler als Endpreis verlangt. Dies führe nicht zu einer Irreführung nach
§ 5 UWG, sofern die Voraussetzungen an einen ernsthaft kalkulierten Preis eingehalten
würden.
20 Eine erhebliche Mehrheit der deutschen Apotheken richte sich bei ihren Angeboten nach
den von den Herstellern an die I. GmbH gemeldeten unverbindlichen
Apothekenabgabepreisen. Gegenüber Krankenkassen seien sie verbindlich.
21 Die Irreführungsquote lege das Landgericht nicht fest. Selbst eine Irreführung von 20%
aller angesprochenen Interessenten würde dabei nach neuerer Rechtsprechung nicht
genügen. Vielmehr wäre eine Irreführungsquote von etwa einem Drittel erforderlich. Eine
solche Quote habe der Kläger nicht vorgetragen, geschweige denn belegt. Sie dürfte
erheblich niedriger liegen.
22 Es fehle der Angabe auch an wettbewerblicher Relevanz. Nur ein geringer Teil der
informierten, mündigen Verbraucher werde keine weiteren Erkundigungen einziehen.
23 Der Thermobecher (Klageantrag Ziffer 1c) stelle eine geringwertige Kleinigkeit im Sinne
des § 7 HWG dar. Der Wert von 1,- EUR sei nicht die absolute Höchstgrenze des
Zulässigen. Der Becher sei einfachster Bauart und überschreite nicht einen Wert von 1,-
EUR. Wertmindernd sei der Werbeaufdruck.
24 Mit seinem letzten, am 29. August 2013 bei Gericht eingegangenen Schriftsatz vertieft der
Beklagte sein Vorbringen.
25 Darüber hinaus verweist er neben der neuen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes
auf eine am 13. August 2013 in Kraft getretene Neufassung des § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1
HWG und meint, wie schon vorgerichtlich, verschreibungsfreie Arzneimittel fielen nicht
unter das Zugabenverbot.
26 Er nennt einen ABDA-Preis für A. C.
27 Er beantragt unter Berücksichtigung der Teilklagerücknahme und der übereinstimmenden
Hauptsacheerledigungserklärung hinsichtlich des noch offenen Klageantrags
28 das landgerichtliche Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
29 Der Kläger beantragt,
30 die Berufung zurückzuweisen.
31 Der Kläger verteidigt das landgerichtliche Urteil:
32 Der Hinweis auf einen „bisherigen Preis nach ABDA" sei irreführend, da es einen solchen
nicht gebe. Die Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände („ABDA") gebe keine
Preisempfehlungen, keine Preisvorgaben und keine „bisherigen" Preisvorgaben und
Preisempfehlungen aus, die als Referenzpreis zu Werbezwecken herangezogen werden
könnten.
33 Die vom Beklagten herangezogenen Vergleichspreise der „Lauer-Taxe“ stellten keinen
„Preis nach ABDA" bzw. „bisherigen Preis nach ABDA" dar. Der Preis gemäß „Lauer-
Taxe“ sei weder eine Preisempfehlung der Hersteller, noch eine unverbindliche
Preisangabe. Sie gelte nicht im Verhältnis zum Apothekenkunden. Die “Lauer-Taxe“ halte
die Möglichkeit der Eingabe eines sogenannten „empfohlenen Verkaufspreises" vor. Ein
Hersteller, dem daran gelegen sei, Apothekern einen Abgabepreis zu empfehlen, könne
dort einen Wert hinterlegen. Für die hier streitgegenständlichen Artikel gebe es eine
solche Empfehlung nicht.
34 Es bleibe bestritten, dass die Angabe eines „bisherigen Preises nach ABDA" im Interesse
des Verbrauchers liege. Der Verbraucher habe mehr von der Angabe eines
Referenzpreises am Markt. Wie man bei der Angabe eines „bisherigen Preises nach
ABDA" auf die Idee kommen sollte, innerhalb der „Lauer-Taxe“ zu suchen, erschließe sich
dem Kläger nicht.
35 Es bleibe bestritten, dass die „unverbindliche Preisempfehlung des Herstellers" mitunter
von kaum einem Händler als Endpreis verlangt werde und dass der unverbindliche
Apothekenverkaufspreis für den Verbraucher auch tatsächlich relevant sei, da
apothekenüblich. Der vorgelegte Untersuchungsbericht sei hier untauglich.
36 Der Hinweis des Beklagten, dass das Landgericht keine Irreführungsquote dargelegt
habe, sei unerheblich. Die Grenze der Geringwertigkeit liege nach der höchstrichterlichen
Rechtsprechung bei 1,- EUR. Die Feststellungen des Landgerichts nach
Inaugenscheinnahme des von dem Beklagten zu Werbezwecken abgegebenen
Thermobechers seien sachlich zutreffend. Zurecht stelle es nicht auf den Einkaufswert ab.
Auch den Werbeaufdruck habe das Landgericht hinreichend berücksichtigt.
37 Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens im zweiten Rechtszug wird auf
die im Berufungsverfahren bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung eingereichten
Schriftsätze nebst Anlagen und die Sitzungsniederschrift vom 05. September 2013 Bezug
genommen.
38 Vor Beginn der streitigen Verhandlung zur Sache vor dem Senat hat der Kläger seinen
Klageantrag Ziffer 1a mit Zustimmung des Beklagten zurückgenommen. Im Zuge dieser
mündlichen Verhandlung haben die Parteien den Rechtsstreit wegen des Klageantrags
Ziffer 1b übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt.
II.
39 Die Berufung ist zulässig, aber - soweit noch über den erhobenen Unterlassungsanspruch
zu entscheiden ist - unbegründet.
A)
40 Den noch im Streit stehenden Unterlassungsanspruch gemäß dem Klageantrag Ziffer 1c
hat das Landgericht zurecht zugesprochen. Ohne Erfolg muss der Einwand des Beklagten
bleiben, das Rabatt- und Zugabenverbot des Heilmittelwerberechts erfasse solche
Arzneimittel nicht, die nicht der Preisbindung unterlägen (dazu 1.). Hiervon ausgehend, ist
das landgerichtliche Urteil in Begründung und Ergebnis richtig (dazu 2.).
1.
41 Auch beim Verkauf von Arzneimitteln, die nicht der Preisbindung unterlagen, sind
Zugaben nicht unbeschränkt, sondern nur nach Maßgabe des § 7 HWG zulässig.
a)
42 Zwar erscheint es auf den ersten Blick plausibel, dass es widersprüchlich wäre, wenn der
Apotheker auf bestimmte Arzneimittel zwar einen Barnachlass geben dürfte, aber keine
Zugabe selben Wertes.
b)
43 Dem steht aber entgegen, dass rechtsdogmatisch das Arzneimittelpreisrecht einerseits
und das Heilmittelwerberecht andererseits in ihrer Zwecksetzung verwandt sind, aber
doch unterschiedliche Regelungskreise darstellen, die folglich auch zu unterschiedlichen
Ergebnissen führen können. Das HWG bezieht sich zwar auf den Arzneimittelbegriff (vgl. §
2 AMG), aber eben nicht nur auf preisgebundene oder verschreibungspflichtige
Arzneimittel (vgl. § 1 Abs. 1 Nr. 1 HWG).
44 Auch tatsächlich stellt es einen Unterschied dar, ob der Apotheker einen Kaufpreis
verändert oder ob er eine Zusage gewährt oder auslobt. Gerade der vorliegende Fall, in
dem der objektive Wert der Zugabe deutlich von der Wertschätzung abweicht, welche sich
dem potenziellen Kunden in der Werbung aufdrängt, zeigt, dass eine Zugaben-werbung
stärker geeignet ist, den Kunden zu einer sachfremden Entscheidung zu bewegen als der
reine, arithmetisch mit dem Konkurrenzpreis vergleichbare Warenpreis.
45 Von dieser Auslegung ist ersichtlich auch der Bundesgerichtshof ausgegangen (vgl. BGH,
Urteil vom 09. September 2010 – I ZR 193/07, GRUR 2010, 1136, bei juris Rz. 25 –
UNSER DANKESCHÖN FÜR SIE).
46 Die Neufassung des § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 HWG hat daran nichts geändert. Im Gegenteil
belegt die vom Beklagten zitierte Novelle (vgl. BGBl. 2013, Abt. I, S. 3108), dass
zumindest der Gesetzgeber des Jahres 2013 davon ausgegangen ist, dass die bisherige
Rechtslage auch nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel erfasst habe. Denn er hat
lediglich einen Satz zu den verschreibungspflichtigen angefügt, der das Zugabenverbot
verschärft. Hätte er angenommen, verschreibungsfreie seien von der alten Regelung nicht
betroffen, so hätte er diese Ziffer ändern und nicht ergänzen müssen.
2.
47 Die im Streitfall in Rede stehende Werbung des Beklagten ist nach keiner der in § 7 Abs. 1
Satz 1 Nr. 1, 3, 4 und 5 HWG enthaltenen Regelungen zulässig. Zurecht hat das
Landgericht die ausgelobte Dreingabe nicht als nach Maßgabe des § 7 Abs. 1 HWG
zulässige geringwertige Dreingabe angesehen, sondern als unzulässige, den Markt
unlauter und erheblich beeinflussende Zugabe. Auszugehen ist für die Geringwertigkeit
derzeit von einer Wertgrenze von 1,- EUR. Die Erwägungen, welche der
Bundesgerichtshof im Jahr 2010 hierzu angestellt hat, harren insbesondere nicht im
Hinblick auf Geldentwertung einer Anpassung. Für Preisnachlässe, Wertgutscheine und
dergleichen zieht der Beklagte dies im Hinblick auf die Urteile des Bundesgerichtshofes in
Sachen I ZR 90/12 und I ZR 98/12 nicht mehr in Zweifel. Dieselbe Grenze gilt, was die
Berufung bekämpft, auch für Dreingaben. Der anzusetzende Wert des versprochenen
Thermobechers überschreitet diese Grenze deutlich.
a)
48 Nach dem Sinn und Zweck der Regelung fallen unter den Begriff der geringwertigen
Kleinigkeit im Sinne des § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Fall 2 HWG allein Gegenstände von so
geringem Wert, dass eine relevante unsachliche Beeinflussung der Werbeadressaten als
ausgeschlossen erscheint (vgl. BGH, Urteil vom 09. September 2010 – I ZR 193/07,
GRUR 2010, 1136, bei juris Rz. 25 – UNSER DANKESCHÖN FÜR SIE, OLG Oldenburg,
WRP 2006, 913, 915). Als geringwertige Kleinigkeiten sind daher nur kleinere Zugaben
anzusehen, die sich als Ausdruck allgemeiner Kundenfreundlichkeit darstellen (BGH,
a.a.O., u.H. auf u.a. BGH, Urteil vom 09. September 2010 - I ZR 98/08, Rn. 22 -
Bonuspunkte).
b)
49 Wie das Landgericht zutreffend hervorgehoben hat, ist zur Würdigung, ob eine derartige
geringwertige Kleinigkeit abgegeben oder als Zugabe angepriesen wird, nicht auf den
vom Landgericht mit 1,05 EUR festgestellten, unstreitigen Einkaufspreis, geschweige
denn auf einen zukünftig möglicherweise geringeren Einkaufspreis abzustellen, sondern
auf die Wertschätzung, die der angesprochene Verbraucher nach der Werbung für die
angebotene Zugabe entwickelt. Denn von ihr hängt es ab, ob er sich von der Aussicht auf
die Zugabe bei der Auswahl der Apotheke beeinflussen lässt, in der er das Produkt kauft,
mit dessen Kauf er die Zugabe erwartet und ob er sich für dieses Produkt entscheidet oder
für ein anderes, gleichfalls in Betracht kommendes Konkurrenzprodukt.
c)
50 Hierzu hat das Landgericht, von der Berufung nicht substantiiert angegriffen, festgestellt,
der Becher erwecke auf dem Werbebild den Eindruck, aus Edelstahl zu sein. Den Wert
eines Edelstahlthermobechers bemisst der Verbraucher, wie vom Landgericht erkannt, auf
mehrere Euro; er geht davon aus, für ein gleichwertiges Produkt im Laden einen Preis in
dieser Größenordnung bezahlen zu müssen. Der Senat geht von einem regelmäßigen
Kaufpreis zwischen 3,- EUR und 5,- EUR aus. Auf etwaige Sonderverkäufe, wie vom
Beklagten in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat für einen späteren Zeitraum als
Angebot der Fa. „T.“ vorgetragen, kommt es dabei nicht an, weil der Verbraucher diese
zum einen nicht vorab kennt, zum anderen auch keine Marktanalyse anstellen wird, wenn
er eine Vorstellung vom Kaufpreis eines Bechers der beworbenen Art, wie er ihn sich
vorstellt, hat.
51 Demgegenüber kann sich der Beklagte nicht darauf berufen, der Becher sei einfachster
Bauart. Dies bleibt unbeachtlich, da es dem Verbraucher verborgen bleibt. Es hätte dem
Beklagten offen gestanden, darauf in seiner Werbung hinzuweisen, weil die Abbildung
einen anderen Eindruck erweckte. Da er eine solche Klarstellung unterlassen hat, kann er
dieses objektive Kriterium nicht gegen den maßgebenden subjektiven Eindruck des
Verbrauchers stellen, den er durch seine Werbung hervorgerufen hat.
52 Auch der Werbeaufdruck mindert die Wertschätzung des Verbrauchers für den Becher
nicht. Das Landgericht hat, gleichfalls unangegriffenermaßen, festgestellt, dass dieser
Aufdruck in der Werbung nicht erkannt werde. Damit scheidet eine Beeinflussung des
Verbrauchers durch ihn aus.
B)
53 Der Kostenerstattungsanspruch des Klägers aus § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG besteht nebst
Zinsen, wie vom Landgericht zugesprochen und vom Beklagten der Höhe nach nicht
angegriffen. Eine Abmahnkostenpauschale ist auch dann in voller Höhe zu entrichten,
wenn die Abmahnung nur teilweise berechtigt war (vgl. BGHZ 177, 253, bei juris Rz. 50,
m.w.N.; OLG Stuttgart, Urteil vom 10. Dezember 2009 – 2 U 51/09, bei juris Rz. 47 f.,
m.w.N.). Gegen die Höhe der Pauschale bestehen (noch) keine Bedenken; die Berufung
macht solche auch nicht geltend.
III.
A)
54 Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 1, 97 Abs. 1, 269 Abs. 3, 91a ZPO.
1.
55 Soweit der Kläger seine Klage zurückgenommen hat (Klageantrag Ziffer 1 a) trifft ihn die
Kostenlast.
2.
56 Soweit die Parteien den Rechtsstreit übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt
erklärt haben, hat der Senat im Zuge einer einheitlichen Kostenentscheidung unter
Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen über
die Kosten des Rechtsstreits zu entscheiden (§ 91a ZPO). Vorliegend entspricht es
billigem Ermessen, die Kosten des Rechtsstreits insoweit dem Beklagten aufzuerlegen.
Denn der Klageantrag Ziffer 1 b) war entgegen der im Verhandlungstermin geäußerten
Ansicht des Beklagten nicht zu weit gefasst, und das Landgericht hat den mit diesem
Klageantrag erhobenen Unterlassungsanspruch zurecht zugesprochen.
a)
57 Die Werbung mit einem Preisnachlass von 40% gegenüber dem „bisherigen Preis nach
ABDA“ war irreführend, da unklar und gemäß §§ 3, 5 Abs. 1 Nr. 2 UWG unlauter. Bei einer
solchen Preisgegenüberstellung oder -bezugnahme muss sich aus der Werbung klar und
deutlich ergeben, worum es sich bei dem Vergleichspreis handelt (vgl. BGH, Urteile vom
17. März 2011 – I ZR 81/09, MDR 2011, 1191, bei juris Rz. 22 – Original Kanchipur; vom
25. Januar 1980 - I ZR 10/78, GRUR 1980, 306, 307 = WRP 1980, 330 -
Preisgegenüberstellung III; und vom 12. Dezember 1980 - I ZR 158/78, GRUR 1981, 654,
656 = WRP 1981, 454 – Testpreiswerbung; OLG Hamm, Urteil vom 24. Januar 2013 – I-4
U 186/12, GRUR-RR 2013, 261, bei juris Rz. 55 ff. – Q-Börse).
58 Daran geht das Argument des Beklagten vorbei, der angesprochene Verbraucher könne
sich in der Apotheke oder über das Internet weiter unterrichten und der informierte
Verbraucher nutze diese letztgenannte Möglichkeit auch. Abgesehen davon, dass dem in
tatsächlicher Hinsicht nicht beizutreten ist, weil die erste Variante an der
Lebenswirklichkeit vorbeigeht, die zweite nur von einem kleinen Bruchteil der Verbraucher
genutzt wird, gilt rechtlich: Entscheidend ist die Werbung selbst. Veranlasst sie den
Verbraucher dazu, sich näher mit dem beworbenen Angebot zu befassen, etwa indem er
sich in die Apotheke des Werbenden begibt, so hat die Unklarheit der Werbung bereits zu
einem Wettbewerbsvorteil geführt. Eine Heilung der Unlauterkeit scheidet dann aus.
b)
59 Diesen Vorgaben genügt die angegriffene Rabatt-Werbung nicht. Sie erweckt, wie vom
Landgericht dargelegt, beim Verbraucher den unzutreffenden Eindruck, es habe für das
beworbene Produkt bislang einen festen Preis gegeben, gegenüber dem der nunmehr
angebotene um 40% niedriger liege. Die Werbung spricht nicht von einer
Preisempfehlung, sondern von einem „bisherigen Preis“. Das Wort „Preis“ suggeriert in
deutlich stärkerem Maße als das Wort „Preisempfehlung“, dass der genannte Betrag vom
Kunden auch tatsächlich und durchgängig zu bezahlen gewesen wäre. Zwar mag, was
der Senat nicht zu entscheiden braucht, von dem maßgebenden durchschnittlich
informierten, situationsadäquat aufmerksamen Verbraucher bei einer Werbung für andere
als pharmazeutische Produkte ein Bezug zum Verkaufspreis nur dieses werbenden
Händlers gezogen werden. Im pharmazeutischen Bereich ist das Denken vieler
Verbraucher aber nach wie vor auch im preisbindungsfreien Segment unterschwellig
geprägt von der Vorstellung eines einheitlichen Apothekenabgabepreises. Außerdem
weiß der Verbraucher regelmäßig nicht, welche Arzneimittel der Preisbindung unterliegen
und welche nicht.
60 Wird in dieses Vorverständnis noch durch die Worte „Preis nach ABDA“ unterstützend
hineingewirkt, so legt dies auch für den ganz überwiegenden Teil der Verbraucher, der mit
dem Kürzel „ABDA“ nichts anfangen kann, die Annahme nahe, es handele sich bei dem
Bezugspreis um einen bisherigen Fest- oder verbindlichen Listenpreis, den er am Markt
bislang habe bezahlen müssen.
61 Einen Bezug zu der in der Berufungsbegründung in den Vordergrund gespielten „Lauer-
Liste“ enthält die Werbung nicht.
c)
62 Das Gebot der Klarheit der Werbung entspricht demjenigen bei der Werbung durch
Kaufleute mit Preisnachlässen. Derartige Rabattwerbung ist irreführend, wenn der
Werbende den angeblichen Normalpreis nicht zuvor für einen angemessenen Zeitraum
tatsächlich für das betreffende Produkt verlangt hatte. Darüber hinaus erweckt die
Werbung beim Verbraucher den Eindruck, der in Bezug genommene Referenzpreis sei bis
zum Beginn der Werbeaktion vom Beklagten selbst verlangt worden durch das Beiwort
„bisherigen“ in besonderer Weise. Dieses verstärkt das Verständnis des Wortes „Preis“
noch.
63 Nach den Feststellungen des landgerichtlichen Urteils und dem Berufungsvorbringen
kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Beklagte diesen Vorgaben genügt habe.
Dies kann aber auf dem Hintergrund der oben beschriebenen Unlauterkeit ebenso
dahinstehen wie die Frage, ob es für das beworbene Produkt „A. C.“ einen „bisherigen
Preis nach ABDA“ überhaupt gegeben habe, als der Beklagte so warb.
d)
64 Die demnach irreführende Werbung war auch markterheblich im Sinne des § 3 UWG. Von
erheblichen prozentualen Preisnachlässen geht stets eine starke Anlockwirkung aus (vgl.
zu Barrabatten BGH, Urteil vom 09. September 2010 – I ZR 193/07, GRUR 2010, 1136,
bei juris Rz. 25 – UNSER DANKESCHÖN FÜR SIE), so dass es sich verbietet, bei einem
Nachlassversprechen von 40% auf einen üblichen oder einen bisherigen Preis
anzunehmen, dieses beeinflusse den Markt nicht oder nur unerheblich.
B)
65 Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
C)
66 Den Streitwert schätzt der Senat nach §§ 48 Abs. 1, 47 Abs. 1, 43 Abs. 1, 51 GKG i.V.m. §
3, 4 ZPO. Dabei kommt dem zurückgenommenen Klageantrag Ziffer 1a eine größere
wirtschaftliche Bedeutung zu als jeweils den Klageanträgen Ziffer 1b und 1c, da die damit
angegriffene Werbung nach den - glaubhaften - Ausführungen des Beklagten im Termin
zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat das ganze Jahr über praktiziert werde und da
sie das gesamte Sortiment des Beklagten umfasse, wohingegen die beiden anderen
Anträge nur ein kleineres Teilsortiment beträfen und vom Hersteller empfohlene
Sonderaktionen seien. Bei der Wertschätzung ist darüber hinaus zu bedenken, dass der
Kläger nicht nur das Interesse eines Mitbewerbers verfolgt, sondern die Interessen der
Allgemeinheit.
67 Aufgrund dessen setzt der Senat für den vormaligen Klageantrag Ziffer 1a 20.000,- EUR
an und für die Klageanträge Ziffer 1b und 1c jeweils10.000,- EUR.
D)
68 Die Revision wird nicht zugelassen. Der Sache kommt keine grundsätzliche Bedeutung
zu. Der zitierten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes ist zu entnehmen, dass die
Wertgrenze von 1,- EUR nach wie vor und auch für Zugaben abseits der Wertgutscheine
gilt. Auch die Erstreckung des Heilmittelwerberechts auf verschreibungsfreie Arzneimittel
steht nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes außer Zweifel.